1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum – Az. 5 Ca 1032/22 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer krankheitsbedingten Kündigung.
Der am 08.09.1978 geborene, verheiratete und einem Kind gegenüber zum Unterhalt verpflichtete Kläger ist bei der Beklagten, die
ca. 2.400 Arbeitnehmer beschäftigt, seit dem 01.05.2008 als Kundenbetreuer beschäftigt. Er ist schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 60. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die Tarifverträge für Verkehrsunternehmen des öffentlichen Dienstes (TV-N) Anwendung. Der Kläger ist eingruppiert in die Vergütungsgruppe
EG 3 Stufe 4 TV-N NW und erzielte zuletzt eine Bruttomonatsvergütung in Höhe von
ca. 2.600,00 €.
Seit 2016 kam es bei dem Kläger vermehrt zu Fehlzeiten aufgrund von Arbeitsunfähigkeit. Der Kläger war im Jahr 2016 an 199 Kalendertagen, im Jahr 2017 an 86 Kalendertage, im Jahr 2018 an 365 Kalendertagen, im Jahr 2019 an 104 Kalendertagen und im Jahr 2020 an 79 Kalendertagen arbeitsunfähig erkrankt. Seit dem 08.04.2021 ist der Kläger durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Kundenbetreuer, dessen Aufgabe es ist, auf den Fahrzeugen der Beklagten und an Haltestellen als Ansprechpartner für Kunden und andere Mitarbeiter zur Verfügung zu stehen, kann der Kläger aus gesundheitlichen Gründen dauerhaft nicht mehr ausüben.
Die Beklagte stellt zusätzliche Stellen speziell für Arbeitnehmer zu Verfügung, die aus gesundheitlichen Gründen ihren ursprünglichen Arbeitsplatz nicht mehr ausfüllen können. Diese Stellen werden bei mehreren Bewerbern vorrangig an ordentlich unkündbare und sehr langjährig beschäftigte Arbeitnehmer vergeben. Die wenigen der
EG 3 entsprechenden Stellen sind alle besetzt.
Die Beklagte hatte den Kläger seit 2016 mehrfach vergeblich zu einem Gespräch zur Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements (im Folgenden: beM) eingeladen. Nach einer erneuten Einladung des Klägers im April 2021 kam es am 20.05.2021 zu einem Erstgespräch, in dem sich die Parteien auf eine Untersuchung des Klägers durch den Betriebsarzt verständigten. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass ein Einsatz des Klägers als Kundenbetreuer aus gesundheitlichen Gründen dauerhaft nicht mehr möglich ist. Nachdem im weiteren Verlauf des beM keine andere geeignete Stelle für den Kläger gefunden werden konnte, wurde am 12.07.2021 einvernehmlich ein Antrag beim Rentenversicherungsträger auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gestellt, dem stattgegeben wurde. Im Rahmen des beM fand sodann am 26.11.2021 ein weiteres Gespräch statt, an dem auch zwei Vertreter der Deutschen Rentenversicherung teilnahmen und in dem sich die Parteien darauf verständigten, dass der Kläger eine eignungsabklärende Maßnahme bei der Deutschen Rentenversicherung mit anschließender Neuorientierung in Form einer Umschulung absolvieren wird. Eine Umschulung wurde von der Deutschen Rentenversicherung genehmigt. Es war eine kaufmännische Umschulung im Gespräch; der Kläger trat die Maßnahme jedoch nicht an. Die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben wurden zuletzt mit Bescheid vom 17.10.2022 (Bl. 32 der Akte) bis zum 31.10.2023 verlängert.
Ab Januar 2022 schrieb die Beklagte intern insgesamt drei Stellen aus, die alle mindestens nach der
EG 5 vergütet werden und auf die der Kläger sich erfolglos bewarb. Für die ausgeschriebene Stelle als „Mitarbeiter im Team Zentralwerkstatt Kraftfahrzeuge“ verlangte die Beklagte unter anderem eine abgeschlossene Ausbildung in einem kraftfahrzeugnahen Beruf oder gleichwertige Fähigkeiten. Die Stelle als „Mitarbeiter in der A/Vertragskunden und Bestandskundenmanagement“ erforderte unter anderem eine abgeschlossene kaufmännische Ausbildung oder gleichwertige Kenntnisse und Fähigkeiten; die Stelle wird nach der
EG 6 vergütet. Für die Stelle als „Mitarbeiter im Kundendialog“, die nach der
EG 7 vergütet wird, verlangte die Beklagte ebenfalls eine abgeschlossene kaufmännische Ausbildung oder gleichwertige Kenntnisse und Fähigkeiten. Da der Kläger die Grundanforderungen an eine entsprechende Ausbildung
bzw. gleichwertige Kenntnisse nicht erfüllte, fand er schon aus diesem Grund bei Besetzung der ausgeschriebenen Stellen keine Berücksichtigung.
