I.
Die
gem. § 64
Abs. 1 und 2
ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist fristgerecht eingelegt und ausgeführt worden. Im Übrigen sind Bedenken an der Zulässigkeit der Berufung nicht veranlasst.
II.
In der Sache hat die Berufung des Klägers Erfolg. Der Kläger hat einen Anspruch auf Beschäftigung als Flachschleifer an den Schleifmaschinen der Beklagten. Zwar hat der Kläger mangels einer Vereinbarung und einer Konkretisierung keinen Anspruch ausschließlich als Flachschleifer beschäftigt zu werden, sondern nur als gewerblicher Arbeitnehmer. Zwischen den Parteien ist jedoch unstreitig, dass der Kläger derzeit - wenn überhaupt - nur auf dem Arbeitsplatz eines Flachschleifers eingesetzt werden kann. Die Beklagte kann dem Kläger aber jederzeit im Rahmen ihres Direktionsrechtes einen anderen Arbeitsplatz eines gewerblichen Arbeitnehmers zuweisen.
1. Der Kläger hat nach
§ 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX, der am 1.7.2001 in Kraft getreten ist ( davor die gleichlautende Gesetzesfassung in
§ 14 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SchwbG), einen Anspruch auf behinderungsgerechte Beschäftigung. Der schwerbehinderte Mensch hat einen Anspruch darauf, dass er unter Berücksichtigung seiner Vorbildung und seines Gesundheitszustandes einen Arbeitsplatz erhält, an dem er seine Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiterentwickeln kann (
BAG, Urt. v. 3.12.2002 -
9 AZR 481/01 - br 2003, 114 = AP
Nr. 2 zu § 81
SGB IX). Weiter hat der schwerbehinderte Arbeitnehmer einen individuellen, klagbaren Rechtsanspruch auf behindertengerechte Gestaltung von Arbeitsplatz und Arbeitsumgebung (§ 81
Abs. 4 Satz 1
Nr. 4, 5
SGB IX). So umfasst
Nr. 4
z.B. die Dauer und Lage der Arbeitszeit und den Ablauf der Fertigungsorganisation.
Nr. 5 bezieht sich auf technische Arbeitshilfen wie
z.B. Einrichtungen zur Verringerung des Kraftaufwandes (
vgl. Erfurter Komm.-Rolfs, 5. Aufl. § 81
SGB IX Rn. 15
m.w.N.). Bei der Durchführung derartiger Maßnahmen unterstützen die Bundesagentur für Arbeit und die Integrationsämter den Arbeitgeber unter Berücksichtigung der für die Beschäftigung wesentlichen Eigenschaften der schwerbehinderten Menschen (§ 81
Abs. 4 Satz 2
SGB IX). Im Rahmen der durch § 81
Abs. 4
SGB IX kodifizierten und gegenüber der allgemeinen Fürsorgepflicht kann der Arbeitgeber auch verpflichtet sein, einen vorhandenen Arbeitsplatz behindertengerecht umzugestalten, an dem der vertragliche Beschäftigungsanspruch erfüllt werden kann. Diese Verpflichtung zur Schaffung eines leidensgerechten Arbeitsplatzes, die bereits zur Vermeidung einer krankheitsbedingten Kündigung besteht (
BAG, Urt. v. 19.1.1997 -
2 AZR 9/96 - AP
Nr. 32 zu § 1
KSchG 1969 Krankheit), besteht erst recht gegenüber einem schwerbehinderten Menschen. Um eine Beschäftigung schwerbehinderter Menschen zu ermöglichen, ist der Arbeitgeber verpflichtet, zumutbare organisatorische Veränderungen vorzunehmen und gegebenenfalls den Arbeitsablauf anders zu organisieren (
BAG, Urt. v. 14.7.1983 -
2 AZR 34/82 - n.v.). Dies kann etwa dann verlangt werden, wenn der Arbeitnehmer nur noch einen Teil der geschuldeten Arbeitsleistung erbringen kann. Dann muss der Arbeitgeber die Beschäftigung des schwerbehinderten Menschen durch eine andere Verteilung der Arbeiten sichern (
vgl. Müller- Wenner, Schorn
SGB IX § 81 Rn. 71 mit einem praktischen Beispiel;
LAG Hamm, Urt. v. 14.1.1999 - 8 Sa 2175/97 - kann der schwerbehinderte Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen nur noch Gewichte bis 15
kg bewegen, so ist eine hierauf gestützte krankheitsbedingte Kündigung sozialwidrig, wenn eine leidensgerechte Beschäftigung durch geringfügige Änderungen der Betriebsorganisation und durch Ausstattung des Arbeitsplatzes mit technischen Hebehilfen ermöglicht werden kann und die hierfür entstehenden Kosten aus Mitteln der Ausgleichsabgabe aufgebracht werden).
