Urteil
Behinderungsgerechte Beschäftigung - keine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Entgeltfortzahlung

Gericht:

BAG


Aktenzeichen:

9 AZR 287/99


Urteil vom:

23.01.2001


Grundlage:

  • SchwbG § 14 |
  • BGB § 276 |
  • BGB § 615 |
  • BGB § 295 |
  • BGB § 323 |
  • BGB § 297

Leitsätze:

1. Ist ein Schwerbehinderter oder ein Gleichgestellter außerstand, die arbeitsvertraglich geschuldete Leistung zu erbringen, so gerät der Arbeitgeber nicht mit der Annahme der Dienste in Verzug.

2. Das Schwerbehindertenrecht verpflichtet den Arbeitgeber nicht zur Entgeltfortzahlung.

Rechtsweg:

Es liegen keine Informationen zum Rechtsweg vor.

Quelle:

Behindertenrecht 06/2001

Aus den Gründen:

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 14. Januar 1999 - 8 Sa 1013/ 97 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Soweit der Rechtsstreit erledigt ist, werden die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufgehoben.

Tatbestand:

Die Parteien streiten noch darüber, ob die Beklagte Verzugslohn, Urlaubsentgelt und zusätzliches Urlaubsgeld zu zahlen hat und ob der Kläger berechtigt ist, mit sofortiger Wirkung Urlaub aus 1995 und 1996 anzutreten.

Beide Parteien sind tarifgebunden. Die Beklagte hat den Kläger im März 1980 als Tischler eingestellt und zuletzt im Betriebsteil Ladenbau mit dem Zusammenbau von Möbelplatten beschäftigt. Sie führt einen Handwerksbetrieb, dessen Fertigungsprogramm den Ladenbau für Fachgeschäfte sowie die Objekteinrichtung umfasst. Die Betriebsgröße der Beklagten schwankte 1995 und 1998 zwischen 98 und 103 Arbeitsplätzen, auf denen ua. acht Schwerbehinderte und Gleichgestellte beschäftigt werden.

1993 fehlte der Kläger an mehr als 100 Arbeitstagen und 1994 an mehr als 50 Arbeitstagen wegen Krankheit. Seit dem 6. Februar 1995 war der Kläger ununterbrochen wegen Beschwerden an der Halswirbelsäule arbeitsunfähig. Er beantragte im April 1995 beim Versorgungsamt die Anerkennung als Schwerbehinderter. Die Beklagte wandte sich im September 1995 an die Hauptfürsorgestelle mit dem Antrag auf Zustimmung zur ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Als das Versorgungsamt den Grad der Behinderung auf 30 festsetzte, beantragte der Kläger am 23. Februar 1996 beim Arbeitsamt die Gleichstellung mit einem Schwerbehinderten. Diese hat das Arbeitsamt mit Rückwirkung auf den Tag der Antragstellung bewilligt.

Am 20. Februar 1996 legte der Kläger im Betrieb eine ärztliche Bescheinigung vor, nach der er ab sofort wieder arbeitsfähig sei. Als die Beklagte seine Bitte um sofortige Urlaubsgewährung wegen dringender Terminarbeiten ablehnte, weigerte sich der Kläger die Arbeit an seinem alten Arbeitsplatz als Tischler im "Zusammenbau" wieder aufzunehmen. Die Beklagte mahnte ihn deshalb ab. Für die Zeit ab 20. Februar 1996 reichte der Kläger weitere ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ein.

