A
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, in der Sache jedoch nicht erfolgreich.
I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist statthaft (§ 64
Abs. 2 Buchstabe c
ArbGG), wurde von der Beklagten nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils am 10. März 2020 mit am gleichen Tag beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom 08. April 2020 form- und fristgerecht eingelegt (§ 66
Abs. 1 Satz 1 und 2, § 64
Abs. 6
ArbGG iVm. § 519
ZPO) und innerhalb verlängerter Berufungsbegründungsfrist mit Schriftsatz vom 25. Mai 2020, bei Gericht eingegangen am gleichen Tag, rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet (§ 66
Abs. 1 Satz 1, 2 und 5, § 64
Abs. 6
ArbGG iVm. § 520
ZPO).
II. Die Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage zu Recht stattgegeben. Die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 15. August 2019 hat das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht wirksam beendet.
1. Die von der Beklagten aus krankheitsbedingten Gründen ausgesprochene Kündigung vom 15. August 2019, die der Kläger innerhalb der Drei-Wochen-Frist des
§ 4 Satz 1 KSchG mit einer Kündigungsschutzklage angegriffen hat und die daher auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen war, hat das Arbeitsverhältnis nicht beendet. Sie ist - nachdem das Kündigungsschutzgesetz aufgrund Betriebsgröße und Beschäftigungsdauer des Klägers nach
§§ 1 Abs. 1,
23 Abs. 1 Satz 3 KSchG Anwendung findet - nicht gemäß § 1
Abs. 2 Satz 1
KSchG aus personenbedingten Gründen sozial gerechtfertigt.
1.1. Eine mit häufigen (Kurz-) Erkrankungen des Arbeitnehmers begründete Kündigung ist sozial nur gerechtfertigt, wenn im Kündigungszeitpunkt Tatsachen vorliegen, die die Prognose stützen, es werde auch künftig zu Erkrankungen im bisherigen - erheblichen - Umfang kommen - erste Stufe. Die prognostizierten Fehlzeiten müssen außerdem zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen - zweite Stufe. Im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung - dritte Stufe - ist schließlich zu prüfen, ob die Beeinträchtigungen vom Arbeitgeber angesichts der Belange des Arbeitnehmers gleichwohl hingenommen werden müssen (
vgl. BAG 16. Juli 2015 -
2 AZR 15/15 - Rn. 29, 20. November 2014 -
2 AZR 755/13 - Rn. 16; jeweils zitiert nach juris).
1.2. Mit dem Arbeitsgericht nimmt die Berufungskammer an, dass die in der ersten Stufe zu prüfende negative Gesundheitsprognose der Beklagten, auch in Zukunft sei mit Erkrankungen der Klägerin in erheblichem Umfang zu rechnen, berechtigt ist.
a) Treten während der letzten Jahre jährlich mehrere (Kurz-)Erkrankungen auf, spricht dies für eine entsprechende künftige Entwicklung des Krankheitsbildes, es sei denn, die Krankheiten sind ausgeheilt. Der Arbeitgeber darf sich deshalb auf der ersten Prüfungsstufe zunächst darauf beschränken, die Fehlzeiten der Vergangenheit darzustellen und zu behaupten, in Zukunft seien Krankheitszeiten in entsprechendem Umfang zu erwarten. Alsdann ist es Sache des Arbeitnehmers, gemäß § 138
Abs. 2
ZPO darzulegen, weshalb im Kündigungszeitpunkt mit einer baldigen Genesung zu rechnen war. Er genügt dieser prozessualen Mitwirkungspflicht schon dann, wenn er vorträgt, die behandelnden Ärzte hätten seine gesundheitliche Entwicklung positiv beurteilt, und wenn er diese von ihrer Schweigepflicht entbindet. Je nach Erheblichkeit des Vortrags ist es dann Sache des Arbeitgebers, den Beweis für die Berechtigung einer negativen Gesundheitsprognose zu führen (
vgl. insgesamt
BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 17, mwN, zitiert nach juris). Vorbehaltlich besonderer Umstände des Einzelfalls ist für die Erstellung der Gesundheitsprognose ein Referenzzeitraum von drei Jahren maßgeblich. Ist eine Arbeitnehmervertretung gebildet, ist auf die letzten drei Jahre vor Einleitung des Beteiligungsverfahrens abzustellen (25. April 2018 -
2 AZR 6/18 - Rn. 23, zitiert nach juris). Maßgeblicher Zeitpunkt zur Beurteilung der Wirksamkeit der Kündigung ist der Zeitpunkt der Kündigungserklärung (
BAG 27. Februar 2020 - 8 AZR 215/19 - Rn. 70; 26. Januar 2017 - 2 AZR 61/16 - Rn. 33, jeweils zitiert nach juris).