Am 03.05.2022 führte die Beklagte mit dem Kläger unter Beteiligung eines Vertreters des Betriebsrates sowie der Schwerbehindertenvertreterin ein Personalgespräch, um zu erfahren, warum der Kläger die Umschulung nicht wie vereinbart angetreten hat. Die weiteren Einzelheiten des Gesprächs sind zwischen den Parteien streitig.
Mit Schreiben vom 06.07.2022 hörte die Beklagte sowohl den Betriebsrat als auch die Schwerbehindertenvertretung zu einer beabsichtigten ordentlichen, krankheitsbedingten Kündigung des Klägers an. Wegen des Inhalts der Anhörungsschreiben wird auf die Anlage B1 (Bl. 45 ff der Akte) sowie die Anlage B2 (Bl. 51 ff der Akte) zum Schriftsatz der Beklagten vom 02.11.2022 verwiesen. Sowohl der Betriebsrat als auch die Schwerbehindertenvertretung stimmten der Kündigung noch am 06.07.2022 zu. Das Inklusionsamt erteilte mit Bescheid vom 17.08.2022 (
vgl. Anlage B3, Bl. 57 ff d.A.) die von der Beklagten unter dem 09.05.2022 beantragte Zustimmung zur ordentlichen Kündigung; der dagegen gerichtete Widerspruch des Klägers wurde mit Bescheid vom 27.03.2023 (Bl. 163 d.A.) zurückgewiesen.
Mit Schreiben vom 22.08.2022 (Bl. 4 d.A.) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 31.03.2023. Dagegen hat sich der Kläger mit seiner am 05.09.2022 beim Arbeitsgericht Bochum eingegangenen Klage gewandt. Er hat die Auffassung vertreten, dass die Kündigung als personenbedingte Kündigung sozial ungerechtfertigt sei, da eine Umschulung als milderes Mittel in Betracht gekommen wäre, und hat dazu vorgetragen: Von der Beklagten habe er nicht die nötige Unterstützung für eine Umschulung erhalten. Bei Besetzung der von der Beklagten ausgeschriebenen Stellen sei er unstreitig wegen seiner fehlenden Qualifikation nicht berücksichtigt worden. Die Beklagte habe ihm nie eine konkrete Fortbildung vorgeschlagen. Für den Kläger wäre es viel leichter gewesen, eine passende Fortbildung zu finden, wenn die Beklagte sich daran beteiligt hätte. Zu keinem Zeitpunkt habe er eine Fortbildung abgelehnt.
Die Beklagten habe ihm auch nicht angeboten, sein Arbeitsverhältnis für die Zeit einer Umschulung ruhen zu lassen, sondern habe vielmehr angeregt, das Arbeitsverhältnis aufzuheben und gegebenenfalls später wieder neu zu begründen. Der Kläger habe keine Einwände dagegen, das Arbeitsverhältnis ruhen zu lassen und die im Rahmen des beM initiierte kaufmännische Umschulung durchzuführen.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 22.08.2022 aufgelöst worden ist.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat gemeint, dass die Kündigung aufgrund der dauerhaften Leistungsunfähigkeit des Klägers aus personenbedingten Gründen sozial gerechtfertigt sei, da das wechselseitige Austauschverhältnis auf Dauer gestört sei, und hat dazu vorgetragen: Wenn der Arbeitgeber ein beM durchführe und dabei - wie vorliegend unstreitig - alternative Beschäftigungsmöglichkeiten nicht gefunden werden könnten, habe er seine Pflicht erfüllt. Einigten sich die Parteien im Rahmen eines beM auf eine konkrete Maßnahme, die der Arbeitnehmer dann – wie vorliegend ebenfalls unstreitig – nicht antrete, so habe der Arbeitgeber auch seine Pflicht zur Suche nach Alternativen erfüllt. In dem Personalgespräch am 03.05.2023 habe der Kläger ausdrücklich erklärt, dass er kein Interesse an einer Weiterbildung im kaufmännischen oder im
IT-Bereich habe, da er sich als Handwerker sehe und dies auch bleiben wolle, und dass er sich daher gegen die Teilnahme an der Maßnahme entschieden habe. Auch auf den Hinweis des Personalleiters hin, dass die Beklagte sich dann voraussichtlich krankheitsbedingt von ihm trennen werde, habe der Kläger nicht seine Bereitschaft zur Durchführung einer Umschulung erklärt. Unter diesen Umständen könne von der Arbeitgeberin nicht erwartet werden, dass sie das Arbeitsverhältnis fortsetze, bis zu einem nicht absehbaren Zeitpunkt möglicherweise eine geeignete Beschäftigung für den Arbeitnehmer gefunden werden könne.