Die zum alten Schwerbehindertenrecht (§ 14
Abs. 3 Satz 1
SchwbG a.F. bis zum In-Kraft-Treten vom § 14
Abs. 3 Satz 1
SchwbG n.F. am 1.10.2000) ergangene Entscheidung des
BAG, Urt. v. 23.1.2001 (
9 AZR 287/99 - br 2001, 170 = AP
Nr. 1 zu § 81
SGB IX), wonach ein Eingriff in die Betriebsorganisation des Arbeitgebers nicht zulässig ist, wenn der Arbeitgeber seine Beschäftigungsquote erfüllt hat und dann keine überobligationsmäßigen Anstrengungen schulde, ist nach In-Kraft-Treten des § 81
Abs. 4 Satz 1
SGB IX überholt.
Gemäß § 81
Abs. 4 Satz 3
SGB IX steht der Anspruch des schwerbehinderten Menschen auf behindertengerechte Beschäftigung und Gestaltung von Arbeitsplatz und Arbeitsumgebung unter dem Vorbehalt, dass eine Erfüllung für den Arbeitgeber zumutbar und nicht mit unverhältnismäßigen Aufwendungen verbunden ist.
Eine erforderliche Maßnahme ist nicht mehr zumutbar, wenn die Kosten für den Arbeitgeber - trotz der möglichen finanziellen Unterstützung durch die Bundesagentur für Arbeit und das Integrationsamt aus Mitteln der Ausgleichsabgabe (
§§ 77 Abs. 5,
102 Abs. 3 SGB IX) - unverhältnismäßig hoch wären. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn eine Maßnahme einen erheblichen finanziellen Aufwand erfordert und das Arbeitsverhältnis schwerbehinderter Menschen in absehbarer Zeit aufgrund Befristung oder des Erreichens der Altersgrenze endet. Die wirtschaftliche Lage des Gesamtunternehmens, nicht nur eines Betriebsteils oder eines Betriebs innerhalb eines Unternehmens, ist unter anderem dann unzumutbar belastet, wenn die Maßnahme nur unter der Gefahr des Verlustes anderer Arbeitsplätze durchführbar ist oder sie zu unzumutbaren Belastungen anderer Arbeitnehmer des Unternehmens führt (Rolfs, Die Pflichten des Arbeitgebers und die Rechte schwerbehinderter Arbeitnehmer nach § 81
SGB IX, BB 2002, 1260/1263).
2. Bei Anwendung der vorgenannten Rechtsgrundsätze steht für die erkennende Kammer fest, dass eine Beschäftigung des Klägers als Flachschleifer an den Schleifmaschinen der Beklagten nicht unmöglich ist und der Vortrag der Beklagten auch nicht die Annahme rechtfertigt, dass eine möglicherweise erforderliche Umorganisation der Schleifarbeitsplätze für die Beklagte nicht zumutbar oder mit unverhältnismäßigen Aufwendungen verbunden wäre.
