Streitig ist im Rahmen der Eingliederungshilfe nach dem Sozialgesetzbuch Neuntes Buch – Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen (
SGB IX) die Gewährung einer Kraftfahrzeughilfe (
Kfz-Hilfe) in Form der Übernahme der Kosten für ein behindertengerecht ausgestattetes und umgebautes
Kfz.
Der am 00.00.0000 geborene Kläger ist schwer körperlich und geistig behindert. Aufgrund einer seltenen Stoffwechselerkrankung mit fortschreitender Degeneration der Nervenzellen leidet der Kläger unter einer globalen schweren Entwicklungsstörung und einer Bewegungsstörung mit überwiegend hypotonen, aber auch spastischen und dystonen Elementen. Er kann nicht sprechen, sondern nur lautieren. Darüber hinaus bestehen eine therapieresistente Epilepsie, eine Temperaturregulationsstörung sowie eine Schluckstörung und die Gefahr von unvorhersehbarem Erbrechen mit Erstickungsgefahr. Weiterhin leidet der Kläger unter schwerster Harn- und Stuhlinkontinenz. Erst im Jahr 2015 wurde die Ursache der seit seiner Geburt bestehenden Erkrankungen diagnostiziert und eine entsprechende Medikation eingeleitet. Hierdurch stabilisierte sich sein Gesundheitszustand und auf kognitiver Ebene fand eine positive Entwicklung statt. Es wurden ein Grad der Behinderung (
GdB) von 100 sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Nachteilsausgleiche G, B, aG, H und RF festgestellt. Zudem wurde ein Pflegegrad 5 anerkannt. Der Kläger bedarf einer 24-stündigen außerklinischen Intensivpflege mit Betreuung und Begleitung durch eine ausgebildete Fachkraft in unmittelbarer Nähe, zuletzt festgestellt durch das Sozialmedizinische Gutachten des Medizinischen Dienstes Nordrhein vom 20.02.2024. Er ist nicht in der Lage, selbständig zu gehen oder zu stehen und seine Arme und Beine zielgerichtet zu gebrauchen. Er ist ständig auf einen Rollstuhl, der über eine Kopfstütze verfügen muss, angewiesen und kann ohne Hilfsmittel keine aufrechte Körperposition einnehmen. Beim Umsetzen vom Rollstuhl in einen normalen PKW muss sein volles Gewicht übernommen werden, da er nicht in der Lage ist, sich selbst zu halten oder gezielt bei der Umlagerung zu unterstützen. Bei einer Größe von
ca. 1,60 m beträgt sein Gewicht
ca. 60 Kilogramm. Die sitzende Höhe in seinem Rollstuhl mit Kopfstütze beträgt
ca. 1,38 m.
Der Kläger wohnt bei seinen Eltern in einem Einfamilienhaus in dörflicher Umgebung. Er erhält von der Beklagten seit seinem 18. Lebensjahr Grundsicherungsleistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe (
SGB XII). Darüber hinaus erhält er von der Techniker Krankenkasse für die häusliche Krankenpflege sowie von der Beklagten für die Freizeitassistenz ein Persönliches Budget, um seine Pflege und Rund-um-die-Uhr-Betreuung sicherzustellen. Die Eltern verfügen über ein
Kfz in Form eines A. Viano, Erstzulassung 10.03.2008, Kilometerstand 141.629
km am 16.03.2022. Für das Umsetzen des Klägers aus dem Rollstuhl in das
Kfz existiert ein Hub-Schwenk-Sitz (Recaro AutoAdapt Turny EVO).
Zurzeit besucht der Kläger die Z.-Schule, eine Förderschule mit Förderschwerpunkt geistige Entwicklung in N., im 17. Schulbesuchsjahr und wird diese mit Ausnahmegenehmigung der Schulbehörde bis zum Ende des Schuljahres 2023/2024 besuchen. Zur Schule gelangt er durch einen Individualtransport des Fahrdienstes der O.
GmbH, der von der Beklagten als Hilfe zur Bildung finanziert wird. Private Fahrten erfolgten bisher im
Kfz der Eltern.
Am 16.02.2022 beantragte der Kläger beim Landschaftsverband Rheinland (
LVR) die Übernahme der Kosten für die Anschaffung eines behindertengerechten
Kfz als Leistung der Eingliederungshilfe. Teilhabeziele, für die der Kläger ständig auf die Nutzung eines behindertengerecht umgebauten
Kfz angewiesen sei, seien u.a. Treffen und Ausflüge mit Freunden und Schulkameraden in der Freizeit, Begleitung der Familie bei Ausflügen, Verwandtenbesuche, Begleitung zum Einkaufen, Urlaubsreisen mit der Familie. Die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs sei aufgrund der schweren Harn- und Stuhlinkontinenz nicht möglich und nicht zumutbar. Aufgrund seiner Größe und des Gewichts seien seine Eltern nicht mehr in der Lage, ihn in den Autositz im vorhanden
Kfz umzusetzen.
Der
LVR leitete den Antrag am 17.02.2022 zuständigkeitshalber an die Beklagte weiter.
Laut dem von dem Kläger vorgelegten Kostenvoranschlag vom 02.03.2022 der C.
GmbH betrugen die Grundkosten für einen A. Sprinter Tourer 317 CDI kompakt 63.912,95 Euro, zuzüglich Umbaukosten in Höhe von 32.581,55 Euro.
Mit Bescheid vom 22.03.2022 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, ein Familien-
Kfz sei vorhanden und der Kläger könne in diesem mit Hilfe eines mobilen Lifters transportiert werden. Darüber hinaus sei ein Ausweichen auf Fahrdienstleister oder Taxiunternehmen möglich. Zuletzt seien Familienurlaube und die Pflege familiärer Kontakte auch keine zulässigen Eingliederungshilfeziele.
Hiergegen machte der Kläger mit seinem Widerspruch vom 28.03.2022 geltend, dass das Fahrzeug seiner Eltern für seine Beförderung nicht mehr geeignet sei. Ein Umbau des inzwischen 14 Jahre alten
Kfz sei nicht wirtschaftlich. Das
Kfz sei zu niedrig, um den Kläger in seinem Spezialrollstuhl in das
Kfz zu verladen. Auch ein mobiler Lifter sei keine geeignete Lösung. Fahrdienste seien über eine gewisse Zeit berechnet ebenfalls nicht wirtschaftlich und darüber hinaus auch nur schlecht bis gar nicht verfügbar.
Der U. als zuständige Widerspruchsbehörde veranlasste durch seinen amtsärztlichen Dienst einen Hausbesuch beim Kläger. Die Amtsärztin Frau G., eine Fachärztin für Allgemeinmedizin, kam im Rahmen des Hausbesuches am 05.07.2022 zu dem Ergebnis, dass der Kläger bei Transport in einem Fahrzeug aus medizinischen Gründen nur in seinem eigenen, speziell für ihn angefertigten Rollstuhl transportiert werden könne. Der Rollstuhl müsse im Fahrzeug entsprechend gesichert werden und neben dem Rollstuhl müsse ein Sitzplatz für eine Assistenzperson zur Verfügung stehen. Die Nutzung eines anderen Rollstuhls oder eines vorhandenen Autositzes sei nicht möglich. Die Nutzung eines mobilen Lifters sei nicht möglich. Die Nutzung des aktuellen
Kfz der Familie des Klägers sei ebenso wie die Nutzung des vorhandenen Autositzes nicht mehr möglich.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15.07.2022 wies der U. den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Ein Anspruch auf Leistungen für ein
Kfz bestehe nicht. Es könne offenbleiben, ob dem Kläger die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar sei, denn er könne jedenfalls – vorrangig vor Anschaffung eines
Kfz – Leistungen zur Beförderung durch einen Beförderungsdienst in Anspruch nehmen, um
z.B. Treffen mit Freunden und Schulkameraden in der Freizeit wahrzunehmen. Es sei dem Kläger zuzumuten, hierbei vorausschauend zu terminieren und ggfs. auf andere Fahrdienstleister auszuweichen. Die vorgetragenen familiären Aktivitäten würden keine Aktivitäten der sozialen Teilhabe im Sinne der Eingliederungshilfe darstellen.
Der Kläger erhob gegen den Widerspruchsbescheid mit Schreiben vom 25.07.2022 eine gegen den U. gerichtete Klage vor dem Sozialgericht Düsseldorf (SG) (Az. S 42 SO 228/22). Nach einem Hinweis des SG, dass die Klage unzulässig sei, da sie gegen den falschen Beklagten gerichtet sei und der U. einem Beteiligtenwechsel nicht zugestimmt habe, nahm der Kläger seine Klage zurück.
Daraufhin stellte der Kläger mit Schreiben vom 07.11.2022 einen Überprüfungsantrag nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (
SGB X). Es bestehe ein Anspruch auf Übernahme der Kosten für ein
Kfz.
Die Beklagte lehnte den Überprüfungsantrag mit Bescheid vom 08.12.2022 ab. Bei Erlass des Bescheides vom 22.03.2022 sei weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem Sachverhalt ausgegangen worden, der sich als unrichtig erwiesen habe. Die Zumutbarkeit der Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln sei offengelassen worden, da die Aufgabe der Eingliederungshilfe durch die Nutzung von Beförderungsdiensten erreicht werden könne. Bezüglich der Verfügbarkeit müsse der Kläger so vorausschauend terminieren, dass die Vorlaufzeit für eine Bestellung des Behindertenfahrdienstes ausreiche. Die O.
GmbH, die den Schultransport leiste, könne auch für Fahrten im Rahmen einer Freizeitaktivität in Anspruch genommen werden. Darüber hinaus seien die Pflege familiärer Kontakte, Familienurlaube und Familienausflüge keine Aktivitäten der sozialen Teilhabe, die dem Ziel der Eingliederungshilfe dienten. Eine Unwirtschaftlichkeit im Sinne des § 83
Abs. 2
SGB IX sei auch nicht ersichtlich. Auch seien allenfalls die Kosten für den behindertengerechten Umbau gerechtfertigt, nicht aber die Kosten für ein Neufahrzeug. Ein Anspruch auf Leistungen für ein Kraftfahrzeug nach § 83
Abs. 1
Nr. 2
SGB IX sei aufgrund der Ausschlusstatbestände des
§ 83 Abs. 2 SGB IX nicht gegeben.
Hiergegen legte der Kläger am 05.01.2023 Widerspruch ein, den der U. als Widerspruchsbehörde mit Widerspruchsbescheid vom 17.03.2023 zurückwies. Der Überprüfungsantrag sei zu Recht zurückgewiesen worden.
Ebenfalls am 05.01.2023 stellte der Kläger einen Eilantrag beim SG (Az. S 17 SO 3/23 ER) mit dem Ziel, die Beklagte vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache zur Übernahme der Kosten für die Anschaffung und den Umbau des beantragten behindertengerechten
Kfz gemäß den Angeboten der C.
GmbH zu verpflichten.
