Urteil
Rechtmäßigkeit der Versetzung in den Ruhestand wegen dauernder Dienstunfähigkeit - Amtsärztliches Gutachten

Gericht:

VG München 5. Kammer


Aktenzeichen:

M 5 K 10.5211 | 5 K 10.5211


Urteil vom:

14.09.2011


Grundlage:

  • BeamtStG § 26 Abs. 1 BG BY Art. 65 Abs. 1

Tenor:

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Die am ... 1964 geborene Klägerin war seit ... 2005 als ständige Vertreterin des Leiters der Volksschule ... tätig. Mit Wirkung vom ... 2007 wurde sie zur Konrektorin (Besoldungsgruppe A 13) ernannt.

Nach einem Vorfall zwischen der Klägerin und dem Rektor der Grundschule ... am ... Juli 2006 (die Anerkennung dieses Ereignisses als Dienstunfall bildete den Gegenstand des Klageverfahrens M 5 K 09.3433) ergaben sich bei der Klägerin vermehrt krankheitsbedingte Fehlzeiten. Vom ... Oktober 2007 bis ... Februar 2009 war die Klägerin längerfristig dienstunfähig erkrankt (unterbrochen nur Ende November/Anfang Dezember 2007 für fünf Tage, an denen sie dienstfähig war). Dabei unterzog sie sich vom 29. September bis 26. November 2008 einer stationären Behandlung in einer medizinisch-psychosomatischen Klinik. Aufgrund amtsärztlicher Begutachtung wurde die Unterrichtspflichtzeit daraufhin zunächst auf vierzehn tatsächlich zu leistende Wochenstunden verkürzt.

Mit Bescheid vom ... Februar 2009 wurde die Klägerin ab ... März 2009 als zusätzliche Lehrkraft mit vierzehn Stunden Unterrichtspflichtzeit an die ...Hauptschule in ... abgeordnet. Hiergegen legte die Klägerin Rechtsmittel ein. Die im Zuge dessen geführten Verfahren wurden jeweils nach übereinstimmender Hauptsacheerledigungserklärung der Beteiligten eingestellt (Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof vom 15. Oktober 2009, 3 CS 09.1482; Beschluss des VG München vom 27. Januar 2010, M 5 K 09.2613).

Mit Bescheid vom ... September 2009 verfügte die Regierung von ... die Versetzung der Klägerin mit Wirkung vom ... September 2009 als Konrektorin an die Grund- und Hauptschule ... Hiergegen hat die Klägerin am 5. Oktober 2009 Klage erhoben (M 5 K 09.4681), über die noch nicht entschieden ist, da das Verfahren im Einverständnis mit den Beteiligten im Hinblick auf den Ausgang des vorliegenden Verfahrens ruht (Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 14. September 2011). Der zugleich gestellte Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Versetzung anzuordnen (M 5 S 09.4682) wurde mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 15. Februar 2010 abgelehnt. Hiergegen ließ die Klägerin Beschwerde einlegen. Das daraufhin geführte Beschwerdeverfahren beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (3 CS 10.545) wurde mit Beschluss vom 7. Oktober 2010 eingestellt, nachdem die Beteiligten die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt hatten.

Die Klägerin hat den Dienst an der Grund- und Hauptschule ... nie angetreten. Seit dem .... September 2009 ist sie dienstunfähig erkrankt. Eine daraufhin veranlasste amtsärztliche Untersuchung am ... März 2010 bei der Medizinischen Untersuchungsstelle (MUS) der Regierung von ... kam zu dem Ergebnis, dass bei der Klägerin dauernde Dienstunfähigkeit angenommen werden müsse (Gesundheitszeugnis vom ... März 2010). Es seien keine berechtigten Aussichten für eine Wiederaufnahme einer Lehrtätigkeit bei der Beamtin erkennbar. Die Klägerin habe alle sinnvollen Therapieoptionen sowohl im Rahmen einer längeren stationären psychosomatischen Behandlung als auch ambulanter Weiterbehandlung motiviert genutzt. Die psychische Stabilität habe jedoch nicht wieder so weit angehoben werden können, dass eine Lehrtätigkeit wieder kontinuierlich versehen werden könnte. Deshalb müsse trotz des Alters der Beamtin dauernde Dienstunfähigkeit angenommen werden. Angesichts der krankheitsbedingten deutlich eingeschränkten Flexibilität erscheine es der Klägerin derzeit nicht möglich, sich in neue Arbeitsbereiche einzuarbeiten. Eine erneute Begutachtung wäre frühestens nach Ablauf von zwei Jahren sinnvoll.

