Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Durchführung des Betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM).
Der Kläger ist bei der beklagten Gemeinde seit 03.07.2000 als Arbeiter beschäftigt. Bis Oktober 2015 wurde er auf dem Bauhof eingesetzt. Zuletzt war er auf dem von der Beklagten unterhaltenen Eigenbetrieb Campingplatz und K... Seenbäder tätig. Seine Bruttomonatsvergütung beträgt derzeit 2.907,26 Euro brutto. Bei einem festgestellten Grad der Behinderung von 30 ist der Kläger einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt.
Im Jahr 2018 war der Kläger an insgesamt 122 Tagen arbeitsunfähig erkrankt, in der Zeit vom 01.01.2019 bis 25.08.2019 an 86 Tagen. Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 02.08.2019 ließ der Kläger die Durchführung eines BEM beantragen. Dieser Antrag wurde seitens des Bürgermeisters der Beklagten mit Schreiben vom 19.08.2019 abgelehnt. Der Kläger erhob mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 23.09.2019 Klage beim Arbeitsgericht.
Der Kläger vertritt die Auffassung, er habe gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Durchführung des BEM gemäß
§ 167 Abs. 2 SGB IX. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift seien ohne weiteres gegeben. Selbst wenn man davon ausgehen solle, dass es sich bei den dort geregelten Verpflichtungen des Arbeitgebers um öffentlich-rechtliche Pflichten handele, stellten diese gleichwohl echte Rechtspflichten dar, die jedenfalls im Rahmen vertraglicher Nebenpflichten durch den Arbeitgeber und vorliegend durch die Beklagte zu berücksichtigen seien. Auch in der Vergangenheit habe die Beklagte den Anspruch auf Durchführung eines BEM nicht erfüllt. Seiner Versetzung in den Eigenbetrieb Seenbäder und Campingplatz sei kein BEM vorausgegangen. Den Anspruch auf Durchführung eines BEM könne die Beklagte nicht dadurch umgehen, indem sie ins Blaue hinein behaupte, seine Erkrankung stünden in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit den zugewiesenen Tätigkeiten. Es sei befremdlich, wenn die Beklagte die Durchführung des BEM für eine sinnlose Förmelei halte, obwohl sie im Falle des Klägers zu keinem Zeitpunkt ein derartiges Verfahren durchgeführt habe.
Der Kläger hat erstinstanzlich folgenden Antrag gestellt:
Die Beklagte wird verurteilt mit dem Kläger ein betriebliches Eingliederungsmanagement
gem. § 167
SGB IX unter Beteiligung ihres Personalrats und ihrer Schwerbehindertenvertretung sowie unter Beteiligung des Integrationsamtes und der Rehabilitationsträger durchzuführen und mit diesen zu klären, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz des Klägers erhalten werden kann.
Die Beklagte hat erstinstanzlich Klageabweisung beantragt.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dem Kläger stehe kein individueller arbeitsvertraglicher Anspruch auf Durchführung eines BEM zu. Dies ergebe sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift des § 167
SGB IX. Hiernach habe der Arbeitgeber lediglich ein Initiativrecht zur Einleitung eines BEM und müsse sich im Falle des Ausspruchs einer Kündigung und unterlassenem BEM gegebenenfalls mit der Frage der Verhältnismäßigkeit seiner Kündigung intensiv auseinandersetzen. Bereits in den Jahren 2014 und 2015 habe es mit 76
bzw. 112 Arbeitstagen erhebliche Fehlzeiten des Klägers gegeben. Die Übertragung des neuen Arbeitsplatzes im Bereich des Eigenbetriebes der Seenbäder und des Campingplatzes ab 2016 stelle faktisch ein BEM dar. Die weiterhin aufgetretenen häufigen und lang andauernden Erkrankungen des Klägers stünden in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit den ihm zugewiesenen Tätigkeiten. Die Durchführung eines BEM müsste letztendlich ergebnislos bleiben. Aufgrund der offensichtlichen Ergebnislosigkeit wäre dessen Einleitung eine völlig sinnlose Förmelei. Dies gelte erst recht vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die Beklagte derzeit keine Kündigungsabsichten hege. Der Kläger möge sich zunächst bemühen, seine Arbeitsfähigkeit wiederherzustellen.
