Urteil
Umsetzung - Direktionsrecht - Berücksichtigung behinderungsgerechter Beschäftigung - BEM

Gericht:

LAG Berlin-Brandenburg 12. Kammer


Aktenzeichen:

12 Sa 331/23


Urteil vom:

30.06.2023


Grundlage:

  • GewO § 106 |
  • GG Art 33 Abs 2 |
  • ArbSchG BE § 5

Tenor:

I.

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 8. September 2022 - 56 Ca 2937/21 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Es wird festgestellt, dass die Umsetzung der Klägerin mit Schreiben der Beklagten vom 25. Mai 2022 in den Bereich „Culture Online“ unwirksam ist.

2. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin als Redakteurin in der Abteilung Lateinamerika zu beschäftigen.

3. Der Beklagten wird aufgegeben, die kommissarische Besetzung der Stelle „Redakteur*in (w/m/d) für die Abteilung Documentaries“ zur Stellenausschreibung VG 1292 mit Frau A rückgängig zu machen und es wird ihr untersagt, die bezeichnete Stelle mit Frau A oder einer anderen Bewerberin oder einem anderen Bewerber endgültig oder kommissarisch zu besetzen, solange nicht über die Bewerbung der Klägerin unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu entschieden worden ist und bevor nicht zwei Wochen seit der Mitteilung der Entscheidung über das Auswahlergebnis verstrichen sind.

4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin 55% und die Beklagte 45% zu tragen, von den Kosten des Verfahrens erster Instanz die Klägerin 45% und die Beklagte 55%.

III.

Die Revision wird für die Beklagte hinsichtlich der Verurteilung zu I. 3. zugelassen.

Im Übrigen wird die Revision für beide Parteien nicht zugelassen.

Rechtsweg:

vorgehend ArbG Berlin, 8. September 2022, 56 Ca 2937/21, Urteil
nachgehend BAG, 25. September 2023, 5 AZN 538/23, sonstige Erledigung: Rücknahme
nachgehend BAG, 19. Oktober 2023, 5 AZN 513/23, Beschluss: Verwerfung (nicht dokumentiert)
anhängig BAG, kein Datum verfügbar, 5 AZN 538/23
nachgehend BAG, 1. Dezember 2023, 8 AZR 207/23, sonstige Erledigung: Rücknahme

Quelle:

Entscheidungsdatenbank Brandenburg

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Unwirksamkeit einer Umsetzung, die Untersagung einer umsetzungsgemäßen Beschäftigung und die Verpflichtung zu anderweitigen Beschäftigungen, die Fortsetzung oder Neueinleitung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements (bEM) sowie die Rückgängigmachung und die Untersagung einer Stellenbesetzung bis zur Neubescheidung der Bewerbung der Klägerin.

Die Klägerin ist in 1973 geboren und einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt.

Die Beklagte bietet als gemeinnützige Anstalt des öffentlichen Rechts für das Ausland Hörfunk, Fernsehen und Telemedien an. Sie beschäftigt die Klägerin seit dem 1. September 2000 zunächst als Volontärin und seit dem 1. Oktober 2002 als Redakteurin.

Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft beiderseitiger Tarifbindung die Tarifverträge Deutsche Welle (DW) Anwendung. Im Manteltarifvertrag vom 6. Dezember 1979 heißt es:

„330 Umsetzung / Versetzung / Abordnung

331 Der/die Arbeitnehmer/in kann aus betrieblichen Gründen umgesetzt oder abgeordnet werden.

331.1 Eine Umsetzung liegt vor, wenn der/die Arbeitnehmer/in seinen/ihren Arbeitsplatz unter Beibehaltung der Dienststelle, aber unter Änderung der Abteilung oder Redaktion wechselt. …

332.1 Die DW wird dem/der Arbeitnehmer/in eine vorgesehene Umsetzung … bekannt geben. Der/die Arbeitnehmer/in ist vorher zu hören. …

332.3 Macht der/die Arbeitnehmer/in bei der Anhörung gemäß TZ 332.1 Satz 2 triftige Gründe dafür geltend, dass seine/ihre Abordnung für ihn/sie eine Härte bedeutet, muss er/sie nach Möglichkeit nach 3 Monaten, spätestens nach 6 Monaten abgelöst werden.“

Der Vergütungstarifvertrag vom 23. Dezember 1964 zählt den/die Redakteur(-in) unter die Vergütungsgruppe V.

Bei der Beklagten gilt die am 4. Mai 2020 abgeschlossene „Dienstvereinbarung Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM)“, Anlage K34, Bl. 295ff dA. Dort heißt es:

„3.4.5 Verfahrensabschluss

Das BEM-Verfahren kann von der Abteilung Human Resources als beendet erklärt werden, wenn

a) die veranlasste/n BEM-Maßnahme/n umgesetzt und als erfolgreich bewertet worden ist/ sind,

b) oder die Maßnahme/n ggf. nach weiteren Klärungsversuchen dennoch als nicht erfolgreich bewertet wurde/n,

c) oder nach dem Fall- oder Integrationsgespräch (einvernehmlich oder nicht einvernehmlich) festgestellt wurde, dass keine Maßnahme möglich

oder notwendig ist (Ziff. 3.4.4).

Die Abteilung Human Resources teilt dem/ der Mitarbeiter/ -in den Fällen a) bis c) mit, dass das BEM beendet ist und dokumentiert dies in der Personalakte. Sollte der/ die Mitarbeiter/ -in mit der Beendigung nicht einverstanden sein, richtet sich das weitere Vorgehen nach Ziff. 3.5.

In dem Fall a) wird der/die Betroffene bei Vorliegen der Voraussetzungen für ein BEM nach Ziff. 1 und Ziff. 3.1 von der Abteilung Human Resources erneut zum BEM eingeladen. In den Fällen b) und c) wird der/ die Mitarbeiter/ -in frühestens nach drei Jahren erneut zu einem BEM eingeladen, sofern die Voraussetzungen nach Ziff. 1 und Ziff. 3.1 erfüllt sind. Der/ die Betroffene kann in den entsprechenden Fällen (z. B. bei neuer Krankheitsursache) bereits vor Ablauf der drei Jahre bei Vorliegen der Voraussetzungen selbst bei der Abteilung Human Resources ein BEM beantragen.

3.5 Meinungsverschiedenheiten (während und über einen Abschluss des BEM-Verfahrens hinaus)

Der/ die Mitarbeiter/ -in oder ggf. andere Verfahrens-Beteiligte informieren die Abteilung Human Resources innerhalb einer angemessenen Frist von zwei Wochen, wenn Störungen im BEM-Verfahren eintreten.

Sollte der/ die Mitarbeitende insbesondere mit einer Entscheidung der Abteilung Human Resources über die Beendigung des BEM-Verfahrens nicht einverstanden sein, nimmt diese ein entsprechendes Dokument zur Personalakte. HR prüft nochmal das Verfahren und wirkt auf eine konstruktive Lösung hin, Falls keine Lösung gefunden wird, wird dies in der Personalakte dokumentiert.“

In einem bei dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg am 13. Februar 2015 geschlossenen Vergleich (8 Sa 1623/14) einigten sich die Parteien darauf, dass die Klägerin als „Redakteurin“ in der Vergütungsgruppe V des Vergütungstarifvertrages der Beklagten zu beschäftigen sei und mit Wirkung ab dem 16. Februar 2015 in die Hauptabteilung Lateinamerika in Berlin umgesetzt werde. Des Weiteren vereinbarten die Parteien, dass damit keine Arbeitsvertragsänderung verbunden sei und etwaige künftige Versetzungen, Umsetzungen und Abordnungen sich weiterhin nach dem Arbeitsvertrag der Parteien, nach § 315 BGB und dem Handbuch Deutsche Welle der Beklagten, insbesondere dem jeweils gültigen Manteltarifvertrag Deutsche Welle richten würden.

Nachdem die Klägerin von Februar 2015 bis August 2018 als Redakteurin in der Hauptabteilung Lateinamerika beschäftigt war, wurde sie befristet unter mehrfacher Verlängerung für die Zeit vom 1. Januar 2019 bis 9. August 2020 in die Hauptabteilung Wirtschaft, Wissenschaft, Umwelt (WWU) umgesetzt.

Mit Schreiben vom 5. August 2020 setzte die Beklagte die Klägerin mit Wirkung ab dem 10. August 2020 in die Abteilung Bild der Hauptabteilung Design, Visual und Archives um.

Unter dem 15. März 2021 erteilte die die B GmbH der Klägerin eine Vorsorgebescheinigung (Anlage K 4b, Blatt 132 f. d. A.), in der es heißt, dass das Betrachten sehr kleiner Bilder und in schneller zeitlicher Abfolge aufgrund der bestehenden gesundheitlichen Einschränkungen von Frau C als nicht geeignet angesehen werde. Zusätzlich sei anzumerken, dass aus arbeitsmedizinischer Sicht bei Frau C aktuell keine gesundheitlichen Bedenken hinsichtlich der Ausübung aller anderen von ihr geschilderten Tätigkeiten bestünden, die sie bisher im Rahmen ihrer Arbeit als Redakteurin geleistet habe und die ihrem Tätigkeits- und Qualifikationsprofil entsprächen.

Mit Schreiben vom 21. April 2021 wies die Beklagte der Klägerin mit sofortiger Wirkung eine neue Tätigkeit als Redakteurin für ein TV-Format mit dem Projekttitel „Zeitreise Deutschland“ zu. Dabei blieb sie den bisherigen Vorgesetzten der Hauptabteilung Design, Visual und Archives unterstellt. An dieser Umsetzung hält keine der Parteien fest.

Am 24. August 2021 fand ein bEM-Gespräch mit der Klägerin statt.

Mit E-Mail vom 16. November 2021 teilte die Beklagte der Klägerin ihre Absicht mit, sie so bald wie möglich als Redakteurin in der Abteilung „Culture Online“ zu beschäftigen und umzusetzen. Die Beklagte wolle die Klägerin anhören und gebe ihr bis zum 24. November 2021 Gelegenheit zur schriftlichen Äußerung.

In dem Mail-Schreiben heißt es außerdem: „Ihre Aufgaben dort wären die einer Redakteurin in der Abteilung „Culture Online“. Hierzu gehören das Redigieren, Lektorieren von Texten, um daraus veröffentlichungsfähige Beiträge zu erstellen, das Erstellen von Online-Texten aus Agentur- und PR-Material, die Erstellung von Buch- und Musikbesprechungen (neue Bücher und Musikalben, vorhandene Werke aus besonderem Anlass). Die Aufgabennennung ist nicht abschließend und beinhaltet keine Änderung ihres Arbeitsvertrags.“

Am 17. November 2021 schrieb die Beklagte die Stelle „Redakteur (w/m/d) für die Abteilung Documentaries“ unter der Kennziffer VG 1292 für eine Vertragsdauer von zwei Jahren aus.

Mit Schreiben vom 18. November 2021 bewarb sich die Klägerin auf diese Stelle.

Nach Durchführung eines Auswahlgesprächs am 6. Januar 2022 erteilte die Beklagte mit Schreiben vom 24. Januar 2022 der Klägerin eine Absage. Mit weiterem Schreiben vom 7. Februar 2022 teilten die Prozessbevollmächtigten der Beklagten als vorgesehenen Einstellungstermin der ausgewählten Bewerberin Frau S. den 1. April 2022 mit.

Mit Schreiben vom 25. Mai 2022, auf dessen Inhalt verwiesen wird (Anlage K 78, Blatt 693 f. d. A.), teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie sie ab dem 13. Juni 2022 bei „Culture Online“ beschäftigen möchte.