Im Rahmen der abschließenden Interessenabwägung sei zu Gunsten der Beklagten zu berücksichtigen sei, dass sie seit 2016 und damit über mehrere Jahre umfangreiche Entgeltfortzahlungskosten und Ausfälle hingenommen habe. Das Interesse des Klägers an einem sinnentleerten Beschäftigungsverhältnis müsse daher gegenüber dem Interesse der Beklagten an einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses zurücktreten. Das gelte umso mehr, als der Kläger durch die Ablehnung von beschäftigungsfördernden Maßnahmen selbst die Aussicht minimiert habe, eine passende Stelle zu finden.
Das Arbeitsgericht Bochum hat die Klage mit Urteil vom 16.12 2022 (Az. 5 Ca 1032/22), auf dessen Inhalt wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands erster Instanz ergänzend Bezug genommen wird, abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Kündigung der Beklagten vom 22.08.2022 sei als krankheitsbedingte Kündigung sozial gerechtfertigt und habe das Arbeitsverhältnis zum 31.03.2023 beendet. Da der Kläger auf Dauer nicht mehr in der Lage sei, die arbeitsvertraglich vereinbarte Tätigkeit als Kundenbetreuer zu erbringen, liege die erforderliche Negativprognose vor. Dadurch seien die betrieblichen Interessen erheblich beeinträchtigt, denn die Beklagte sei auf Dauer gehindert, ihr Direktionsrecht auszuüben und die Arbeitsleistung des Klägers abzurufen. Die durchzuführende Interessenabwägung gehe – auch unter Berücksichtigung der über 14-jährigen Betriebszugehörigkeit und des Lebensalters des Klägers - zu dessen Lasten aus. Die Beklagte könne nicht auf das mildere Mittel einer Weiterbeschäftigung des Klägers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen (§ 1
Abs. 2 Satz 3
KSchG) verwiesen werden, wenn bei Ausspruch der Kündigung kein entsprechender anderweitiger Arbeitsplatz frei sei und auch nicht mit hinreichender Sicherheit voraussehbar sei, dass nach Abschluss der Maßnahmen eine Beschäftigungsmöglichkeit aufgrund der durch die Fortbildung oder Umschulung erworbenen Qualifikation bestehen werde. Zwar habe die Beklage vorgetragen, dass sie grundsätzlich zusätzliche Stellen vorhalte speziell für Arbeitnehmer, die aus gesundheitlichen Gründen ihre ursprüngliche Arbeit nicht mehr ausführen können. Allerdings sei nicht ersichtlich, dass nach der Umschulung für den Kläger ein solcher Arbeitsplatz bei der Beklagten perspektivisch zur Verfügung stehe; zudem konkurriere der Kläger hier mit sozial schutzbedürftigeren Arbeitnehmern. Es komme deshalb weder darauf an, ob der Kläger eine Umschulung im kaufmännischen Bereich abgelehnt habe, noch ob die Beklagte verpflichtet wäre, dem Kläger als milderes Mittel eine höherwertigere Tätigkeit zuzuweisen.
Sowohl der Betriebsrat als auch die Schwerbehindertenvertretung seien ordnungsgemäß vor Ausspruch der Kündigung beteiligt worden. Die Beklagte habe, obwohl der Kläger die ordnungsgemäße Anhörung schon nicht gerügt habe, zur Anhörung des Betriebsrates vorgetragen und die Anhörungsschreiben vom 06.07.2022 vorgelegt. Darauf hätte der Kläger substantiiert iSd § 138
Abs. 1 und 2
ZPO erwidern müssen, was er nicht getan habe. Die nach
§ 168 SGB IX erforderliche Zustimmung des Inklusionsamtes liege ebenfalls vor und die tarifvertragliche Kündigungsfrist gemäß § 20
Abs. 4 TV-N NW sei gewahrt.