Das Arbeitsgericht Würzburg - Kammer Aschaffenburg - hat der Klage des Klägers mit Endurteil vom 28.01.2020 stattgegeben. Das Arbeitsgericht hat unter Bezugnahme auf die Entscheidung des
LAG Hamm vom 13.11.2014 -
15 Sa 979/14 ausgeführt, dass sich der Anspruch des Klägers nicht ohne Weiteres aus der öffentlich-rechtlichen Norm des § 167
Abs. 2
SGB IX, jedoch aus § 241
Abs. 2
BGB in Verbindung mit § 167
Abs. 2
SGB IX als Konkretisierung der allgemeinen Fürsorgepflicht des Arbeitgebers ergäbe. Das Arbeitsgericht hat weiter ausgeführt, dass § 167
Abs. 2
SGB IX kein bloßer Programmsatz sei. Bei Vorliegen der Voraussetzungen, insbesondere wenn ein Beschäftigter innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig krank sei, sei eben der Arbeitgeber verpflichtet, ein BEM durchzuführen. Ein solches BEM sei bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen auch dann durchzuführen, wenn der Arbeitgeber keine Kündigung des Arbeitsverhältnisses beabsichtige oder erwäge. Dies gebietet der Sinn und Zweck des BEM. Durch die dem Arbeitgeber auferlegten besonderen Verhaltenspflichten soll möglichst frühzeitig einer Gefährdung des Arbeitsverhältnisses eines kranken Menschen begegnet und die dauernde Fortsetzung der Beschäftigung erreicht werden. Das BEM sei dabei ein ergebnisoffenes Verfahren, bei dem die Möglichkeiten geklärt werden sollten, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden könne. Deshalb könne die Beklagte mit der pauschalen Behauptung, die häufigen und langen Erkrankungen des Klägers stünden in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit den dem Kläger zugewiesenen Tätigkeiten, den Arbeitsplätzen und/oder dem dortigen Umfeld die Durchführung des BEM nicht verhindern. Obwohl die Voraussetzungen für die Durchführung eines BEM vorlagen, haben die Beklagte jedoch ein solches nicht durchgeführt.
Gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 20.02.2020 zugestellte Urteil haben diese mit Schriftsatz vom 13.03.2020 Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründungsschrift ging am 23.04.2020 beim Landesarbeitsgericht Nürnberg innerhalb der bis zum 04.05.2020 verlängerten Berufungsbegründungsfrist ein.
Unter Vertiefung ihrer erstinstanzlich geäußerten Rechtsauffassung meint die Beklagte, dass die Vorschrift des § 167
Abs. 2
SGB IX nicht als Individualanspruch des Arbeitnehmers auf Durchführung eines Betrieblichen Eingliederungsmanagements ausgestaltet sei. Der Gesetzgeber habe bewusst davon Abstand genommen, eine Formulierung zu wählen, die einen individuellen Anspruch begründet. Wenn, dann handele es sich bei dieser Vorschrift bestenfalls um eine öffentlich-rechtliche Obliegenheit des Arbeitgebers, aus dem der Arbeitnehmer jedoch keinen individuellen, ihm persönlich zustehenden Anspruch ableiten könne. Schon aus dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift ergäbe sich ohne Weiteres, dass der Arbeitgeber eine Verpflichtung habe, mit den in § 167
Abs. 2 Satz 1
SGB IX genannten Stellen und Institutionen eine Klärung herbeizuführen, welche jedoch nicht gleichzeitig eine zwingende Einbeziehung auch des schwerbehinderten Arbeitnehmers mit umfasse. Im Übrigen ist die Beklagte der Auffassung, dass die beiden Parteien anlässlich der Versetzung des Klägers durchaus Verhandlungen geführt hätten, die die Qualität eines Betrieblichen Eingliederungsmanagements gehabt hätten. Darüber hinaus weist die Beklagte darauf hin, dass eine Beteiligung des Personalrates nicht möglich sei, da es im Unternehmen der Beklagten derzeit keinen Personalrat gäbe.