Am 28. Juni 2022 nahm die Klägerin ihre Tätigkeit bei „Culture Online“ auf.

Zum 22. Juli 2022 erkrankte sie arbeitsunfähig. Diese Arbeitsunfähigkeit dauert an.

In einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu dem Aktenzeichen 56 Ga 760/22, untersagte das Arbeitsgericht Berlin der Beklagten auf den Antrag der Kläger hin mit Urteil vom 30. März 2022, die Stelle „Redakteur*in (w/m/d) für die Abteilung „Documentaries“ Ausschreibungskennziffer VG 1292 endgültig mit Frau S. oder einer anderen Bewerberin oder einem anderen Bewerber zu besetzen, bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung des Gerichts in der Hauptsache und solange nicht über die Bewerbung der Verfügungsklägerin unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entschieden worden ist – und bevor nicht zwei Wochen seit der Mitteilung der Entscheidung über das Ergebnis der Auswahlentscheidung gegenüber der Verfügungsklägerin vergangen sind. Den Antrag auf Untersagung auch einer kommissarischen Besetzung wies das Gericht zurück. Mit Urteil vom 30. November 2022 – 4 SaGa 760/22 – wies das Landesarbeitsgericht die von beiden Seiten gegen das Urteil eingelegten Berufungen zurück.

Das Arbeitsgericht Berlin hat in dem weiteren Verfahren 56 Ca 10254/22 am 10. Mai 2023 die Beklagte verurteilt, über die Bewerbung der Klägerin auf die Stellenausschreibung „Redakteur*in (w/m/d) für die Abteilung „Documentaries“ Ausschreibungskennziffer VG 1292 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

In dem vorliegenden Verfahren hat die Klägerin mit der Klageschrift, der Beklagten zugestellt am 22. März 2021, zunächst die Fortbeschäftigung in der Hauptabteilung Wirtschaft, Wissenschaft, Umwelt (WWU) gerichtlich geltend gemacht. Klageerweiterungen hatten ihre Beschäftigung auf verschiedenen Positionen respektive die Untersagung der Beschäftigung auf anderen Positionen zum Gegenstand und außerdem die Fortsetzung des bEM-Verfahrens. Die Klägerin hat vor dem Arbeitsgericht die Auffassung vertreten, sie werde nicht vertragsgemäß und nicht leidensgerecht im Sinne des Beschäftigungsanspruchs von behinderten und gleichgestellten Menschen beschäftigt. Es seien weitere Gesundheitsbeeinträchtigungen zu befürchten. Die Befristung der Umsetzung in die Abteilung WWU sei rechtsmissbräuchlich und unwirksam. Sie habe Anspruch auf Fortsetzung des bEM-Verfahrens, da das bisherige Verfahren nicht zur Einleitung irgendeiner Maßnahme geführt habe, die zur Vorbeugung gegen künftige Erkrankungen der Klägerin dienen könnte. Die Besetzung der Stelle verletze sie in ihrem Bewerbungsverfahrensanspruch im Hinblick auf ein zu besetzendes öffentliches Amt. Das Auswahlverfahren und hier insbesondere das Auswahlgespräch sei nicht hinreichend dokumentiert. Die Beklagte sei gesetzlich verpflichtet, eine Gefährdungsbeurteilung vor Aufnahme der Tätigkeit durchzuführen. Die Umsetzung in den Bereich „Culture online“ sei ohne tarifvertragsgemäße Anhörung erfolgt und nicht vom Direktionsrecht umfasst, wie es auch die Rücksichtnahme auf Behinderungen voraussetze. Die damit verbundenen Tätigkeiten entsprächen nicht Redakteurstätigkeiten, sondern seien nach dem Leistungskatalog der Beklagten einer redaktionellen Mitarbeit oder einer Volontärstätigkeit zuzuordnen. Einzige ihr nach der Tätigkeitsaufnahme zugewiesene Arbeitsaufgabe sei die Erstellung einer Buchrezension. Dies sei aber aufgrund ihres Augenleidens keine geeignete Tätigkeit.


Die Klägerin hat vor dem Arbeitsgericht beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin als Redakteurin in der Abteilung Wirtschaft, Wissenschaft, Umwelt/ Business, Science and Environment zu beschäftigen;

hilfsweise zum Antrag zu 1.,

2. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin als Redakteurin (Stellenausschreibung 1292) für die Abteilung Documentaries am Standort Berlin zu beschäftigen;

hilfsweise zum Antrag zu 2.,

3. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin als Redakteurin in der Abteilung Lateinamerika zu beschäftigen;

hilfsweise zum Antrag zu 3.,

4. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin unter Beachtung der Ausführungen in der Vorsorgebescheinigung des MAS vom 15.03.2021 als Redakteurin zu beschäftigen;

5. die Beklagte zu verurteilen, das mit einem ersten Gespräch am 24.08.2021 begonnene BEM-Verfahren entsprechend der Dienstvereinbarung Betriebliches Eingliederungsmanagement fortzusetzen;

hilfsweise zum Antrag zu 5.,

6. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin zu einem neuen BEM-Verfahren entsprechend der Dienstvereinbarung Betriebliches Eingliederungsmanagements einzuladen und ein neues Verfahren durchzuführen;

7. der Beklagten zu untersagen, die Stelle, "Redakteur*in (w/m/d) für die Abteilung Documentaries“ Ausschreibungskennziffer VG 1292 weder endgültig noch kommissarisch mit Frau A oder einer anderen Bewerberin oder einem anderen Bewerbung zu besetzen, solange nicht über die Bewerbung der Klägerin unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entschieden worden ist - und bevor nicht zwei Wochen seit der Mitteilung der Entscheidung über das Ergebnis der Auswahlentscheidung gegenüber der Klägerin vergangen sind;

8. der Beklagten zu untersagen, bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, die Klägerin bei „Culture Online“ zu beschäftigen;

9. festzustellen, dass die Umsetzung der Klägerin mit Schreiben der Beklagten vom 25.05.2022 in den Bereich „Culture online“ unwirksam ist;

hilfsweise zum Antrag zu 9.,

10. der Beklagten zu untersagen, bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, die Klägerin bei „Culture online“ zu beschäftigen, bevor nicht eine psychische Gefährdungsbeurteilung durchgeführt wurde.


Die Beklagte hat Klageabweisung geltend gemacht.

Sie hat vor dem Arbeitsgericht ausgeführt, mit der Umsetzung in die Abteilung Bild habe sie auf entstandene Konflikte am Arbeitsplatz reagieren müssen. Die Befristung der Umsetzung in die Abteilung WWU sei einvernehmlich gewesen. Der Tarifvertrag lasse eine befristete Umsetzung zu. In der Abteilung Lateinamerika könne sie nicht mehr beschäftigt werden. Sie habe die Klägerin vor der zuletzt erfolgten Umsetzung ordnungsgemäß angehört. Die zu übernehmenden Aufgaben seien Tätigkeiten einer Redakteurin. Die Aufgabeninhalte ergäben sich aus dem Mailschreiben vom 16. November 2021. Die Klägerin sei ermutigt worden, eigene Vorschläge zu machen und könne auch Musikrezensionen erstellen. Vorgesehene Termine für eine Gefährdungsbeurteilung hätten wegen Erkrankung der Betriebsärztin bzw. der Klägerin nicht durchgeführt werden können. Die zu Grunde liegende Verpflichtung aus dem Arbeitsschutzgesetz sei öffentlich-rechtlicher Natur. Da die zuletzt erfolgte Umsetzung wirksam sei, seien die anderweitigen Beschäftigungsverlangen unbegründet. Die Anträge wegen der Fortsetzung des BEM-Verfahrens seien mangels vollstreckungsfähigem Inhalt unzulässig, jedenfalls aber unbegründet, weil kein einklagbarer Anspruch auf Durchführung eines BEM existiere. Die grundgesetzliche Regelung über den Zugang zu öffentlichen Ämtern sei auf sie als öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt nicht anwendbar. Die selbstverwaltete Aufgabenwahrnehmung als Auslandsrundfunkanstalt werde auf der Grundlage der verfassungsrechtlich garantierten Rundfunkfreiheit gewährt. Der Beklagten stehe das Recht zu, frei von staatlichem Einfluss die Auswahl, Beschäftigung und Einstellung ihrer Mitarbeiter zu bestimmen. Sie hat zur Dokumentation des Auswahlverfahrens und insbesondere des Auswahlgesprächs vorgetragen und die Auffassung vertreten, die erforderliche Dokumentation sei mit dem Votum der Fachredaktion erfolgt.

Mit Urteil vom 8. September 2022 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es – zusammengefasst – ausgeführt: Die Umsetzung der Klägerin als Redakteurin in den Bereich „Culture Online“ sei wirksam, so dass die Klägerin weder die Feststellung ihrer Unwirksamkeit noch die Unterlassung einer entsprechenden Beschäftigung beanspruchen könne. Arbeitsvertragliche oder tarifvertragliche Vereinbarungen stünden nicht entgegen. Das übertragene Aufgabengebiet entspräche einer redaktionellen Tätigkeit. Der Zeitraum der tatsächlichen Tätigkeit vom 28. Juni bis zum 21. Juli 2022 sei zu kurz und deshalb nicht aussagekräftig, so dass ein umfassendes Bild vom Aufgabengebiet nicht entstünde. Die Durchführung eines BEM sei keine Voraussetzung der Umsetzung. Die Klägerin könne keine Beschäftigung nur als Fernsehredakteurin beanspruchen. Die insoweit zur Bedingung gemachte Gefährdungsbeurteilung könne nach Beschäftigungsaufnahme nachgeholt werden. Die von der Klägerin eingereichten Atteste rechtfertigten nicht die Annahme, dass ihr die mit der Umsetzung angewiesene Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen oder wegen ihrer Behinderung unmöglich oder unzumutbar sein würde.

Da die Beklagte mit der Umsetzung ihr Direktionsrecht wirksam ausgeübt habe, könne die Klägerin auch die übrigen geltend gemachten Beschäftigungsinhalte nicht beanspruchen. Eine Beschäftigung mit den Inhalten der ausgeschriebenen Stelle könne sie außerdem deshalb nicht beanspruchen, weil ein Anspruch auf Stellenbesetzung dem bestgeeigneten Bewerber vorbehalten sei. Die Klägerin lege nicht dar, die bestgeeignete Bewerberin zu sein. Die Fortsetzung oder Neueinleitung des betrieblichen Eingliederungsmanagements könne die Klägerin nicht beanspruchen. Weder die einschlägige gesetzliche Vorschrift noch die Dienstvereinbarung würden einen entsprechenden Anspruch begründen.

Die Klägerin könne schließlich nicht verlangen, dass die in Rede stehende Stelle von der Beklagten solange nicht besetzt werde, bis über die Bewerbung der Klägerin unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entschieden worden sei. Dem Antrag sei abgesehen von dem Begehren nach der Verhinderung auch einer kommissarischen Besetzung durch vollstreckungsfähiges Urteil in einem Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz entsprochen worden, so dass insoweit kein Rechtsschutzbedürfnis für das vorliegende Begehren bestünde. Die Klage hätte, worauf das Gericht im Termin am 12. August 2022 hingewiesen habe, darauf gerichtet sein müssen, die Beklagte zur erneuten Durchführung einer Auswahlentscheidung anzuhalten. Jedenfalls bestehe kein Unterlassungsanspruch gegen die kommissarische Besetzung. Vielmehr sei diese im Hinblick auf die Rundfunkfreiheit und die Erfüllung des Programmauftrags zulässig. Bei Wiederholung des Auswahlverfahrens müsste ein etwaiger Bewährungsvorsprung der ausgewählten Bewerberin durch die kommissarische Betrauung mit der Aufgabe unberücksichtigt bleiben.