Gegen das dem Kläger am 23.01.2023 zugestellte Urteil wendet dieser sich mit seiner Berufung vom 17.02.2023, beim Landesarbeitsgericht eingegangen am selben Tage, die er mit seinem am 20.03.2023 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens wie folgt begründet: Zu Unrecht habe das Arbeitsgericht für die krankheitsbedingte Kündigung ein betriebliches Eingliederungsmanagement ausreichen lassen, das lediglich „pro forma“ durchgeführt worden sei und das nicht das Ziel der Wiedereingliederung in den Arbeitsalltag verfolgt habe. Nachdem dem Kläger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben bewilligt worden seien, habe sich herausgestellt, dass die Beklagte das Arbeitsverhältnis beenden wollte und dem Kläger erst danach eine Umschulung vermitteln wollte. Der Kläger habe das beM aber zu Recht so verstanden, dass die Weiterbildung eine Weiterbeschäftigung bei der Beklagten ermöglichen sollte. Dafür habe der Kläger auch Vorschläge gemacht und sich auf Stellen aus dem kaufmännischen und lT-Bereich beworben. Mit einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei er nicht einverstanden gewesen. Der Kläger habe nur die Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgelehnt, nicht hingegen eine kaufmännische Ausbildung oder eine Ausbildung im lT-Bereich. An einer solchen Weiterbeildung habe der Kläger auch weiterhin Interesse. Statt diese Möglichkeit aufzugreifen, habe die Beklagte jedoch versucht, dem Kläger die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit einer Abfindung schmackhaft zu machen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt habe Kläger den Eindruck gewinnen müssen, es handele sich bei dem Verfahren um ein Ausgliederungsmanagement und nicht um ein betriebliches Eingliederungsmanagement.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum 16.12.2022 – Az. 5 Ca 1032/22 – abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 22.08.2022 aufgelöst worden ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Sie rügt, dass das Vorbringen des Klägers schon den an eine Berufungsbegründung zu stellenden Anforderungen nicht genüge, da der Kläger die entscheidungserheblichen Erwägungen nicht substantiiert angegriffen habe. Er habe weder die Feststellungen des Arbeitsgerichts, dass der Kläger dauerhaft nicht mehr in der Lage sei, seine arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit zu erbringen und dass daraus eine erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen folge, noch die weiteren Ausführungen des Arbeitsgerichts zur Interessenabwägung angegriffen. Soweit das Arbeitsgericht argumentiere, dass die Beklagte auf eine Umschulungsmaßnahme als milderes Mittel nicht verwiesen werden könne, da bei Ausspruch der Kündigung kein entsprechender anderweitiger Arbeitsplatz frei gewesen sei und auch nach Abschluss der Maßnahmen nicht mit hinreichender Sicherheit verfügbar sein würde, greife der Kläger auch diese Erwägungen nicht an. Er leiste auch zweitinstanzlich keinen Vortrag dazu, welche der ihm fehlenden Kenntnisse eine Umschulung oder Ausbildung vermittelt hätte und welche Stelle er dann hätte ausfüllen können. Der Kläger verweise allein darauf, dass die Beklagte das beM nicht mit dem Ziel einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses geführt habe, und dass eine Umschulung als milderes Mittel gegenüber einer Kündigung in Betracht gekommen wäre.
Der Kläger habe auch in dem Gespräch am 03.05.2021 nicht mitgeteilt, welche Umschulung er durchführen wolle. Eine Stelle nach Abschluss der Maßnahme habe die Beklagte dem Kläger nicht zusagen können, da auch bei
ggf. später freiwerdenden Stellen vorrangig ordentlich unkündbare oder länger beschäftigte Arbeitnehmer zu berücksichtigen seien. Zu keinem Zeitpunkt habe die Beklagte von dem Kläger eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses verlangt.
Wegen des weiteren Sach- und Rechtsvortrags zweiter Instanz wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die von den Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 18.08.2023 zu Protokoll abgegebenen Erklärungen ergänzend Bezug genommen.
Die zulässige Berufung des Klägers bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen.
I. Die Berufung ist
gem. § 64
Abs. 2 Buchst. c)
ArbGG statthaft und
gem. § 66
Abs. 1 Satz 1
ArbGG, §§ 518, 520
ZPO in der gesetzlich vorgeschriebenen Form und Frist eingelegt und begründet worden. Die Berufungsbegründung genügt außerdem den Anforderungen von § 64
Abs. 6
ArbGG, § 520
Abs. 3 Satz 2
Nr. 1-4
ZPO.