Wegen des laufenden Zustimmungsverfahrens zur Kündigung suchte am 18. September 1996 ein beratender Ingenieur des Technischen Dienstes der Hauptfürsorgestelle den Betrieb der Beklagten auf, um die Möglichkeit einer weiteren Beschäftigung zu überprüfen. Nach seiner Auffassung kann der Arbeitsplatz des Klägers unter Einsatz technischer Arbeitshilfen, insbesondere von Hebehilfen, so umgerüstet werden, dass er mit dessen Behinderung vereinbar ist. Darauf holte die Beklagte eine fachliche Stellungnahme des Leiters der Betriebsberatungsstelle des Tischlerhandwerks ein. Danach ist der Einsatz der vorgeschlagenen mechanischen Hubhilfen wegen der individuellen Fertigung, der Art der Arbeiten und der Formen und Dimensionen der Werkstücke nicht sinnvoll und im übrigen auch wirtschaftlich unzumutbar. Am 3. März 1997 fand eine erneute Betriebsbegehung durch die Hauptfürsorgestelle statt. Sie kam zu dem Ergebnis, entgegen der ursprünglichen Annahme seien Hebehilfen im Bereich des Möbelzusammenbaus nicht einsetzbar, insbesondere weil überwiegend Werkstücke mit einer auf mechanische Beanspruchung empfindlich reagierenden Oberfläche verarbeitet würden. Darauf stimmte die Hauptfürsorgestelle der ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu.

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis im April 1997 zum 31. Oktober 1997. Das vom Kläger angerufene Arbeitsgericht hat die Kündigungsschutzklage abgewiesen. Im Berufungsverfahren hat das Landesarbeitsgericht nach der Beweisaufnahme am 14. Dezember 1998 die Auffassung vertreten, ein Einsatz von Hubwerkzeugen sei für die behindertengerechte Ausstattung des Arbeitsplatzes des Klägers erforderlich und auch der Beklagten zumutbar. Es hat deshalb die Unwirksamkeit der Kündigung festgestellt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Revision der Beklagten ist bei einem anderen Senat des Bundesarbeitsgerichts anhängig.

Bereits vor der Kündigung hat der Kläger in dem hier anhängigen Rechtsstreit am 5. Juli 1996 gerichtlich geltend gemacht, er habe die Beklagte mit der Annahme seiner Dienste in Verzug gesetzt. Die Beklagte sei verpflichtet, ihm einen behindertengerechten Arbeitsplatz einzurichten. Da er nach entsprechenden Änderungen in der Lage sei, als Tischler im "Zusammenbau" zu arbeiten, verweigere die Beklagte ihm rechtswidrig den Antritt des Urlaubs aus den Jahren 1995 und 1996.


Er hat nach mehrfacher Klageerweiterung erstinstanzlich beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger einen Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen, an dem er unter Berücksichtigung seiner körperlichen Beeinträchtigung eine vollschichtige Tätigkeit ausüben kann,

2. ...

3. festzustellen, dass der Kläger berechtigt ist, mit sofortiger Wirkung seinen Resturlaub für 1995 (27 Arbeitstage) und seinen Jahresurlaub für 1996 (31 Arbeitstage) anzutreten,

4. an den Kläger 16.525,36 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich ergebenden Nettobetrag seit dem 9. August 1996 zu zahlen,

5. an den Kläger für August 1996 1.838,16 DM brutto abzüglich 805,20 DM netto zu zahlen,

6. an den Kläger 15.991,99 DM brutto abzüglich 6.978,40 DM netto nebst 4 % Zinsen aus dem Nettobetrag seit dem 1. Januar 1997 zu zahlen,

7. an den Kläger 7.904,09 DM brutto abzüglich 3.371,10 DM netto nebst 4 % Zinsen aus dem Nettobetrag seit dem 1. März 1997 zu zahlen.


Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat durch Teilurteil diese Anträge abgewiesen. Es hat die Entscheidung über die vom Kläger angegriffene Abmahnung und über die Kosten dem Schlussurteil vorbehalten. Auf die Berufung hat das Landesarbeitsgericht die Beklagte verurteilt, dass der Arbeitsplatz des Klägers mit Hebehilfen aufgerüstet wird. Im übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Der Kläger verfolgt mit seiner Revision weiterhin die abgewiesenen Entgelt- und Urlaubsansprüche.