Bei der Kostenentscheidung hat das Arbeitsgericht die Erledigung des in dem Verfahren außerdem geführten Streits um die Wirksamkeit der Umsetzung in die Abteilung Bild mit einer Kostenquote zu Lasten der Beklagten von 1/10 berücksichtigt.

Gegen das ihr am 23. November 2022 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 20. Dezember 2022 Berufung eingelegt und – nach Fristverlängerung auf den 23. Februar 2023 – an diesem Tag begründet. Sie verfolgt die erstinstanzlichen Begehren in einer neuen Reihenfolge der Anträge weiter und macht geltend. Die Umsetzung in den Bereich Culture Online sei mangels eines betrieblichen Grundes sowie einer den tarifvertraglichen Anforderungen genügender Anhörung und Verfehlung der geschuldeten Tätigkeit als Redakteurin nicht wirksam. Es könne nicht angenommen werden, dass die Tarifvertragsparteien einen Verstoß gegen das die Beschäftigten schützende Anhörungserfordernis sanktionslos hätten lassen wollen. Die Zuweisung von Buchrezensionen als einzige Tätigkeit entspreche nicht dem Berufsbild einer Redakteurin, wie es sich aus einer von der Bundesagentur für Arbeit veröffentlichten Aufgabenzusammenstellung ergäbe oder für die Beklagte etwa aus einer Stellenausschreibung aus September 2021. Die zugewiesenen Buchrezensionen seien keine Beschäftigung, da sie nicht zu einer Veröffentlichung bestimmt seien. Außerdem entsprächen sie höchstens den Anforderungen an eine Tätigkeit als Redakteurin in den Anfangsjahren, wie sie die einschlägigen Tarifvorschriften der EG VI zuordnete. Für eine Tätigkeit als online-Redakteurin sei sie nach ihrer bisherigen Qualifikation nicht geeignet. Die Umsetzung habe nicht billigem Ermessen genügt, da bisher kein bEM und konkrete Gefährdungsbeurteilung fort- bzw. durchgeführt worden sei, obwohl im Hinblick auf die für das angewiesene Großraumbüro zu erwartende Lärmbelastung und das Tätigwerden unter einem benannten Vorgesetzten eine Gesundheitsgefährdung naheliegend erscheine. Die Beschäftigung in der Abteilung WWU könne sie beanspruchen, weil es sich um die letzte wirksame und nicht zurückgenommene Umsetzung handele und außerdem unter dem Gesichtspunkt der leidensgerechten Beschäftigung. Die Beschäftigung auf der ausgeschriebenen Stelle könne sie beanspruchen ebenfalls als leidensgerechte Beschäftigung und außerdem aus Artikel 33 Grundgesetz, weil sie alle Anforderungen bestens erfülle. Infolge der Unwirksamkeit der zuletzt erfolgten Umsetzung könne sie beanspruchen, als Redakteurin in der Abteilung Lateinamerika beschäftigt zu werden, als Redakteurin auf anderen Stellen nach Maßgabe der Vorsorgebescheinigung. Ein Anspruch auf Fortsetzung des bEM folge aus der Dienstvereinbarung. Deren Regelungstiefe und sehr detaillierten Vorschriften, bei denen die Beschäftigten jeweils eine zentrale Rolle spielten, und außerdem die Vorgaben zur Beendigung des Verfahrens sprächen dafür, dass sei Ansprüche der Beschäftigten auf Einleitung und Durchführung eines bEM regelten. Sie führt aus, den Neubescheidungsantrag wegen der Bewerbung zwischenzeitlich in einem anderen Verfahren zum Arbeitsgericht Berlin (Aktenzeichen 56 Ca 10254/22) anhängig gemacht zu haben. Im Unterschied zu dem vom Arbeitsgericht herangezogenen Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz mache sie vorliegend die Unterlassung der Besetzung nicht bis zur Entscheidung der Hauptsache, sondern zeitlich unbeschränkt geltend.


Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 08.09.2022 – Az. 56 Ca 2937/21 – abzuändern,

und

1. festzustellen, dass die Umsetzung der Klägerin mit Schreiben der Beklagten vom 25.05.2022 in den Bereich „Culture online“ unwirksam ist;

2. der Beklagten zu untersagen, bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 150.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, die Klägerin bei „Culture online“ zu beschäftigten;

hilfsweise zum Antrag zu 2.

3. der Beklagten zu untersagen, bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 150.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, die Klägerin bei „Culture online“ zu beschäftigen, bevor nicht eine psychische Gefährdungsbeurteilung durchgeführt wurde.

4. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin als Redakteurin in der Abteilung Wirtschaft, Wissenschaft, Umwelt/Business, Science and Environment zu beschäftigen;

hilfsweise zum Antrag zu 4.

5. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin gemäß Stellenausschreibung VG 1292 als Redakteurin für die Abteilung Documentaries am Standort Berlin zu beschäftigen;

hilfsweise zu 5.

6. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin als Redakteurin in der Abteilung Lateinamerika zu beschäftigen;

hilfsweise zu 6.

7. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin als Redakteurin unter Beachtung der Ausführungen in der Vorsorgebescheinigung des MAS vom 15.03.2021 zu beschäftigen;

8. die Beklagte zu verurteilen, das mit einem ersten Gespräch am 24.08.2021 begonnene Betriebliche Eingliederungsmanagement-Verfahren fortzusetzen;

hilfsweise zu 8.

9. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin zu einem neuen Betrieblichen Eingliederungsmanagement-Verfahren einzuladen und ein neues Verfahren durchzuführen;

10. der Beklagten wird aufgegeben, die kommissarische Besetzung der Stelle „Redakteur*in (w/m/d) für die Abteilung Documentaries“ zur Stellenausschreibung VG 1292 mit Frau A rückgängig zu machen und es wird ihr untersagt, die bezeichnete Stelle mit Frau A oder einer anderen Bewerberin oder einem anderen Bewerber endgültig oder kommissarisch zu besetzen, solange nicht über die Bewerbung der Klägerin unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu entschieden worden ist und bevor nicht zwei Wochen seit der Mitteilung der Entscheidung über das Auswahlergebnis verstrichen sind.


Die Beklagte hat die Berufung beantwortet. Unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens insbesondere zur fehlenden Anwendbarkeit von Artikel 33 Absatz 2 Grundgesetz verteidigt sie die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Die mit der zuletzt erfolgten Umsetzung verbundenen Arbeitsaufgaben seien klar, wenngleich nicht abschließend, in dem Umsetzungsschreiben benannt. Zu dem Antrag zu 10 bringt sie vor, es fehle an einem Rechtsschutzbedürfnis, weil die Klägerin bereits erstinstanzlich die Neubescheidung in dem hiesigen Verfahren hätte beantragen müssen.

Entscheidungsgründe:

Das entscheidungsreife Berufungsverfahren hat zum Ergebnis, dass auf die zulässige Berufung hin die arbeitsgerichtliche Entscheidung teilweise abzuändern ist. Im Übrigen ist die Berufung zurückzuweisen.

A.

Die gebotene Nachberatung der vollständig besetzten Kammer darüber, ob auf die von den Parteien eingereichten nicht nachgelassenen Schriftsätze vom 22. und 23. Juni 2023 in Anwendung der Regelung in § 156 Zivilprozessordnung (ZPO) die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen war, hat als telefonische Nachberatung am 27. Juni 2023 stattgefunden (zur Zulässigkeit einer solchen Vorgehensweise: BAG, 14. April 2015 - 1 AZR 223/14, juris). Die Verhandlung war nicht wiederzueröffnen. Ein Wiedereröffnungsgrund im Sinne von § 156 Absatz 2 ZPO ergibt sich aus den Schriftsätzen nicht.

B.

Die Berufung ist zulässig.

Ihre Statthaftigkeit folgt aus § 64 Absatz 2 Buchstabe b Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG). Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 600 EUR. Der Kläger hat die Berufung innerhalb der Monatsfrist aus § 66 Absatz 1 Satz 1 ArbGG eingelegt und innerhalb der verlängerten Begründungsfrist begründet. Berufungseinlegung und -begründung durch elektronisches Dokument genügen den formalen und inhaltlichen Anforderungen aus § 64 Absatz 6, § 46c Absätze 1 und 3, § 46g ArbGG, §§ 519 - 520 ZPO. Insbesondere hat die Klägerin zu jedem Streitgegenstand innerhalb der Berufungsbegründungsfrist einen Berufungsgrund vorgebracht und sich so hinreichend mit den Entscheidungsgründen des Arbeitsgerichts auseinandergesetzt.

C.

Die Berufung ist teils begründet, teils nicht begründet.

I.

Hinsichtlich der Umsetzung vom 25. Mai 2022 in den Bereich „Culture Online“ ist die Berufung begründet. Der Antrag der Klägerin, gerichtet auf die Feststellung der Unwirksamkeit dieser Umsetzung, ist zulässig und begründet.

1. Der Antrag ist zulässig. Eine Versetzung respektive Umsetzung kann im Wege der Feststellungsklage nach § 256 Absatz 1 ZPO zulässig zur gerichtlichen Prüfung ihrer Wirksamkeit gestellt werden. Dies ist in der Rechtsprechung anerkannt. Verfügt der Arbeitgeber unter Berufung auf sein Weisungsrecht eine Änderung der Arbeitsbedingungen, insbesondere eine Umsetzung, kann sich der Arbeitnehmer nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hiergegen mit einer Feststellungsklage wenden (BAG, 30. August 1995 - 1 AZR 47/95, juris Rn 17). Zwar können nach § 256 Abs. 1 ZPO nur Rechtsverhältnisse Gegenstand einer Feststellungsklage sein, nicht bloße Elemente oder Vorfragen eines Rechtsverhältnisses. Eine Feststellungsklage muss sich jedoch nicht notwendig auf das Rechtsverhältnis als Ganzes erstrecken. Sie kann sich auch auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken. Dies ist der Fall, wenn über die Wirksamkeit einer vom Arbeitgeber unter Berufung auf sein Direktionsrecht getroffenen Maßnahme, zum Beispiel eine Versetzung oder Umsetzung, gestritten wird (BAG, 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08, juris Rn 15).

2. Der Antrag ist begründet.

a. Dabei folgt die Unwirksamkeit der Versetzung nicht aus der von ihr geltend gemachten Missachtung des tarifvertraglich vorgegebenen Anhörungserfordernisses. Ziffer 332.1 des Manteltarifvertrags DW begründet kein Wirksamkeitserfordernis. Dies folgt aus Zweck und Zusammenhang der Vorschrift. Zweck des Anhörungserfordernisses ist es, dass die Arbeitnehmerseite in der Anhörung ihre Interessen der Arbeitgeberin zur Kenntnis bringt. Hat die Arbeitgeberin der Beschäftigten hierzu keine Gelegenheit gegeben, trägt sie das Risiko, dass sich die getroffene Maßnahme wegen mangelnder Berücksichtigung der Arbeitnehmerinteressen und damit einer Verfehlung der Anforderungen insbesondere aus § 106 Gewerbeordnung (GewO) als unwirksam erweist (vgl. BAG, 24. Mai 2018 - 6 AZR 116/17, juris, Rn 37; BAG, 18. Oktober 2017 - 10 AZR 330/16, juris Rn 35). Außerdem kann bei Versäumung der Anhörung die Regelung in Ziffer 332.3 nicht unmittelbar zum Tragen kommen, wonach trotz in der Anhörung vorgebrachter triftiger Gründe gegen die Umsetzung die Umsetzung für einen begrenzten Zeitraum wirksam bleibt. Dieses eigenständige tarifvertragliche Folgenregime spricht ebenfalls gegen die Annahme einer Unwirksamkeitsfolge bei Versäumung der Anhörung.

b. Die Unwirksamkeit der Umsetzung folgt aber aus § 106 Satz 3 GewO iVm. § 164 Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX).

aa. Auf die Umsetzung der Klägerin als einem behinderten Menschen gleichgestellte Person sind die gesetzlichen Vorschriften anzuwenden, wie sie das arbeitgeberseitige Direktionsrecht begrenzen und insbesondere eine Berücksichtigung von Behinderungen und die Verwirklichung des Anspruchs auf behinderungsgerechte Beschäftigung verlangen.