Die Beklagte stellt folgenden Antrag:
1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Würzburg - Kammer Aschaffenburg - (Aktenzeichen:
2 Ca 1068/19) vom 28.01.2020, zugestellt am 20.02.2020, wird abgeändert.
2. Die Klage wird abgewiesen.
3. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil und führt aus, dass § 167
Abs. 2
SGB IX kein bloßer Programmsatz sei und sich jedenfalls aus § 241
Abs. 2
BGB in Verbindung mit § 167
Abs. 2
SGB IX ein individueller Anspruch des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber aufgrund der allgemeinen Fürsorgeverpflichtung des Arbeitgebers ergebe. Die Beklagte verkenne dabei, dass es sich bei dem BEM um ein Verfahren handele, welches ohne Mitwirkung, insbesondere Zustimmung des jeweiligen Arbeitnehmers schon nicht betrieben werden könne. Der Arbeitnehmer sei "Herr des Verfahrens". Entgegen der Auffassung der Beklagten sehe § 167
Abs. 2 Satz 1
SGB IX ausdrücklich vor, dass der Arbeitgeber mit Zustimmung und Beteiligung der betroffenen Person das Verfahren durchzuführen habe. Insoweit sei das Urteil des Arbeitsgerichts auch nicht zu beanstanden, soweit die Beklagte verurteilt worden ist, das Betriebliche Eingliederungsmanagement "mit dem Kläger" durchzuführen. Nach Auffassung der Klagepartei entspreche auch der gesetzliche Wortlaut der Vorschrift dafür, dass der jeweilige Arbeitnehmer zu beteiligen sei und damit auch dem Gesetzeszweck entsprochen werde, den Arbeitnehmer in das BEM einzubeziehen. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei der Anspruch des Klägers auf Durchführung des BEM auch nicht erloschen, da der Anspruch auf Durchführung des BEM immer dann neu entstehe, wenn der Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig gewesen sei. Diese Voraussetzungen seien hier gegeben. Es sei auch zu bestreiten, dass die beklagtenseits behaupteten Verhandlungen aus dem Jahr 2016 die Qualität eines Betrieblichen Eingliederungsmanagements gehabt hätten. Soweit die Beklagte schließlich behaupte, sie besitze derzeit keinen Personalrat handele es sich um einen neuen Sachvortrag und es sei nicht ersichtlich, weshalb nunmehr insgesamt kein Personalrat mehr vorhanden sein solle. Entgegenstehende Behauptungen würden daher bestritten.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt, insbesondere auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze verwiesen.
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.
I.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft (§ 64
Abs. 1,
Abs. 2b
ArbGG) und auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden (§§ 66
Abs. 1, 64
Abs. 6 Satz 1
ArbGG, 519, 520
ZPO).
II.
Die Berufung der Beklagten erweist sich als begründet. Die Verpflichtung des Arbeitgebers bei Vorliegen der Voraussetzungen ein Betriebliches Eingliederungsmanagement durchzuführen, stellt keinen klagbaren Anspruch dar, der durch den Arbeitnehmer verfolgt werden kann.
1. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Klage sind nur teilweise gegeben. Der vom Kläger begehrte Klageantrag ist teilweise zu unbestimmt. Er genügt den Bestimmtheitsanforderungen von § 253
Abs. 2
Nr. 2
ZPO nur insoweit, soweit der Kläger die Einleitung eines Betrieblichen Eingliederungsmanagements begehrt. Soweit er die Durchführung eines Betrieblichen Eingliederungsmanagements beantragt ist der Klageantrag zu unbestimmt und damit unzulässig.