Mit Bescheid der Bundesagentur für Arbeit vom ... Februar 2010 wurde die Klägerin auf ihren Antrag hin mit Rückwirkung ab ... August 2009 einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt.

Mit Schreiben vom ... März 2010 wurde die Klägerin zur beabsichtigten Versetzung in den Ruhestand angehört. Im Rahmen der Anhörung wies die Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz vom ... Mai 2010 darauf hin, dass vor einer Ruhestandsversetzung Maßnahmen stufenweiser Wiedereingliederung sowie Maßnahmen des Betrieblichen Eingliederungsmanagements nach § 84 Abs. 2 SGB IX versucht werden müssten. Darüber hinaus gelte nach Ziffer X 1 der Fürsorgerichtlinien für die Ruhestandsversetzung von schwerbehinderten Beamten ein besonderes Rücksichtnahmegebot. Dieses sei im Fall der Klägerin nicht beachtet worden.

Nachdem die Schwerbehindertenvertretung mit Schreiben vom ... Mai 2010 ihr Einverständnis erklärt hatte, wurde die Klägerin mit Bescheid vom ... Mai 2010 mit Ablauf des ... Mai 2010 in den Ruhestand versetzt. Die Versetzung in den Ruhestand stütze sich auf das Gutachten der MUS der Regierung von ... vom .... März 2010, wonach trotz Inanspruchnahme aller sinnvollen Therapieoptionen dauernde Dienstunfähigkeit bei der Klägerin vorliege. Ärztliche Bescheinigungen, die Zweifel an dieser festgestellten Dienstunfähigkeit rechtfertigen könnten, seien von der Klägerin nicht eingereicht worden. Aus diesem Grund seien Maßnahmen des Betrieblichen Eingliederungsmanagements und stufenweiser Wiedereingliederung nicht erfolgversprechend.

Dagegen ließ die Klägerin mit Schriftsatz vom ... Juni 2010 Widerspruch einlegen, der mit weiterem Schriftsatz vom ... Juli 2010 begründet wurde. Die Klägerin sei nicht absolut dienstunfähig, sondern nur relativ bezogen auf die Position, auf die sie zuletzt versetzt worden sei. Sie könne die ihr obliegenden Dienste einer Konrektorin versehen, wenn man sie an eine ihrer gesundheitlichen Situation und ihrer Behinderung Rechnung tragende Stelle versetzen würde. Zu dieser Fragestellung sei eine ergänzende Stellungnahme der begutachtenden Amtsärztin einzuholen. Die von der MUS festgestellte Dienstunfähigkeit sei durch ein rechtswidriges Verhalten des Beklagten verursacht worden, nämlich durch unzulässige Versetzungen der Klägerin, durch Nichtberücksichtigung ihrer Stellung als einem schwerbehinderten Menschen Gleichgestellte sowie der Nichtdurchführung einer stufenweise Wiedereingliederung und eines Betrieblichen Eingliederungsmanagements.