(1) Die Umsetzung ist als Ausübung des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts an § 106 GewO zu messen. In § 106 GewO ist geregelt, dass der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen kann, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind.

(2) Nach der zutreffenden Rechtsprechung des BAG verlangt die Ausübung nach billigem Ermessen eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit. In die Abwägung sind alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehen. Dem Inhaber des Bestimmungsrechts nach § 106 Satz 1 GewO, § 315 Abs. 1 BGB verbleibt für die rechtsgestaltende Leistungsbestimmung ein nach billigem Ermessen auszufüllender Spielraum. Innerhalb dieses Spielraums können dem Bestimmungsberechtigten mehrere Entscheidungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Dem Gericht obliegt nach § 106 Satz 1 GewO, § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB zu prüfen, ob der Arbeitgeber als Gläubiger die Grenzen seines Bestimmungsrechts beachtet hat. Dabei kommt es nicht auf die vom Bestimmungsberechtigten angestellten Erwägungen an, sondern darauf, ob die getroffene Entscheidung den gesetzlichen Anforderungen genügt (BAG, 18. Oktober 2017 - 10 AZR 330/16, juris Rn. 45; BAG, 24. Mai 2018 - 6 AZR 116/17, juris Rn. 39). Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die getroffene Entscheidung den gesetzlichen Anforderungen genügt, trägt der Bestimmungsberechtigte (BAG, 27. April 2021 - 9 AZR 343/20, juris Rn 68). Aus § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB folgt, dass die Bestimmung für die Arbeitnehmerin oder den Arbeitnehmer nur verbindlich ist, wenn sie der Billigkeit entspricht (BAG, 18. Oktober 2017 - 10 AZR 330/16, juris Rn 71). Verstößt eine Weisung gegen eine gesetzliche Regelung oder Bestimmungen eines Tarifvertrags oder einer Betriebsvereinbarung, so führt das grundsätzlich ebenfalls zur Unwirksamkeit der Weisung (NK-ArbR/Boecken/Pils, 2. Aufl. 2023, GewO § 106 Rn 75).

(3) § 106 Satz 3 GewO verlangt, dass die Arbeitgeberin bei der Ausübung ihres Ermessens auf Behinderungen der Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer Rücksicht zu nehmen hat. Dies steht in Zusammenhang mit dem Verbot der Benachteiligung wegen einer Behinderung in Artikel 3 Absatz 3 Grundgesetz, den arbeitsvertraglichen Rücksichtnahmepflichten des Arbeitgebers aus § 241 BGB sowie dem Anspruch auf behinderungsgerechte Beschäftigung aus § 164 Absatz 4 SGB IX (vgl. BT-Drs. 14/8796, S. 24). Bei beschränkter Leistungsfähigkeit auf Grund einer Behinderung ist der Arbeitgeber nach § 106 Satz 3 GewO verpflichtet, im Rahmen der Ausübung seines Direktionsrechts auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen. Ist es deshalb dem Arbeitgeber möglich und zumutbar, dem nur eingeschränkt leistungsfähigen Arbeitnehmer Arbeiten zuzuweisen, die seiner verbleibenden Leistungsfähigkeit entsprechen, ist die Zuweisung anderer Arbeiten nach § 106 Satz 1 GewO unbillig (BAG, 4. Oktober 2005 - 9 AZR 632/04, juris Rn 14).

(4) Nach § 164 Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 SGB IX kann der schwerbehinderte Mensch bzw. ein gleichgestellter behinderter Mensch (vgl. § 151 Absätze 1 und 3 SGB IX) von seinem Arbeitgeber eine Beschäftigung verlangen, bei der er seine Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiterentwickeln kann. Der Anspruch ist auf eine behinderungsgerechte Beschäftigung gerichtet. Es gilt insbesondere das Verbot unterwertiger Beschäftigung. (LPK-SGB IX/Franz Josef Düwell, 6. Aufl. 2022, § 164 Rn. 187). Der Anspruch auf eine den Kenntnissen und Fähigkeiten des schwerbehinderten Menschen angepasste Beschäftigung besteht unmittelbar kraft Gesetzes (BAG, 16. Mai 2019 - 6 AZR 329/18, juris Rn 35). Zur Ermöglichung der Beschäftigung kann der behinderte Mensch gegebenenfalls sogar eine Abänderung des Arbeitsvertrags beanspruchen (BAG, aaO; BAG, 15. Oktober 2013 - 1 ABR 25/12, juris Rn 24), jedenfalls aber eine Neuausübung des Direktionsrechts im Rahmen des bestehenden Arbeitsvertrags. Der schwerbehinderte bzw. einem Schwerbehinderten gleichgestellte Arbeitnehmer kann verlangen, dass der Arbeitgeber sein Direktionsrecht neu ausübt und ihm eine Beschäftigung zuweist, die ihm möglich und zumutbar ist (Kreutzberg-Kowalczyk; RdA 2021, 137, 138). Existiert bereits ein behinderungsgerechter Arbeitsplatz, ist er verpflichtet, diesen nach Möglichkeit durch Ausübung seines Direktionsrechts zuzuweisen (BeckOK SozR/Brose, 68. Ed. 1.3.2023, SGB IX § 164 Rn 21). Allerdings folgt aus alledem kein Anspruch der schwerbehinderten oder gleichgestellten Arbeitnehmerin darauf, nur noch nach ihren Wünschen und Neigungen beschäftigt zu werden (vgl. ErfK/Rolfs, 23. Aufl. 2023, SGB IX § 164 Rn 9; Kreutzberg-Kowalczyk; RdA 2021, 137, 138).

bb. Danach ist die Umsetzung vom 25. Mai 2022 in den Bereich „Culture Online“ nicht nur daraufhin zu überprüfen, ob die dort für die Klägerin bereits näher bestimmten Arbeitsaufgaben von ihr trotz der bestehenden Einschränkungen des Sehvermögens ausgeführt werden können. Vielmehr ist außerdem zu prüfen, ob zu erwarten steht, dass dort ihr Anspruch auf eine behinderungsgerechte Beschäftigung innerhalb des Berufsbilds der Redakteurin erfüllt werden kann.

(1) Wie dargestellt, muss die Ausübung des arbeitgeberseitigen Weisungsrechts ihrem konkreten Inhalt nach den Anforderungen aus § 106 GewO einschließlich des Billigkeitserfordernisses genügen. Insbesondere würde also die Anweisung von Arbeitsaufgaben unzulässig und unwirksam sein, die die Klägerin im Hinblick auf ihr eingeschränktes Sehvermögen nicht ausüben kann. Aus dem Zusammenhang mit dem Anspruch auf behinderungsgerechte Beschäftigung folgt als zusätzliche Anforderung an die Umsetzung, dass für den Arbeitsplatz in der neuen Abteilung oder Redaktion behinderungsgerechte Aufgaben in hinreichende Menge zu erwarten stehen, so dass der Beschäftigungsanspruch verwirklicht werden kann. Der neu angewiesene Arbeitsplatz soll für die Bestandsdauer der Umsetzung die behinderungsgerechte Beschäftigung ermöglichen. Deshalb müssen nicht allein die bereits konkretisierten Arbeitsaufgaben behinderungsgerecht sein, sondern es müssen auch die zu erwartenden Arbeitsaufgaben dieser Anforderung genügen.

(2) Zugewiesene und zu erwartenden Arbeitsaufgaben müssen im Hinblick auf die arbeitsvertragliche Angabe einer entsprechenden Beschäftigung und der Eingruppierung der Klägerin dem Berufsbild der Redakteurin entsprechen. Zu dessen näheren Abgrenzung sei auf die Beschreibung im Internetangebot Berufenet der Bundesagentur für Arbeit hingewiesen. Redakteure und Redakteurinnen sammeln und prüfen zielgruppenspezifische Informationen und bringen diese in mediengerechte Form - in Text, Bild oder Ton. Im Bereich Onlineredaktion bearbeiten sie z.B. Texte mithilfe von Content-Management-Systemen (CMS) oder erstellen Dateien für Podcasts. recherchieren Aktuelles und Hintergründe zu Themen und Ereignissen, indem sie beispielsweise Agenturmeldungen sichten, Pressekonferenzen besuchen oder Recherchen auf einschlägigen Internetportalen und in Social-Media-Kanälen durchführen. Dabei spezialisieren sie sich meist auf bestimmte Ressorts wie Politik, Wirtschaft, Lokales, Sport oder Kultur. Sie bearbeiten vorhandene Meldungen und Beiträge, machen diese z.B. für die jeweilige Zielgruppe verständlich und passen sie in ein Layout bzw. Sendekonzept ein (https://web.arbeitsagentur.de/berufenet/beruf/14647, Abfrage vom 28. Juni 2023). Das Bundesarbeitsgericht hat zu den Arbeitsaufgaben einer Redakteurin ausgeführt, nach allgemeinem Verständnis sei es die Aufgabe des Redakteurs, aus der Fülle von Informationen, die für die Leser, Zuhörer oder Zuschauer bedeutsamen Beiträge für die nächste Ausgabe oder Sendung aufzubereiten. Die Redakteurin oder der Redakteur erstelle somit Beiträge, die zur Veröffentlichung bestimmt seien (vgl. BAG, 23. Februar 2010 - 9 AZR 3/09, juris Rn 26). Seien die zur Erstellung angewiesenen Aufträge nicht zur Veröffentlichung bestimmt, liege keine Redakteurstätigkeit vor (BAG, aaO. Rn 28).

cc. In Anwendung dieser Grundsätze kann nicht festgestellt werden, dass die Umsetzung vom 25. Mai 2022 in den Bereich „Culture Online“ den gesetzlichen Anforderungen genügt.

(1) Dies folgt nicht daraus, dass die der Klägerin konkret übertragenen Aufgaben, Rezensionen zu erstellen, nicht wirksam angewiesen werden könnten. Nach dem Verständnis der Kammer gehört die Erstellung von Beiträgen durchaus zu den Aufgaben einer Redakteurin, so dass die Erstellung von Rezensionen von dem Berufsbild gedeckt sein würde. Die Erstellung von Rezensionen erscheint auch unter Berücksichtigung des eingeschränkten Sehvermögens der Klägerin nicht stets ausgeschlossen. Insoweit könnte wohl auf Vorlesehilfen zurückgegriffen werden. Auch bleibt, worauf die Beklagte hingewiesen hat, die Besprechung von Musik oder sonstigen zum Anhören bestimmten Veröffentlichungen möglich. Vorausgesetzt, entsprechende Rezensionen würden im Sinne der zitierten Rechtsprechung zur Veröffentlichung bestimmt sein, würden sie damit zu den der Klägerin anweisbaren Arbeitsaufgaben zu zählen sein.