Im Eilverfahren trug der Kläger vor, das begehrte Fahrzeug sei für ihn die einzige Möglichkeit, am Leben in der Gesellschaft teilzuhaben, Freunde zu besuchen, an Veranstaltungen der Lebenshilfe teilzunehmen oder um öffentliche Orte wie Kirmes oder Schwimmbad aufzusuchen. Er erhalte immer mal wieder Einladungen von Schulfreunden zu Feiern, an denen er mangels Fahrgelegenheit nicht teilnehmen könne. Auch wäre es wünschenswert, wenn er an Ausflügen, Treffen und Partys der Lebenshilfe teilnehmen könnte. Diese fänden in der Regel nachmittags und am Wochenende statt. Zu diesen Zeiten sei es extrem schwierig bis unmöglich, einen Behindertentransport zu bekommen, da diese am Wochenende kaum fahren würden. Das Fahrzeug der Eltern sei – wie auch vom amtsärztlichen Dienst der Behörde bestätigt – für seinen Transport nicht mehr geeignet. Öffentliche Verkehrsmittel könne er nicht nutzen, da jederzeit ein medizinischer Notfall auftreten könne, der seine sofortige Versorgung und den Transport nach Hause erforderlich mache. Auch benötige er das Fahrzeug als Rückzugsraum, wenn ein Wechsel der Inkontinenzversorgung erforderlich werde. Die Nutzung eines Behindertenfahrdienstes sei nicht möglich, da auch mit entsprechenden Vorlaufzeiten faktisch keine Kapazitäten vorhanden seien, um ihn in seiner Freizeit zu befördern. Seine Eltern hätten am 21.07.2022 mit einem Vorlauf von drei Tagen bis zu zwei Wochen insgesamt fünf Freizeitfahrten bei fünf verschiedenen Fahrdiensten angefragt und für keine der angefragten Fahrten eine Zusage erhalten, bei der auch eine Begleitperson neben dem Kläger hätte sitzen können. Zudem sei eine Kopfstütze, die im Auto angebracht sei und noch hinter den Rollstuhl geklappt werden könne, für seine Sicherheit bei einem Unfall zwingend notwendig. Diese fehle allerdings auch im Rahmen des Schultransports. Das beantragte Fahrzeug A. Sprinter Tourer 317 CDI kompakt gemäß dem Kostenvoranschlag der C.
GmbH sei das einzige derzeit lieferbare Fahrzeug, das sich mit verhältnismäßigem Kostenaufwand den Bedürfnissen des Klägers entsprechend umbauen lasse (Seitlicher Lifter, Türhöhe mindestens 145
cm, Innenraumhöhe mindestens 150
cm, Rollstuhlfixiereinheit, schwenkbare Kopfstütze zur Sicherung des Rollstuhls, Sitz für Begleitperson neben dem Rollstuhl, Dachklimaanlage/Klimaanlage im Fahrgastraum). Allein die C.
GmbH habe einen Umbau anbieten können, der die zwingend notwendigen Anforderungen erfülle. Der Gebrauchtwagenmarkt sei insbesondere in diesem Fahrzeugsegment extrem angespannt, da Neufahrzeuge mit angemessener Lieferzeit kaum zu beschaffen seien und Kaufinteressenten daher auf den Gebrauchtwagenmarkt ausweichen würden. Ein Bestellfahrzeug würde zurzeit eine Lieferzeit von
ca. 18 Monaten haben. Die C.
GmbH könne aktuell jedoch noch Lager-Neufahrzeuge mit einem
ca. 30% Nachlass zum Neuwagenpreis anbieten. Zurzeit könne er mit seinen Eltern fast gar nichts unternehmen, außer Spaziergänge im Rollstuhl in der näheren Umgebung. Außerdem hätten seine Eltern ein Lastenfahrrad so umgebaut, dass sie mit ihm in der Umgebung Fahrrad fahren können, dies genieße er sehr.
Die Beklagte hielt dem entgegen, dass eine Freizeitbeförderung durch die O.
GmbH möglich sei, die auch die Schultransporte durchführe. Dies sei ihr am 08.12.2022 telefonisch vom Prokuristen der Firma am Hauptfirmensitz in R. bestätigt worden. Zudem sei das Spektrum der für den Kläger in Betracht kommenden Freizeitaktivitäten angesichts seiner Behinderung naturgemäß stark begrenzt und ein
Kfz hierfür nicht erforderlich.
Laut einer weiteren Stellungnahme der Amtsärztin Frau G. vom 23.01.2023 sei aus medizinischer Sicht die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel durch den Kläger nicht möglich. Es bestünden eine Schluckstörung, eine Epilepsie und eine Temperaturregulationsstörung. Es komme immer wieder plötzlich und unerwartet zu Erbrechen mit Aspirationsgefahr. Eine entsprechende Versorgung im Rahmen des Erbrechens, einer Aspiration oder eines epileptischen Anfalls sei in einem Fahrzeug des öffentlichen Personennahverkehrs (
ÖPNV) nicht möglich. Hinzu kämen die mit einer Fahrt im
ÖPNV bedingten Temperaturschwankungen (Wege von und zur Haltestelle, schwankende Temperaturen in den Fahrzeugen). Hier seien aufgrund der Temperaturregulationsstörung zusätzliche medizinische Probleme zu erwarten.
Der Kläger legte im Verfahren S 17 SO 3/23 ER sein Schulzeugnis über das Schuljahr 2019/2020 vor, in dem zum Thema Kommunikation ausgeführt wird: „Mit Hilfe verschiedener Taster und Talker bekam W. die Möglichkeit mit seinen Mitschüler*innen in Interaktion zu treten. Im Klassenunterricht konnte er ihnen mit diesen Kommunikationshilfen Arbeitsanweisungen geben, ihnen Aufgaben stellen oder auch motivierenden Zuspruch spenden. W. genoss es, von seinen Klassenkamerad*innen angesprochen zu werden, um beispielsweise ihre Arbeitsergebnisse zu begutachten. So konnte er sich als wirksames Mitglied der Klassengemeinschaft erleben. Er wurde er in allen Bereichen mit einbezogen. W. kommunizierte über Gestik, Mimik, Körperhaltung, Körperspannung und über Laute. Deutlich konnte er mitteilen, wenn er aus dem Stehständer zurück in seinen Rollstuhl wollte.“ Unter dem Punkt Sozialverhalten wird ausgeführt: „W. ist sehr beliebt bei seinen Mitschüler*innen. Er wurde von ihnen in alle Bereiche des täglichen Lebens mit einbezogen. Häufig gelang es W. auch einzelne Mitschüler*innen zu unterstützen und so ihr Selbstvertrauen zu stärken. Durch seine oft fröhliche Art trug er zu einem angenehmen Klassenklima bei. Grundsätzlich ist W. noch sehr auf seine individuelle Begleitperson fixiert.“ Das Mobilitätstraining wird wie folgt geschildert: „W. hat in einer Kleingruppe die Nutzung von Öffentlichen Verkehrsmitteln erlebt. Den gemeinsamen Fußweg zur Bushaltestelle und das Warten an der Bushaltestelle konnte W. genießen. Er hat sich bereitwillig in den Linienbus schieben lassen und seinen Rollstuhlplatz eingenommen. Gelegentlich konnte er den Halteknopf betätigen. W. hat die Fahrten genossen und war meist gut gelaunt.“
Zum Bereich Soziale Interaktion wird im Schulbericht über den Zeitraum Oktober 2021 bis Januar 2022 ausgeführt: „W. ist in diesem Schuljahr in eine neu zusammengesetzte Klasse gekommen. …. Die Mitschüler*innen begegnen W. freundlich. W. selbst macht einen zufriedenen Eindruck, wobei seine Ausdrucksmöglichkeiten hier eingeschränkt sind. Er lautiert gelegentlich und zeigt durch seine Gestik und Mimik sein aktuelles Befinden. Setzt sich eine Lehrperson neben W., richtet er sich nach kurzer Zeit in der Regel zu der Person hin und lautiert
bzw. ist sein Gesicht sehr in Bewegung. Einige Mitschüler*innen lesen W. gern im Rahmen des Deutschunterrichts vor, W. verhält sich hier meist entspannt. Eine Vorliebe oder Abneigung für bestimmte Lehrpersonen oder Schüler*innen lässt sich bei W. nicht erkennen.“
Im Schulzeugnis 2021/2022 heißt es auszugsweise: „W. kommuniziert mit seiner Umwelt insbesondere durch seine Mimik und Gestik, zum Teil lautiert er. Die ihm zur Verfügung stehenden Mittel müssen von seinem Gegenüber richtig eingeordnet und interpretiert werden, was erfordert, dass man W. beobachtet und ein wenig mit ihm vertraut ist. Dann kann man in der Regel Abneigung, Freude, Müdigkeit oder Interesse erkennen.“ … „Kontakte zu den Mitschüler*innen ergaben sich, wenn seine Klassenkamerad*innen die Nähe zu ihm suchten. Besonders ein Mädchen der Klasse fühlte sich sehr zu W. hingezogen und liebte es zum Beispiel, ihm im Deutschunterricht vorzulesen. W. ließ dies zu und wendete sich dabei in der Regel dem Mädchen zu. Die Jungen der Klasse banden W. in ihre Scherze in Pausenzeiten mit ein. W. schien sich dabei stets wohlzufühlen, auch wenn es gelegentlich etwas lauter und turbulenter wurde.“ … „Regelmäßig ist W. mit Begleitung mit zum Einkaufen gegangen. Er genoss den Weg dorthin ebenso wie die Atmosphäre im Geschäft sichtlich, zeigte sich in der Regel aufmerksam und interessiert.“
Auf Vorhalt des SG zu den Schulausflügen mit dem
ÖPNV erläuterten die Eltern, dass es sich hierbei um kleinere Ausflüge zum Einkaufen handele (Übung von alltagspraktischen Fähigkeiten), die im Prinzip auch fußläufig erreichbar wären. Bei diesen Ausflügen wäge die Schule ab, ob sie W. mitnehmen könne. Bei unvorhersehbaren Ereignissen könne W. Begleitperson dabei jederzeit zu Fuß mit ihm im Rollstuhl zurück zur Schule laufen. Zu weiter entfernten Schulausflügen werde W. mit seinem Individual-Schultransport gebracht.
Auf Anfrage des SG im Verfahren S 17 SO 3/23 ER teilte die O.
GmbH unter dem 12.04.2023 mit, dass der Kläger im Rahmen des Schultransports im eigenen Rollstuhl als einziger Fahrgast (mit seiner Begleitung) in einem J. Transit, Rolli-LR-LL mit Ausstattung Klimaanlage, zusätzlicher Sitz, Trittbrett, hydraulischer Hebebühne transportiert werde. Zusätzliche Fahrten zu Freizeitaktivitäten könnten derzeit aus personellen Gründen nur in Ausnahmefällen ausgeführt werden. Dafür werde 2-3 Tage Vorlauf benötigt, für jede Anfrage werde dann ein Angebot erstellt. Die Eltern des Klägers legten daraufhin am 27.04.2023 eine E-Mail-Anfrage an die O.
GmbH vom 28.03.2023 für fünf verschiedene Freizeitfahrten im Zeitraum 02.04.2023 bis 20.04.2023 vor, deren Durchführung aus Kapazitätsgründen abgelehnt wurde.