1. Zweck des § 520
ZPO ist es, die Beurteilung des Streitfalls durch den Erstrichter zu überprüfen und den Rechtsstreit für die Berufungsinstanz durch eine Zusammenfassung und Beschränkung des Rechtsstoffs ausreichend vorzubereiten. Nach § 64
Abs. 6 Satz 1
ArbGG iVm. § 520
Abs. 3 Satz 2
Nr. 2
ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Die Berufungsbegründung muss erkennen lassen, in welchen Punkten tatsächlicher oder rechtlicher Art das angefochtene Urteil nach Ansicht des Berufungsklägers unrichtig ist und auf welchen Gründen diese Ansicht im Einzelnen beruht (
vgl. etwa
BAG, Urteil vom 24. Oktober 2017 - 1 AZR 166/16 - Rn. 11, NZA 2018, 196
ff.). Sie muss auf den zur Entscheidung stehenden Fall zugeschnitten sein und sich mit den rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Urteils befassen, wenn sie diese bekämpfen will (
vgl. BAG, Urteile vom 24. Oktober 2019 - 8 AZR 528/18 - Rn. 17, AP
BGB § 288
Nr. 8; vom 14. Mai 2019 - 3 AZR 274/18 - Rn. 18, juris). Eine schlüssige, rechtlich haltbare Begründung kann zwar nicht verlangt werden. Für die erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung reicht es aber nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht mit formelhaften Wendungen zu rügen und lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen (
vgl. BAG, Urteile vom 23. November 2017 - 8 AZR 458/16 - Rn. 14, NZA 2018, 541
ff.; vom 26. April 2017 - 10 AZR 275/16 - Rn. 13, juris; vom 17. Februar 2016 - 2 AZR 613/14 - Rn. 13, AP
KSchG 1969 § 2
Nr. 168).
2. Diesen Anforderungen genügt die Berufungsbegründung noch.
Der Kläger hat gerügt, dass die erstinstanzliche Entscheidung zu Unrecht ein lediglich pro forma durchgeführtes beM als ausreichend erachtet habe. Ferner hat er darauf hingewiesen, dass das Arbeitsgericht die Möglichkeit einer Umschulung vor Ausspruch der Kündigung nicht ausreichend gewürdigt habe und hat damit die unzutreffende Beurteilung der Verhältnismäßigkeit durch das Arbeitsgericht gerügt. Damit lässt seine Berufungsbegründung erkennen, in welchen Punkten er das angefochtene Urteil für unrichtig hält und auf welchen Gründen diese Ansicht im Einzelnen beruht.
II. In der Sache bleibt die Berufung des Klägers jedoch ohne Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Kündigung vom 22.08.2022 zum 31.03.2023 beendet worden.
1. Die Kündigung ist nicht gemäß § 1
Abs. 1, 2
KSchG sozial ungerechtfertigt und damit rechtsunwirksam. Sie ist durch Gründe bedingt, die in der Person des Klägers liegen.
a) Die soziale Rechtfertigung von Kündigungen, die aus Anlass von Krankheiten ausgesprochen werden, ist in drei Stufen zu prüfen. Eine Kündigung ist im Falle einer lang anhaltenden Krankheit sozial gerechtfertigt iSd. § 1
Abs. 2
KSchG, wenn eine negative Prognose hinsichtlich der voraussichtlichen Dauer der Arbeitsunfähigkeit vorliegt - erste Stufe -, eine darauf beruhende erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen festzustellen ist - zweite Stufe - und eine Interessenabwägung ergibt, dass die betrieblichen Beeinträchtigungen zu einer billigerweise nicht mehr hinzunehmenden Belastung des Arbeitgebers führen - dritte Stufe - (
BAG, Urteile vom 13. Mai 2015 – 2 AZR 565/14 –, Rn. 12, NZA 2015, 1249
ff.; vom 20. November 2014 -
2 AZR 664/13 - Rn. 13, NZA 2015, 931
ff.).
b) Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Kläger die geschuldete Arbeitsleistung dauerhaft nicht mehr erbringen kann (erste Stufe). In einem solchen Fall, in dem ein Arbeitnehmer dauerhaft außer Stande ist, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (zB
BAG vom 20. November 2014 - 2 AZR 664/13 - Rn. 14, aaO), der sich auch die Berufungskammer anschließt, eine negative Prognose hinsichtlich der künftigen Entwicklung des Gesundheitszustands indiziert . Dies führt zu einer grundsätzlich nicht näher darzulegenden erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen, da der Arbeitgeber auf unabsehbare Zeit gehindert ist, sein Direktionsrecht auszuüben und die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers abzurufen. In einem solchen Fall fehlt es in aller Regel an einem schutzwürdigen Interesse des Arbeitnehmers an der Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses (zweite Stufe;
vgl. BAG, Urteile vom 20. November 2014 - 2 AZR 664/13 - Rn. 14, aaO; vom 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 28, BAGE 123, 234). Die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts zur dauerhaften Arbeitsunfähigkeit und zur erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen hat der Kläger mit seiner Berufung auch nicht angegriffen.