(2) Die für die Einhaltung der Grenzen des Direktionsrechts darlegungsbelastete Beklagte hat aber nicht ausreichend dazu vorgetragen, dass für den Arbeitsplatz in der Redaktion „Culture Online“ behinderungsgerechte Aufgaben in hinreichende Menge zu erwarten stehen, so dass der Beschäftigungsanspruch verwirklicht werden kann. Aus dem diesbezüglichen Vorbringen in der Berufungsbeantwortung aber auch in dem dort in Bezug genommenen Schriftsatz vom 1. September 2022 wird keine Planung oder Abschätzung deutlich, dass in der Redaktion Arbeitsaufgaben für die Klägerin in hinreichendem Umfang zu erwarten stehen. Die Ausführungen in dem Mail-Schreiben mit der Ankündigung der Umsetzung vom 16. November 2021 enthält als thematisch konkret bezeichnete Aufgaben nur die bereits angesprochene Erstellung von Buch- und Musikbesprechungen. Entsprechendes gilt für das Umsetzungsschreiben vom 25. Mai 2022. Die Beklagte hat nicht dargetan, von welcher Planung sie insoweit ausgeht. Welche Rezensionen wo in welcher Periodizität veröffentlicht würden, hat sie nicht dargetan. Das entsprechende Arbeitsaufgaben in hinreichender Menge zu erwarten stünden, wird aus dem Vortrag der Beklagten insgesamt nicht ersichtlich.

(3) Anders als es das Arbeitsgericht angenommen hat, kann insoweit nicht allein auf die kurze Zeit der Einarbeitungsmöglichkeit vor der Erkrankung der Klägerin abgestellt werden. Die Umsetzung in Erfüllung des Anspruchs auf behinderungsgerechte Beschäftigung bedarf der Vorbereitung dahingehend, durch welche behinderungsgerechten Arbeitsaufgaben er auf dem neuen Arbeitsplatz erfüllt werden soll. Hierzu reicht es nicht aus, dass die Beklagte auf Möglichkeiten für die Klägerin hinweist, in behinderungsgerechter Weise Rezensionen zu erstellen. Aus dem Vortrag müsste zusätzlich ersichtlich werden, dass tatsächlich entsprechende Arbeitsaufgaben, die auch grundsätzlich zu einer Veröffentlichung bestimmt sein würden, in einer hinreichenden Menge und in einer von der Klägerin trotz der Einschränkungen aus der Behinderung bewältigbaren Art zu erwarten stehen. Die Klägerin hat darauf hingewiesen, dass für sie die eine bevorstehende oder geplante Veröffentlichung von Rezensionen nicht erkennbar ist. Jedenfalls auf diesen Vortrag hin, hätte die Beklagte sich zur Aufgabenplanung und zur Bemessung der zu erwartenden Arbeitsaufgaben einlassen müssen.

(4) Zusätzlich hat die Kammer in diesem Zusammenhang berücksichtigt, dass die Beklagte das bEM-Verfahren nicht gemäß den Bestimmungen der Dienstvereinbarung fortgeführt hat. Auf die Meldung eines Störfalles hin, hätte gemäß Ziffer 3.5 die Abteilung Human Ressources auf eine konstruktive Lösung hinwirken müssen. Dies hätte die Prüfung der Umsetzung in einem Integrationsgespräch sein können daraufhin, ob in der Redaktion für die Klägerin geeignete Arbeitsaufgaben in einem hinreichenden Umfang zur Verfügung stehen. Im Ergebnis einer solchen Prüfung würde für die Prozessparteien und das Gericht die Grundlage für die Prüfung verbreitert sein, ob die Umsetzung in Vorbeugung von krankheitsbedingten Abwesenheitszeiten eine behinderungsgerechte Beschäftigung ermöglicht. Dieses Versäumnis führt dazu, dass die Beklagte im gerichtlichen Verfahren näher zur Möglichkeit der Erfüllung des Beschäftigungsanspruchs auf dem neu zugewiesenen Arbeitsplatz hätte erklären müssen (vgl. BAG, 7. September 2021 - 9 AZR 571/20, juris Rn 24), einschließlich einer Verdeutlichung, dass behinderungsgerechte Arbeitsaufgaben einer Redakteurin in hinreichendem Umfang mit diesem Arbeitsplatz verbunden sind.

(5) Damit wird die Durchführung des bEM nicht zur Wirksamkeitsvoraussetzung der Ausübung des Direktionsrechts gemacht (dagegen BAG, 18. Oktober 2017 - 10 AZR 47/17, juris Rn 30). Dem § 167 Absatz 2 SGB IX wird keine Vorrangstellung im Verhältnis zu § 106 Satz 1 GewO eingeräumt. Vielmehr kann trotz Versäumung des bEM die Versetzung bzw. Umsetzung weiterhin wirksam sein. Es muss aber der Arbeitgeber in der Lage sein, umfassend darzutun, dass die vorgesehene Beschäftigung nicht mit den Zwecken des bEM kollidiert, Arbeitsunfähigkeitszeiten vorzubeugen und so zu dem Erhalt des Arbeitsverhältnisses und der Beschäftigungsmöglichkeit beizutragen (vgl. LPK-SGB IX/Düwell, 6. Aufl. 2022, SGB IX § 167 Rn 35).

II.

Hinsichtlich des von der Klägerin geltend gemachten gerichtlichen Verbots bestimmter Beschäftigungen bleibt die Berufung ohne Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Anträge zurückgewiesen, ohne dass dies auf einem Rechtsfehler beruhen würde oder der Vortrag im Berufungsverfahren eine abweichende Bescheidung begründen würde. Der Antrag zu 2 und der zur Entscheidung angefallene Hilfsantrag zu 3 auf Untersagung einer Beschäftigung der Klägerin bei „Culture Online“ sind zwar zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt. Sie sind aber – ungeachtet der zu I. begründeten Unwirksamkeit der Umsetzung dorthin – unbegründet.

1. Die Untersagung einer Beschäftigung hätte zu Voraussetzung, dass die Klägerin einen Anspruch gegen die Arbeitgeberin gerichtet auf die Unterlassung der im Antrag beschriebenen Beschäftigung haben würde. Ein solcher Anspruch besteht aber nicht. Der Arbeitnehmer hat im bestehenden Arbeitsverhältnis grundsätzlich einen Anspruch auf vertragsgemäße tatsächliche Beschäftigung (BAG, 15. Juni 2021 - 9 AZR 217/20, juris Rn 43). Dies bedeutet aber nicht, dass das Arbeitsverhältnis zugleich einen Anspruch auf Unterlassung einer nicht wirksam angewiesenen Beschäftigung begründen würde. Für die Herleitung eines solchen Anspruchs aus dem Arbeitsvertrag hat die Klägerin keine nähere Begründung vorgebracht. Eine solche Begründung ist auch nicht erkennbar. Die Klägerin ist nicht verpflichtet, der unwirksamen Umsetzung nachzukommen. Nach § 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB besteht keine - auch keine vorläufige - Bindung des Arbeitnehmers an unbillige Weisungen, sofern der Arbeitnehmer diese nicht trotz ihrer Unbilligkeit akzeptiert (BAG, 18. Oktober 2017 - 10 AZR 330/16, juris Rn 63). Die diesbezügliche gerichtliche Feststellung behebt Zweifel über die Wirksamkeit der Umsetzung und kann so davor schützen, wegen eines Sanktionierungsrisikos die unbillige Weisung dennoch befolgen zu müssen. Die vertragsgemäße Beschäftigung kann durch eine Beschäftigungsklage erstritten werden. Bedarf für einen darüber hinaus reichenden zusätzlichen Schutz durch einen Unterlassungsanspruch ist nicht dargetan.

2. Die mit dem Hilfsantrag angesprochene gesetzliche Verpflichtung aus § 5 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG), eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen, begründet ebenfalls keinen Anspruch auf Unterlassung einer Beschäftigung vor Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung. Wie es die Beklagte ausgeführt hat, statuiert § 5 ArbSchG zunächst eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung der Arbeitgeberin. Nimmt man eine korrespondierende Verpflichtung gegenüber der Arbeitnehmerin oder dem Arbeitnehmer etwa aus der Anwendung von § 618 BGB an, so bedeutet dies nicht, dass hieraus eine selbständig klagbare Verpflichtung der Beklagten folgen würde, die Beschäftigung vor Durchführung der Gefährdungsbeurteilung zu unterlassen. Zwar erscheinen Leistungsverweigerungsrechte der Arbeitnehmerin nicht von vornherein ausgeschlossen. Auch die Bestimmungen zu besonderen Gefahrenlagen aus § 9 ArbSchG bleiben unberührt, darunter die Einschränkung, dass Arbeitgeber bei anhaltender erheblicher Gefahr die Beschäftigten nur in besonders begründeten Ausnahmefällen zur Wiederaufnahme der Tätigkeit auffordern dürfen, § 9 Absatz 3 Satz 3 ArbSchG. Ein Anspruch auf gerichtliche Untersagung der Beschäftigung vor Durchführung der Gefährdungsbeurteilung ist aus alledem aber nicht ersichtlich.

III.

Hinsichtlich der Beschäftigungsanträge hat die Berufung teilweise Erfolg. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts ist dem Antrag auf Beschäftigung als Redakteurin in der Abteilung Lateinamerika stattzugeben Dagegen hat das Arbeitsgericht die Beschäftigungsanträge zu 4 und 5 im Ergebnis zur Recht abgewiesen. Sie sind zulässig aber unbegründet. Wegen der Stattgabe zu dem Antrag zu 6 fällt der hilfsweise für den Fall der Abweisung des Antrags zu 6 gestellte Hilfsantrag zu 7 dem Berufungsgericht nicht zur Entscheidung an.

1. Die Beschäftigungsanträge zu 4 bis 6 sind zulässig. Insbesondere sind sie hinreichend bestimmt.

a. Nach § 253 Absatz 2 Nr. 2 ZPO muss die Klageschrift die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs sowie einen bestimmten Antrag enthalten. Die Klagepartei muss eindeutig festlegen, welche Entscheidung sie begehrt. Dazu hat sie den Streitgegenstand so genau zu bezeichnen, dass der Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308 ZPO) keinem Zweifel unterliegt und die eigentliche Streitfrage mit Rechtskraftwirkung zwischen den Parteien entschieden werden kann (§ 322 ZPO). Sowohl bei einer der Klage stattgebenden als auch bei einer sie abweisenden Sachentscheidung muss zuverlässig feststellbar sein, worüber das Gericht entschieden hat. Unklarheiten über den Inhalt der Verpflichtung dürfen nicht aus dem Erkenntnisverfahren ins Vollstreckungsverfahren verlagert werden. Dessen Aufgabe ist es zu klären, ob der Schuldner einer festgelegten Verpflichtung nachgekommen ist, nicht aber worin diese besteht (BAG, 3. Dezember 2019 - 9 AZR 78/19, juris Rn 10).

b. Wird mit einer Klage ein vertraglicher Beschäftigungsanspruch geltend gemacht, muss der Antrag verdeutlichen, um welche Art von Beschäftigung es geht. Der Antrag muss zumindest das Berufsbild enthalten oder es muss sich in vergleichbarer Weise ergeben, worin die Tätigkeit bestehen soll (BAG, 21. Dezember 2022 - 7 AZR 489/21, juris Rn 74, juris). Ein auf Beschäftigung gerichteter Klageantrag genügt den Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO regelmäßig dann, wenn er Berufsbild und Arbeitsbedingungen enthält oder diese nicht im Streit sind. Der Arbeitgeber soll dann verurteilt werden, dem Arbeitnehmer einen funktionsfähigen Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen, das heißt ihm Zutritt zum Betrieb zu gewähren, die mit dem Arbeitsplatz verbundenen Aufgaben zu übertragen und den Zugriff auf die sächlichen und personellen Mittel zu eröffnen, die zur tatsächlichen Ausübung der vertraglich vereinbarten Arbeitsleistung erforderlich sind (BAG, 13. Juni 2006 - 9 AZR 229/05, juris Rn 18).

c. Diesen Anforderungen genügen die Klageanträge zu 4 bis 6. Durch die jeweils aufgenommenen Konkretisierungen ist klargestellt, dass die Klägerin mit den Arbeitsaufgaben einer Redakteurin und in den genannten Abteilungen beschäftigt werden möchte respektive für den Antrag zu 5 auf welcher konkreten Stelle. Die übrigen Arbeitsbedingungen sind zwischen den Parteien nicht im Streit.