Der behandelnde Arzt Y. teilte auf Anfrage des SG im Verfahren S 17 SO 3/23 ER unter dem 18.04.2023 mit, dass der Kläger aufgrund der Schwere seiner Behinderung keine öffentlichen Nahverkehrsmittel nutzen könne und verwies auf die Einschätzung der Amtsärztin Frau G. vom 05.07.2022, der er sich vollumfänglich anschließe.
Die C.
GmbH begründete im März 2023 die Notwendigkeit des A. Sprinter Tourer 317 CDI kompakt mit der Sitzhöhe des Klägers von 1,38 m und einer damit empfohlenen Einfahrtshöhe von 1,45 m und einer Innenraumhöhe von mindestens 1,50 m. Außerdem übersandte sie ein aufgrund der aktuellen Lage am Rohstoffmarkt aktualisiertes Preisangebot für den bei ihr weiterhin vorrätigen Sprinter zu 66.363,63 Euro brutto (Angebot
Nr. N02) nebst Umbau zu 36.062,12 Euro brutto (Angebot
Nr. N01). Die Bestellzeit für ein neues Fahrzeug liege nach Auskunft von A. bei mehr als 20 Wochen. Wenn das Lieferdatum in das neue Jahr falle, werde eine Preiserhöhung seitens A. greifen.
Mit Beschluss vom 19.06.2023 lehnte das SG den Eilantrag im Verfahren S 17 SO 3/23 ER mit der Begründung ab, dass aufgrund der Entscheidung in der Hauptsache (s.u.) das Rechtsschutzbedürfnis entfallen sei.
Der Kläger hat am 29.03.2023 Klage zum SG erhoben.
Er verwies auf seinen Vortrag im Verfahren S 17 SO 3/23 ER.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 08.12.2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.03.2023 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom 22.03.2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.07.2022 aufzuheben und dem Kläger im Rahmen der Eingliederungshilfe die Kosten für das durch die Angebote der Firma C. vom 04.05.2023 (Angebot N02 und Angebot N01) konkretisierte Kraftfahrzeug zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verteidigte die angefochtenen Bescheide.
Das SG hat der Klage stattgegeben (Urteil vom 31.05.2023) und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 08.12.2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.03.2023 verurteilt, auf den Überprüfungsantrag des Klägers vom 07.11.2022 den Bescheid vom 22.03.2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.07.2022 aufzuheben und dem Kläger die Kosten für einen behindertengerecht ausgestatteten und umgebauten A. Sprinter Tourer 317 CDI kompakt mit den in den Angeboten der C.
GmbH vom 04.05.2023 (Angebot
Nr. N02 und Angebot
Nr. N01) aufgeführten Merkmalen zu gewähren. Die Beklagte sei bei Erlass des Bescheides vom 22.03.2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.07.2022 fehlerhaft davon ausgegangen, dass dem Kläger ausreichend Transportmittel (Behindertenfahrdienst und/oder
ÖPNV) zum Erreichen seiner Eingliederungsziele zur Verfügung stehen und er daher kein eigenes
Kfz benötigt. Die vom Kläger angegebenen Teilhabeziele, u.a. regelmäßige Treffen von Freunden und erweiterte Familie, Teilnahme an Gruppenveranstaltungen der Lebenshilfe, Besuche von Schwimmbad, Kino und Kirmes, Begleitung der Eltern beim Einkaufen, seien gesellschaftlich übliche, altersadäquate und damit auch angemessene Eingliederungsziele. Hierbei sei zu beachten, dass dem Kläger aufgrund der Schwere seiner Behinderung viele Aktivitäten nicht möglich seien und er darauf angewiesen sei, einen großen Teil seiner Freizeit mit seiner Familie zu verbringen und in deren Begleitung
bzw. nach deren Initiative seine Freizeit zu gestalten. Entgegen der Auffassung der Beklagten halte die erkennende Kammer es nicht für erforderlich, ein Sachverständigengutachten zur Frage einzuholen, ob der Kläger überhaupt die dargestellten Teilhabeaktivitäten nutzen könne. Aus den Schulzeugnissen und aus den Schilderungen seiner Eltern lasse sich entnehmen, dass der Kläger einen aufgeschlossenen und freundlichen Charakter habe und den Kontakt mit anderen Menschen sehr genieße. Es sei angesichts der Schwere der Behinderung auch nachvollziehbar, dass der Kläger starke optische, taktile, akustische und olfaktorische Reize benötige, um „etwas zu erleben“. Insofern bestehe für die Kammer kein Zweifel daran, dass der Kläger die angestrebten Teilhabeziele wie Besuche von Rheinkirmes, Freibad, Einkaufscentren und Kino ebenso wie die Besuche von Klassenkameraden, Freunden der Familie und Teilhabe an Veranstaltungen der Lebenshilfe gewinnbringend für sich nutzen könne, um eine Gleichstellung mit nichtbehinderten Gleichaltrigen zu erreichen, und die Teilhabeziele den Wünschen des Klägers entsprächen, auch wenn dieser zur Formulierung seiner Wünsche auf seine Eltern angewiesen sei. Zur Erreichung seiner Teilhabeziele sei für den Kläger ein Kraftfahrzeug notwendig und er sei auch ständig auf dessen Nutzung angewiesen. Die Nutzung des
ÖPNV komme entsprechend der Stellungnahme der Amtsärztin des Rhein-Kreises
S. und des Hausarztes des Klägers als Alternative zum eigenen
Kfz für den Kläger nicht in Frage. Hiergegen spreche auch nicht das Mobilitätstraining der Schule, bei welchem es sich um die Fahrt kurzer Strecken zum Einkaufen handele. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger nur an solchen Tagen daran teilgenommen hat, an denen er gesundheitlich dazu in der Lage war und das Wetter entsprechend passte, damit keine gravierenden Probleme aufgrund seiner Temperaturregulationsstörung entstanden. Darüber hinaus habe sich dieses Mobilitätstraining nach Auskunft der Eltern des Klägers in einem Umkreis um die Schule bewegt, in dem die Assistenz des Klägers den Ausflug jederzeit hätte abbrechen und in kurzer Zeit zu Fuß wieder zur Schule hätte zurückgehen können. Schließlich stehe auch ein Behindertenfahrdienst für den Kläger nicht als Beförderungsalternative zum Erreichen seiner Teilhabeziele zur Verfügung. Der Amtsärztliche Dienst des U. habe festgestellt, dass der Kläger aus medizinischen Gründen nur in seinem eigenen, speziell für ihn angefertigten Rollstuhl befördert werden könne und dass im Fahrzeug ein Sitz für seine Assistenzperson neben dem Rollstuhlplatz vorhanden sein müsse. Dies schränke die Auswahl der in Betracht kommenden Behindertenfahrdienste ganz erheblich ein. Die Eltern des Klägers hätten im Juli 2022 verschiedene Fahrdienste angefragt, denen die Beförderung nicht möglich gewesen sei, und auch der Fahrdienst O. habe Fahrten in der Freizeit nicht durchführen können. Nach der eidesstattlichen Versicherung der Eltern des Klägers und nach den Ermittlungen des Gerichts im ER-Verfahren sei der begehrte A. Sprinter Tourer 317 CDI kompakt aufgrund der Art und Schwere der Behinderung des Klägers das einzige derzeit verfügbare Fahrzeug, das sich nach seinen Bedürfnissen umbauen lasse. Ein finanziell günstigeres Fahrzeug sei nach den Recherchen der Eltern des Klägers und nach Auskunft der C.
GmbH derzeit nicht am Markt erhältlich. Auch die Beklagte habe keine kostengünstigere Alternative benannt. Das Ermessen der Beklagten nach
§ 107 Abs. 2 SGB IX hinsichtlich des Maßes der Leistungserbringung sei vorliegend auf Null reduziert. Es stehe sowohl fest, welches
Kfz mit welchen Merkmalen der Kläger benötige, als auch welcher behinderungsbedingte Umbau erforderlich sei.
Gegen das am 12.06.2023 zugestellte Urteil richtet sich die am 21.06.2023 eingelegte Berufung der Beklagten.
Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihr Vorbringen aus dem Klageverfahren. Ergänzend trägt sie vor, dass der Fahrdienst O. grundsätzlich in der Lage sei, Fahrten in der Freizeit durchzuführen, und unberücksichtigt geblieben sei, dass die mitgeteilte Einschränkung der Verfügbarkeit aufgrund der Verwendung des Wortes „derzeit“ eine lediglich vorübergehende darstelle. Auch andere Fahrdienstleister könnten grundsätzlich benutzt werden und die notwendige Vorlaufzeit für eine Buchung sei zu akzeptieren. Auch werde die Aussage, dass eine Nutzung des
ÖPNV nicht möglich sei, angezweifelt, da der Kläger das Mobilitätstraining in der Schule problemlos durchgeführt habe. Die in Betracht kommenden Teilhabeaktivitäten seien überwiegend planbar, so dass der Behindertenfahrdienst hierfür gebucht werden könne. Zudem habe der Kläger ein Spezialrad, welches seine räumlichen Möglichkeiten erweitere, ohne
Kfz im näheren Umfeld Kontakte zu pflegen. Aus diesen Gründen sei die Anschaffung eines eigenen
Kfz unwirtschaftlich. Weiterhin habe das SG keine Vergleiche zu verschiedenen
Kfz angestellt, sondern sei dem Vorschlag der Eltern des Klägers gefolgt. Die Annahme, dass das Ermessen hinsichtlich des Maßes der Leistungserbringung auf Null reduziert sei, sei schlechterdings unzutreffend und beruhe auf unzureichenden Ermittlungen sowie einer oberflächlichen Betrachtungsweise des Gerichts. Dass nur der beantragte Fahrzeugtyp geeignet sei, werde bereits dadurch widerlegt, dass der Fahrdienst O. den Kläger in einem J. Transit transportiere. Insofern sei auch bei einem Anspruch auf ein
Kfz anzunehmen, dass es kostengünstigere Alternativen gäbe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 31.05.2023 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und weist zusätzlich darauf hin, dass ihm kein anderes Transportmittel zur Verfügung stehe. Das Lastenfahrrad sei keine Alternative zum
Kfz. Es könne nur für kurze Touren verwendet werden, nicht zum Transport des Klägers. Es handele sich um ein vom Vater des Klägers selbst umgebautes Lastenfahrrad, auf dem dieser den Autositz des Klägers (Recaro-Sitz) angebracht habe. Es komme nur zum Einsatz, wenn ganz bestimmte äußere Bedingungen vorlägen, bei denen der Kläger in der Lage sei, ohne Temperaturregulierung einen längeren Zeitraum auf dem Fahrrad zu verbringen. Mangels Schutzraum für den Fall einer Inkontinenzversorgung könnten sie mit dem Fahrrad nicht weiter als 10 bis 15 Minuten (
ca. 3
km) von der Wohnung entfernt fahren, so dass lediglich eine Fahrt über angrenzende Felder möglich sei. Zudem sei der verbaute Autositz nicht auf die körperlichen Bedürfnisse des Klägers ausgerichtet, der Fahrradfahrer habe den Kläger nicht im Blick und der Rollstuhl könne nicht mittransportiert werden. Es bedürfe immer einer weiteren Begleitperson zur Beobachtung des Klägers. Das beantragte
Kfz sei erforderlich. Die beantragten Ausstattungsmerkmale seien zum sicheren Transport des Klägers notwendig. Eine Kopfstütze sei zum Transport erforderlich, weil der Rollstuhl lediglich über eine therapeutische Kopfstütze verfüge, die Kopf und Nacken stütze, aber nicht für den Straßenverkehr
bzw. als Ersatz für eine im
Kfz fest installierte Kopfstütze zugelassen sei. Darüber hinaus betont der Kläger, dass er selbstverständlich mit der Nutzung eines tatsächlich verfügbaren Fahrdienstes einverstanden wäre. Die mitgeteilten Vorlaufzeiten für diese Fahrten würden jedoch nicht den Bedürfnissen des Klägers entsprechen. Zum einen entspreche es der Lebenswirklichkeit junger Menschen, solche Fahrten spontan und ohne wesentlichen Vorlauf durchzuführen. Zum anderen bestünde aufgrund des gesundheitlichen Zustands die Gefahr der Nichtdurchführbarkeit der Fahrt und bei kurzfristiger Absage und fehlender Möglichkeit einer zeitnahen Nachholung, sobald es das Wetter oder der Gesundheitszustand zulasse, ergäbe sich für die erneute Buchung wiederum die Unsicherheit der Durchführbarkeit. Zudem seien die Fahrdienste kaum an Feiertagen oder Wochenenden verfügbar. Seine Betreuer hätten eine Vielzahl Fahrten bei Fahrdiensten angefragt, die nicht zustande gekommen seien. Die nunmehr durch die D.