In der hierauf eingeholten ergänzenden Stellungnahme vom .... September 2010 kam die Amtsärztin zu dem Ergebnis, dass der von der Klägerin vorgebrachte Einwand, sie könne unter Berücksichtigung ihrer gesundheitlichen Einschränkungen und Behinderungen statusmäßig beschäftigt werden, sich in keiner Weise mit dem in der Akte vorliegenden Krankheits- und Therapieverlauf decke. Dieser dokumentiere zwar einerseits, dass die Beamtin motiviert sei, die dienstliche Tätigkeit wieder aufzunehmen, jedoch andererseits, dass bei der Beamtin nicht das ausreichende Durchhaltevermögen bestehe, um den Dienst kontinuierlich und auch hinsichtlich der qualitativen Anforderungen auszuüben. Die von der Klägerin eingeforderten Arbeitsbedingungen entsprächen einem Ideal, dass so im Schulalltag nicht vorgefunden werde. Die Beurteilung, ob die Klägerin unter Berücksichtigung dieser Anforderungen in der Lage sei, den Dienst kontinuierlich auszuüben, stelle sich als hypothetisch dar und lasse sich deshalb ärztlicherseits nicht beantworten. Insgesamt ergebe sich daher keine Änderung bezüglich der Einschätzung der Dienstfähigkeit gegenüber der letzten Begutachtung vom .... März 2010, so dass von Dienstunfähigkeit bei der Beamtin auszugehen sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom ... September 2010 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Die Einschätzung der Klägerin, sie könne die ihr obliegenden Dienstpflichten einer Konrektorin versehen, wenn man sie an eine ihren Anforderungen entsprechende Stelle versetzen würde, habe die begutachtende Amtsärztin in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom ... September 2010 nicht geteilt. Vielmehr sei an der im Gutachten vom .... März 2010 getroffenen Feststellung der dauernden Dienstunfähigkeit festgehalten worden. Ärztliche Bescheinigungen, die Zweifel an der Feststellung der Dienstunfähigkeit erlauben oder eine erneute Begutachtung des gesundheitlichen Zustands der Klägerin erforderlich machen würden, seien von der Klägerin nicht vorgelegt worden. Im Übrigen spiele die Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen bei der Versetzung in den Ruhestand keine Rolle, soweit - wie im vorliegenden Fall - in einem amtsärztlichen Gesundheitszeugnis Dienstunfähigkeit festgestellt werde. Ein Absehen von der Ruhestandsversetzung unter Gewährung von Maßnahmen im Rahmen des Betrieblichen Eingliederungsmanagements sei deshalb angesichts der Einschätzung der MUS nicht erfolgversprechend.

Hiergegen hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 26. Oktober 2010, bei Gericht eingegangen am selben Tag, Klage erhoben und beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom ... Mai 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom ... September 2010 aufzuheben.

Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ihre im Rahmen des Anhörungs- und Widerspruchsverfahrens vorgebrachten Ausführungen wiederholt und vertieft.

Mit Schriftsatz vom 27. Dezember 2010 hat die Regierung von ... für den Beklagten beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Ruhestandsversetzung sei rechtmäßig. Nach dem Gesundheitszeugnis vom .... März 2010 und der ergänzenden Stellungnahme vom ... September 2010 stehe fest, dass die Klägerin dienstunfähig sei und andere Verwendungsmöglichkeiten nicht bestünden.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten sowie auf die Niederschrift vom 14. September 2011 Bezug genommen.

Rechtsweg:

Es liegen keine Informationen zum Rechtsweg vor.

Quelle:

BAYERN.RECHT

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Bescheid der Regierung von ... vom ... Mai 2010 und der Widerspruchsbescheid vom ... September 2010 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung/VwGO).

Rechtsgrundlage für die Ruhestandsversetzungsverfügung ist § 26 Abs. 1 des Gesetzes zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern (Beamtenstatusgesetz/BeamtStG). Nach dieser Bestimmung sind Beamtinnen auf Lebenszeit und Beamte auf Lebenszeit in den Ruhestand zu versetzen, wenn sie wegen ihres körperlichen Zustands oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung ihrer Dienstpflichten dauernd unfähig (dienstunfähig) sind. Als dienstunfähig kann auch angesehen werden, wer infolge Erkrankung innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst getan hat und keine Aussicht besteht, dass innerhalb einer Frist, deren Bestimmung dem Landesrecht vorbehalten bleibt, die Dienstfähigkeit wieder voll hergestellt ist. Von der Versetzung in den Ruhestand soll abgesehen werden, wenn eine anderweitige Verwendung möglich ist. Nach Art. 65 Abs. 1 des Bayerischen Beamtengesetzes (BayBG) können Beamtinnen und Beamte auch dann als dienstunfähig im Sinne des § 26 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG angesehen werden, wenn sie infolge einer Erkrankung innerhalb von sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst geleistet haben und keine Aussicht besteht, dass sie innerhalb von weiteren sechs Monaten wieder voll dienstfähig werden.