a. Die Klagepartei muss eindeutig festlegen, welche Entscheidung sie begehrt. Dazu hat sie den Streitgegenstand so genau zu bezeichnen, dass dieser im Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308
Abs. 1
ZPO) keinem Zweifel unterliegt und die eigentliche Streitfrage mit Rechtskraftwirkung zwischen den Parteien entschieden werden kann (§ 322
ZPO). Sowohl bei einer der Klage stattgebenden als auch bei einer sie abweisenden Sachentscheidung muss zuverlässig feststellbar sein, worüber das Gericht entschieden hat. Unklarheiten über den Inhalt der Verpflichtung dürfen nicht aus dem Erkenntnisverfahren in das Vollstreckungsverfahren verlagert werden. Dessen Aufgabe ist es zu klären, ob der Schuldner einer festgelegten Verpflichtung nachgekommen ist, nicht aber worin diese besteht (
BAG vom 15.04.2009 - 3 AZB 93/08). Bei einem auf eine Handlung gerichteten Klageantrag muss einerseits für den Prozessgegner aus rechtsstreitlichen Gründen erkennbar sein, in welchen Fällen er bei Nichterfüllung der ausgeurteilten Verpflichtung mit einem Zwangsmittel zu rechnen hat. Anderseits erfordern zwar das Rechtsstaatsprinzip und das daraus folgende Gebot effektiven Rechtsschutzes, dass materiell-rechtliche Ansprüche effektiv durchgesetzt werden können. Um diesen beiden Gesichtspunkten gerecht zu werden, muss zumindest die Art der begehrten Handlung erkennbar sein. Die Klagepartei hat im streitgegenständlichen Fall jedoch lediglich in ihrem Klageantrag die Vorschrift des
§ 167 Abs. 2 SGB IX abgeschrieben. Dies ist nach Ansicht der erkennenden Kammer nicht ausreichend. Das Betriebliche Eingliederungsmanagement ist durch den Gesetzgeber nicht vorgegeben worden. Das Bundesarbeitsgericht hat in mehreren Entscheidungen formuliert, dass das Betriebliche Eingliederungsmanagement ein formalisiertes Verfahren ist, das den Beteiligten Spielraum lässt. Es geht um die Etablierung eines unverstellten, verlaufs- und ergebnisoffenen Suchprozesses (so
z. B. BAG vom 10.12.2009 -
2 AZR 198/09). Der konkrete Verlauf und die damit verbundenen Mindeststandards für ein Betriebliches Eingliederungsmanagement ergeben sich daher erst im Rahmen der tatsächlichen Umsetzung. Der in dieser Form gestellte Antrag ist zu unbestimmt.
b. Anders verhält es sich, soweit der Kläger seinen Antrag aufgrund eines gerichtlichen Hinweises insoweit ergänzt hat, als dass die Beklagte verpflichtet wird, ein Betriebliches Eingliederungsmanagement einzuleiten. Diesen Teil des Antrages hält die erkennende Kammer für zulässig. Zwar ist insoweit offengelassen, wie eine solche Einleitung aussehen kann. Jedoch ist für die Beklagte hinreichend erkennbar, was von ihr verlangt wird, nämlich die konkrete Einleitung eines Betrieblichen Eingliederungsmanagements. Hierfür mögen mehrere Wege denkbar sein, jedoch ist klar erkennbar, welche Verpflichtung die Beklagte insoweit trifft.
2. Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch ergibt sich nicht direkt aus § 167
Abs. 2
SGB IX. Ein solcher Anspruch ist für den Arbeitnehmer dort nicht formuliert. Vielmehr richtet sich das Gesetz an dieser Stelle an den Arbeitgeber und verpflichtet diesen mit den zuständigen Interessenvertretungen und der betroffenen Person ein Betriebliches Eingliederungsmanagement durchzuführen. Dem § 167
SGB IX ist zwar zu entnehmen, dass eine Rechtsverpflichtung des Arbeitgebers vorhanden ist, allerdings sind in der Norm selbst keine Rechtsfolgen vorgesehen, wenn der Arbeitgeber seiner Verpflichtung nicht nachkommt. Bei den Regelungen des § 167
Abs. 1,
Abs. 2
SGB IX handelt es sich nicht lediglich um eine Ordnungsvorschrift mit bloßen Appellcharakter, dessen Missachtung in jedem Fall folgenlos bliebt, sondern es handelt sich um eine Verfahrensverpflichtung des Arbeitgebers, die Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist. Insoweit besteht auch überwiegend Einigkeit, dass eine Missachtung durch den Arbeitgeber nicht in jedem Fall folgenlos bleibt. Die Beschäftigten können eine Pflichtverletzung oder ein Unterlassen des Arbeitgebers im Rahmen von Kündigungsschutzverfahren oder beim Streit über den Inhalt des Weisungsrechts des Arbeitgebers erfolgreich thematisieren (so
BAG 10.12.2009 -
2 AZR 400/08. Aber auch Schadensersatzansprüche nach § 280
BGB bzw. § 823
Abs. 2
BGB können in Betracht kommen (Kommentar zum Sozialrecht Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, 6. Aufl. § 167
SGB IX Rn. 37, Neumann in Kommentar zum
SGB IX, Beck-Verlag 13. Aufl., Rn. 16
ff., jeweils mit weiteren Nachweisen).