GmbH durchgeführten Fahrten entsprächen hinsichtlich der Ausstattung des Fahrzeugs nicht den an diese zu stellenden Anforderungen und würden nur wahrgenommen, damit der Kläger überhaupt an dem Ferienprogramm in den Räumen seiner Schule teilnehmen könne. In dem Fahrzeug (L.) habe die Begleitperson nicht in der gleichen Sitzreihe sitzen können, aufgrund der Enge sei eine Inkontinenzversorgung nicht möglich gewesen und eine separate Kopfstütze habe nicht existiert. Bei der spontan erforderlichen Rückfahrt sei diese innerhalb von 90 Minuten organisierbar gewesen, allerdings sei das Fahrzeug (B.) mit einer Liege ausgestattet gewesen, neben der der Kläger festgeschnallt worden sei, so dass die Begleitperson wiederum nicht habe neben ihm sitzen können.
Den weiterhin von dem Kläger am 24.07.2023 gestellten Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes (Az. L 12 SO 229/23 ER) hat der Senat mit Beschluss vom 22.09.2023 mangels Rechtsschutzbedürfnis abgelehnt, da der Kläger mit dem Urteil vom 31.05.2023 (Az. S 17 SO 101/23) bereits über einen vollstreckbaren Titel im Sinne von § 199
Abs. 1
Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) verfüge und er auf den Ausgang der Berufung im Hauptsacheverfahren und die ihm dort zustehenden Mittel der Vollstreckung zur Durchsetzung der erstinstanzlichen Entscheidung zu verweisen sei.
Darüber hinaus hat der Kläger am 31.07.2023 die Einleitung der Zwangsvollstreckung unter Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 1.000 Euro gegen die Beklagte beantragt, weil diese ihrer Verpflichtung aus dem Urteil vom 31.05.2023 nicht nachkomme. Die Beklagte hat hierauf mit Schreiben vom 31.08.2023 einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Inhalt gestellt, dass die Vollstreckung des durch Berufung angefochtenen Urteils vom 31.05.2023 bis zur Entscheidung in der Hauptsache ausgesetzt werde. Mit Beschluss vom 15.09.2023 hat der Senat die Vollstreckung aus dem Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 31.05.2023 (S 17 SO 101/23) einstweilen ausgesetzt und dies mit dem zumindest als offen zu bezeichnenden Ausgang des Rechtsstreites aufgrund von weiterem Ermittlungsbedarf insbesondere im Hinblick auf geeignete Fahrdienste als mögliche Alternative sowie die Notwendigkeit des konkret begehrten Kraftfahrzeuges begründet (Az. L 12 SF 246/23 ER).
Der Senat hat zur Aufklärung des Sachverhaltes Ermittlungen zu den Kapazitäten der Fahrdienstleister durchgeführt. Die O.
GmbH hat unter dem 07.08.2023 mitgeteilt, dass sie keine Kapazitäten für Sonderfahrten abseits der regulären Schulbeförderung hätte, sowie mit Schreiben vom 10.10.2023, dass sie überwiegend einen J. Transit Kombi 350 L3 verwenden würde, der über ein zugelassenes Kraftknotensystem für die Befestigung von Rollstühlen verfüge, Fahrzeuge ab dem Jahr 2015 über eine Klimaanlage verfügen würden, fest montierte Kopfstützen nicht verbaut seien und eine Begleitperson neben dem Rollstuhl sitzen könne. Die weiteren angefragten Fahrdienstleister D. Krankenbeförderung T.
GmbH, I. Krankenfahrdienst, Q.
S. GmbH und K. Pflegedienst
GmbH haben mitgeteilt, , dass die Fahrten grundsätzlich mit Vorlaufzeiten von 1
bzw. 2-3 Tagen möglich seien (bei K. ohne Angaben zur Vorlaufzeit), wobei D. mitgeteilt hat, dass die Begleitperson in vielen Fahrzeugen, aber nicht immer neben dem Fahrgast sitzen könne. Auf weitere Anfrage der Eltern hat I. mitgeteilt, dass keine Kopfstütze vorhanden sei, die Grundarbeitszeiten 6-18 Uhr wochentags und samstags 6-16 Uhr sei und bei Wartezeiten vor Ort die Kosten im vierstelligen Bereich lägen. F. hat mitgeteilt, dass unter Berücksichtigung der von den Eltern genannten Voraussetzungen eine Beförderung nicht möglich sei und D. verlängerte die erforderliche Vorlaufzeit auf anderthalb Wochen mit zusätzlichen Kosten von 50 Euro für jede Stunde Wartezeit.
Weiterhin hat der Kläger ein Schreiben von „Das P.“ (4ma 3ma H.
GmbH) vom 05.10.2023 vorgelegt, in dem ausgeführt wird, dass die von ihnen verbaute Kopfstütze am Rollstuhl des Klägers eine Sonderanfertigung sei und rein therapeutischen Zwecken und der Sitzstabilität diene. Sie sei nicht crash-getestet und damit nicht für den Personentransport im Auto zugelassen. Sowohl die Befestigung als auch die verwendeten Materialien seien nicht geeignet, die Kräfte aufzunehmen, die bei einem Unfall auch mit geringer Geschwindigkeit aufträten.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des X. durch Frau B. M. vom 08.01.2024.
Diese hat im Gutachten festgestellt, dass nicht lediglich der durch die C.
GmbH vorgeschlagene A. Sprinter Tourer 317 als geeignetes
Kfz für den Kläger in Frage komme, sondern ebenfalls folgende Modelle: V., RE. MAN TGE, J. Transit, YB. Boxer, HI. , B.. Konkrete Angebote lägen vor für die Modelle V. (36.295,00 Euro brutto;
zzgl. Umbau zum Kombi: Dämmung, Verkleidung
usw., Lieferzeit:
ca. 9 Monate), RE. Ducato (48.388,00 Euro brutto, Lieferzeit:
ca. 7 bis 9 Monate), J. Transit Kombi (39.575,59 Euro brutto, Lieferzeit:
ca. 12 Monate), B. (62.183,45 Euro brutto, Lieferzeit:
ca. 9 bis 12 Monate), der Preis für einen YB. Boxer betrage 46.945,50 Euro brutto, Lieferzeit sei unbekannt. Die Kosten für einen Umbau mit Einbau eines Linear-Rollstuhllifts, Einbau eines Smartfloor Alubodens, Einbau eines Smartseat M1, Begradigung des Bodens auf der Beifahrerseite, Angleichung des Bodenniveaus, Montage Mono-Fitting, Montage FutureSafe, Montage Alurasterschiene zwischen Fahrer- und Beifahrersitz betrügen für die erste Sitzreihe 27.596,04 Euro und bei der zweiten Sitzreihe aufgrund des Entfalles der Begradigung des Bodenniveaus 16.247,31 Euro brutto. Die konkreten Vorteile des A. Sprinter 317 seien die fehlende Notwendigkeit der Angleichung des Bodenniveaus bei einem Umbau der ersten Sitzreihe, die geringere Fahrzeughöhe aufgrund dessen sowie der größere Fahrzeugkomfort aufgrund der Möglichkeit der Bestellung als Tourer (Dämmung, Verkleidung,
usw. im Fahrgastraum). Auch ein Qualitätsunterschied bezüglich der Innenausstattung könne als Vorteil des A. gewertet werden. Bei der kostengünstigsten Möglichkeit die genannten Voraussetzungen zu erfüllen, handele es sich um den J. Transit Kombi.
Der Kläger hat in seiner Stellungnahme zu dem Gutachten mitgeteilt, dass die günstigste Variante des J. Transit mit Einbau eines Rollstuhllifters mit Heckeinstieg dazu führe, dass das
Kfz mit Rampe 1,5 m länger werde und insgesamt einen Raumbedarf der Länge nach von 8,531 m habe. Eine solche Länge sei im alltäglichen Gebrauch kaum zu handhaben. Das beantragte Fahrzeug sei lediglich 5,245 m lang und würde einen ausfahrbaren Kassettenlift an der Seite des Fahrzeugs haben, welches im ausgefahrenen Zustand zu einer Breite von 3,133 m führen würde. Behindertengerechte Parkplätze seien regelmäßig nur
ca. 5 m lang und 3,5 m breit. Mit dem beantragten Fahrzeug könne dort geparkt werden, mit dem J. Transit nicht. Zudem sei bei dem J. durch den Einstieg über das Heck die Mitnahme von Ausrüstung und Gepäck quasi nicht möglich, da die Fläche zum Ein- und Ausstieg des Klägers freigehalten werden müsse. Auch wäre die Benutzung eines Anhängers für längere Abwesenheiten vom Wohnort nicht möglich. Zudem wäre der J. erst in etwa einem Jahr verfügbar, während das beantragte Fahrzeug bei der C.
GmbH verfügbar wäre und zum Ausbau bereitstehe.
Die Beklagte verweist darauf, dass weiterhin nicht geklärt sei, ob tatsächlich ein
Kfz zur Erreichung der Teilhabeziele erforderlich sei. Es werde angeregt, ein unabhängiges medizinisches Gutachten bezüglich der Möglichkeit der Teilhabe und der Zumutbarkeit der Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel einzuholen. Zudem sei sie weiterhin der Auffassung, dass dem Kläger die Nutzung des Behindertenfahrdienstes zumutbar wäre.