Zunächst ist davon auszugehen, dass der Kläger, der 24 Jahre lang als Flachschleifer bei der Beklagten gearbeitet hat, Schleifarbeiten qualifikationsmäßig verrichten kann. Nach dem Sachverständigengutachten steht auch fest, dass der Kläger gesundheitlich in der Lage ist, Werkstücke bis zu 10
kg vollschichtig zu bearbeiten. Er kann deshalb an der Schleifmaschine SF 4 bei den überwiegend anfallenden Werkstücken bis 10
kg unproblematisch eingesetzt werden. Die bei der Beklagten insgesamt anfallenden Schleifarbeiten im Bereich der Werkstücke bis 10
kg an allen 8 Schleifmaschinen füllen auch bei Weitem den Umfang eines Arbeitsplatzes aus. Deshalb ist zunächst festzuhalten, dass der Kläger an einer kleinen Schleifmaschine mit Werkstücken bis 10
kg vollschichtig beschäftigt werden kann. Streitig zwischen den Parteien ist, ob die Beklagte durch technische Hilfen (
z.B. Hebevorrichtungen) die Schleifmaschine so umgestalten kann, dass der Kläger auch schwerere Werkstücke schleifen kann. Angesichts der beschriebenen Gesetzeslage verwundert die Rechtsansicht der Beklagten, dass sie ohne Ausspruch einer Kündigung nicht zur Prüfung von Einsatzmöglichkeiten auf einem leidensgerechten Arbeitsplatz verpflichtet sei. Die erkennende Kammer ist auch erstaunt, dass die Beklagte bisher in keinem Stadium des Verfahrens die Bundesagentur für Arbeit und das Integrationsamt beratend hinzugezogen und sich nach unterstützenden finanziellen Leistungen erkundigt hat. So ist völlig ungeklärt, ob der Anwendungsbereich der Schleifmaschinen durch technische Vorrichtungen behindertengerecht erweitert werden kann und/oder dem Arbeitgeber finanzielle Leistungen (etwa in Folge der Reduzierung der Arbeitszeit des Klägers, wenn nicht genügend leichte Werkstücke vorhanden sind) zustehen (
vgl. § 102 Abs. 3 Nr. 2 SGB IX).
Selbst wenn man aber unterstellt, dass die vorhandenen Schleifmaschinen nicht behindertengerechter gestaltet werden können, steht für die Kammer fest, dass eine leidensgerechte Umorganisation des Arbeitsplatzes an den Schleifmaschinen möglich ist. So könnte der Kläger
z.B. an einer oder zwei kleinen Schleifmaschinen oder an einer kleinen und einer großen Schleifmaschine bis 10
kg schwere Werkstücke schleifen. Dazu müsste die Beklagte den Arbeitsablauf so umorganisieren, dass der Kläger aus verschiedenen Aufträgen die leichteren Werkstücke zugeteilt bekommt. Die Kammer verkennt nicht, dass diese Veränderung die unternehmerische Entscheidung, komplette Baugruppen von kleinen und großen Werkstücken von einem Arbeitnehmer an einem Maschinenpaar schleifen zu lassen, beeinträchtigt. Der Vortrag der Beklagten rechtfertigt jedoch nicht die Annahme, dass eine solche Umorganisation für die Beklage unzumutbar oder mit unverhältnismäßigen Aufwendungen verbunden wäre. Die teilweise Aufteilung der Aufträge nach dem Gewicht der Werkstücke mag mit einem höheren Organisationsaufwand verbunden sein. Zu einem "Durcheinander" oder einer Verzögerung kommt es jedoch nur dann, wenn die getrennte Bearbeitung schlecht organisiert wird. Nach dem Sachvortrag der Beklagten ist für die Kammer jedenfalls nicht erkennbar, dass eine getrennte Bearbeitung von vornherein nicht möglich oder unzumutbar ist. Der Kläger hat deshalb in dem bestehenden Arbeitsverhältnis einen Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung als Flachschleifer.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 64
Abs. 6
ArbGG i.V.m. § 91
ZPO, wonach die unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat.
Die Zulassung der Revision beruht auf § 72
Abs. 2
Nr. 1
ArbGG.