Tenor:
Die Beschwerden der Schwerbehindertenvertretung und der Gesamtschwerbehindertenvertretung gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 05.06.2019 - 3 BV 43/18 - werden zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe:
A.
Die Beteiligten streiten um die quartalsweise Herausgabe von Listen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die krankheitsbedingt in den zurückliegenden zwölf Monaten länger als sechs Wochen arbeitsunfähig waren und/oder bei denen in den vergangenen zwölf Monaten ein betriebliches Eingliederungsmanagement eingeleitet wurde.
Die nach zwischenzeitlich erfolgten Verschmelzungen noch aus den Beteiligten zu 3. und 4. bestehenden Arbeitgeberinnen unterhalten Standorte in C, N, I, C1 und G.
Die zu 1. antragstellende Schwerbehindertenvertretung ist für den Standort C gewählt worden. Daneben bestehen an den Standorten N und I Schwerbehindertenvertretungen. Des Weiteren ist die zu 2. antragstellende Gesamtschwerbehindertenvertretung errichtet worden.
Erstmals mit E-Mail vom 16.04.2018 forderte die Gesamtschwerbehindertenvertretung von der Arbeitgeberseite eine Liste der Personen im gesamten Unternehmen, die "in den letzten 365 Tagen sechs Wochen und mehr krankheitsbedingt gefehlt haben", und eine weitere Liste mit den Mitarbeitern, "bei denen ein BEM vom Arbeitgeber eingeleitet wurde" (Bl. 6 d.A.).
Daraufhin erklärte sich die Arbeitgeberseite mit E-Mail vom 30.04.2018 nur dazu bereit, die gewünschten Informationen für den Kreis der schwerbehinderten Menschen einschließlich der diesen gleichgestellten Menschen mit Behinderungen zur Verfügung zu stellen (Bl. 7 d.A.).
Nach weiterem Schriftverkehr erhielten sowohl die Schwerbehinderten- als auch die Gesamtschwerbehindertenvertretung die geforderten Listen, aber jeweils nur bezogen auf die schwerbehinderten Menschen einschließlich der diesen gleichgestellten Menschen mit Behinderungen.
Die beiden Antragstellerinnen haben die Auffassung vertreten, ihnen ständen die gewünschten Informationen nicht nur für die schwerbehinderten Menschen einschließlich der diesen gleichgestellten Menschen mit Behinderungen zu, sondern für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Dies ergebe sich bereits aus § 178 SGB IX.
Der neu gefasste Behindertenbegriff umfasse gem. § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB IX auch solche Menschen, die von einer Behinderung bedroht seien. Würde vor diesem Hintergrund bei der Zuständigkeit von Schwerbehinderungsvertretungen nur auf anerkannt schwerbehinderte Menschen abgestellt, liege darin ein Verstoß gegen die europarechtlichen Vorgaben der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (im Folgenden: Richtlinie 2000/78).
Die Schwerbehindertenvertretung hat beantragt,
1. die Beteiligten zu 3.) bis 6.) - jetzt zu 3. und 4. - zu verpflichten, der Schwerbehindertenvertretung C unverzüglich nach Ablauf jedes Quartals eine Liste zur Verfügung zu stellen, in der alle Arbeitnehmer/Innen des Standortes C aufgeführt sind, die krankheitsbedingt in den letzten 12 Monaten länger als 6 Wochen arbeitsunfähig waren;
2. die Beteiligten zu 3.) bis 6.) - jetzt zu 3. und 4. - zu verpflichten, der Schwerbehindertenvertretung C quartalsmäßig eine Liste zur Verfügung zu stellen, aus der hervorgeht, bei welchen Arbeitnehmern/Innen des Standortes C in den vergangenen 12 Monaten ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) eingelegt wurde.