Der Senat hat im Termin vom 24.04.2024 Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin FJ., die als medizinische Fachkraft in der Betreuung des Klägers tätig ist. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 24.04.2024 verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streitakte, die Gerichtsakten in den beigezogenen Verfahren S 17 SO 3/23 ER und L 12 SO 229/23 ER und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.
A.
Streitgegenstand der Berufung der Beklagten ist das Urteil des SG vom 31.05.2023, mit dem dieses die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 08.12.2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.03.2023 verurteilt hat, auf den Überprüfungsantrag des Klägers vom 07.11.2022 den Bescheid vom 22.03.2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.07.2022 aufzuheben und dem Kläger die Kosten für einen behindertengerecht ausgestatteten und umgebauten A. Sprinter Tourer 317 CDI kompakt mit den in den Angeboten der C.
GmbH vom 04.05.2023 (Angebot
Nr. N02 und
Nr. N01) aufgeführten Merkmalen zu gewähren.
B.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist
gem. § 143
SGG statthaft, denn der Wert des Beschwerdegegenstandes (Anschaffungskosten für das
Kfz in Höhe von 66.363.61 Euro zuzüglich Umbaukosten in Höhe von 36.062,12 Euro) übersteigt die in § 144
Abs. 1
S. 1
Nr. 1
SGG geforderten 750 Euro für eine Klage, die auf eine Geldleistung gerichtet ist. Die Berufung ist auch fristgerecht eingelegt, § 151
Abs. 1
SGG. Das Urteil des SG vom 31.05.2023 wurde der Beklagten am 12.06.2023 zugestellt, die Berufungseinlegung erfolgte mit dem 21.06.2023 binnen Monatsfrist.
C.
Die Berufung ist unbegründet. Das SG hat der Klage zu Recht stattgegeben und die Beklagte unter Aufhebung des Überprüfungsbescheides vom 08.12.2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.03.2023 verurteilt, den Ablehnungsbescheid vom 22.03.2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.07.2022 aufzuheben und die Kosten für ein behindertengerecht ausgestattetes und umgebautes
Kfz entsprechend den Angeboten der C.
GmbH zu übernehmen.
1.
Die kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage gemäß § 54
Abs. 1
S. 1
i.V.m. Abs. 4, § 56
SGG ist zulässig. Gemäß § 105
Abs. 1
SGB IX werden die Leistungen der Eingliederungshilfe als Sach-, Geld- oder Dienstleistung erbracht. Die Leistungen der Mobilität werden über § 114
SGB IX nach § 83
SGB IX i.V.m. der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung (
KfzHV) als Zuschuss in Form der Geldleistung erbracht, so dass das Begehren der Übernahme der Kosten in Form einer Geldleistung zulässig ist.
2.
Die Klage ist begründet. Der Bescheid vom 08.12.2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.03.2023 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 54
Abs. 2
S. 1
SGG. Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Rücknahme des Bescheides vom 22.03.2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.07.2022 sowie auf Übernahme der Kosten für das im Urteil des SG ausgeurteilte
Kfz.
Gemäß § 44
Abs. 1
S. 1
SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Diese Voraussetzungen liegen vor, da die Beklagte unrichtig davon ausgegangen ist, dass für den Kläger die Nutzung des
ÖPNV bzw. die Nutzung des Behindertenfahrdienstes zumutbar sei.
Rechtsgrundlage für den Anspruch des Klägers auf Eingliederungshilfe in Form der Gewährung einer
Kfz-Hilfe ist § 99
SGB IX in Verbindung mit §§ 102
Abs. 1
Nr. 4, 113
Abs. 2
Nr. 7 und
Abs. 3, 114
SGB IX in Verbindung mit
§ 83 SGB IX und §§ 5, 7
KfzHV.
Gemäß
§ 99 Abs. 1 SGB IX erhalten Leistungen der Eingliederungshilfe Menschen mit Behinderungen im Sinne von
§ 2 Abs. 1 S. 1 und 2 SGB IX, die wesentlich in der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft eingeschränkt sind (wesentliche Behinderung) oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe nach
§ 90 SGB IX erfüllt werden kann. Menschen mit Behinderungen sind nach § 2
Abs. 1
S. 1
SGB IX Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine solche Beeinträchtigung liegt nach § 2
Abs. 1
S. 2
SGB IX vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht.
Der Kläger erfüllt aufgrund seiner schweren Mehrfachbehinderung die personenbezogenen Voraussetzungen für die Gewährung von Eingliederungshilfe nach §§ 99
Abs. 1, 2
Abs. 1
SGB IX. Er verfügt über kein eigenes Einkommen oder Vermögen im Sinne der
§§ 135 ff. SGB IX, das Eingliederungshilfeleistungen entgegenstehen würde.
Die Beklagte ist – da der Kläger sich noch in Schulausbildung an einer Förderschule befindet – gemäß § 1
Abs. 2 Ausführungsgesetz zum Neunten Buch Sozialgesetzbuch für das Land Nordrhein-Westfalen (
AG-SGB IX NRW)
i.V.m. § 1
Abs. 1 der Delegationssatzung
SGB IX des Rhein-Kreises
S. der sachlich zuständige Leistungsträger. Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus § 98
Abs. 1
S. 1
SGB IX. Darüber hinaus ergibt sich die Zuständigkeit der Beklagten aus
§ 14 Abs. 1 S. 2 SGB IX, da der zuerst angegangene Leistungsträger
LVR den Antrag des Klägers innerhalb der dort geregelten zweiwöchigen Frist an die Beklagte weitergeleitet hat.
Leistungen der
Kfz-Hilfe sind gemäß
§ 102 Abs. 1 Nr. 4 SGB IX als Leistungen zur sozialen Teilhabe, zu denen gemäß
§ 113 Abs. 2 Nr. 7 SGB IX Leistungen zur Mobilität gehören, zu gewähren. Die Leistungen zur Mobilität bestimmen sich über § 113
Abs. 3
SGB IX nach
§ 114 i.V.m. § 83 SGB IX und umfassen gemäß § 83
Abs. 1
SGB IX Leistungen zur Beförderung, insbesondere durch einen Beförderungsdienst (
Nr. 1), und Leistungen für ein Kraftfahrzeug (
Nr. 2). Nach § 83
Abs. 2
S. 1
SGB IX erhalten diese Leistungen Leistungsberechtigte nach § 2
SGB IX, denen die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und Schwere ihrer Behinderung nicht zumutbar ist. Voraussetzung ist gemäß § 83
Abs. 2
S. 2
SGB IX, dass die Leistungsberechtigten das Kraftfahrzeug führen können oder gewährleistet ist, dass ein Dritter das Kraftfahrzeug für sie führt und Leistungen nach Absatz 1 Nummer 1 nicht zumutbar oder wirtschaftlich sind. Hinzu tritt, dass nach § 114
Nr. 1
SGB IX die Leistungsberechtigten ständig auf die Nutzung eines Kraftfahrzeugs angewiesen sein müssen. Die Leistungen für ein
Kfz umfassen nach § 83
Abs. 3
SGB IX u.a. die Leistungen zur Beschaffung eines
Kfz sowie für die erforderliche Zusatzausstattung, wobei sich die Bemessung der Leistungen an der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung orientiert, deren §§ 6 und 8 gemäß § 114
Nr. 2
SGB IX keine Anwendung finden. Nach § 5
Abs. 1
KfzHV wird die Beschaffung eines Kraftfahrzeugs bis zu einem Betrag in Höhe des Kaufpreises, höchstens jedoch bis zu einem Betrag von 22 000 Euro gefördert. Die Kosten einer behinderungsbedingten Zusatzausstattung bleiben bei der Ermittlung unberücksichtigt. § 5
Abs. 2
KfzHV regelt, dass abweichend von § 5
Abs. 1
S. 1
KfzHV im Einzelfall ein höherer Betrag zugrunde gelegt wird, wenn Art oder Schwere der Behinderung ein Kraftfahrzeug mit höherem Kaufpreis zwingend erfordert. Für eine Zusatzausstattung, die wegen der Behinderung erforderlich ist, ihren Einbau, ihre technische Überprüfung und die Wiederherstellung ihrer technischen Funktionsfähigkeit werden gemäß § 7
S. 1
KfzHV die Kosten in vollem Umfang übernommen. Die Gewährung einer
Kfz-Hilfe setzt voraus, dass das
Kfz als grundsätzlich geeignete Eingliederungsmaßnahme unentbehrlich zum Erreichen der Eingliederungsziele ist (
BSG Urteil vom 12.12.2013, B 8 SO 18/12 R, Rn. 15, juris) und kein geeignetes
Kfz verfügbar ist.
Die Voraussetzungen für die Gewährung der
Kfz-Hilfe für die Anschaffung eines A. Sprinter Tourer 317 CDI entsprechend der Angebote (
Nr. 807313 und
Nr. N01) der C.
GmbH liegen vor. Die vom Kläger angestrebten Eingliederungsziele sind geeignete und angemessene Teilhabeziele (a.), die Nutzung eines
Kfz ist geeignet (b.) und zur Umsetzung der Teilhabeziele unentbehrlich (c.), der Kläger ist ständig auf ein
Kfz angewiesen (d.), es ist kein geeignetes
Kfz vorhanden (e.) und es besteht ein Anspruch auf das konkret vom SG ausgeurteilte
Kfz inklusive Umbaukosten (f.).
a.
Die vom Kläger
bzw. seinen Eltern angegebenen Freizeitaktivitäten, die er mithilfe eines
Kfz durchführen möchte, sind Teilhabeziele im Sinne der Eingliederungshilfe. In welchem Maß und durch welche Aktivitäten ein behinderter Mensch am Leben in der Gemeinschaft teilnimmt, ist abhängig von seinen individuellen Bedürfnissen unter Berücksichtigung seiner Wünsche (§§ 8
Abs. 1, 104
Abs. 1 und 2
SGB IX), bei behinderten Kindern der Wünsche seiner Eltern, orientiert am Kindeswohl nach den Umständen des Einzelfalls. Es gilt mithin ein individueller und personenzentrierter Maßstab, der regelmäßig einer pauschalierenden Betrachtung des Hilfefalls entgegensteht (
BSG Urteil vom 12.12.2013, B 8 SO 18/12 R, Rn. 15, juris). Konkret handelt es sich vorliegend bei den geplanten Teilhabezielen um Treffen und Ausflüge mit Freunden und Schulkameraden in der Freizeit, Begleitung der Familie bei Ausflügen, Verwandtenbesuche, Begleitung zum Einkaufen und Urlaubsreisen mit der Familie. Aus der eidesstattlichen Versicherung der als Zeugin geladenen medizinischen Fachkraft FJ. ergibt sich weiterhin, dass sie den Kläger bei diversen Freizeitaktivitäten wie Fahrten zu kulturellen Veranstaltungen und Veranstaltungen des öffentlichen Lebens (
z.B. Zoo, Museum, Park, Bowling, Treffen mit Freunden, Partys, Kirche) begleitet hat. Aus der Übersicht im Juli 2022 durch die Eltern bei verschiedenen Fahrdienstleistern angefragter Fahrten ergeben sich geplante Fahrten zur Rheinkirmes, in das Freibad, in das Zentrum von
S., zum Einkaufszentrum WG. in
S. und in das Kino. Wie das SG zu Recht ausgeführt hat, sind all dies gesellschaftlich übliche, altersadäquate und damit auch angemessene Eingliederungsziele. Das Pflegen von familiären Kontakten, das Unternehmen von Ausflügen sowie die Teilnahme an gemeinschaftlichen Veranstaltungen mit anderen ist gesellschaftlich üblich (
LSG Baden-Württemberg Urteil vom 17.04.2019, L 2 SO 2287/18, Rn. 44, juris). Zudem ist zu berücksichtigen, dass dem Kläger aufgrund der Schwere seiner Behinderung viele Aktivitäten, die andere, nichtbehinderte Mitte-Zwanzig-Jährige üblicherweise alleine unternehmen (
z.B. Teilnahme an Vereinssport, abends ausgehen, alleine verreisen, politisches Engagement, Unternehmungen mit Freunden), nicht möglich sind. Vielmehr ist er darauf angewiesen, einen großen Teil seiner Freizeit mit seiner Familie zu verbringen und in deren Begleitung
bzw. nach deren Initiative seine Freizeit zu gestalten.
