1. Zum Vorsitzenden einer im Betrieb des Arbeitgebers zu bildenden Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand "betriebliches Eingliederungsmanagement" wird der Direktor am Arbeitsgericht H. Herr G., bestellt.
2. Die Zahl der von jeder Seite zu benennenden Beisitzer wird auf zwei festgesetzt.
A.
Die Beteiligten streiten um die Einsetzung einer Einigungsstelle.
Der Antragsteller ist der neunköpfige Betriebsrat im Betrieb der Antragsgegnerin (im Folgenden Arbeitgeberin).
Am 13.01.2005 informiert die Arbeitgeberin die Betriebsratsvorsitzende darüber, dass die Arbeitgeberin die Absicht habe, ein betriebliches Eingliederungsmanagement einzuführen. Zu diesem Zweck sollten die Arbeitnehmer, die am Stück oder innerhalb der Rahmenfrist länger als sechs Wochen arbeitsunfähig erkrankt sind, mit einem Brief, der im wesentlichen den Inhalt des
§ 84 SGB IX wiedergibt, angeschrieben werden.
In dieser Sitzung vom 19.01.2005 fasste der Betriebsrat den Beschluss, mit der Arbeitgeberin in Verhandlungen über den Abschluss einer Betriebsvereinbarung zum Regelungsgegenstand "Betriebliches Eingliederungsmanagement" einzutreten und forderte die Arbeitgeberin auf, bis zum Abschluss einer solchen Betriebsvereinbarung keine Informations-
bzw. Beratungsgespräche mit Langzeitkranken zu führen und die Mitarbeiter ohne Zustimmung des Betriebsrats auch nicht anzuschreiben.
In einem weiteren Gespräch vom 27.01.2005 wurde nochmals die Verhandlungsbereitschaft erklärt.
Da die Arbeitgeberin dennoch die erkrankten Mitarbeiter anschrieb, leitete der Betriebsrat zunächst ein einstweiliges Verfügungsverfahren vor dem Arbeitsgericht Dortmund mit dem Ziel ein, der Arbeitgeberin das Versenden der Schreiben zu untersagen. Das Verfahren hatte jedoch keinen Erfolg.
Die Arbeitgeberin schrieb weiter langzeiterkrankte Arbeitnehmer an. Wegen der Einzelheiten eines solchen Anschreibens wird auf Bl. 5 und 6 d.A. Bezug genommen. Mit diesem Anschreiben wich die Arbeitgeberin zudem noch von dem Text ab, den sie im Rahmen des einstweiligen Verfügungsverfahrens angekündigt hatte.
In seiner Sitzung vom 04.05.2005 fasste der Betriebsrat daraufhin den Beschluss, dass die Verhandlung über eine Betriebsvereinbarung "Betriebliches Eingliederungsmanagment" gescheitert seien, und die Angelegenheit durch eine Einigungsstelle entschieden werden sollte.
Das vorliegende Beschlussverfahren zur Einsetzung einer Einigungsstelle ist am 08.06.2005 beim Arbeitsgericht Dortmund eingegangen.
Der Betriebsrat ist der Ansicht, bei dem geplanten betrieblichen Eingliederungsmanagement handele es sich um eine mitbestimmungspflichtige Angelegenheit nach § 87
Abs. 1 Ziffer 1
BetrVG.
Der Betriebsrat beantragte,
1. zum Vorsitzenden einer im Betrieb der Arbeitgeberin zu bildenden Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand "betriebliches Eingliederungsmanagement" wird der Direktor des Arbeitsgerichts Herne, Herr G., bestellt,
2. die Zahl der von jeder Seite zu benennenden Beisitzer wird auf zwei festgesetzt.
Die Arbeitgeberin beantragt,
die Anträge abzuweisen.
Sie ist zunächst der Ansicht, das Anschreiben an die erkrankten Mitarbeiter sei mitbestimmungsfrei, da es nur den Gesetzestext wiedergebe.
Darüber hinaus habe der Betriebsrat schlichtweg die Gespräche abgebrochen. Die Arbeitgeberin wisse überhaupt nicht, welches Ziel der Betriebsrat verfolge. Bei dem betrieblichen Eingliederungsmanagement handele es sich darüber hinaus um eine Maßnahme, die sich unmittelbar aus § 84
SGB IX ableite, so dass eine Mitbestimmung nicht in Betracht käme.
B.
Die Anträge hatten Erfolg.
I. Gemäß § 98
ArbGG i.V.m. § 76 BetrVG war der Direktor am Arbeitsgericht Herne, Herr T. G., zum Vorsitzenden der Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand "Betriebliches Eingliederungsmanagement" zu bestellen.
Gemäß § 98
Abs. 1 Satz 2
ArbGG kann die Einigungsstelle wegen fehlender Zuständigkeit nur zurückgewiesen werden, wenn sie offensichtlich unzuständig ist. Offensichtlich unzuständig ist die Einigungsstelle, wenn bei fachkundiger Beurteilung durch das Gericht sofort erkennbar ist, dass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in der fraglichen Angelegenheit unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt infrage kommt und sich die beizulegende Streitigkeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat erkennbar nicht unter einen mitbestimmungspflichtigen Tatbestand des Betriebsverfassungsgesetzes subsumieren lässt (
vgl. LAG Hamm, Beschluss vom 07.07.2003, 10 TaBV 85/03 = NZA-RR 2003, 637).