Die ursprünglich von der Beklagten eingelegte Revision war gegen die Verurteilung zur behindertengerechten Weiterbeschäftigung gerichtet. In der mündlichen Revisionsverhandlung haben die Parteien die Klage insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt, weil die Beklagte für den Fall der Unwirksamkeit der Kündigung eine Beschäftigungszusage gegeben hat.

Entscheidungsgründe:

I.
Die Revision des Klägers ist unbegründet.

Die Klage auf Feststellung des Anspruchs, mit sofortiger Wirkung Urlaub aus 1995 und 1996 antreten zu dürfen, ist zwar nach § 256 Abs. 1 ZPO zulässig aber unbegründet.

Das Landesarbeitsgericht hat die Feststellungsklage mit der Begründung abgewiesen, ein erfüllbarer Anspruch auf Urlaubserteilung bestehe nicht. Der Kläger sei seit 1995 zur Ausübung der ihm von der Beklagten zugewiesenen Tätigkeit als Tischler im Montagebereich außerstande. Damit sei für die Beklagte die Möglichkeit entfallen, den Kläger zum Zwecke der Urlaubserteilung von der Arbeitspflicht zu befreien.

Ob das in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht zutreffend ist, kann dahinstehen. Der Kläger macht das Recht geltend, ohne vorherige Freistellungserklärung des Arbeitgebers "sofort Urlaub anzutreten". Für ein derartiges Selbstbeurlaubungsrecht fehlt jede Rechtsgrundlage. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG ist die Befreiung von der Arbeitspflicht und deren zeitliche Festlegung dem Arbeitgeber vorbehalten. Lehnt der Arbeitgeber die Urlaubsgewährung ab, ohne dass einer der in § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG genannten Verweigerungsgründe vorliegt, so kann der Arbeitnehmer die Abgabe der Freistellungserklärung gerichtlich durchsetzen. Ein Recht auf "sofortigen Urlaubsantritt" ohne vorhergehende Freistellungserklärung besteht nicht. Die Selbstbeurlaubung wird daher in ständiger Rechtsprechung als Verletzung der vertraglichen Pflichten angesehen (BAG 7. Dezember 1988 - 7 AZR 122/88 - AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 26 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 26; 21. Mai 1992 - 2 AZR 10/92 - BAGE 70, 262; Senat 11. Mai 1993 - 9 AZR 231/89 - BAGE 73, 135).

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Urlaubsentgeld und zusätzliches tarifliches Urlaubsgeld.

Nach § 1 BUrlG, § 611 BGB hat ein Arbeitgeber das Entgelt für die infolge der urlaubsbedingten Freistellung ausfallende Arbeitszeit fortzuzahlen. Nichts anderes ist in dem vom Kläger herangezogenen Manteltarifvertrag für das holz- und kunststoffverarbeitende Handwerk im nordwestdeutschen Raum der Bundesrepublik Deutschland für Arbeiter und Angestellte geregelt. Nach Nr. 109 dieses Tarifvertrags wird neben dem Urlaubsentgelt ein zusätzliches Urlaubsgeld gewährt. Voraussetzung sowohl für den Anspruch auf Urlaubsentgelt als auch für den auf Urlaubsgeld ist, dass der Arbeitnehmer nach § 7 Abs. 1 BUrlG von der Arbeitspflicht freigestellt worden ist. Daran fehlt es.