Entgegen den Ausführungen der Beklagten besteht zudem generell kein Ausschluss familiärer Aktivitäten von der Eingliederungshilfe. Entgegen dem Urteil des
LSG NRW vom 28.05.2015, in dem dieses ausführt, dass ein Bezug zur Teilhabe am Gemeinschaftsleben dann ausscheide, wenn es einem Leistungsberechtigten in erster Linie darum gehe, seine familiären Kontakte zu intensivieren, nicht aber Kontakte mit – nichtbehinderten – anderen Menschen zu fördern oder auszubauen (Urteil vom 28.05.2015, L 9 SO 303/13, Rn. 41, juris; ebenso auch im Urteil vom 20.10.2016, L 9 SO 314/15, Rn. 37, juris), ist auch das Leben und die Teilhabe an der Familie als Teilhabe an der Gemeinschaft zu verstehen (so auch
LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 04.06.2019, L 9 KR 363/17, Rn. 67, juris;
LSG Baden-Württemberg Urteil vom 17.04.2019, L 2 SO 2287/18, Rn. 44, juris;
vgl. ebenfalls ohne dies explizit darzustellen:
LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 07.04.2022, L 4 KR 40/22 B ER, Rn. 24, juris;
LSG NRW Urteil vom 24.06.2014, L 20 SO 388/13, Rn. 57 f., juris; sowie zu dem Fall eines Kindes: SG Mannheim Urteil vom 14.01.2021, S 3 SO 3053/19, Rn. 42 f., juris). Die Ausführungen des
BSG, dass die Hilfsmittel die Aufgabe haben, dem Behinderten den Kontakt mit seiner Umwelt, nicht nur mit Familie und Nachbarschaft, sowie die Teilnahme am öffentlichen und kulturellen Leben zu ermöglichen und hierdurch insgesamt die Begegnung und den Umgang mit nichtbehinderten Menschen zu fördern (
BSG Urteil vom 19.05.2009, B 8 SO 32/07 R, Rn. 17, juris), auf die sich das
LSG NRW in seinem Urteil stützt, ist nach Ansicht des Senats nicht so zu verstehen, dass hierdurch der Kontakt mit Familie und Nachbarschaft ausgeschlossen wird. Vielmehr schließt dies die Familie mit ein. Der Kontakt zur Familie als soziale Teilhabe dürfte auch dem Verständnis des Gesellschaftsbegriffs in dem Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (
UN-
BRK, in der Fassung des Vertragsgesetzes vom 13.12.2006, BGBl. 2008 II, 1419) entsprechen. So wird die Familie in Punkt x) der Präambel als natürliche Kernzelle der Gesellschaft bezeichnet und die Überzeugung formuliert, dass die Familie Anspruch auf Schutz durch Gesellschaft und Staat hat und dass Menschen mit Behinderungen und ihre Familienangehörigen den erforderlichen Schutz und die notwendige Unterstützung erhalten sollen, um es den Familien zu ermöglichen, zum vollen und gleichberechtigten Genuss der Rechte der Menschen mit Behinderungen beizutragen. Zudem verpflichten sich die Vertragsstaaten gemäß
Art. 8
Abs. 1 lit a)
UN-
BRK sofortige, wirksame und geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um in der gesamten Gesellschaft, einschließlich auf der Ebene der Familien, das Bewusstsein für Menschen mit Behinderungen zu schärfen und die Achtung ihrer Rechte und ihrer Würde zu fördern. Auch hier wird das Erfordernis dargelegt, auch die Familie mitaufzunehmen in die Bemühungen, die Gleichberechtigung der Menschen mit Behinderungen zu stärken. Genauso wie die Familie als Teil der Gesellschaft mit in die Pflicht zu nehmen ist, die Rechte der Menschen mit Behinderungen zu fördern, genauso ist es Teil der Eingliederungshilfe, die betroffene Person auf ihren Wunsch im Kontakt mit der Familie und bei Verwandtenbesuchen im gesetzlich vorgesehenen Umfang zu unterstützen.
Bezüglich der von derm Beklagten aufgeworfenen Frage, ob der Kläger in der Lage ist, die von ihm angegebenen Teilhabeziele zu verwirklichen, verweist der Senat auf die Ausführungen des SG, die er sich gemäß § 153
Abs. 2
SGG zu eigen macht. Darüber hinaus bestimmen nicht die Vorstellungen der Beklagten die Reichweite und Häufigkeit der Teilhabe des behinderten Menschen, sondern dessen angemessene Wünsche (
BSG Urteil vom 12.12.2013, B 8 SO 18/12 R, Rn. 16, juris). Es handelt sich bei den angegebenen Eingliederungszielen um Aktivitäten, die der Kläger offensichtlich mit Hilfe seiner Eltern durchgeführt hat, bevor das bisherige
Kfz seiner Eltern aufgrund seiner Größe und seines Gewichts nicht mehr nutzbar war. Hierfür können zum einen die Ausführungen der Eltern und der Zeugin herangezogen werden, aber auch die in der Akte befindlichen Fotos, auf denen sich der Kläger im Schwimmbad, zusammen mit Freunden sowie im Urlaub am Meer befindet und dies offensichtlich genießt.
b.
Die Anschaffung eines behindertengerecht umgebauten
Kfz ist geeignet, die Eingliederungsziele des Klägers zu verwirklichen. Es ist gewährleistet, dass die Eltern als dritte Personen das
Kfz für den Kläger fahren würden.
c.
Die Anschaffung eines
Kfz ist auch notwendig, d.h. unentbehrlich, um die Eingliederungsziele zu verwirklichen, da es dem Kläger entsprechend § 83
Abs. 2
S. 2
SGB IX nicht zumutbar ist, anderweitige Leistungen zur Beförderung in Anspruch zu nehmen und die Teilhabeziele mit dem
ÖPNV oder unter Inanspruchnahme des Behindertenfahrdienstes zu verwirklichen. Eine Notwendigkeit im Sinne eines Angewiesenseins setzt voraus, dass die betroffene Person nicht in der Lage ist, die Teilhabeziele zu Fuß, mit dem öffentlichen Personennahverkehr und/oder unter Inanspruchnahme des Behindertenfahrdienstes zumutbar zu verwirklichen (
BSG Urteil vom 08.03.2017, B 8 SO 2/16 R, Rn. 21, juris).
aa.
Die Verwirklichung der Teilhabeziele zu Fuß ist aufgrund des Angewiesenseins auf einen Rollstuhl und der ländlichen Lage der Wohnung des Klägers nicht möglich.
bb.
Die Nutzung des
ÖPNV ist für den Kläger aufgrund der Schwere seiner Behinderung ausgeschlossen. Der Senat verweist insofern auf die überzeugenden Ausführungen der vom U. als Widerspruchsbehörde beauftragten Amtsärztin G. in ihrer Stellungnahme vom 23.01.2023 als auch des Hausarztes des Klägers RY. in seinem Befundbericht vom 18.04.2023. Laut Amtsärztin G. ist eine Versorgung des Klägers bei plötzlichem Erbrechen mit Aspirationsgefahr im
ÖPNV nicht möglich. Auch seien aufgrund der Temperaturregulationsstörung angesichts der bei einer Fahrt mit dem
ÖPNV bedingten Temperaturschwankungen (Wege von und zur Haltestelle, schwankende Temperaturen in den Fahrzeugen) zusätzliche medizinische Probleme zu erwarten. Gleichermaßen verneint der Hausarzt in seinem Befundbericht vom 18.04.2023 die Benutzung des
ÖPNV und verweist auf die Ausführungen der Amtsärztin G. in ihrem Schreiben vom 05.07.2022. Zudem führt der Hausarzt aus, dass ein dauerhaftes Aussetzen höherer Temperaturen zu einer Erhöhung der Körpertemperatur bis zu einem Hyperthermie-Syndrom führen könne, welches dann
ggf. lebensbedrohlich sein könne. Aufgrund dieser medizinischen Feststellungen ist der Senat überzeugt, dass der Kläger nicht zumutbar auf den
ÖPNV verwiesen werden kann. Die Zweifel der Beklagten hieran, die diese mit dem in der Schule durchgeführten Mobilitätstraining, wie es im Zeugnis zum Schuljahr 2019/2020 aufgeführt ist, begründet, sind nicht überzeugend. Zum einen spricht sowohl die Aktualität der ärztlichen Stellungnahmen aus Januar und April 2023 gegenüber einem Zeugnis aus Sommer 2020 als auch die Berücksichtigung der medizinischen Expertise der Ärzte bei der Erkrankung des Klägers für ihren Vorrang. Zum anderen haben die Eltern und die bei dem Mobilitätstraining anwesende Zeugin erläutert, dass die Benutzung des
ÖPNV im Rahmen des Mobilitätstrainings nicht vergleichbar mit einer generellen Benutzung des
ÖPNV ist. So wird im Einzelfall nach den konkreten Umständen (
z.B. Temperaturen/Wetter) abgewogen und die Assistenzkraft, die den Kläger hierbei begleitet, kann jederzeit aufgrund der geringen Entfernung des Mobilitätstrainings mit ihm in die geschützten Räume der Schule zurückkehren, sobald dies aus medizinischen Gesichtspunkten notwendig ist. Diese Umstände wären jedoch im Rahmen der Nutzung des
ÖPNV zum Erreichen von Veranstaltungen, Schwimmbad, Kino, Einkaufszentrum
etc. nicht gegeben. Zwar könnte grundsätzlich die Nutzung des
ÖPNV von den Außentemperaturen abhängig gemacht werden, dies dürfte jedoch zu einem Ausschluss der Nutzung an zu kalten und zu heißen Tagen führen und damit zu einem generellen Ausschluss von Teilhabe in einem größeren Zeitraum des Jahres, der nicht zumutbar ist. Darüber hinaus benötigt der Kläger aufgrund seiner schweren Harn- und Stuhlinkontinenz die Möglichkeit eines Rückzugs an einen geschützten Ort, in dem dieser im Liegen versorgt werden kann. Dies ist nach Angaben der Eltern und der Zeugin mehrfach täglich erforderlich (im Durchschnitt ein Verbrauch von 6 Schutzhosen täglich) und erfolgt neben festen Zeiten auch unkontrolliert, d.h. zeitlich nicht planbar. Ein solcher Rückzugsort zur Versorgung im Liegen ist bei Nutzung des
ÖPNV nicht gegeben. Öffentliche Toiletten können dies aufgrund der Größe des Klägers nicht generell gewährleisten. Weiterhin ist die Nutzung des
ÖPNV mit nur einer Begleitperson nicht zumutbar. Wie die Zeugin anschaulich anhand des von der Schule durchgeführten Mobilitätstrainings geschildert hat, erfordert in Bussen, in denen keine Sicherheitsgurte zur Fixierung des Rollstuhls vorhanden sind, bereits das Festhalten des Rollstuhls mindestens eine Person. Gleichzeitig bedarf es der ständigen Beobachtung des Klägers aufgrund der regelmäßig auftretenden Schluckstörungen mit der Möglichkeit des Eingreifens und
ggf. des Erfordernisses eines Absaugens.
cc.