Ein ausdrücklicher Anspruch des Arbeitnehmers auf Durchführung eines Betrieblichen Eingliederungsmanagements hat der Gesetzgeber nicht vorgesehen. Anders verhält es sich für die Mitarbeitervertretungen. Diesen ist in § 167
Abs. 2 Satz 6
SGB IX ein durchsetzbares Initiativrecht ausdrücklich zugebilligt worden. Darüber hinaus haben diese auch eine Überwachungsfunktion nach § 167
Abs. 2 Satz 7
SGB IX. Hätte der Gesetzgeber dem Arbeitnehmer einen klagbaren Anspruch zuerkennen wollen, hätte es nahegelegen einen solchen in § 167
SGB IX ausdrücklich zu formulieren. So wie zum Beispiel in
§ 164 SGB IX in dem dort dem Schwerbehinderten ein Anspruch auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz zugebilligt wird.
Nach Ansicht der erkennenden Kammer kann dabei dahingestellt bleiben, inwieweit sich für den Arbeitgeber aus § 167
Abs. 2
SGB IX eine konkrete Nebenverpflichtung oder nur eine Obliegenheit (so Neumann, § 167
SGB IX Rn. 16) ergibt. Jedenfalls ergibt sich bei entsprechender Wertung, dass bei Verletzung einer solchen Nebenpflicht
bzw. Obliegenheit kein klagbarer Anspruch für den Arbeitnehmer bestehen soll.
3. Ein klagbarer Anspruch des Arbeitnehmers auf Durchführung eines BEM ergibt sich auch nicht aus der Rücksichtnahmepflicht nach § 241
Abs. 2
BGB.
a. Nach § 241
Abs. 2
BGB ist jede Vertragspartei zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet. Dies dient dem Schutz und der Förderung des Vertragszwecks (
BAG vom 10.09.2009 - 2 AZR 257/08). Im Arbeitsverhältnis können die Vertragsparteien zu leistungssichernden Maßnahmen verpflichtet sein.
b. Auch im Rahmen der Anwendbarkeit des § 241
Abs. 2
BGB ist jedoch der Wille des Gesetzgebers, demnach kein klagbares Recht auf Durchführung eines BEM für den Arbeitnehmer vorgesehen ist, zu respektieren. Der Arbeitnehmer ist bei Annahme einer Verfahrensverpflichtung des Arbeitgebers bei dessen Untätigkeit unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei Kündigungen und Direktionsentscheidungen ausreichend geschützt. Darüber hinaus kommen zugunsten des Arbeitnehmers zahlreiche Schutzgesetze zur Anwendung (
z.B. § 618
BGB, 3 EFZG, 164
SGB IX), die ausdrückliche Rechte des Arbeitnehmers regeln. Das Nichtvorsehen eines entsprechenden klagbaren Anspruchs des Arbeitnehmers entspricht damit dem kundgetanen Willen des Gesetzgebers und es besteht keine Notwendigkeit einen solchen Anspruch aus § 241
Abs. 2
BGB abzuleiten.
Die Berufung der Beklagten erweist sich als begründet und die Klage war entsprechend abzuweisen.
III.
1. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen (§ 91
ZPO).
2. Die Revision war im Hinblick auf die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 13.11.2014 -
15 Sa 979/14 - zuzulassen (§ 71
Abs. 2
Nr. 2
ArbGG).