Soweit die Dienstunfähigkeit umstritten ist, kommt es für die Rechtmäßigkeit der Ruhestandsversetzungsverfügung materiellrechtlich auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung an (BVerwG vom 16.10.1997, BVerwGE 105, 267; BayVGH vom 12.9.2005, 3 B 98.1080; VG München vom 24. Mai 2011, M 5 K 09.2535 m.w.N.).

Die Ruhestandsversetzungsverfügung ist formell rechtmäßig. Die Klägerin wurde mit Schreiben der Regierung von ... vom ... März 2010 zur beabsichtigten Versetzung in den Ruhestand bei dauernder Dienstunfähigkeit ordnungsgemäß angehört (Art. 66 Absatz 1 BayBG, Art. 28 Abs. 1 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes/BayVwVfG). Ferner wurde die Schwerbehindertenvertretung beteiligt (vgl. § 95 Abs. 2 des Sozialgesetzbuchs Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen/ SGB IX) und erklärte mit Schreiben vom ... Mai 2010 ihr Einverständnis. Im Übrigen bedurfte es vorliegend keiner Mitwirkung des Personalrates, da die Klägerin trotz entsprechenden Hinweises im Anhörungsschreiben keinen Antrag auf Beteiligung des Personalrats gestellt hat (Art. 76 Absatz 1 Satz 1 Nr. 6 i.V.m. Abs. 1 Satz 3 des Bayerischen Personalvertretungsgesetzes/BayPVG).

Auch in materieller Hinsicht ist die Ruhestandsversetzung rechtlich nicht zu beanstanden. Die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 BeamtStG i.V.m. Art. 65 Abs. 1 BayBG liegen vor, da die Klägerin in Folge einer Erkrankung innerhalb von sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst geleistet hat und keine Aussicht besteht, dass sie innerhalb von sechs Monaten wieder voll dienstfähig wird.

Das folgt aus dem Gesundheitszeugnis der Medizinischen Untersuchungsstelle (MUS) der Regierung von ... vom .... März 2010 sowie der ergänzenden Stellungnahme vom ... September 2010.

Die Amtsärztin hat schlüssig dargelegt, warum sie bei der Klägerin trotz deren Alters dauernde Dienstunfähigkeit annimmt. Hierzu hat sie insbesondere auf den bisherigen Krankheits- und Therapieverlauf verwiesen. Die Klägerin habe alle sinnvollen Therapieoptionen (sowohl stationär als auch ambulant) ausgeschöpft, ohne dass diese den Krankheitsverlauf eindeutig und positiv beeinflussen konnten. Die psychische Stabilität und Belastbarkeit der Klägerin habe dadurch nicht wieder so weit angehoben werden können, dass eine Diensttätigkeit wieder kontinuierlich von ihr ausgeübt werden könnte. Aufgrund der damit verbundenen eingeschränkten Flexibilität, sich in neue Arbeitsbereiche einzuarbeiten, seien auch anderweitige Verwendungsmöglichkeiten für die Klägerin derzeit nicht denkbar. Eine erneute Begutachtung sei erst nach Ablauf von zwei Jahren sinnvoll.

Diese Darstellungen der Amtsärztin sind nachvollziehbar. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass sie fehlerhaft sein könnten. Die Klägerin ist den amtsärztlichen Feststellungen auch nicht substantiiert entgegengetreten. Insbesondere liegen keine anders lautenden, insbesondere keine privatärztlichen Gutachten hinsichtlich der Dienstfähigkeit der Klägerin vor, die an der Einschätzung der Amtsärztin Zweifel aufkommen ließen.