Der geltend gemachte Anspruch auf Verzugslohn (§ 615 BGB) steht dem Kläger für August 1996 bis Februar 1997 nicht zu.

a) Das Landesarbeitsgericht hat den Anspruch mit der Begründung verneint, der Kläger sei wegen der in diesen Zeiträumen bestehenden Leistungseinschränkungen außerstande gewesen, die ihm von der Beklagten zugewiesenen Tischlerarbeiten im Bereich des "Zusammenbaus" zu verrichten. Die Beklagte sei deshalb mit der Annahme der Dienste des Klägers nicht in Verzug geraten, auch wenn der Kläger sie schriftlich angeboten habe.

b) Das ist frei von Rechtsfehlern. Da der Kläger nach seiner eigenen Darstellung aufgrund seiner Behinderungen außerstande war, die von der Beklagten in Ausübung ihres Leistungsbestimmungsrechts verbindlich zugewiesenen Arbeiten zu verrichten, konnte die Beklagte nicht in Verzug geraten. Für den Fall des vorübergehenden Unvermögens ergibt sich das entsprechend der Begründung des Landesarbeitsgerichts bereits aus § 297 BGB. Hier liegt jedoch kein vorübergehendes, sondern nach Darstellung des Klägers ein dauerndes Unvermögen vor. Nach § 323 Abs. 1 BGB ist damit ein Anspruch auf Arbeitsentgelt ausgeschlossen (vgl. Kraft in Anmerkung BAG 24.5.1989 - 2 AZR 285/88 - AP BGB § 611 Gewissensfreiheit Nr. 1).

c) Entgegen der Rüge der Revision ist die Beklagte auch ihrer Mitwirkungspflicht im Sinne der §§ 295, 296 BGB nachgekommen. Nach der Rechtsprechung obliegt es dem Arbeitgeber, dem Arbeitnehmer für jeden Arbeitstag Arbeitsaufträge zuzuteilen und einen funktionsfähigen Arbeitsplatz zuzuweisen (vgl. Senat 19.1.1999 - 9 AZR 679/97 - BAGE 90, 329 = EBE/BAG 1999, 135; BAG 24.111.1994 - 2 AZR 179/94 - BAGE 78, 333 = EBE/BAG 1989, 170). Das hat die Beklagte getan, indem sie den Kläger am 20. Februar 1996 zur Aufnahme der Arbeit an seinem alten Arbeitsplatz aufgefordert hat.

d) Die Revision verkennt die Voraussetzungen des Annahmeverzugs nach § 615, § 293 ff. BGB.

Die nach § 296 Satz 1 BGB vom Gläubiger vorzunehmende Handlung besteht darin, die vom Arbeitnehmer geschuldete Leistung hinreichend zu bestimmen und durch Zuweisung eines bestimmten Arbeitsplatzes zu ermöglichen (BAG 25.3.1959 - 4 AZR 236/56 - BAGE 7, 321, 323, 324; 14.7.1983 - 2 AZR 34/82 - n.v.). Hier verlangt der Kläger mehr als diese Mitwirkungshandlung. Er verlangt eine Änderung der konkret geschuldeten Arbeit durch eine andere Gestaltung des Arbeitsplatzes und dessen Ausstattung mit technischen Hebehilfen. Damit macht er eine Verpflichtung des Arbeitgebers geltend, die über die einen Gläubigerverzug vermeidende Obliegenheit zur Mitwirkung hinausgeht.

Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass nach der bürgerlich-rechtlichen Regelung des Annahmeverzugs der Arbeitgeber als Gläubiger der Arbeitsleistung das verschuldensunabhängige Risiko trägt, dem Arbeitnehmer arbeitstäglich die Erbringung der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung durch Zurverfügungstellung eines Arbeitsplatzes zu ermöglichen. Dem gegenüber ist die Haftung des Arbeitgebers für die Verletzung von Fürsorgepflichten, die ihn zu einer Änderung des zugewiesenen Arbeitsplatzes verpflichten, um eine Beschäftigung zu ermöglichen, verschuldensabhängig ausgestaltet. Dies gilt gleichermaßen, ob der Arbeitgeber wegen der Nichterfüllung in Schuldnerverzug kommt (§§ 284, 285 BGB) oder ob er den Tatbestand der Schutzrechts- oder der positiven Forderungsverletzung verwirklicht. Er ist nur bei Vorsatz oder Fahrlässigkeit verpflichtet (§ 276 Abs. 1 BGB), dem Arbeitnehmer den Schaden in Gestalt der entgangenen Vergütung zu ersetzen. Das entspricht auch der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG 25.3.19959 - 4 AZR 236/56 - BAGE 7, 321; 14.7.1983 - 2 AZR 34/82 - n.v.; 10.7.1991 - 5 AZR 383/90 - BAGE 68, 141).

