Tenor:
Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 9. August 2018 - 1 TaBV 4/18 - wird zurückgewiesen.
Gründe:
A. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit eines Einigungsstellenspruchs zum betrieblichen Eingliederungsmanagement.
Die Arbeitgeberin - ein Logistikunternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten - verhandelte mit dem in ihrem Betrieb in H gebildeten Betriebsrat erfolglos über Regelungen zum betrieblichen Eingliederungsmanagement. Nach einer Einigung der Betriebsparteien über die Einsetzung einer Einigungsstelle zum Gegenstand "Regelung betriebliches Eingliederungsmanagement" beschloss diese im Spruchwege am 25. September 2012 eine "Betriebsvereinbarung zum Betrieblichen Eingliederungsmanagement". Dieser Spruch wurde von der Arbeitgeberin erfolgreich angefochten. Im daraufhin fortgesetzten Einigungsstellenverfahren beschloss die Einigungsstelle am 22. Juni 2017 die "Betriebsvereinbarung zur Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements (bEM)" (BV) mit dem Wortlaut:
"Ablauf des bEM
(1) Nachdem ein Mitarbeiter die Voraussetzungen des
§ 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX erfüllt (‚bEM-Berechtigter‘), wird der bEM-Berechtigte von der Arbeitgeberin mit den im Anlagenkonvolut 1 beigefügten Schreiben zur Teilnahme an einem Informationsgespräch über das bEM eingeladen.
(2) Der bEM-Berechtigte hat der Arbeitgeberin mittels des als Anlage 2 beigefügten Schreibens mitzuteilen, ob er an einem bEM teilnehmen möchte. Meldet sich der bEM-Berechtigte nicht bei der Arbeitgeberin, lädt die Arbeitgeberin den bEM-Berechtigten mit dem als Anlage 3 beigefügten Schreiben einmal erneut ein.
(3) Teilt der bEM-Berechtigte der Arbeitgeberin auf dem Antwortschreiben (Anlage 2) mit, dass er an einem Informationsgespräch über die Durchführung eines bEM teilnehmen möchte, wird er von der Arbeitgeberin mit dem als Anlage 4 beigefügten Schreiben zu einem Informationsgespräch eingeladen. Erscheint der bEM-Berechtigte zu dem Informationsgespräch nicht, wird er mit dem als Anlage 5 beigefügten Schreiben einmal erneut zu einem Informationsgespräch eingeladen.
(4) In dem Informationsgespräch wird der bEM-Berechtigte nach Maßgabe des als Anlage 6 beigefügten Leitfadens über die Durchführung des bEM aufgeklärt. Der bEM-Berechtigte wird darüber informiert, dass mit seinem Einverständnis der Betriebsrat und, im Falle eines schwerbehinderten oder gleichgestellten bEM-Berechtigten, die Schwerbehindertenvertretung am bEM-Fallgespräch teilnehmen kann. Wünscht der bEM-Berechtigte die Teilnahme des Betriebsrats
bzw. der Schwerbehindertenvertretung (im Falle der Schwerbehinderung
bzw. der Gleichstellung des bEM-Berechtigten), stimmt die Arbeitgeberin mit dem Betriebsrat und / oder der Schwerbehindertenvertretung einen Termin für das bEM-Fallgespräch ab.
(5) Teilt der bEM-Berechtigte der Arbeitgeberin in dem Antwortschreiben (Anlage 2) mit, dass er ein bEM-Gespräch ohne vorheriges Informationsgespräch wünscht oder stellt sich im Rahmen des Informationsgesprächs heraus, dass ein bEM erforderlich ist, wird der bEM-Berechtigte zu einem bEM-Fallgespräch eingeladen. Die Einladung erfolgt mit dem als Anlage 7 beigefügten Schreiben. Erscheint der bEM-Berechtigte trotz Einladung zu dem bEM-Fallgespräch nicht, wird er mit dem als Anlage 8 beigefügten Schreiben einmal erneut zu einem bEM-Fallgespräch eingeladen.