Soweit die Klägerin einwendet, sie könne die ihr obliegenden Dienstpflichten einer Konrektorin versehen, würde man sie wegen ihrer gesundheitlichen Situation und Einschränkung an eine entsprechende dem Rechnung tragende Stelle versetzen, muss auf die gegenteilige Auffassung der Amtsärztin verwiesen werden. Diese hat in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom .... September 2010 ausdrücklich festgestellt, dass angesichts der nicht ausreichenden psychophysischen Belastbarkeit der Klägerin auch bei Versetzung an eine dementsprechende Stelle nicht von Dienstfähigkeit ausgegangen werden könnte. Die von der Klägerin eingeforderten Arbeitsbedingungen entsprächen einem Ideal, das es so im Schulalltag nicht gäbe, weshalb bei der Beurteilung der Dienstfähigkeit der Klägerin nicht von einer solchen Situation ausgegangen werden könne. Eine ärztliche Einschätzung, die die sachverständige Beurteilung der Amtsärztin in Zweifel ziehen könnte, hat die Klägerin nicht vorgelegt. Insoweit hat sich auch eine weitere Sachaufklärung zur Frage der Dienstfähigkeit nicht aufgedrängt (vgl. Geiger in: Eyermann, VwGO, 13. Auflage 2010, RdNr. 10 zu § 86). Nach alledem ist es nicht zu beanstanden, dass der Beklagte von Dienstunfähigkeit der Klägerin ausgegangen ist.

Auch das weitere Vorbringen der Klägerin, der Beklagte könne sich wegen des in § 242 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) niedergelegten Grundsatzes von Treu und Glauben nicht auf die Dienstunfähigkeit der Klägerin berufen, weil er sie selbst durch sein angeblich rechtswidriges Verhalten im Vorfeld der Ruhestandsversetzung hervorgerufen habe, verhilft der Klage nicht zum Erfolg. Dieser Grundsatz, dass Leistungen so zu bewirken sind, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern, gilt zwar grundsätzlich auch im öffentlichen Recht (vgl. BayVGH vom 12.9.2011, 3 ZB 09.1477; BVerwG vom 28.5.2003, 2 C 28/02), allerdings kann er dort, wo es um die Entscheidung über die Ruhestandsversetzung aufgrund Dienstunfähigkeit geht, nicht greifen. Dort geht es allein um die Frage, ob der Beamte weiterhin in der Lage ist, die ihm obliegenden Dienstpflichten zu erfüllen. Wird Dienstunfähigkeit festgestellt, hat der Dienstherr den Beamten in den Ruhestand zu versetzen, ohne dass es darauf ankommt, worauf die Dienstunfähigkeit zurückzuführen ist. Da es dem Beamten bei Dienstunfähigkeit unmöglich ist, die geschuldete Dienstleistung zu erbringen, macht es keinen Sinn, insoweit nach den Gründen für die Dienstunfähigkeit zu differenzieren. Die Klägerin ist dadurch auch nicht schutzlos gestellt, da es ihr möglich ist, im Rahmen eines anderen Verfahrens gegen das angeblich rechtswidrige Verhalten direkt vorzugehen und dieses rechtlich überprüfen zu lassen.

Entgegen der Auffassung der Klägerin wurde vorliegend auch nicht die Gleichstellung der Klägerin mit einem schwerbehinderten Menschen verkannt. Mildere Mittel als die Ruhestandsversetzung kamen vorliegend nicht in Betracht. Wie sich aus den Gutachten der MUS ergibt, wurden auch unter Berücksichtigung der Schwerbehinderung der Klägerin keine alternativen Verwendungsmöglichkeiten für die Klägerin gesehen. Deshalb ist es nicht zu beanstanden, dass der Beklagte sowohl von weiteren Maßnahmen der Wiedereingliederung als auch von Maßnahmen des Betrieblichen Eingliederungsmanagements im Sinne von § 84 Abs. 2 SGB IX als alternative Einsatzmöglichkeiten abgesehen hat. Aus dem gleichen Grund ist auch der Einwand der Klägerin zurückzuweisen, der Beklagte sei dem aus Ziff. X 1 der Fürsorgerichtlinien (FMBl 2005, 193, StAnz 2005 Nr. 50) folgenden Gebot der Rücksichtnahme nicht nachgekommen.

Die Klägerin hat als unterlegene Beteiligte nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).

Referenznummer:

R/R5449


Informationsstand: 19.04.2013