b) Nach diesen Grundsätzen ist hinsichtlich des Gesundheitszustandes des Klägers von einer negativen Zukunftsprognose auszugehen. Der Kläger war im Referenzzeitraum von 07./08. August 2016 bis 07./08. August 2019 - auch dann, wenn man den nach seiner Behauptung auf einen Betriebsunfall zurückzuführenden Erkrankungszeitraum mangels Wiederholungsgefahr nicht berücksichtigt - jährlich mehr als sechs Wochen arbeitsunfähig erkrankt. Diese Fehlzeiten aufgrund häufiger Kurzerkrankungen indizieren künftige Fehlzeiten im bisherigen Umfang, ohne dass der Kläger die Indizwirkung erschüttert hätte. Der Kläger hat im Berufungsverfahren angeführt, bis auf den Arbeitsunfall hätten alle Fehlzeiten im Zusammenhang mit seiner Diabetes-Erkrankung gestanden. Soweit er hinsichtlich einer Besserung seiner gesundheitlichen Situation behauptet hat, seit Januar 2019 nur noch
ca. 3 - 4 Tage arbeitsunfähig gewesen zu sein, stehen dem bereits die von der Krankenkasse des Klägers mitgeteilten Fehlzeiten entgegen, nach denen er von Ende Januar bis Ende Februar 2019 und von Ende März bis 09. Mai 2019, sowie vom 07. Juli bis 02. August 2019 erkrankt war (Bl. 65 d. A.). Der Kläger selbst räumt dementsprechend auch ein, dass hinsichtlich seiner chronischen Erkrankung eine vollständige Genesung nicht zu erwarten ist. Die von ihm angeführte am 18. November 2019 nach Kündigungszugang festgestellte Verbesserung seiner Blutzuckerwerte (9,8 % Hb) vermag die Indizwirkung der Fehlzeiten in der Vergangenheit nicht zu erschüttern. Unabhängig davon, dass eine nachträglich angestoßene Entwicklung des Blutzuckerwertes nach dem maßgeblichen Zeitpunkt der Beurteilung bei Kündigungszugang keinen Einfluss auf die negative Zukunftsprognose haben könnte, lag der Blutzuckerwert des Klägers nach der von ihm vorgelegten Tabelle (Bl. 67 f. d. A.) schon im September 2018 (8,8 % Hb) niedriger als im November 2019 und stieg im Anschluss daran wieder, so dass die vom Kläger angeführte Schwankung nicht als ausschlaggebend betrachtet werden kann. Da der Kläger auch nicht vorgetragen hat, dass seine Ärzte seine gesundheitliche Entwicklung zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung positiv beurteilt hätten, muss es bei der negativen Gesundheitsprognose bleiben. Dass der Kläger nach Kündigungszugang den von ihm zuvor abgelehnten Gesundheitsempfehlungen der Betriebsärztin nachgekommen sein mag, abgenommen hat und regelmäßig Sport treibt, vermag hieran nichts zu ändern.