(6) Im Rahmen des bEM-Fallgesprächs klärt die Arbeitgeberin mit dem bEM-Berechtigten und ggfs. bei Einverständnis des bEM-Berechtigten mit dem Betriebsrat und im Falle eines schwerbehinderten oder gleichgestellten bEM-Berechtigten der Schwerbehindertenvertretung Möglichkeiten, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann. Hierbei kann es erforderlich sein, dass die Arbeitgeberin den bEM-Berechtigten bittet, eines oder mehrere der im Anlagenkonvolut 9 erhaltenen Dokumente zu unterzeichnen. Die Ergebnisse des bEM-Fallgesprächs werden in dem als Anlage 10 beigefügten Protokoll dokumentiert und gemeinsam mit sämtlicher Korrespondenz zum bEM für drei Jahre in einer gesonderten Personalakte ("bEM-Akte") aufbewahrt. Diagnosen und sonstige Unterlagen, aus denen sich Einzelheiten zu den Gründen der Arbeitsunfähigkeit des bEM-Berechtigten finden, werden in einem verschlossenen Umschlag aufbewahrt, der nur mit Zustimmung des bEM-Berechtigten geöffnet werden darf. Nach Ablauf der drei Jahre werden die Unterlagen vernichtet oder auf Wunsch des Mitarbeiters an diesen übergeben. bEM-Berechtigter und Arbeitgeberin können einvernehmlich das bEM beenden. Hierbei ist die Anlage 11 zu nutzen."
Für die nach Ziff. (1) BV festgelegte Einladung zu einem Informationsgespräch enthält das Anlagenkonvolut 1 ein Musteranschreiben und standardisierte Informationsblätter. In dem Musteranschreiben wird ua. die Möglichkeit erwähnt, "zu dem bEM-Fallgespräch ... Betriebsrat und/oder ... Schwerbehindertenvertretung" hinzuziehen. Die Anlage 2 nach Ziff. (2) BV bildet ein der Einladung zum Informationsgespräch beizufügendes vorformuliertes Antwortschreiben des Arbeitnehmers, bei dem die vorgegebene Option gewählt werden kann:
"Ich bin bereits über das Ziel des bEM, den Ablauf sowie die Art und den Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten informiert und wünsche direkt die Einladung zu einem bEM-Fallgespräch, ohne ein vorheriges erneutes Informationsgespräch zu führen."
In der Anlage 6 zur BV wird der Leitfaden für das Informationsgespräch vorgegeben. Dessen Ziff. II. eröffnet einem betroffenen Arbeitnehmer ua. die Optionen, das betriebliche Eingliederungsmanagement mit oder ohne Beteiligung des Betriebsrats und
ggf. der Schwerbehindertenvertretung durchzuführen. Die Anlage 7 zur BV bestimmt die Vorgaben der "Einladung zu einem Fallgespräch im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements". Dieses enthält keinen Hinweis auf eine mögliche Hinzuziehung des Betriebsrats und
ggf. der Schwerbehindertenvertretung. Anlagenkonvolut 9 zur BV umfasst eine "Einwilligungserklärung zur Erhebung und Verwendung personenbezogener Daten im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements", eine "Verschwiegenheitserklärung
gem. § 5 Bundesdatenschutzgesetz (
BDSG [aF]) im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements (bEM)" und eine "Erklärung zur Entbindung von der Schweigepflicht im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements".
Nach Zuleitung des Einigungsstellenspruchs an den Betriebsrat am 30. Juni 2017 hat dieser mit am 14. Juli 2017 beim Arbeitsgericht eingegangener Antragsschrift hauptsächlich die Unwirksamkeit des gesamten Spruchs der Einigungsstelle und hilfsweise der einzelnen Regelungen der beschlossenen BV geltend gemacht. Er hat die Ansicht vertreten, die Einigungsstelle habe ihren Regelungsauftrag nicht erfüllt; im Übrigen sei der Spruch insgesamt - jedenfalls aber hinsichtlich einzelner Regelungen - rechts- und ermessensfehlerhaft.