c) Ebenfalls zutreffend ist das Arbeitsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass bei einer Abwägung der beiderseitigen Interessen das Interesse der Beklagten, das Arbeitsverhältnis zu beenden, das Interesse des Klägers am Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses überwiegt (dritte Stufe).
aa) Auch in den Fällen, in denen der Arbeitnehmer auf Dauer wegen Krankheit die geschuldete Arbeitsleistung nicht mehr erbringen kann, ist eine Kündigung nach dem das gesamte Kündigungsrecht beherrschenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nur gerechtfertigt, wenn sie zur Beseitigung der eingetretenen Vertragsstörung erforderlich ist (ständige Rspr.,
z.B. BAG, Urteil vom 20. November 2014 - 2 AZR 664/13 - Rn. 15, aaO). Zu den die Kündigung bedingenden Tatsachen gehört deshalb das Fehlen angemessener milderer Mittel zur Vermeidung künftiger Fehlzeiten. Mildere Mittel in diesem Sinne sind insbesondere die Umgestaltung des bisherigen Arbeitsbereichs oder die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers auf einem anderen - leidensgerechten - Arbeitsplatz (
BAG, Urteil vom 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 24;
vgl. auch Urteil vom 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 29 mwN). Dies schließt in Krankheitsfällen die Verpflichtung des Arbeitgebers ein, einen leidensgerechten Arbeitsplatz durch Ausübung seines Direktionsrechts „freizumachen“. Scheidet eine Umsetzungsmöglichkeit aus, kann sich im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung auch eine Änderungskündigung - und sei es mit dem Ziel einer Weiterbeschäftigung zu schlechteren Arbeitsbedingungen - als vorrangig erweisen. Dabei ist
ggf. die Pflicht des Arbeitgebers zu berücksichtigen, einem Schwerbehinderten gemäß
§ 167 Abs. 2 SGB IX (
§ 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX aF) einen seinen Fähigkeiten und Kenntnissen entsprechenden Arbeitsplatz zuzuweisen (
BAG, Urteil vom 20. November 2014 - 2 AZR 664/13 - Rn. 15, aaO).
bb) Zutreffend ist das Arbeitsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Beklagten kein milderes Mittel als die Beendigungskündigung zur Verfügung stand, um den betrieblichen Beeinträchtigungen zu begegnen. Soweit der Kläger mit seiner Berufung einwendet, dass die Beklagte das betriebliche Eingliederungsmanagement nur „pro forma“ und nicht mit dem Ziel der Eingliederung durchgeführt geführt habe, sondern eher eine „Ausgliederung“ bezweckt habe, und dass sie den Kläger nicht ausreichend bei Umschulungsbemühungen unterstützt habe, zielt sein Vorbringen offenbar darauf ab, dass seine Weiterbeschäftigung nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich gewesen wäre (
vgl. § 1
Abs. 2 Satz 3
iVm Satz 2
KSchG). Dazu fehlt es jedoch an hinreichendem Sachvortrag.
(1) Regelmäßig trägt der Arbeitgeber für die Umstände, die nach § 1
Abs. 2
KSchG die Kündigung bedingen, die Darlegungs- und Beweislast (§ 1
Abs. 2 Satz 4
KSchG). Das gilt auch für das Fehlen einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit (
BAG, Urteile vom 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 25 sowie 2 AZR 664/13 –, Rn. 18, aaO).
(2) Ist der Arbeitgeber nicht zur Durchführung eines bEM verpflichtet, kann er sich darauf beschränken zu behaupten, für den Arbeitnehmer bestehe keine alternative Beschäftigungsmöglichkeit. Diese pauschale Erklärung umfasst den Vortrag, Möglichkeiten zur leidensgerechten Anpassung des Arbeitsplatzes seien nicht gegeben. Der Arbeitnehmer muss hierauf konkret erwidern, insbesondere darlegen, wie er sich eine Änderung des bisherigen Arbeitsplatzes oder eine anderweitige Beschäftigung vorstellt, die er trotz seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung ausüben könne. Erst dann ist es Sache des Arbeitgebers, hierauf zu erwidern und
ggf. darzulegen, warum auch eine solche Beschäftigung nicht möglich sei (
BAG, Urteile vom 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 25 mwN; vom 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 14 mwN, BAGE 135, 361; KR-Rachor, 13. Aufl., § 1
KSchG Rn. 372). Das Gleiche gilt, wenn der Arbeitgeber entsprechend den Vorgaben des § 167
Abs. 2
S. 1
SGB IX ein betriebliches Eingliederungsmanagement ordnungsgemäß durchgeführt hat.