1.3. Ebenfalls zu Recht hat das Arbeitsgericht angenommen, dass die danach zu erwartenden Entgeltfortzahlungskosten für jährlich mehr als sechs Wochen als wirtschaftliche Belastung geeignet sind, zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen der Beklagten zu führen (
vgl. BAG 10. Dezember 2009 -
2 AZR 400/08 - Rn. 15, zitiert nach juris).
1.4. Die Kündigung ist dennoch sozial ungerechtfertigt. Sie ist nicht "ultima ratio" und deshalb unverhältnismäßig. Die Beklagte ist ihren Pflichten aus
§ 167 Abs. 2 SGB IX nicht ordnungsgemäß nachgekommen, ohne dass sie dargelegt hätte, es habe im Kündigungszeitpunkt kein milderes Mittel als die Kündigung gegeben, um der in der Besorgnis weiterer Fehlzeiten bestehenden Vertragsstörung entgegenzuwirken.
a) Der Arbeitgeber, der für die Verhältnismäßigkeit der Kündigung nach § 1
Abs. 2 Satz 4
KSchG die Darlegungs- und Beweislast trägt, kann sich - besteht keine Verpflichtung zur Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements (bEM) - zunächst darauf beschränken zu behaupten, für den Arbeitnehmer bestehe keine alternative Beschäftigungsmöglichkeit. Diese pauschale Erklärung umfasst den Vortrag, Möglichkeiten zur leidensgerechten Anpassung des Arbeitsplatzes seien nicht gegeben. Der Arbeitnehmer muss hierauf erwidern, insbesondere darlegen, wie er sich eine Änderung des bisherigen Arbeitsplatzes oder eine anderweitige Beschäftigung vorstellt, die er trotz seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung ausüben könne. Dann ist es Sache des Arbeitgebers, hierauf seinerseits zu erwidern und
ggf. darzulegen, warum eine solche Beschäftigung nicht möglich sei (
BAG 20. November 2014 -
2 AZR 755/13 - Rn. 25 mwN, zitiert nach juris).
b) Trifft den Arbeitgeber - weil der Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig war - gemäß § 167
Abs. 2 Satz 1
SGB IX die Verpflichtung, ein bEM als rechtlich regulierten, verlaufs- und ergebnisoffenen "Suchprozess" durchzuführen, der individuell angepasste Lösungen zur Vermeidung zukünftiger Arbeitsunfähigkeit ermitteln soll (
vgl. BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 20, zitiert nach juris), so ist es seine Sache, die Initiative zur Durchführung des bEM zu ergreifen (
vgl. BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 31, aaO). Dazu gehört, dass er den Arbeitnehmer zuvor nach § 167
Abs. 2 Satz 3
SGB IX auf die Ziele des bEM sowie Art und Umfang der dabei erhobenen Daten hingewiesen hat; der Hinweis erfordert eine Darstellung der Ziele, die inhaltlich über eine bloße Bezugnahme auf die Vorschrift des § 167
Abs. 2 Satz 1
SGB IX hinausgeht. Dem Arbeitnehmer muss verdeutlicht werden, dass es um die Grundlagen seiner Weiterbeschäftigung geht und dazu ein ergebnisoffenes Verfahren durchgeführt werden soll, in das auch er Vorschläge einbringen kann, daneben ist ein Hinweis zur Datenerhebung und Datenverwendung erforderlich, der klarstellt, dass nur solche Daten erhoben werden, deren Kenntnis erforderlich ist, um ein zielführendes, der Gesundung und Gesunderhaltung des Betroffenen dienendes bEM durchführen zu können. Dem Arbeitnehmer muss mitgeteilt werden, welche Krankheitsdaten - als sensible Daten iSv. § 3
Abs. 9
BDSG - erhoben und gespeichert und inwieweit und für welche Zwecke sie dem Arbeitgeber zugänglich gemacht werden. Nur bei entsprechender Unterrichtung kann vom Versuch der ordnungsgemäßen Durchführung eines bEM die Rede sein (
vgl. BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 32, aaO).