Die Gesamtschwerbehindertenvertretung hat beantragt,
1. die Beteiligten zu 3.) bis 6.) - jetzt zu 3. und 4. - werden verpflichtet, der Gesamt-Schwerbehindertenvertretung unverzüglich nach Ablauf jedes Quartals eine Liste zur Verfügung zu stellen, in der alle Arbeitnehmer/innen aufgeführt sind, die krankheitsbedingt länger als 6 Wochen in den letzten 12 Monaten arbeitsunfähig wären;
hilfsweise,
die Beteiligten zu 3.) bis 6.) - jetzt zu 3. und 4. - werden verpflichtet, der Gesamt-Schwerbehindertenvertretung unverzüglich nach Ablauf jedes Quartals eine Liste zur Verfügung zu stellen, in der alle Arbeitnehmer/innen der Standorte C1 und G aufgeführt sind, die krankheitsbedingt länger als 6 Wochen in den letzten 12 Monaten arbeitsunfähig waren;
2. die Beteiligten zu 3.) bis 6.) - jetzt zu 3. und 4. - zu verpflichten, der Gesamt-Schwerbehindertenvertretung quartalsmäßig eine Liste zur Verfügung zu stellen, aus der hervorgeht, bei welchen Arbeitnehmer/innen in den vergangenen 12 Monaten ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) eingeleitet wurde;
hilfsweise,
die Beteiligten zu 3.) bis 6.) zu verpflichten, der Gesamt-Schwerbehindertenvertretung quartalsmäßig eine Liste zur Verfügung zu stellen, aus der hervorgeht, bei welchen Arbeitnehmer/innen der Standorte C1 und G in den vergangenen 12 Monaten ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) eingeleitet wurde.
Die Arbeitgeberinnen haben beantragt,
die Anträge abzuweisen.
Sie haben darauf hingewiesen, die begehrten Auskünfte wiesen in der Allgemeinheit keinen Bezug zu den gesetzlichen Aufgaben einer Schwerbehinderten bzw. Gesamtschwerbehindertenvertretung auf. Es bestände nur ein (bereits erfüllter) Anspruch auf die gewünschten Informationen für anerkannt Schwerbehinderte.
Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 05.06.2019 die Anträge abgewiesen. Hinsichtlich der Gründe wird verwiesen auf II. der erstinstanzlichen Entscheidung (Bl. 130 ff. d. A.).
Dagegen wenden sich die Schwerbehinderten- und Gesamtschwerbehindertenvertretung mit ihren Beschwerden.
Sie verweisen darauf, dass das SGB IX gem. § 2 Abs. 1 S. 3 SGB IX auch von Behinderung bedrohte Menschen umfasse. Daneben müssten auch die europarechtlichen Vorgaben in der Richtlinie 2000/78 berücksichtigt werden.
Abgesehen davon folge aus § 178 Abs. 1 S. 3 SGB IX, dass auch eine Zuständigkeit für noch nicht anerkannt Schwerbehinderte bestehe.
Auch sei zu berücksichtigen, dass § 167 Abs. 2 SGB IX für alle Beschäftigten gelte; Entsprechendes müsse für den Bereich des § 167 Abs. 1 SGB IX maßgeblich sein.
Die Schwerbehindertenvertretung beantragt,
den Beschluss des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 05.06.2019 - 3 BV 43/18 - abzuändern und die zu 3. und 4. beteiligten Arbeitgeberinnen zu verpflichten,
1. der Schwerbehindertenvertretung unverzüglich nach Ablauf jedes Quartals eine Liste zur Verfügung zu stellen, in der alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des Standortes C aufgeführt sind, die krankheitsbedingt in den letzten zwölf Monaten länger als sechs Wochen arbeitsunfähig waren,
2. der Schwerbehindertenvertretung quartalsmäßig eine Liste zur Verfügung zu stellen, aus der hervorgeht, bei welchen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern des Standortes C in den vergangenen zwölf Monaten ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) eingeleitet wurde.
Der Gesamtschwerbehindertenvertretung beantragt,
den Beschluss des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 05.06.2019 - 3 BV 43/18 - abzuändern und die zu 3. und 4. beteiligten Arbeitgeberinnen zu verpflichten,
1. der Gesamtschwerbehindertenvertretung unverzüglich nach Ablauf jedes Quartals eine Liste zur Verfügung zu stellen, in der alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Standorte C1 und G aufgeführt sind, die krankheitsbedingt in den letzten zwölf Monaten länger als sechs Wochen arbeitsunfähig waren,
2. der Gesamtschwerbehindertenvertretung quartalsmäßig eine Liste zur Verfügung zu stellen, aus der hervorgeht, bei welchen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern der Standorte C1 und G in den vergangenen zwölf Monaten ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) eingeleitet wurde.
Die Arbeitgeberinnen beantragen,
die Beschwerde zurückzuweisen.
sie meinen, dass die geltend gemachten Ansprüche schon deshalb nicht beständen, weil die Schwerbehinderten- und Gesamtschwerbehindertenvertretung nur für anerkannt schwerbehinderte und für ihnen gleichgestellte behinderte Menschen zuständig seien.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst derer Anlagen ergänzend Bezug genommen.