Der Betriebsrat hat beantragt
1. festzustellen, dass der Spruch der Einigungsstelle vom 22. Juni 2017 betreffend die Regelung betriebliches Eingliederungsmanagement unwirksam ist;
hilfsweise
2. festzustellen, dass Ziffer (1) des Spruchs der Einigungsstelle vom 22. Juni 2017 betreffend die Regelung betriebliches Eingliederungsmanagement unwirksam ist;
3. festzustellen, dass Ziffer (1) in Verbindung mit der darin benannten Anlage 1 des Spruchs der Einigungsstelle vom 22. Juni 2017 betreffend die Regelung betriebliches Eingliederungsmanagement unwirksam ist;
4. festzustellen, dass Ziffer (2) Satz 1 des Spruchs der Einigungsstelle vom 22. Juni 2017 betreffend die Regelung betriebliches Eingliederungsmanagement unwirksam ist;
5. festzustellen, dass Ziffer (2) Satz 1 in Verbindung mit der darin benannten Anlage 2 des Spruchs der Einigungsstelle vom 22. Juni 2017 betreffend die Regelung betriebliches Eingliederungsmanagement unwirksam ist;
6. festzustellen, dass Ziffer (2) Satz 2 des Spruchs der Einigungsstelle vom 22. Juni 2017 betreffend die Regelung betriebliches Eingliederungsmanagement unwirksam ist;
7. festzustellen, dass Ziffer (2) Satz 2 in Verbindung mit der darin benannten Anlage 3 des Spruchs der Einigungsstelle vom 22. Juni 2017 betreffend die Regelung betriebliches Eingliederungsmanagement unwirksam ist;
8. festzustellen, dass Ziffer (3) Satz 1 des Spruchs der Einigungsstelle vom 22. Juni 2017 betreffend die Regelung betriebliches Eingliederungsmanagement unwirksam ist;
9. festzustellen, dass Ziffer (3) Satz 1 in Verbindung mit der darin benannten Anlage 4 des Spruchs der Einigungsstelle vom 22. Juni 2017 betreffend die Regelung betriebliches Eingliederungsmanagement unwirksam ist;
10. festzustellen, dass Ziffer (3) Satz 2 des Spruchs der Einigungsstelle vom 22. Juni 2017 betreffend die Regelung betriebliches Eingliederungsmanagement unwirksam ist;
11. festzustellen, dass Ziffer (3) Satz 2 in Verbindung mit der darin benannten Anlage 5 des Spruchs der Einigungsstelle vom 22. Juni 2017 betreffend die Regelung betriebliches Eingliederungsmanagement unwirksam ist;
12. festzustellen, dass Ziffer (4) Satz 1 des Spruchs der Einigungsstelle vom 22. Juni 2017 betreffend die Regelung betriebliches Eingliederungsmanagement unwirksam ist;
13. festzustellen, dass Ziffer (4) Satz 1 in Verbindung mit der darin benannten Anlage 6 des Spruchs der Einigungsstelle vom 22. Juni 2017 betreffend die Regelung betriebliches Eingliederungsmanagement unwirksam ist;
14. festzustellen, dass Ziffer (5) Satz 1 des Spruchs der Einigungsstelle vom 22. Juni 2017 betreffend die Regelung betriebliches Eingliederungsmanagement unwirksam ist;
15. festzustellen, dass Ziffer (5) Satz 1 in Verbindung mit der darin benannten Anlage 2 des Spruchs der Einigungsstelle vom 22. Juni 2017 betreffend die Regelung betriebliches Eingliederungsmanagement unwirksam ist;
16. festzustellen, dass Ziffer (5) Satz 3 des Spruchs der Einigungsstelle vom 22. Juni 2017 betreffend die Regelung betriebliches Eingliederungsmanagement unwirksam ist;
17. festzustellen, dass Ziffer (5) Satz 3 in Verbindung mit der darin benannten Anlage 8 des Spruchs der Einigungsstelle vom 22. Juni 2017 betreffend die Regelung betriebliches Eingliederungsmanagement unwirksam ist;
18. festzustellen, dass Ziffer (6) Satz 1 des Spruchs der Einigungsstelle vom 22. Juni 2017 betreffend die Regelung betriebliches Eingliederungsmanagement unwirksam ist;
19. festzustellen, dass Ziffer (6) Satz 2 des Spruchs der Einigungsstelle vom 22. Juni 2017 betreffend die Regelung betriebliches Eingliederungsmanagement unwirksam ist;
20. festzustellen, dass Ziffer (6) Satz 2 in Verbindung mit der darin benannten Anlage 9 des Spruchs der Einigungsstelle vom 22. Juni 2017 betreffend die Regelung betriebliches Eingliederungsmanagement unwirksam ist;
21. festzustellen, dass Ziffer (6) Satz 3 des Spruchs der Einigungsstelle vom 22. Juni 2017 betreffend die Regelung betriebliches Eingliederungsmanagement unwirksam ist;
22. festzustellen, dass Ziffer (6) Satz 3 in Verbindung mit der darin benannten Anlage 10 des Spruchs der Einigungsstelle vom 22. Juni 2017 betreffend die Regelung betriebliches Eingliederungsmanagement unwirksam ist.
Die Arbeitgeberin hat beantragt,
die Anträge abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat die Anträge abgewiesen. Auf die Beschwerde des Betriebsrats hat das Landesarbeitsgericht dem Hauptantrag stattgegeben. Mit ihrer Rechtsbeschwerde begehrt die Arbeitgeberin die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.