Hat der Arbeitgeber die gebotene Initiative nicht ergriffen, will sich jedoch darauf berufen, dass ein tatsächlich durchgeführtes bEM kein positives Ergebnis hätte erbringen können, so muss er zur Darlegung der Verhältnismäßigkeit einer auf krankheitsbedingte Fehlzeiten gestützten Kündigung die objektive Nutzlosigkeit des bEM darlegen und
ggf. beweisen. Dazu muss er umfassend und detailliert vortragen, warum weder ein weiterer Einsatz auf dem bisherigen Arbeitsplatz, noch dessen leidensgerechte Anpassung oder Veränderung möglich gewesen seien und der Arbeitnehmer auch nicht auf einem anderen Arbeitsplatz bei geänderter Tätigkeit habe eingesetzt werden können, warum also ein bEM im keinem Fall dazu hätte beitragen können, neuerlichen Krankheitszeiten vorzubeugen und das Arbeitsverhältnis zu erhalten (
vgl. BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 39, aaO; 20. März 2014 -
2 AZR 565/12 - Rn. 34; 24. März 2011 -
2 AZR 170/10 - Rn. 25, jeweils zitiert nach juris). Ist es dagegen denkbar, dass ein bEM ein positives Ergebnis erbracht, das gemeinsame Suchen nach Maßnahmen zum Abbau der Fehlzeiten also Erfolg gehabt hätte, muss sich der Arbeitgeber regelmäßig vorhalten lassen, er habe "vorschnell" gekündigt (
BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn.40, aaO)
Das Bundesarbeitsgericht hat dem Arbeitgeber - im Hinblick auf eine ohne vorheriges Präventionsverfahren ausgesprochene verhaltensbedingte Kündigung - eine Darlegungserleichterung zugebilligt, wenn das Integrationsamt gemäß
§ 168 SGB IX (zuvor:
§ 85 SGB IX) seine Zustimmung erteilt hat, da aufgrund der Prüfung der Rechte des schwerbehinderten Arbeitnehmers vor der durch mehrere Instanzen nachprüfbaren Entscheidung des Integrationsamtes nur bei Vorliegen besonderer Anhaltspunkte davon ausgegangen werden könne, dass ein Präventionsverfahren nach
§ 167 Abs. 1 SGB IX die Kündigung hätte verhindert können (
vgl. noch zu § 84
Abs. 1
SGB IX:
BAG 20. November 2014 -
2 AZR 664/13 - Rn. 40; 7. Dezember 2006 -
2 AZR 182/06 - Rn. 27, zitiert nach juris).
c) Nach diesen Grundsätzen erweist sich die Kündigung vom 15. August 2019 vorliegend als unverhältnismäßig.
aa) Die Beklagte war gemäß § 167
Abs. 2 Satz 1
SGB IX verpflichtet, ein bEM durchzuführen, da der Kläger vor Ausspruch der Kündigung unstreitig innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen arbeitsunfähig war.
bb) Die Beklagte hat ein bEM vor Ausspruch der Kündigung nicht durchgeführt. Sie kann sich nicht darauf berufen, der Kläger habe einem bEM nicht zugestimmt. Der Arbeitgeber ist nur dann berechtigt, ein betriebliches Eingliederungsmanagement wegen der fehlenden Zustimmung des Arbeitnehmers zu unterlassen, wenn er den betroffenen Arbeitnehmer zuvor regelkonform um Zustimmung zur Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements ersucht hat (
BAG 17. April 2019 -
7 AZR 292/17 - Rn. 38, zitiert nach juris). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Unmittelbar vor Ausspruch der Kündigung hat die Beklagte den Kläger nicht mehr eingeladen, an einem bEM teilzunehmen, obwohl er nach dem letzten von ihr veranlassten Anschreiben vom 10. September 2019 erneut länger als sechs Wochen wegen Krankheit arbeitsunfähig war. Selbst wenn man zu ihren Gunsten eine Einladung am 20. August 2018 als grundsätzlich ausreichend erachten wollte, hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt, dass diese Einladung der Beklagten den Anforderungen an die ordnungsgemäße Einleitung eines bEM-Verfahrens nicht erfüllt, da weder darauf hingewiesen wurde, welche Art und welcher Umfang von Daten erhoben werden sollten, noch der Hinweis enthalten war, dass die Zustimmung zum bEM könne auch ohne Einverständnis zur Beteiligung der betrieblichen Interessenvertretung erteilt werden. Die Berufungskammer nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die diesbezüglichen Ausführungen des Arbeitsgerichts unter B
IV 2. B bb (
S. 10 des Urteils = Bl. 128 d. A.) Bezug, macht sie sich zu eigen und stellt dies ausdrücklich fest (§ 69
Abs. 2
ArbGG). Die Beklagte erhebt in der Berufungsinstanz Einwendungen gegen diese Wertung nicht.