2. Die Anträge zu 5 und 6 sind unbegründet.

a. Die Klägerin kann nicht die Beschäftigung als Redakteurin in der Abteilung Wirtschaft etc. beanspruchen.

aa. Ein entsprechender Anspruch kann nicht aus der Umsetzung in diese Abteilung zum 1. Januar 2019 hergeleitet werden. Diese Umsetzung erfolgte befristet. Die mehrfach verlängerte Befristung ist abgelaufen. Es ist kein Gesichtspunkt ersichtlich, weshalb die Befristung der Umsetzung unwirksam sein sollte. Daraus, dass die tarifvertragliche Regelung eine Befristung der Umsetzung nicht anspricht, kann nicht geschlossen werden, dass die Tarifvertragsparteien sie untersagen wollten. Aus dem arbeitsgeberseitigen Direktionsrecht, wie es in § 106 GewO anerkannt ist, folgt die Veränderlichkeit der Arbeitsaufgabe innerhalb der dort genannten Grenzen. Dementsprechend erscheint eine von vornherein nur zeitlich begrenzt erfolgte Veränderung der Arbeitsaufgabe nicht aus diesem Grund als unbillig und unzulässig.

bb. Ohne entsprechende Umsetzung kann die Klägerin nicht die Beschäftigung gerade in der Abteilung Wirtschaft etc. beanspruchen. Dies folgt daraus, dass – wie die Klägerin einräumt – die Beschäftigung dort nicht die einzige für die Beklagte mögliche Ausübung ihres Direktionsrechts ist. Ein Anspruch auf entsprechende Ausübung des Direktionsrechts würde unter Berücksichtigung der zu B 2 b aa dargestellten Grundsätzen nur dann bestehen, wenn die Arbeitsaufgaben dort die einzige Möglichkeit sein würden, die Klägerin behinderungsgerecht zu beschäftigen. Das ist nicht geltend gemacht.

b. Die Beschäftigung auf der ausgeschriebenen Stelle in dem Bereich documentaries kann die Klägerin nicht beanspruchen. Wie es das Arbeitsgericht ausgeführt hat, würde dies voraussetzen, dass die Klägerin die Besetzung der Stelle mit ihrer Person beanspruchen könnte, weil sie die bestgeeignete Bewerberin ist. Das ist aber auch im Berufungsverfahren nicht konkret dargetan.

3. Der Antrag zu 6 ist begründet. Die Klägerin kann ihre Beschäftigung als Redakteurin in der Abteilung Lateinamerika beanspruchen.

a. Nach der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat der Arbeitnehmer, wenn sich eine vom Arbeitgeber vorgenommene Versetzung als unwirksam erweist, einen Anspruch auf Beschäftigung in seiner bisherigen Tätigkeit am bisherigen Ort. Bei einer Versetzung handelt es sich um eine einheitliche Maßnahme, die nicht in den Entzug der bisherigen Tätigkeit und die Zuweisung einer neuen Tätigkeit aufgespalten werden kann. Dies gilt auch dann, wenn Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung im Arbeitsvertrag nicht abschließend festgelegt sind, sondern dem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegen. Solange dieser nicht rechtswirksam von seinem Weisungsrecht erneut Gebrauch gemacht oder eine wirksame Freistellung von der Arbeit ausgesprochen hat, bleibt es bei der bisher zugewiesenen Arbeitsaufgabe am bisherigen Ort und der Arbeitnehmer hat einen dementsprechenden Beschäftigungsanspruch (BAG, 25. August 2010 - 10 AZR 275/09, juris Rn 15; (LArbG Berlin-Brandenburg, 28. Oktober 2020 - 25 Sa 1105/20, juris Rn 66).

b. Danach kann die Klägerin ihre Beschäftigung in der Hauptabteilung Lateinamerika beanspruchen. Die Umsetzung nach dort ist die letzte wirksame Zuweisung einer Tätigkeit. Die anschließende Umsetzung in die Hauptabteilung Wirtschaft etc. war befristet und diese Befristung ist abgelaufen. An der Umsetzung in die Abteilung Bild halten beide Parteien nicht weiter fest. Schließlich ist die zuletzt erfolgte Umsetzung in die Abteilung „Culture Online“, wie unter C I. 2 ausgeführt, unwirksam. Die von der Beklagten geltend gemachte Unmöglichkeit einer Beschäftigung in der Abteilung Lateinamerika ist – auch unter Berücksichtigung des diesbezüglich von der Beklagten in Bezug genommenen Vorbringens aus dem Verfahren 56 Ga 10832/20 – nicht dargetan. Der Hinweis auf die nicht vorhandene hinreichende Befähigung, spanischsprachige Texte zu lesen, sowie auf entstandene Konflikte lässt zwar Probleme erkennen, vor dem Hintergrund der mehrjährigen Tätigkeit der Klägerin als Redakteurin in der Abteilung wird aber nicht ersichtlich, weshalb die Beschäftigung unmöglich sein sollte.

IV.

Wegen der Anträge im Hinblick auf das bEM-Verfahren bleibt die Berufung ohne Erfolg. Es hat bei der vom Arbeitsgericht ausgesprochenen Abweisung der Anträge zu verbleiben. Der Antrag zu 8 auf Fortsetzung des begonnenen bEM-Verfahrens ist bereits unzulässig. Der damit zur Entscheidung anfallende Antrag zu 9 wegen Einladung zu einem neuen Verfahren ist, wie es das Arbeitsgericht angenommen hat, unbegründet.

1. Der Antrag zu 8, das begonnene BEM-Verfahren fortzusetzen ist, wie es die Beklagte geltend gemacht hat, unzulässig. Dieser Antrag ist nicht hinreichend bestimmt. Den bereits unter B III 1 a dargestellten Bestimmtheitsanforderungen genügt der Antrag nicht. Unbestimmt bleibt, was mit Fortsetzung des begonnenen BEM-Verfahrens gemeint ist. Dies wird auch unter Berücksichtigung der Klagebegründung nicht näher bestimmbar. Die Bezugnahme auf die DV BEM ist insoweit unbehilflich, weil danach eine Reihe von Möglichkeiten in Betracht kommen. So können Folgegespräche vereinbart, ein Maßnahmenvorschlag der Abteilung Human Ressources unterbreitet werden oder eine Beendigungserklärung seitens dieser Abteilung veranlasst sein. Im Hinblick auf diese Unbestimmtheit fehlt es an einer hinreichenden Abgrenzung, worüber das Gericht entscheiden soll und bliebe im Falle etwa einer abweisenden Entscheidung die Reichweite der Rechtskraft unklar.

2. Der Antrag zu 9, die Klägerin zu einem neuen bEM-Verfahren einzuladen, ist unbegründet.

a. Der Antrag ist zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt. Die Beklagte soll dazu verpflichtet werden, die Klägerin entsprechend den Vorgaben bei Ziffer 3.3 der DV BEM zu einem neuen bEM-Verfahren einzuladen.

b. Der Antrag ist aber unbegründet. Wie es das Arbeitsgericht angenommen hat, folgt ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte, zu einem neuen bEM-Verfahren eingeladen zu werden, weder aus der gesetzlichen Regelung zum bEM in § 167 Absatz 1 Satz 1 SGB IX noch aus der DV BEM.

aa. Nach der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts begründet § 167 Absatz 2 Satz 1 SGB IX, auch wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen der Norm erfüllt sind, keinen Individualanspruch der betroffenen Arbeitnehmer auf Einleitung und Durchführung eines bEM- Verfahrens (BAG, 7. September 2021 - 9 AZR 571/20, juris Rn 14). Nach der gesetzlichen Regelung in § 167 Absatz 2 Satz 7 SGB IX können zB. Betriebs- oder Personalräte, bei schwerbehinderten Menschen außerdem die Schwerbehindertenvertretung, ein bEM-Verfahren verlangen. Für die betroffenen Arbeitnehmer sieht die gesetzliche Regelung entsprechende Rechte und Aufgaben nicht vor (BAG, aaO. Rn 15).

bb. Entgegen der Berufung folgt ein entsprechender Anspruch auch nicht aus der DV BEM. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob – wie es die Berufung geltend macht – die DV der betroffenen Arbeitnehmerin oder dem betroffenen Arbeitnehmer einen Anspruch auf Einladung zu einem bEM einräumt. Jedenfalls würden die in der DV BEM aufgestellten tatbestandlichen Voraussetzungen nicht erfüllt sein. Im Hinblick auf die bereits erfolgte Einladung könnte ein Anspruch nur nach Verfahrensabschluss und Vorliegen der weiteren Voraussetzungen, wie sie bei Ziffer 3.4.5 DV BEM genannt sind, bestehen. Insoweit fehlt es aber bereits an der dort genannten Erklärung der Abteilung Human Ressources, dass das bEM beendet sei.

V.

Begründet ist die Berufung schließlich wegen des Antrags auf Rückgängigmachung und Untersagung der Stellenbesetzung.

1. Der Antrag ist zulässig. Insbesondere ist er nicht deshalb unzulässig, weil der Antrag bereits rechtskräftig beschieden sein würde oder nach § 261 Absatz 3 Ziffer 1 ZPO weil die Streitsache anderweitig anhängig sein würde.

a. Das Verfahren bei dem Arbeitsgericht zu dem Aktenzeichen 56 Ca 10254/22 hat einen anderen Gegenstand. Dort ist der Anspruch eingeklagt, die Bewerbung der Klägerin um die Redakteursstelle für die Abteilung Documentaries neu zu bescheiden. Vorliegend sind Rückgängigmachung einer erfolgten Besetzung dieser Stelle und die Unterlassung einer anderweitigen Besetzung bis zur Neubescheidung der Bewerbung der Klägerin Gegenstand. Zwar stellt sich dabei die Frage nach dem Bestehen eines Neubescheidungsanspruchs. Diese Frage ist aber nur eine Vorfrage für den vorliegend eingeklagten Anspruch. Die Identität mit einer im Parallelprozess auftretenden Vorfrage, begründet keine doppelte Rechtshängigkeit (BGH, 15. Dezember 2009 - XI ZR 110/09, juris Rn 15). Dementsprechend würden durch eine abweichende Beurteilung im Ergebnis der Fortsetzung des genannten Verfahrens keine unauflösbaren Widersprüche entstehen. Die Neubescheidung der Bewerbung der Klägerin bliebe Voraussetzung der Stellenbesetzung, auch wenn der Klägerin kein selbständig durchsetzbarer Anspruch auf Neubescheidung zugesprochen sein würde.

b. Als vorläufige Regelung kann die Entscheidung im abgeschlossenen einstweiligen Verfügungsverfahren nicht unter dem Gesichtspunkt einer materiell rechtskräftigen Entscheidung der Bescheidung des hier anhängigen Hauptsacheantrags entgegenstehen.

c. Unter Berücksichtigung der Ausführungen unter C V 1 a kann entgegen der Auffassung der Beklagten dem Antrag auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis abgesprochen werden. Ein Zwang zur einheitlichen Verfolgung von Neubescheidungsanspruch und Antrag auf Untersagung der Stellenbesetzung ist nicht ersichtlich.