Eine erweiterte Darlegungslast trifft den Arbeitgeber, der es unterlassen hat, entgegen den Vorgaben des § 167
Abs. 2
S. 1
SGB IX ein bEM durchzuführen. Zwar ist die Durchführung des bEM keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für eine krankheitsbedingte Kündigung und für sich genommen auch kein milderes Mittel als diese. § 167
Abs. 2
S. 1
SGB IX (§ 84
Abs. 2
SGB IX aF) konkretisiert aber den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Mit Hilfe des bEM können mildere Mittel, zB die Umgestaltung des Arbeitsplatzes oder die Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen auf einem anderen,
ggf. „freizumachenden“ Arbeitsplatz erkannt und entwickelt werden (
BAG, Urteil vom 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 38, aaO; vom 20. November 2014 – 2 AZR 664/13 –, Rn. 20, aaO). Der Arbeitgeber, der ein gebotenes beM unterlassen hat, hat im Einzelnen darzulegen, warum auch mit seiner Hilfe keine Möglichkeiten erkannt worden wäre, die Kündigung durch angemessene mildere Maßnahmen zu vermeiden (
BAG, Urteil vom 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 39, aaO).
(3) Ausgehend davon war es an dem Kläger darzulegen, dass seine Weiterbeschäftigung jedenfalls nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen unter geänderten Arbeitsbedingungen als milderes Mittel möglich gewesen wäre. Dem ist er nicht nachgekommen. Es ist weder dargetan noch ersichtlich, dass der Beklagten ein milderes Mittel als die Beendigungskündigung zur Verfügung stand.
(a) Die Beklagte hat den Kläger, nachdem in der Vergangenheit mehrere Einladungen zur Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements ohne Reaktion geblieben sind, im April 2021 erneut zu einem beM-Gespräch eingeladen und in der Folgezeit ein betriebliches Eingliederungsmanagement gemäß den Vorgaben des § 167
Abs. 2
S. 1
SGB IX durchgeführt. Dass es dabei zu Fehlern gekommen ist, ist weder dargetan, noch ersichtlich. Soweit der Kläger behauptet, dass das beM nicht mit dem Ziel einer Eingliederung, sondern eher zum Zwecke einer „Ausgliederung“ durchgeführt worden sei, bleibt sein Vorbringen dazu ohne Substanz. Die Parteien haben unter Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung und des Rentenversicherungsträgers in mehreren Gesprächen nach einer alternativen Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger gesucht, die jedoch unstreitig nicht gefunden werden konnte. Deshalb haben die Parteien im November 2021 vereinbart, dass der Kläger zunächst eine Umschulung durchführen wird, damit er sich die erforderliche Qualifikation verschafft, um bei späteren Stellenbesetzungen möglicherweise berücksichtigt werden zu können.
(b) Da die Beklagte damit ihrer Verpflichtung zur Durchführung eines beM nachgekommen ist, hat sie ihrer Darlegungslast zum Fehlen einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit genüge getan, indem sie vorgetragen hat, dass im Rahmen mehrerer Gespräche auch unter Beteiligung auch der Schwerbehindertenvertretung eine alternative Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger nicht gefunden werden konnte. Es wäre nun an diesem gewesen darzutun, wie er sich eine anderweitige Beschäftigung bei der Beklagten,
ggf. nach einer Umschulung, vorstellt. Er hätte darlegen müssen, welche der ihm fehlenden Kenntnisse eine Umschulung oder Ausbildung vermittelt hätte und welche – freie oder mit hinreichender Wahrscheinlichkeit frei werdende - Stelle er dann hätte ausfüllen können. Denn eine Weiterbeschäftigung nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen kommt als milderes Mittel nur in Betracht, wenn nach Durchführung der Umschulung ein entsprechender freier Arbeitsplatz, auf dem der Arbeitnehmer mit seinen erworbenen Qualifikationen eingesetzt werden kann, zur Verfügung steht. Denn Bildungsmaßnahmen zum Zwecke einer späteren anderweitigen Beschäftigung greifen stärker in die Rechtsstellung des Arbeitgebers ein als umgehend zu vollziehende Umsetzungen oder Versetzungen. Von einem Arbeitgeber können nicht aufwendige Umschulungsmaßnahmen verlangt werden, wenn hierdurch die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit sichergestellt wird (
BAG, Urteil vom 7. Februar 1991 – 2 AZR 205/90 –, Rn. 25, BAGE 67, 198-208).