Weiterhin ist für den Kläger die Nutzung des Behindertenfahrdienstes zur Verwirklichung seiner Teilhabeziele in der Freizeit nicht zumutbar. Die Nutzung des Behindertenfahrdienstes ist ausgeschlossen, wenn sie nach Art und Schwere der Behinderung unzumutbar ist. Die Art und Schwere der Behinderung muss kausal sein für die Unzumutbarkeit; infrastrukturelle Nachteile sind ohne Belang (Luthe in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 4. Auflage 2023, § 83
, Rn. 17).
Dem Kläger ist zwar generell die Nutzung eines Behindertenfahrdienstes möglich, wie die Fahrten zur Schule zeigen. Allerdings ist ihm unter Beachtung der konkreten Voraussetzungen und der Verfügbarkeit von Fahrzeugen, die diese Ansprüche erfüllen, die Nutzung in der Freizeit nicht zumutbar. Zur Überzeugung des Senats bedarf es als konkrete Anforderungen an die Fahrzeuge des Behindertenfahrdienstes der Beförderung im eigenen Rollstuhl mit einem geeigneten Festhaltesystem, des Vorhandenseins einer Klimaanlage sowie einer hinter den Rollstuhl zu klappenden Kopfstütze zur Abstützung des Kopfes im Falle eines abrupten Bremsvorgangs und der Möglichkeit für eine Begleitperson, direkt neben dem Kläger zu sitzen. Die erste und zweite genannte Voraussetzung dürfte jeweils durch alle Behindertenfahrdienste gewährleistet werden, während sowohl die dritte als auch die vierte Voraussetzung nicht regelmäßig und garantiert gegeben sind. So hat der Fahrdienst der D. GmbH zwar zunächst angegeben, dass die Fahrzeuge über eine fest im Kfz verbaute Kopfstütze verfügen, die tatsächlich eingesetzten Fahrzeuge, die Fahrten für den Kläger im Rahmen seiner Freizeit durchgeführt haben, verfügten allerdings nach Aussage der Eltern nicht über eine solche Kopfstütze. Das Erfordernis einer zusätzlichen Kopfstütze im Kfz ergibt sich bereits aus dem Schreiben des Kindersanitätshauses vom 05.10.2023, nachdem die am Rollstuhl verbaute Kopfstütze eine Sonderanfertigung ist und rein therapeutischen Zwecken und der Sitzstabilität dient. Sie sei nicht crash-getestet und damit nicht für den Personentransport im Auto zugelassen. Sowohl die Befestigung, als auch die verwendeten Materialien sind hiernach nicht geeignet, die Kräfte aufzunehmen, die bei einem Unfall auch mit geringer Geschwindigkeit auftreten. Um die gleiche Sicherheit wie bei anderen in einem Kfz beförderten Personen zu gewährleisten, bedarf es daher auch bei dem Kläger einer fest im Kfz verbauten Kopfstütze. Auch wenn eine generelle gesetzliche Pflicht zum Vorhandensein einer Kopfstütze bei dem Transport eines Rollstuhls im Gegensatz zum Erfordernis des Rollstuhl-Rückhaltesystems (vgl. § 21a Straßenverkehrsordnung ) nicht gegeben ist, besteht aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls bei dem Kläger das Erfordernis einer solchen Kopfstütze, da die am Rollstuhl verbaute Kopfstütze nicht den Erfordernissen für die alleinige Verwendung im Kfz entspricht. Weiterhin besteht aufgrund der Schwere der Erkrankung des Klägers die Voraussetzung, dass eine Assistenzperson während der Fahrt neben ihm sitzt. Dies folgt aus der durchgehenden Beobachtungspflicht und der Notwendigkeit der Möglichkeit, direkt einzugreifen, so z.B. im Falle des Auftretens einer Schluckstörung. Zwar haben die Behindertenfahrdienste angegeben, dass der Transport einer Begleitperson möglich sei und der Fahrdienst D. hat angegeben, dass es in vielen Fahrzeugen möglich sei, direkt neben dem Fahrgast zu sitzen, dies aber nicht zu 100% garantiert werden könne, die Begleitperson aber immer die Möglichkeit des Zugriffs habe. Bei den von dem Kläger mit dem Fahrdienst D. durchgeführten Fahrten war dies jedoch nach Aussage der Eltern und der Zeugin meistenteils nicht möglich. Obwohl es als Voraussetzung bei der Buchung der Fahrt benannt wurde, haben Eltern bzw. Zeugin erst bei Vorfahren des Kfz gesehen, ob dies tatsächlich möglich war. Die Zeugin hat glaubhaft geschildert, dass sie vielfach in einer Reihe vor dem Kläger saß, z.B. wenn sein Rollstuhl in das Kfz neben einer dort vorhandenen Liege befestigt wurde, und sich dann zu ihm umdrehen musste, um ihn zu beobachten. Für den Fall der Notwendigkeit ihres Eingreifens war es für die Zeugin erforderlich, dass sie sich – wenn das Kfz nicht anhalten konnte – im laufenden Verkehr abschnallte und nach hinten zu dem Kläger kletterte. Dies sind nicht zumutbare Umstände. Insbesondere kann einer Assistenzperson nicht zugemutet werden, das eigene Leben durch die fehlende Sicherung im fahrenden Kfz zu gefährden, um das Leben des Klägers zu retten.
Weiterhin ist dem Kläger der Verweis auf einen Behindertenfahrdienst aufgrund der fehlenden oder unwirtschaftlichen Möglichkeit, dass ein solcher vor Ort wartet, nicht zuzumuten. Der Senat hält es für erforderlich, dass dem Kläger auf Ausflügen die Möglichkeit eines Rückzugsortes zur Verfügung steht. Ein solcher ist notwendig für die liegende Versorgung im Falle der (Stuhl-)Inkontinenz mit ggf. Erforderlichkeit des Wechselns der Kleidung, für die Möglichkeit der Verbringung in einen klimatisierten Raum im Falle von auftretenden Temperaturanstiegen aufgrund der Temperaturregulierungsstörung sowie zum zeitnahen Rücktransport nach Hause, wo die Räume des Klägers ebenfalls klimatisiert sind.
Darüber hinaus ist die konkrete Verfügbarkeit der Fahrdienste für die Häufigkeit und zu den Zeiten der vom Kläger begehrten Teilhabe an der Gemeinschaft nicht ausreichend. Zunächst ist die von der Beklagten benannte O. GmbH nicht in der Lage, die Beförderung des Klägers außerhalb der Schulfahrten durchzuführen. Dies ergibt sich aufgrund verschiedener Anfragen, auf die der Fahrdienst mit Schreiben vom 13.12.2022, vom 29.03.2023, vom 12.04.2023, 07.08.2023 und vom 14.08.2023 mitgeteilt hat, dass er den Kläger außerhalb der Schultransporte in der Freizeit nicht befördern könne. Ein weiteres Beispiel für die fehlende Möglichkeit einer Buchung sind die im Verfahren S 17 SO 3/23 ER vorgetragenen Anfragen der Eltern mit einem Vorlauf von drei Tagen bis zwei Wochen für fünf Fahrten zwischen dem 24.07.2022 und dem 07.08.2022. Von fünf angefragten Fahrdiensten haben drei schriftlich abgesagt, die weiteren nach Aussage der Eltern mündlich bzw. ein Fahrdienst sagte für eine Fahrt zu, allerdings ohne die Möglichkeit, dass eine Begleitperson neben dem Kläger sitzen konnte. Auf Fragen der Beklagten im August 2023 teilten zwar die Fahrdienste D. und I. mit, die Fahrten seien grundsätzlich möglich, man benötige 1-3 (I.) bzw. 2-3 (D.) Tage Vorlauf. Allerdings teilte I. in der Folge auf Anfrage der Eltern mit, dass eine Kopfstütze nicht gegeben sei, sowie die Arbeitszeiten montags bis freitags von 6 bis18 Uhr und samstags von 6 bis 16 Uhr seien. Zudem würden die Kosten bei der angeforderten Ausstattung sowie Wartezeit vor Ort pro Strecke im vierstelligen Bereich liegen. Aufgrund der Uhrzeit der Aktivitäten am Wochenende und abends ist eine Nutzung des Fahrdienstes I. für die Freizeitfahrten damit nicht möglich. Der Fahrdienst D. erhöhte auf Anfrage der Eltern die Vorlaufzeit auf 1,5 Wochen bei Wartezeit vor Ort und Transport mit Begleitperson und Kopfstütze. Die tatsächliche Nutzung dieses Fahrdienstes hat, wie oben dargestellt, ergeben, dass trotz frühzeitiger Buchung weder eine Begleitperson neben dem Kläger noch eine Kopfstütze gewährleistet wurde. Die Auskunft der Firma K. gegenüber dem Senat, dass Fahrten mit Rollstuhl in einem L. möglich seien und um weitere Einzelheiten gebeten werde, ist nicht konkret und enthält weder erforderliche Vorlaufzeiten noch Angaben dazu, ob tatsächlich eine Begleitperson neben dem Kläger sitzen kann und eine Kopfstütze vorhanden ist. Die Firma F. erklärte gegenüber dem Senat am 28.08.2023, dass Fahrten entsprechend den Vorgaben mit Begleitperson und Klimaanlage im A. Sprinter und L. möglich seien und die Vorlaufzeit 2-3 Tage sei, gegenüber den Eltern am 01.09.2023 jedoch, dass die Fahrten (mit Wartezeiten und Kopfstütze) nicht möglich seien. Die Sicherstellung der im konkreten Einzelfall des Klägers erforderlichen Voraussetzungen durch den Behindertenfahrdienst ist hierdurch nicht gewährleistet. Die kontinuierliche Möglichkeit der Beförderung mit dem Behindertenfahrdienst und hierdurch Gewährleistung der Teilhabeziele des Klägers ist nicht verlässlich gegeben. Auch fehlt die Möglichkeit der Wartezeit vor Ort bzw. führt zu unwirtschaftlichen Kosten, so dass das Vorhalten eines Rückzugsortes für den Kläger nicht möglich ist. Die durchgeführten Fahrten mit D. zum Ferienkurs des Klägers haben zudem gezeigt, dass ein an einem Tag erforderlicher spontaner Rücktransport des Klägers wegen gesundheitlicher Probleme erst nach 90 Minuten erfolgen konnte.
d.