2. Der Antrag ist begründet. Die Klägerin kann aus Art. 33 Absatz 2 GG beanspruchen, dass die Besetzung der Redakteursstelle für die Abteilung Documentaries rückgängig gemacht und für den geltend gemachten Zeitraum nicht anderweitig mit einem Bewerber oder einer Bewerberin besetzt wird.

a. Nach Artikel 33 Absatz 2 GG hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte. Öffentliche Ämter im Sinne dieser Vorschrift sind nicht nur Beamtenstellen, sondern auch solche Stellen, die ein Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes mit Arbeitnehmern zu besetzen beabsichtigt. Der unbeschränkt und vorbehaltlos gewährleistete Grundsatz der Bestenauslese dient zum einen dem öffentlichen Interesse an der bestmöglichen Besetzung der Stellen des öffentlichen Dienstes. Zum anderen trägt die Verfassungsnorm dem berechtigten Interesse der Bediensteten an einem angemessenen beruflichen Fortkommen dadurch Rechnung, dass sie grundrechtsgleiche Rechte auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Einbeziehung in die Bewerberauswahl begründet. Arbeitnehmern im öffentlichen Dienst steht deshalb bei der Besetzung von Stellen des öffentlichen Dienstes ein verfassungsrechtlicher Bewerbungsverfahrensanspruch zu. Daraus folgt angesichts der Kriterien Eignung, Befähigung und fachliche Leistung in Art. 33 Abs. 2 GG ein subjektives Recht jedes Bewerbers auf chancengleiche Teilnahme am Bewerbungsverfahren (BAG, 1. Dezember 2020 - 9 AZR 192/20, juris Rn 26f).

b. Art. 33 Absatz 2 GG ist auf die Beklagte als Anstalt des öffentlichen Rechts anwendbar. Die erkennende Kammer folgt diesbezüglich der Auffassung des LArbG Köln, 16. September 2021 - 6 Sa 160/21 (veröffentlicht bei juris) und des hiesigen LArbG in dem einstweiligen Verfügungsverfahren zum Schutz des Bewerbungsverfahrensanspruchs der Klägerin, LArbG Berlin-Brandenburg, 30. November 2022 - 4 SaGa 760/22 (nicht veröffentlicht).

aa. Der Begriff des öffentlichen Amtes in Artikel 33 Absatz 2 GG ist entsprechend zugrundeliegenden Zweck weit auszulegen. Er geht über den Bereich des öffentlichen Dienstes im Sinne des Artikel 33 Absätze 4 und 5 GG hinaus. Umfasst sind grundsätzlich sämtliche vom Staat (Bund, Länder, Gemeinden; unmittelbare und mittelbare Staatsverwaltung) bereitgestellten Positionen. Dabei ist gleichgültig, ob diese mit Beamten oder Arbeitnehmern zu besetzen sind. Erforderlich ist aber, dass die Stelle der öffentlichen Gewalt und damit der Staatsorganisation zuzuordnen ist. Das ist der Fall, wenn sie der Erfüllung öffentlicher Aufgaben dient. Auf die Organisationsform, in der der Staat tätig wird, kommt es nicht an (BAG, 12. April 2016 - 9 AZR 673/14, juris Rn 16).

bb. Wie es das Landesarbeitsgericht Köln für eine andere öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt ausgeführt hat, ist die Beklagte Adressatin der Verpflichtung aus Artikel 33 Absatz 2 GG, denn sie ist in ihrer Rechtsform als Anstalt öffentlichen Rechts einen Teil der öffentlichen Verwaltung im formellen Sinne und gehört trotz der Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zur insoweit grundrechtsgebundenen öffentlichen Gewalt (LArbG Köln, 16. September 2021 - 6 Sa 160/21, juris Rn 54ff). Hierzu hat das Gericht ausgeführt:

„Dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten trotz ihrer Grundrechtsträgerschaft zur öffentlichen "Gewalt" als Adressaten des Art 33 Abs. 2 GG zu zählen sind, ergibt sich aus den Grundsätzen, die das Bundesverfassungsgericht für die Rundfunkfreiheit im Allgemeinen und für die Rolle der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten im Besonderen entwickelt hat: Die Ausgestaltung der Rundfunkordnung ist die Aufgabe des Gesetzgebers, der dabei einen weiten Gestaltungsspielraum hat (BVerfG v. 28.02.1961 - 2 BvG 1/60 -). Um diesen Gestaltungsspielraum sicher zu stellen, bedarf es in erster Linie der Einhaltung und Sicherstellung des Gebots der Staatsfreiheit und Staatsferne des Rundfunks aus Art 5 Abs. 1 GG. Die Regelung in Art. 5 Abs. 1 GG verlangt, dass der Rundfunk weder dem Staat noch einer Gruppe ausgeliefert wird. Die Veranstalter von Rundfunkdarbietungen müssen also so organisiert werden, dass alle in Betracht kommenden Kräfte in ihren Organen Einfluss haben und im Gesamtprogramm zu Wort kommen können, und dass für den Inhalt des Gesamtprogramms Leitgrundsätze verbindlich sind, die ein Mindestmaß an Ausgewogenheit, Sachlichkeit und gegenseitiger Achtung gewährleisten (BVerfG v. 28.02. 1961 - 2 BvG 1/60 -). Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten erfüllen in diesem Rahmen öffentlich-rechtliche Aufgaben (BVerfG v. 27.07. 1971 - 2 BvF 1/68 -). Sie stehen in öffentlicher Verantwortung und erfüllen zugleich integrierende Funktionen für das Staatsganze (BVerfG v. 27.07. 1971 - 2 BvF 1/68 -). Zur Erfüllung dieser Aufgaben sind materielle, organisatorische und Verfahrensregelungen erforderlich, die an der Aufgabe der Rundfunkfreiheit orientiert und deshalb geeignet sind zu bewirken, was Art. 5 Abs. 1 GG gewährleisten will (BVerfG v. 16.06. 1981 - 1 BvL 89/78 -). Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Rundfunk-Rechtsprechung von Anfang an hervorgehoben, dass die Rundfunkfreiheit des Art 5 Abs. 1 Satz 2 GG in erster Linie Staatsfreiheit der Berichterstattung bedeutet (BVerfG v. 28.02.1961 - 2 BvG 1/60 -). Dieses Erfordernis bezieht sich auf die Funktion des Rundfunks als Medium und Faktor bei der Meinungsbildung. Diese soll unbeeinflusst vom Staat ausgeübt werden. Dagegen hindert Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG den Staat nicht, die Rahmenbedingungen für die Erfüllung dieser Funktion festzusetzen. Das Grundgesetz verpflichtet ihn im Gegenteil, die Rundfunkfreiheit in geeigneter Weise auszugestalten und zu sichern (BVerfG v. 05.02.1991 - 1 BvF 1/85 -). Es ist Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, als Gegengewicht zu den privaten Rundfunkanbietern ein Leistungsangebot hervorzubringen, das einer anderen Entscheidungsrationalität als der der marktwirtschaftlichen Anreize folgt und damit eigene Möglichkeit der Programmgestaltung eröffnet. Er hat so zu inhaltlicher Vielfalt beizutragen, wie sie allein über den Markt nicht gewährleistet werden kann (hierzu und im Folgenden ausführlich: BVerfG v. 25.03.2014 - 1 BvF 1/11 -). Das Gebot der Staatsferne stellt den öffentlich-rechtlichen Rundfunk also nicht außerhalb des staatlichen Verantwortungsbereichs. Vielmehr knüpft es an die Strukturverantwortung des Staates für den Rundfunk an und setzt sie voraus. So ist es im Rahmen der dualen Rundfunkordnung Aufgabe des Staates, dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk Gestalt zu geben. "Den Staat trifft hier, anders als in Wirtschaftsbereichen, die grundsätzlich privatwirtschaftlichem Handeln überlassen sind, mehr als eine ergänzende Regulierungsverantwortung; er ist unmittelbar Träger und Veranstalter, der mittels seiner Anstalten den Funktionsauftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkberichterstattung selbst erfüllt (vgl. BVerfGE 73, 118)" (BVerfG v. 25.03.2014 - 1 BvF 1/11 -). Ziel ist es, einen Rundfunk zu schaffen, der dem Prinzip der gesellschaftlichen Freiheit und Vielfalt verpflichtet ist, nicht aber inhaltlichvon den Repräsentanten und Amtsträgern des Staatsapparats geformt ist (BVerfG v. 04.11. 1986 - 1 BvF 1/84 -). Die Organisation der für die Erfüllung des Funktionsauftrags maßgeblichen Gremien ist demnach aus dem Prozess staatlich-repräsentativer Willensbildung herauszulösen und so zu gestalten, dass sich in ihr die Vielfalt des Gemeinwesens und gesellschaftliche Pluralität widerspiegelt. Der Staat trägt lediglich eine Strukturverantwortung und ist auf diese begrenzt. Das Gebot der staatsfernen Ausgestaltung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks soll damit zugleich und zuvörderst eine politische Instrumentalisierung des Rundfunks verhindern. Einseitigen politischen Einflussnahmen im Einzugsbereich staatlicher Machtausübung ist durch geeignete verfahrensrechtliche Vorkehrungen entgegenzuwirken (BVerfG v. 04.11. 1986 - 1 BvF 1/84 -). Als "dienende Freiheit" wird die Rundfunkfreiheit im Interesse freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung garantiert (BVerfG v. 05.02.1991 - 1 BvF 1/85 -). Als "dienende Freiheit" wird die Rundfunkfreiheit nicht primär im Interesse der Rundfunkveranstalter, sondern im Interesse freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung gewährleistet.

Werden die vorgenannten Grundsätze der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Rundfunkfreiheit zu Grunde gelegt, widerspricht es nicht etwa dem Kern des Art 5 GG in der Personalauswahl der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten eine Ausübung staatlicher Gewalt im Sinne des Art 33 Abs. 2 GG zu erblicken, es ist sogar geboten dies zu tun. Art 33 Abs. 2 GG stellt eine vom Grundgesetz selbst gewährleistete "verfahrensrechtliche Vorkehrung" im Sinne der dargestellten verfassungsrechtlichen Rechtsprechung dar, die gewährleisten hilft, der staatlichen Machtausübung entgegenzuwirken. Zur Verwirklichung der besagten Grundsätze ist es notwendig, dass sich die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten bei ihren Personalauswahlentscheidungen an den Kriterien Eignung, Befähigung und fachliche Leistung orientieren - dies immer mit dem Ziel der Verwirklichung des Auftrages aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG und daher in jedem Einzelfall mit einem sehr weiten Entscheidungsspielraum. In dieser Weise und mit der einhergehenden notwendigen Transparenz des Auswahlverfahrens (Auswahlvermerk!) ist gewährleistet, dass "der Rundfunk weder dem Staat noch einer Gruppe ausgeliefert wird", dass ein "Mindestmaß an Ausgewogenheit, Sachlichkeit und gegenseitiger Achtung gewährleistet wird", dass sich "die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten als Gegengewicht zu den privaten Rundfunkanbietern" darstellen und abgrenzen, dass die Organisation und das Programm nicht "inhaltlich von den Repräsentanten und Amtsträgern des Staatsapparats geformt" werden, dass der "politischen Instrumentalisierung des Rundfunks" entgegengewirkt werden kann und schließlich dass das Grundrecht aus Art 5 Abs. 1 GG als eine "dienende Freiheit" verstanden wird. Insbesondere wird durch eine Anwendung des Art 33 Abs. 2 GG gewährleistet, dass einer Personalentscheidung keine sachwidrigen Erwägungen zu Grunde gelegt werden (Stichwort: Sohn der Intendantin) oder gar Erwägungen, die den Grundsätzen der Rundfunkfreiheit gerade zuwiderlaufen (Stichwort: Stellenbesetzung im Auftrag des Innenministers).