Zwar hält die Beklagte nach ihrem eigenen Vorbringen zusätzliche Stellen speziell für Arbeitnehmer vor, die aus gesundheitlichen Gründen ihre ursprüngliche Arbeit nicht mehr ausführen können. Ein solcher Arbeitsplatz stand aber weder bei Ausspruch der Kündigung, noch perspektivisch nach einer potentiellen Umschulung zur Verfügung. Zudem würde der Kläger im Hinblick auf eventuell freiwerdende Stellen ohnehin mit anderen, sozial schutzwürdigeren Arbeitnehmern konkurrieren. Da der Kläger auch keinen anderen Arbeitsplatz benannt hat, der nach Durchführung einer Umschulung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zur Verfügung stehen könnte, kann die Beklagte nicht auf eine Weiterbeschäftigung nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen als milderes Mittel nicht verwiesen werden. Das gilt vorliegend erst recht, da der Kläger eine Umschulung nicht, wie vereinbart, in der Folgezeit angetreten hat. Ohne Erfolg wendet er mit seiner Berufungsbegründung ein, dass die Beklagte „über einen längeren Zeitraum nichts zur Eingliederung des Klägers unternommen“ und „keinen Maßnahmeplan erstellt“ habe. Abgesehen davon, dass der Kläger die Beklagte weder darüber informiert hat, dass er die vereinbarte Maßnahme nicht angetreten hat, noch den Wunsch nach Unterstützungsleistungen der Beklagten geäußert hat, ist nicht ersichtlich, dass selbst bei entsprechenden Unterstützungsleistungen nach Durchführung einer Umschulung eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger zur Verfügung gestanden hätte. Soweit der Kläger im Kammertermin vorgetragen hat, dass er darauf gewartet habe, dass zu einem näher nicht bestimmbaren Zeitpunkt bei der Beklagten eine Stelle frei wird, auf der er die erforderlichen Fähigkeiten „on the job“ lernen und so in geeignete Stellen „reinrutschen“ könne, waren solche Stellen bei Ausspruch der Kündigung weder aktuell, noch perspektivisch frei.
Da nach alledem nicht ersichtlich ist, dass bei Ausspruch der Kündigung eine alternative Beschäftigungsmöglichkeit bestand oder perspektivisch zur Verfügung stehen würde, stand der Beklagten eine Weiterbeschäftigung –
ggf. nach einer Umschulung und
ggf. zu geänderten Arbeitsbedingungen – als milderes Mittel nicht zur Verfügung.
cc) Die Kündigung erweist sich auch unter Abwägung der wechselseitigen Interessen nicht als unverhältnismäßig. Die Beklagte hat in den Jahren vor Ausspruch der Kündigung erhebliche Fehlzeiten und Entgeltfortzahlungskosten hingenommen, bevor sie sich zum Ausspruch der Kündigung entschlossen hat. Mittlerweile steht fest, dass der Kläger die arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit dauerhaft nicht mehr erbringen kann; das Arbeitsverhältnis ist mit anderen Worten sinnentleert. Das Arbeitsgericht ist deshalb zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass ein schützenswertes Interesse des Klägers, dieses auf Dauer sinnlose Arbeitsverhältnis aufrecht zu erhalten, trotz der vom Kläger zurückgelegten 14- jährigen Beschäftigungszeit und seiner Schwerbehinderung nicht besteht.
2. Die Kündigung erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als unwirksam. Der Betriebsrat und die Schwerbehindertenvertretung sind vor Ausspruch der Kündigung gemäß § 102
BetrVG bzw. § 178
Abs. 2
S. 1
SGB IX ordnungsgemäß beteiligt worden. Auch die Zustimmung des Integrationsamtes gemäß § 168
SGB IX lag vor. Es wird dazu auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichtes verwiesen, die der Kläger mit seiner Berufung auch nicht angegriffen hat.
Nach alledem erweist sich die Kündigung vom 22.08.2022 als wirksam und hat das Arbeitsverhältnis der Parteien unter Berücksichtigung der Kündigungsfrist gemäß § 20
Abs. 4 TV-N NRW zum 31.03.2022 beendet.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 64
Abs. 6
ArbGG in Verbindung mit § 97
ZPO. Der Kläger und Berufungskläger hat die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.
IV. Gründe, die Revision gemäß § 72
Abs. 2
ArbGG zuzulassen, sind nicht ersichtlich. Es handelt sich um eine am Einzelfall orientierte Entscheidung ohne grundsätzliche rechtliche Bedeutung. Die insoweit maßgeblichen Rechtsfragen sind höchstrichterlich bereits geklärt. Der zu beurteilende Sachverhalt wirft keine neuen Gesichtspunkte auf. Eine Divergenz zu anderen obergerichtlichen Entscheidungen ist nicht erkennbar.