4. Die Gleichstellung eines Klägers mit einem Schwerbehinderten (§ 2 Abs. 1 SchwbG) rechtfertigt keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung für den geltend gemachten Zeitraum.

Zwar hat das Reichsgericht unter der Geltung des Schwerbeschädigtengesetzes von 1923 die Auffassung vertreten, der Fürsorgegedanke gebiete es, einem Schwerbeschädigten auch ohne Arbeitsleistung Entgelt zu zahlen ( Reichsarbeitsgericht 9.5. 1928 - RAG 12/28 - Bensheimer Sammlung Bd. 3, 16). Dieser Versorgungsgedanke ist jedoch auf das heutige Schwerbehindertengesetz nicht übertragbar. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist jedenfalls seit In-Kraft- Treten des Gesetzes zur Weiterentwicklung des Schwerbeschädigtenrechts vom 24.4.1974 (BGBl. I S. 981) kein Raum mehr für diesen Rechtsgedanken. Die besonderen Belange Schwerbehinderter, die Arbeitsleistung und Entgelt betreffen, sind in den §§ 45 bis 47 SchwbG abschließend berücksichtigt (vgl. BAG 10.7.1991 a.a.O., im Anschluss daran BAG 13.5.1992 - 5 AZR 437/ 91 - EzA SchwbG 1986 § 14 Nr. 3).

5. Die Beklagte hat auch dem Kläger nicht die Vergütung zu ersetzen, die ihm infolge der Nichtbeschäftigung von August 1996 bis Februar 1997 entgangen ist.

a) Das Landesarbeitsgericht ist davon ausgegangen, ein Arbeitgeber habe gegenüber einem Gleichgestellten in gleicher Weise wie gegenüber einem Schwerbehinderten die Pflicht zur "leidensgerechten" Beschäftigung.

Nach § 14 Abs. 2 SchwbG in der Fassung der Bekanntmachung vom 16.8.1986 (BGBl. I S 1421) hatte damals ein Arbeitgeber Gleichgestellte und Schwerbehinderte so zu beschäftigen, dass diese ihre Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiterentwickeln konnten. Nach § 14 Abs. 3 Satz 1 SchwbG a.F. hatte dabei ein Arbeitgeber den Betrieb so zu regeln, dass wenigstens die vorgeschriebene Zahl Schwerbehinderter dort dauernd Beschäftigung finden konnte. Nach § 14 Abs. 3 Satz 2 SchwbG a.F. war er ferner verpflichtet, den individuellen Arbeitsplatz der beschäftigten Schwerbehinderten und Gleichgestellten mit den erforderlichen technischen Arbeitshilfen auszustatten. Mit Wirkung zum 1.10.2000 sind diese Bestimmungen durch das Gesetz zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit Schwerbehinderter vom 29.9.2000 (BGBl. I S. 1394) novelliert worden. Für die hier streitigen Ansprüche auf Entgelt aus den Jahren 1996 und 1997 ist die alte Gesetzesfassung anwendbar.

Nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts war die Beklagte verpflichtet, den bisherigen Arbeitsplatz des Kläger im "Zusammenbau" mit technischen Hebevorrichtungen auszurüsten und die betriebliche Arbeitsorganisation im Bereich des Materialzuschnitts und des nachfolgenden Transports zum Montagebereich entsprechend zu ändern. Damit hat das Landesarbeitsgericht der Beklagten die Pflicht auferlegt, über die Ausstattung des Arbeitsplatzes des Klägers hinaus auch in die Regelung der Betriebsorganisation einzugreifen. Nach § 14 Abs. 3 Satz 1 SchwbG a.F. bestand dazu jedoch nur dann eine Verpflichtung, soweit die Regelung dem Ziel diente, dass "wenigstens die vorgeschriebene Zahl Schwerbehinderter ..... dauernde Beschäftigung finden kann". Das Landesarbeitsgericht hat diese Einschränkung nicht berücksichtigt. Es hat übersehen, dass ein Arbeitgeber, der auf mindestens 6 v.H. seiner Arbeitsplätze Schwerbehinderte behindertengerecht beschäftigt (§ 5 Abs. 1 SchwbG a.F.), davon befreit war, in seine Betriebsorganisation regelnd einzugreifen, um eine höhere als die gesetzlich vorgeschriebene Zahl von Schwerbehinderten beschäftigen zu können (vgl. GK-SchwbG 2. Aufl. § 14 Rn. 424; Gröninger/Thomas SchwbG Stand: Januar 2001 § 14 Rn. 9). Denn das Gesetz ging damals davon aus, ein Arbeitgeber, der seine Beschäftigungsquote erfüllt, schulde keine überobligationsmäßige Anstrengungen.

Das galt auch für den Betrieb der Beklagten. Dort betrug nach § 5 Abs. 1 SchwbG a.F. die Pflichtquote: sechs Schwerbehinderte (6 % von 103 Arbeitsplätzen). Tatsächlich wurden acht Schwerbehinderte und Gleichgestellte beschäftigt. Erst mit dem Gesetz zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit Schwerbehinderter vom 29.9.2000 (BGBl. I S. 1394) ist mit Wirkung zum 1.10.2000 die maßgebliche Vorschrift des § 14 Abs. 3 SchwbG umgestaltet worden. Erst nach neuem Recht ist der einzelne Schwerbehinderte berechtigt, von seinem Arbeitgeber nicht nur die behindertengerechte Ausstattung seines Arbeitsplatzes, sondern auch eine entsprechende Gestaltung des Arbeitsplatzes, des Arbeitsumfeldes und der Arbeitsorganisation zu verlangen (§ 14 Abs. 3 Nr. 4 SchwbG).

b) Im Ergebnis erweist sich die Entscheidung mit der das Landesarbeitsgericht den Ersatzanspruch des Klägers verneint hat, als zutreffend. Der Beklagten kann kein Verschulden vorgeworfen werden. Sie hat es zwar unterlassen, den Arbeitsplatz des Klägers mit technischen Arbeitshilfen auszustatten. Die Beklagte konnte sich aber - wie das Landesarbeitsgericht frei von Rechtsfehlern festgestellt hat - auf das Gutachten der Betriebsberatungsstelle und auf das endgültige Prüfergebnis des Technischen Dienstes der Hauptfürsorgestelle verlassen. Erst im Zuge der Beweisaufnahme vor dem Landesarbeitsgericht ist im Dezember 1998 aufgeklärt worden, dass diese Sachverständigenbegutachtung fehlerhaft war.

II.
Durch die übereinstimmende Erledigungserklärung der Parteien in der Revisionsverhandlung ist der ursprünglich mit der Revision der Beklagten angefallene Streit über die behinderungsgerechte Weiterbeschäftigung des Klägers erledigt worden. Unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes entspricht es der Billigkeit, dass die Parteien jeweils die auf diesen Streitgegenstand entfallenden Kosten zur Hälfte tragen (§ 91a Abs. 1 ZPO). Bei dem Schlussurteil über die Kosten ist das zu berücksichtigen.

III. Nach § 97 Abs. 1 ZPO hat der Kläger die Kosten seiner insgesamt erfolglosen Revision zu tragen.

Referenznummer:

R/R1551


Informationsstand: 06.12.2001