cc) Das Arbeitsgericht nimmt zu Recht an, dass dem Bescheid des Integrationsamtes vom 15. August 2019 keine Indizwirkung dafür zukommt, dass auch ein bEM kein positives Ergebnis hätte bringen können. Selbst wenn man ausweislich der Formulierung des Bescheides davon ausgeht, dass das Integrationsamt über die von der Beklagten bereits erstinstanzlich zur Akte gereichte schriftliche Stellungnahme der Betriebsärztin vom 02. August 2019 (Bl. 46
ff. d. A.) verfügt hat, in der diese sich auch mit alternativen Arbeitsplätzen wie beispielsweise der ASIA-Kontrolle auseinandersetzt, ergibt sich aus der Begründung des Bescheids, dass eine Arbeitszeitverkürzung als mögliche, kündigungsrechtlich beachtliche Beschäftigungsalternative im Verwaltungsverfahren nicht ausreichend geprüft worden ist. Die Betriebsärztin teilte in ihrer dem Integrationsamt vorliegenden Stellungnahme vom 02. August 2019 (Bl. 48 d. A.) mit, der derzeitige Arbeitsplatz des Klägers sei leidensgerecht mit Ausnahme der Arbeitsorganisation, dh. der Kläger solle nur Tagschicht oder Frühschicht eingesetzt werden oder seine Arbeitszeit reduzieren durch den Wegfall der Bringedienste, was er aber nicht wolle. Auf Nachfrage des Integrationsamtes hat die Betriebsärztin ausweislich der Angaben im Bescheid - mit E-Mail vom 13. August 2019 dem diametral entgegengesetzt ausgeführt, eine Anpassung der Arbeitszeit werde "sehr wahrscheinlich in keiner Weise" die Arbeitsunfähigkeitszeiten ändern. Da das Integrationsamt diesen Widerspruch ersichtlich nicht weiter aufgeklärt hat und da die Angabe, der Kläger sei nicht willens gewesen, seine Arbeitszeit durch Wegfall der Bringedienste zu reduzieren, angesichts seines genau dem entsprechenden Antrag vom 07. Januar 2019 offensichtlich unzutreffend ist, vermag auch die Berufungskammer von einer Indizwirkung des Zustimmungsbescheids nicht auszugehen.
dd) Die Beklagte ist der ihr danach obliegenden Verpflichtung, die objektive Nutzlosigkeit eines bEM darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, nicht nachgekommen. Sie hat auch im Rechtsstreit lediglich zu einer Beschäftigung des Klägers in der ASIA-Kontrolle als alternativem Arbeitsplatz vorgetragen und sich im Übrigen auf den pauschalen Vortrag beschränkt, ansonsten über keine leidensgerechten Arbeitsplätze zu verfügen. Unabhängig davon, ob sie ihrer Vortragslast damit genügen könnte, hat die Beklagte jedenfalls nicht dargelegt, dass und aus welchen Gründen eine Reduzierung der Arbeitszeit des Klägers nicht möglich wäre, oder aber nicht dazu beitragen könnte, künftige Fehlzeiten zu verhindern. Die in § 167
Abs. 2
SGB IX vorgesehene Klärung, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden kann, erfordert bei schwerbehinderten Arbeitnehmern und ihnen gleichgestellten Beschäftigten die Prüfung, ob die Arbeitsunfähigkeit durch eine iSv. § 164
SGB IX leidensgerechte Beschäftigung überwunden werden kann. Hierunter fällt auch die - in § 167
Abs. 5 Satz 3
SGB IX als Anspruch ausgestaltete - Möglichkeit einer Beschäftigung in zeitlich reduziertem Umfang. Die Verminderung der Arbeitszeit stellt eine mögliche Maßnahme zur Arbeitsplatzerhaltung dar, welche im Wege des bEM ermittelt werden kann (
vgl. noch zu §§ 81, 84
SGB IX:
BAG 20. November 2014 - 2 AZR 664/13 - Rn. 46 mwN, zitiert nach juris). Selbst wenn man davon ausgeht, dass eine Versetzung in die Frühschicht als leidensgerechte Beschäftigung ausscheidet, da der Kläger sich hiergegen auch in vorliegendem Rechtsstreit wegen einer verbundenen Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit wendet, ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen eine Arbeitszeitverkürzung durch Wegfall der Bringezeiten iSd. BV 141
iVm. TV T-Zug der Metall- und Elektroindustrie Rheinland-Pfalz nicht zu einer Verbesserung der Arbeitsunfähigkeitszeiten des Klägers führen können soll. Den entsprechenden Antrag des Klägers vom 07. Januar 2019 hat die Beklagte nicht, jedenfalls aber nicht positiv beschieden, obwohl die Betriebsärztin in ihrer Stellungnahme vom 02. August 2019 mitgeteilt hat, dass die Arbeitsorganisation der Leidensgerechtigkeit des Arbeitsplatzes des Klägers "Entstücken Nislide Salz" (mit Wechselschicht und Nachtschicht) entgegensteht und eine Arbeitszeitreduktion durch Wegfall der Bringeschichten Abhilfe schaffen könnte. Ebenso wenig hat die Beklagte dargelegt, aus welchen Gründen die Betriebsärztin zuletzt zu ihrer gegenteiligen Einschätzung kam, eine derartige Maßnahme führe "sehr wahrscheinlich in keiner Weise" zu einer Reduktion der Fehlzeiten, was immerhin eine Verbesserung der Arbeitsunfähigkeitszeiten nicht ausschließt. Soweit sie sich darauf berufen hat, der Kläger habe keinen Antrag auf Reduzierung der Arbeitszeit nach dem
TzBfG gestellt, erschloss sich nicht, warum nicht auch eine Arbeitszeitreduktion durch Wegfall der Bringezeiten iSd. BV 141
iVm. TV T-Zug der Metall- und Elektroindustrie Rheinland-Pfalz zielführend sein könnte. Dass ein bEM vor diesem Hintergrund ein positives Ergebnis nicht hätte erbringen können, vermochte die Berufungskammer nicht zu erkennen. Die Beklagte muss sich daher nach den dargelegten Grundsätzen (A II 1.4. b) vorhalten lassen, dass sie "vorschnell" gekündigt hat.
ee) Nachdem der Kläger sich im Rechtsstreit vorliegend ausdrücklich auf eine leidensgerechte Beschäftigung auf seinem bisherigen Arbeitsplatz, jedoch unter Wegfall der Bringeschichten der Arbeitszeitreduktion gemäß seinem Antrag vom 07. Januar 2019 berufen hat, ergibt sich im Übrigen auch unter Zugrundelegung der allgemeinen Regelungen zur Darlegungs- und Beweislast (
vgl. A II 1.4. a) zu einer leidensgerechten Weiterbeschäftigungsmöglichkeit des Klägers kein anderes Ergebnis. Die Beklagte hat auf den Vortrag des Klägers nicht erwidert und dargelegt, warum eine solche Beschäftigung nicht möglich ist. Die Kündigung erweist sich auch insoweit als unverhältnismäßig, da die Beklagte nicht dargelegt hat, dass sie das mildeste Mittel war, den Arbeitsunfähigkeitszeiten des Klägers zu begegnen.
2. Da die Kündigung bereits nicht sozial gerechtfertigt iSd. § 1
Abs. 2
KSchG ist, bedurfte es einer weiteren Aufklärung, ob die Bedenken des Arbeitsgerichts gegen die ordnungsgemäße Beteiligung des Betriebsrates vor Kündigungsausspruch gemäß § 102
Abs. 1,
Abs. 2 Satz 1, 2
BetrVG und hinsichtlich einer bei Kündigungszugang beim Kläger vorliegenden Zustimmung des Integrationsamtes gemäß §§ 168, 171
Abs. 3
SGB IX durchgreifen, nicht.
B
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97
Abs. 1
ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 72
Abs. 2
ArbGG sind nicht gegeben.