1. Ein solcher Fall ist vorliegend nicht gegeben. Das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats gemäß § 87
Abs. 1
Nr. 1
BetrVG scheidet nicht von vornherein aus; ob es im Ergebnis besteht, muss im vorliegenden Verfahren nicht geklärt werden.
Dabei kann ebenfalls dahinstehen, ob das Anschreiben an die erkrankten Mitarbeiter für sich genommen offensichtlich keinem Tatbestand des
§ 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG zuzuordnen ist.
Entscheidend dürfte jedoch vielmehr sein, wie im Anschluss an eine positive Reaktion der betroffenen Mitarbeiter weiter verfahren werden soll.
Das Mitbestimmungsrecht des § 87
Abs. 1
Nr. 1
BetrVG betrifft alle Maßnahmen des Arbeitgebers tatsächlicher oder rechtlicher Art, die sich auf die allgemeine Ordnung des Betriebes und/oder das Verfahren der Arbeitnehmer oder von Gruppen von Arbeitnehmern im Betrieb beziehen. Zweck des Mitbestimmungsrechts ist die gleichberechtigte Beteiligung aller Arbeitnehmer an der Gestaltung der betrieblichen Ordnung. Im Unterschied zum sogenannten Arbeitsverfahren zählen zur Ordnung des Betriebes allgemeingültige verbindliche Verhaltensregelungen, die dazu dienen, dass sonstige Verhalten der Arbeitnehmer zu beeinflussen und zu koordinieren.
Auch wenn im Falle der erkrankten Arbeitnehmer auf jeden Fall individuell eingegangen werden muss und für jeden einzelnen eine differenzierte Beurteilung dahingehend erforderlich wird, ob und wie ihm im Wege des betrieblichen Eingliederungsmanagements überhaupt geholfen werden kann, so ist es durchaus denkbar, dass der gesamte Ablauf des sogenannten betrieblichen Eingliederungsmanagements, vom ersten Anschreiben über das Informationsgespräch, die Datenerfassung und -auswertung bis hin zur späteren Umsetzung in einen einheitlichen Rahmen mit kollektivem Charakter gegossen werden kann und muss.
2. Der Errichtung einer Einigungsstelle steht auch nicht entgegen, dass der Betriebsrat einseitig die Verhandlungen abgebrochen hat, obwohl auf Seiten der Arbeitgeberin durchaus noch Gesprächsbereitschaft bestanden hätte.
Nach Sinn und Zweck des gerichtlichen Bestellungsverfahrens, den Betriebsparteien im Konfliktfall möglichst zügig und ohne jede weitere Verzögerung durch eine der Betriebsparteien eine Einigungsstelle zur Seite zu stellen, ist die Einigungsstelle nicht offensichtlich unzuständig, wenn eine der Betriebsparteien aufgrund des bisherigen Verhaltens der anderen Partei die weitere Führung von Verhandlungen für aussichtslos hält. Der Verhandlungsanspruch des § 74
Abs. 1 Satz 2
BetrVG erfordert nicht, dass zuvor die Verhandlungen über den konkreten Regelungsgegenstand förmlich aufgenommen worden sein müssten (
vgl. LAG Hamm, Beschluss v. 26.07.2004, 10 TaBV 64/04 = Juris;
LAG Hamm, Beschluss vom 09.08.2004, 10 TaBV 81/04 = LAGE § 98
ArbGG 1979
Nr. 43).
So liegt der Fall hier. Der Betriebsrat unterlag zunächst im einstweiligen Verfügungsverfahren. Aus dem Verhalten der Gegenseite insgesamt und insbesondere aus der Tatsache, dass die Arbeitgeberin in ihren Anschreiben an die Mitarbeiter von dem zunächst angekündigten Wortlaut abwich, schloss jedenfalls der Betriebsrat, dass weitere Verhandlungen nicht gewünscht oder erfolgversprechend seien.
3. Unschädlich ist es auch, dass die Arbeitgeberin erklärte, sie wisse letztlich überhaupt nicht, worum es dem Betriebsrat genau gehe.
Für die Einleitung eines gerichtlichen Bestellungsverfahrens nach § 98
ArbGG genügt es, dass der Betriebsrat und Arbeitgeber wissen, worum es bei den Verhandlungen gehen soll. Dazu muss der Regelungsgegenstand nur hinreichend bekannt sein (
vgl. LAG Hamm, Beschluss v. 26.07.2004 a.a.O.). Vorliegend mag es sein, dass dem Arbeitgeber die genauen Ziele des Betriebsrats bislang noch nicht bekannt sind. Dennoch ist sich die Arbeitgeberin darüber im klaren, dass der Betriebsrat eben über das neu einzuführende betriebliche Eingliederungsmanagement eine Betriebsvereinbarung wünscht. Damit ist der Regelungsgegenstand hinreichend klar definiert.
4. Hinsichtlich der Person des Einigungsstellenvorsitzenden bestehen auch auf Seiten der Arbeitgeberin keine Bedenken, so dass der Direktor des Arbeitsgerichts Herne zu bestellen war.
II. Auch der Antrag zu 2) hatte Erfolg.
In der Rechtsprechung wird davon ausgegangen, dass im Regelfall eine Besetzung mit zwei Beisitzern für jede Seite erforderlich aber auch ausreichend ist. Von diesem Grundsatz soll auch im vorliegenden Fall nicht abgewichen werden, zumal auch seitens der Arbeitgeberin gegen die Bestellung zweier Beisitzer nichts eingewandt wurde.