Der Kläger ist gemäß § 114 Nr. 1 SGB IX zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft ständig auf die Nutzung eines Kraftfahrzeugs angewiesen, da er ohne Kfz seine mehrfach wöchentlich geplanten Eingliederungsziele nicht verwirklichen kann. Eine Definition des ständigen Angewiesenseins enthält § 114 SGB IX nicht. Die Auslegung dieses zum 01.01.2020 in § 114 Nr. 1 SGB IX neu eingeführten Tatbestandsmerkmals ist in der Rechtsprechung noch nicht geklärt (LSG NRW Beschluss vom 09.06.2022, L 9 SO 353/21 B ER, Rn. 11, juris). Teilweise wird vertreten, dass ein ständiges Angewiesensein auf ein Kraftfahrzeug zu bejahen sein dürfte, wenn der Leistungsberechtigte auf das Kraftfahrzeug voraussichtlich nicht nur vereinzelt oder gelegentlich, d. h. nicht nur einige wenige Male in der Woche, sondern über einen längeren und zusammenhängenden Zeitraum, vergleichbar wie bei einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben angewiesen ist (Götze in Hauck/Noftz, SGB IX, 1. Ergänzungslieferung 2024, § 114, Rn. 14; Luthe in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 4. Auflage 2023, § 114 , Rn. 11). Nach den Kfz-Empfehlungen der BAGüS von 2020 (Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe, www.bagues.de) erfordere ständig eine gewisse Regelmäßigkeit, so dass die Fahrten nicht nur vereinzelt oder gelegentlich anfallen dürften. Hierfür seien mindestens zwei bis drei Fahrten pro Woche erforderlich. Eine seltenere Nutzung sei nur in besonderen Bedarfslagen ausreichend, wenn dies zur Erreichung des Ziels der Verschaffung einer gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gesellschaft von so erheblicher Bedeutung sei, dass eine ausschließlich quantitative Beurteilung nach einer Mindestanzahl von Fahrten unbillig erscheine. Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich, dass an der bisherigen Rechtsprechung festgehalten werden solle, nach der ständig nicht nur vereinzelt oder gelegentlich bedeutete (BT-Drucks 18/9522, S. 286). Mit dem BSG ist auch insofern auf einen individuellen, personenzentrierten Maßstab abzustellen, der einer pauschalierenden Betrachtung entgegensteht (st. Rspr., vgl. etwa BSG Urteile vom 23.08.2013, B 8 SO 24/11 R, Rn. 16, juris; und vom 08.03.2017, B 8 SO 2/16 R, Rn. 18, juris). Eine starre zeitliche Vorgabe widerspricht der dargestellten Systematik, wonach maßgeblich zur weitmöglichsten Eingliederung in die Gesellschaft ein personenzentrierter Maßstab unter Berücksichtigung der individuellen Lebensverhältnisse ist (BSG Urteil vom 08.03.2017, B 8 SO 2/16 R, Rn. 23, juris). Dies spricht dafür, das Erfordernis des ständigen Angewiesenseins nicht im Sinne einer quantitativen Voraussetzung zu interpretieren, sondern als qualitative Voraussetzung. Es muss sich um ein Teilhabeziel handeln, das es erforderlich macht, ständig über ein Kfz zu verfügen (LSG NRW Beschluss vom 09.06.2022, L 9 SO 353/21 B ER, Rn. 11, juris). Insofern kommt es nicht darauf an, ob die leistungsberechtigte Person mit dem Kraftfahrzeug ständig unterwegs ist, es also zeitlich ständig nutzt, sondern es ist entscheidend, dass sie im Rahmen der Nutzung, d.h. zur Verwirklichung der Teilhabeziele, ständig darauf angewiesen ist (so auch Rosenow in Fuchs/Ritz/Rosenow, SGB IX, 7. Auflage 2021, § 114, Rn. 13).
Die konkreten Anforderungen an ein ständiges Angewiesensein sind insofern abhängig von der konkreten Situation, der Schwere der Behinderung und der Erforderlichkeit eines vorhandenen Kfz, um die gewünschten und angemessenen Teilhabeziele zu verwirklichen. Die Argumentation der Beklagten, dass die Anzahl der Fahrten nicht so umfangreich sei, dass ein nichtbehinderter Hilfebedürftiger sich hierfür ein Kfz kaufen würde, verfängt nicht, da sich aufgrund der individuellen Besonderheiten und der Schwere der Behinderung des Klägers bereits die Notwendigkeit ergibt, für jede dieser gewünschten Fahrten über ein eigenes geeignetes Kfz zu verfügen, während ein nichtbehinderter Hilfeempfänger diese Fahrten mit dem ÖPNV durchführen würde. Dem Kläger ist es, wie oben dargelegt, nicht möglich, geplante oder spontane Aktivitäten mit dem ÖPNV oder dem Behindertenfahrdienst durchzuführen. Die geplanten Aktivitäten reichen im konkreten Einzelfall für ein ständiges Angewiesensein aus. Eine tägliche Nutzung ist nicht erforderlich. Die vorgetragenen beabsichtigten Teilhabeaktivitäten umfassen mehrfach wöchentlich auftretende Ziele. So ergibt sich aus den Anfragen im Juli 2022 an einen Behindertenfahrdienst die Anzahl von fünf Aktivitäten im Rahmen von zwei Wochen. Auch aus den weiteren Darlegungen ergibt sich, dass die Eltern mit dem Kläger regelmäßige Aktivitäten nachmittags/abends und am Wochenende unternehmen würden, wenn sie über ein geeignetes Kfz verfügen. Die angegebenen Ziele der Treffen und Ausflüge mit Freunden und Schulkameraden in der Freizeit, Begleitung der Familie bei Ausflügen in Zoo/Museum/Park/Kirmes/Einkaufszentrum, Verwandtenbesuche, Begleitung zum Einkaufen, Urlaubsreisen mit der Familie, Kirche sind regelmäßig wiederkehrende Aktivitäten, die nur mit einem Kfz möglich sind.
e.
Das bisherige Kfz der Eltern ist nicht mehr verwendbar. Grundsätzlich ist im Rahmen einer Gesamtbetrachtung ein ggf. in der Familie vorhandenes verkehrstaugliches Kraftfahrzeug zu berücksichtigen (Götze in Hauck/Noftz SGB IX, 1. Ergänzungslieferung 2024, § 114, Rn. 10; Luthe in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 4. Auflage 2023, § 114 , Rn. 10 m.w.N.). Das bereits vorhandene Kfz mit dem Schwenk-Hub-Sitz ist entsprechend den Feststellungen der Amtsärztin aufgrund der Größe und des Gewichts des Klägers nicht mehr geeignet, diesen zu transportieren.
f.
Der Anspruch des Klägers auf eine Kfz-Hilfe besteht konkret auf die Übernahme der Kosten für einen A. Sprinter Tourer 317 CDI kompakt entsprechend dem Angebot Nr. N02 der C. GmbH. Abweichend von § 83 SGB IX i.V.m. § 5 Abs. 1 S. 1 KfzHV ist vorliegend zur Überzeugung des Senats gemäß § 5 Abs. 2 KfzHV ein Betrag von über 22.000 Euro aufgrund von Art oder Schwere der Behinderung zwingend erforderlich. Bereits aus den Ausführungen des X. im Gutachten vom 08.01.2024 ergibt sich, dass alle für den Kläger geeigneten Kfz den Grenzwert von 22.000 Euro überschreiten. Auch wenn nach dem Gutachten die günstigste Variante zum Erreichen der Ziele des Klägers der J. Transit mit Kosten von 39.575,59 Euro ist, ist dies zur Überzeugung des Senats im konkreten Einzelfall aufgrund der Lieferzeit von 12 Monaten dem Kläger unzumutbar. Aus den voranstehenden Ausführungen folgt, dass der Kläger zurzeit über keine zumutbare Möglichkeit verfügt, an der Gesellschaft teilzuhaben. Die durchgeführten Fahrten mit dem Behindertenfahrdienst, die in der Freizeit stattgefunden haben, sind dem Kläger auch nicht für eine Übergangszeit bis zur Lieferung eines J. Transit zumutbar, da sie aufgrund des fehlenden Sitzplatzes für die Begleitperson neben dem Kläger entweder für den Kläger oder seine Begleitperson lebensgefährliche Situationen beinhalten. Darüber hinaus hat der Senat berücksichtigt, dass es sich bei der Erkrankung des Klägers um eine lebensverkürzende Erkrankung handelt und er bereits seit zwei Jahren in seiner Teilhabe durch das Fehlen eines geeigneten Kfz zu seiner Beförderung eingeschränkt ist. Auch aufgrund der verkürzten Lebenszeit – und damit wegen Art und Schwere der Behinderungen des Klägers – ist ein Abwarten von einem weiteren Jahr nicht zumutbar.
Der Anspruch auf die erforderlichen Umbaukosten für den behindertengerechten Umbau des Kfz gemäß dem Angebot Nr. N01 der C. GmbH besteht in voller Höhe. Nach § 5 Abs. 1 S. 2 KfzHV bleiben die Kosten einer behinderungsbedingten Zusatzausstattung bei der Ermittlung des zu übernehmenden Kaufpreises unberücksichtigt. Die Kosten für eine Zusatzausstattung, die wegen der Behinderung erforderlich ist, ihren Einbau, ihre technische Überprüfung und die Wiederherstellung ihrer technischen Funktionsfähigkeit sind gemäß § 7 KfzHV in vollem Umfang zu übernehmen.
Gemäß § 114 SGB IX i.V.m. § 99 SGB IX besteht auf die Leistungen der Mobilität ein Rechtsanspruch, so dass ein Ermessen der Beklagten bezüglich des „Ob“ der Leistung nicht besteht. Das grundsätzlich im Rahmen der Eingliederungshilfe nach § 107 Abs. 2 SGB IX gewährte Ermessen bezüglich Art und Maß der Leistung wird durch die Vorgaben der Gewährung der Leistungen für ein Kfz als Geldleistung nach § 83 SGB IX i.V.m. der KfzHV bezüglich der Art der Leistung auf eine Geldleistung beschränkt und durch die Vorgabe des Maßes der Leistung nach § 83 SGB IX, §§ 5 Abs. 2, 7 KfzHV auf den zwingend erforderlichen Kaufpreis sowie die erforderlichen Umbaukosten im vollen Umfang begrenzt. Spielraum für eine Ermessensentscheidung verbleibt insofern nicht.
D.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Abs. 1 SGG.
E.
Anlass, gem. § 160 Abs. 2 SGG die Revision zuzulassen, besteht nicht.