Sinn und Zweck der Rundfunkfreiheit aus Art 5 Abs. 1 Satz 2 GG sprechen mithin nicht gegen die Anwendbarkeit des Art 33 Abs. 2 GG, sondern sogar für dessen Anwendbarkeit. Der Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG umfasst das Recht der Rundfunkanstalten, frei von fremdem, insbesondere staatlichem Einfluss über die Auswahl, Einstellung und Beschäftigung derjenigen Mitarbeiter zu bestimmen, die an Hörfunk- und Fernsehsendungen inhaltlich gestaltend mitwirken (BVerfG v. 19.07.2000 - 1 BvR 6/97 -). Er definiert aber auch die Pflicht der Rundfunkanstalten, die Programmgestaltung und damit auch die Personalauswahl an seinen Anforderungen auszurichten. Nur mit Transparenz ist die Einhaltung dieser Pflicht möglich. Die notwendige Kontrolle kann im Rahmen von Stellenbesetzungsverfahren durch die Mitbewerberinnen und Mitbewerber erfolgen und im Rahmen von Konkurrentenklagen durch die Gerichte. Dabei müssen die Gerichte die betroffenen Grundrechte interpretationsleitend berücksichtigen, damit deren wertsetzender Gehalt auch auf der Rechtsanwendungsebene gewahrt bleibt (BVerfG v. 15.01.1958 - 1 BVR 400/51 - Lüth). Das verlangt in der Regel eine fallbezogene Abwägung zwischen der Bedeutung der Rundfunkfreiheit auf der einen und der von den Normen des Arbeitsrechts und von den Grundrechten geschützten Rechtsgüter auf der anderen Seite. Hierbei ist auf Seiten der Rundfunkfreiheit der dargestellte Zusammenhang zwischen Programmfreiheit und Personalentscheidungsbefugnis zu berücksichtigen. Auf Seiten der Rundfunkbeschäftigten und der Stellenbewerber sind die Rechtsgüter in die Abwägung einzustellen, deren Schutz die besonderen Bestimmungen des Arbeitsrechts und der Grundrechte bezwecken. Das sind hinsichtlich der die Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses, insbesondere den arbeitsrechtlichen Bestandsschutz, betreffenden Regelungen das Sozialstaatsprinzip und die Berufsfreiheit (BVerfG v. 13.01.1982 - 1 BvR 848/77), aber auch, wie hier, das Bewerberverfahrensgrundrecht aus Art. 33 Abs. 2 GG. Das Ergebnis dieser Abwägung ist verfassungsrechtlich nicht vorgegeben. Weder darf den programmgestaltend tätigen Rundfunkmitarbeitern der arbeitsrechtliche Schutz generell versagt werden, noch dürfen bei der Entscheidung über diesen Schutz die Regeln und Maßstäbe des Arbeitsrechts in einer Weise auf die Anstellungsverhältnisse dieser Mitarbeiter angewendet werden, die das durch die Verfassung geschützte Recht der Anstalten, frei von fremder Einflussnahme über die Auswahl, Einstellung und Beschäftigung dieser Mitarbeiter zu bestimmen, unberücksichtigt lässt (LArbG Köln, 16. September 2021 - 6 Sa 160/21, juris Rn 63 - 65).

Hieran schließt sich die erkennende Kammer an. Die Einordnung der hiesigen Beklagten als Teil der von Artikel 33 Absatz 2 GG erfassten materiellen Verwaltung folgt außerdem daraus, dass deren Tätigkeit Teil der auswärtigen Angelegenheiten im Sinn von Art. 73 Absatz 1 Nr. 1 GG ist, die Fragen betreffen, die für das Verhältnis der Bundesrepublik Deutschland zu anderen Staaten oder zwischenstaatlichen Einrichtungen, insbesondere für die Gestaltung der Außenpolitik, Bedeutung haben. Die Angebote der Beklagten als Auslandsrundfunkanstalt (§ 1 Abs. 1 DWG) dienen - wie sich aus § 4 DWG ergibt - der Darstellung Deutschlands in Europa und auf anderen Kontinenten. Sie betreffen dadurch die Außenbeziehungen des deutschen Staates zu anderen Staaten oder zwischenstaatlichen Einrichtungen. Damit nimmt die Beklagte eine öffentliche Aufgabe wahr (LArbG Berlin-Brandenburg, 30. November 2022 - 4 SaGa 760/22, nv.).

c. Aus dem Bewerbungsverfahrensanspruch folgt eine Dokumentationspflicht des öffentlichen Arbeitgebers. Der Leistungsvergleich und die wesentlichen Auswahlerwägungen sind wegen des Prinzips des effektiven Rechtsschutzes schriftlich zu dokumentieren (Hauck-Scholz in: Groeger, Arbeitsrecht im Öffentlichen Dienst, 3. Auflage 2020, Rn 2_64). Die Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes sind verpflichtet, die Leistungsbewertungen und die wesentlichen Auswahlerwägungen schriftlich niederzulegen. Ein dem späteren Konkurrentenklageverfahren vorgelagertes Auswahlverfahren darf nicht so ausgestaltet sein, dass es den gerichtlichen Rechtsschutz vereitelt oder unzumutbar erschwert. Das wäre aber dann der Fall, wenn der unterlegene Bewerber keine oder nur eine lückenhafte Kenntnis über die Entscheidungsgrundlagen hätte. Das Dokumentationsgebot ist für die Transparenz der Auswahlentscheidung unverzichtbar (BAG, 18. September 2007 - 9 AZR 672/06, juris Rn 48).

d. Dieser Dokumentationspflicht hat die Beklagte vorliegend nicht genügt. Insoweit schließt sich die erkennende Kammer den Ausführungen aus der Entscheidung in dem einstweiligen Verfügungsverfahren (LArbG Berlin-Brandenburg, 30. November 2022 - 4 SaGa 760/22, nv.) an, die wie folgt lauten:

„Die Beklagte hat die Bewerberauswahl maßgeblich auf die Eindrücke aus dem Auswahlgespräch gestützt. Dies ergibt sich aus dem von der Klägerin eingereichtem Votum der Fachredaktion „im Nachgang zu den Bewerbungsgesprächen“ …. Die an die Bewerber gerichteten Fragen bzw. die besprochenen Themen, die Antworten der Bewerber, die Bewertung dieser Antworten durch die Auswahlkommission sowie der persönliche Eindruck von den Bewerbern sind nicht nachvollziehbar dokumentiert worden. Ein auch nur in Grundzügen den Gesprächsverlauf widergebendes Protokoll hat die Beklagte nicht vorgelegt. Eine ausreichende Dokumentation ergibt sich auch nicht aus dem Votum der Fachredaktion selbst. Hieraus lassen sich zwar die besprochenen Themen und im Ergebnis der persönliche Eindruck von den Bewerbern entnehmen. In Ermangelung jeglicher Aufzeichnungen hinsichtlich des Gesprächsinhalts ist aber der im Ergebnis gewonnene Eindruck und damit die Auswahlentscheidung gar nicht überprüfbar.“

e. Im Hinblick auf die Fehlerhaftigkeit des Bewerbungsverfahrens und die nicht von vornherein ausgeschlossene Möglichkeit, dass die Klägerin im Ergebnis einer Neubescheidung ihrer Bewerbung die Stelle erhalten könnte, ist es der Beklagten zu untersagen die Stelle zu endgültig zu besetzen. Im Hinblick insbesondere auf den eingetretenen Zeitablauf scheidet auch eine kommissarische Besetzung aus und ist die kommissarische Besetzung der Stelle mit Frau S. rückgängig zu machen.

aa. Für die geltend gemachte endgültige Besetzung folgt dies aus, dass der Bewerbungsverfahrensanspruch aus Artikel 33 Absatz 2 GG dem Grundsatz nach zur Voraussetzung hat, dass die begehrte Stelle noch nicht besetzt ist. Für eine Neubescheidung ist kein Raum, wenn die begehrte Stelle dem erfolgreichen Konkurrenten rechtswirksam auf Dauer übertragen worden ist. Die Stelle ist damit nicht mehr verfügbar. Der unterlegene Bewerber hat regelmäßig keinen Anspruch auf „Wiederfreimachung“ oder Doppelbesetzung der Stelle. Dem verfahrensfehlerhaft zurückgewiesenen Bewerber stehen allenfalls Schadensersatzansprüche zu, wenn ihm die Stelle hätte übertragen werden müssen (BAG, 3. Dezember 2019 - 9 AZR 78/19, juris Rn 32).

bb. Rückgängigmachung der erfolgten kommissarischen Stellenbesetzung kann die Klägerin ebenfalls beanspruchen. Dies ist wiederum zur Wahrung ihres Bewerbungsverfahrensanspruchs erforderlich. Die vorübergehende Besetzung der Stelle mit einem Konkurrenten führt für diesen zu einem Erfahrungsvorspruch, der sich bei Wiederholung der Auswahlentscheidung zu seinen Gunsten auswirken kann (vgl. OVG Lüneburg, 11.05.2022 - 5 ME 161/21, juris Rn 32 mwN.). Zwar besteht nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts grundsätzlich unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit der Ausblendung eines Bewährungsvorsprunges. Generell blenden Gerichte den Bewährungsvorsprung aber nicht von Amts wegen aus. Es handelt sich ausschließlich um eine Option, die der Dienstherr in Anspruch nehmen muss (Schleswig-Holsteinisches VG, 11. August 2022 - 12 B 40/22, juris Rn 6). Die Beklagte hat in dem Verfahren aber keine entsprechende Erklärung abgegeben. Außerdem ist der Zeitablauf seit Vornahme der kommissarischen Besetzung zu berücksichtigen. Nach der Rechtsprechung des Wehrdienstsenats des BVerwG rechtfertigt ein Zeitraum der kommissarischen Besetzung mit dem Konkurrenten von mehr als sechs Monaten den Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Rückgängigmachung einer vorläufigen Stellenbesetzung (BVerwG, 24. Oktober 2022 - 1 W-VR 8/21, juris, Rn 16). Ab einem solchen Zeitraum sei von einem relevanten Erfahrungsvorsprung infolge der Stellenbesetzung auszugehen (vgl. BVerwG, 19. Dezember 2011 - 1 WDS-VR 5/11, juris Rn 30). Vorliegend ist seit der für den 1. April 2022 vorgesehenen Einstellung der Frau S. ein längerer Zeitraum verstrichen.

cc. Schließlich kann die Klägerin die Unterlassung einer anderweitigen auch nur kommissarischen Stellenbesetzung mit einem Mitbewerber oder einer Mitbewerberin beanspruchen. Die Beklagte hatte hinreichend Zeit, auf die bereits in dem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erfolgte Feststellung der Fehlerhaftigkeit des Auswahlverfahrens zu reagieren und die Auswahl fehlerfrei erneut vorzunehmen. Von der Untersagung unberührt bleibt die Möglichkeit, die Stelle mit jemandem zu besetzen, der nicht Bewerber in dem Auswahlverfahren ist.

D.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Absatz 1 Satz 1 ZPO. Die jeweils zu tragenden Kostenanteile bilden das anteilige Unterliegen ab.

Die Berufungszulassung wegen Ziffer I.3 des Urteilstenors beruht auf der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage nach der Anwendbarkeit des Artikel 33 Absatz 2 GG auf die Beklagte.

Im Übrigen bestand keine Veranlassung, in Anwendung von § 72 Absatz 2 ArbGG die Revision zuzulassen.

Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird hingewiesen.

Referenznummer:

R/R9703


Informationsstand: 03.05.2024