Urteil
Außerordentliche krankheitsbedingte Änderungskündigung - Herabgruppierung eines Croupiers

Gericht:

LAG Hessen 13. Kammer


Aktenzeichen:

13 Sa 1603/11


Urteil vom:

17.04.2012


Grundlage:

Orientierungssatz:

Einzelfall einer wirksamen außerordentlichen krankheitsbedingten Änderungskündigung eines Betriebsratsersatzmitglieds.

Auslegung des § 6 des Tronc- und Gehaltstarifvertrags der Spielbank Wiesbaden zu den Voraussetzungen der Eingruppierung in die Tarifstufen Croupier I und II.

Rechtsweg:

ArbG Wiesbaden Urteil vom 15.09.2011 - 5 Ca 1545/11

Quelle:

Rechtsprechungsdatenbank Hessen

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 15. September 2011 - 5 Ca 1545/11 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen krankheitsbedingten Änderungskündigung der Beklagten vom 25. Mai 2011 mit sozialer Auslauffrist zum 31. Dezember 2011.

Die Beklagte betreibt die Spielbank im B. Sie beschäftigt regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer in Vollzeit ausschließlich der zur Berufsausbildung Beschäftigten. Bei der Beklagten ist ein Betriebsrat gebildet.

Der am 24. September 1960 geborene, ledige, kinderlose Kläger ist seit 01. Juli 1986 bei der Beklagten als Croupier beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden die Haustarifverträge der A, u. a. der Tronc- und Gehaltstarifvertrag für die Arbeitnehmer der Gruppe A aus November 2000 Anwendung, den die Beklagte mit der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen geschlossen hat. Der Kläger ist seit 1996 in die Tarifstufe Croupier I eingruppiert. Stellenbeschreibung und Beförderungssystem regelt der Tarifvertrag wie folgt:

"§ 5 Stellenbeschreibung und Stellenbegrenzung
...
I. Spieltechnisches Personal
...
7. Croupier I + II: Arbeitet am Spieltisch bei allen angebotenen Spielen und kann zur Aufsicht am Spieltisch und bei entsprechender Eignung vorübergehend in der Kasse eingesetzt werden.

8. Croupier III - X: Arbeitet am Spieltisch und kann bei entsprechender Eignung vorübergehend in der Kasse eingesetzt werden.
..."

"§ 6 Beförderungsrhythmus und -voraussetzungen

1. Grundvoraussetzung für eine Beförderung ist neben einer freien Planstelle nach § 5 die positive Beurteilung der Mitarbeiterleistung und/oder die Eignung im Hinblick auf die zu besetzende Position.
...

2. In die Croupierstufe X kann nur übernommen werden, wer am Kessel des französischen Roulettes und am Black Jack einsetzbar ist, in die Croupierstufe V nur, wer darüber hinaus auch am American Roulette einsetzbar ist, in die Croupierstufe II nur, wer in allen angebotenen Spielen erfolgreich an einer Grundausbildung teilgenommen hat."

Der Tarifvertrag hatte folgende Vorgängerregelungen:

Zunächst galt der Tarifvertrag vom 06.07.1992. Dieser sieht folgende Regelungen vor:

"§ 5 Stellenbeschreibung und Stellenbegrenzung

...

7. Croupier I und II: Arbeitet am Spieltisch bei allen angebotenen Spielen und kann zur Aufsicht am Spieltisch und bei entsprechender Eignung vorübergehend in der Kasse eingesetzt werden.

8. Croupier III - X: Arbeitet am Spieltisch und kann bei entsprechender Eignung vorübergehend an der Kasse eingesetzt werden.

§ 6 Beförderungsrhythmus und -voraussetzungen

1. Grundvoraussetzung für eine Beförderung ist neben einer freien Planstelle nach § 5 die positive Beurteilung der Mitarbeiterleistung und/oder die Eignung im Hinblick auf die zu besetzende Position. ...

2. In die Croupierstufe I kann nur übernommen werden, wer am Kessel des Französischen Roulettes und am Black Jack einsetzbar ist, in die Croupierstufe V nur, wer darüber hinaus auch am American Roulette einsetzbar ist.

3. Spieltechniker innerhalb der Stufen Croupier V bis Souschef, die bei Inkrafttreten dieses Tarifvertrages nicht in allen angebotenen Spielen einsetzbar sind, behalten ihre Eingruppierung/Anteile und ihre Position, wenn sie bis zum 30.06.1993 die erforderlichen Qualifikationen nachgewiesen haben, anderenfalls werden sie um einen Anteil zurückgestuft und behalten die dann erreichte Croupierstufe. ..."

Zwischen den Beteiligten kam es in der Folgezeit zu erheblichen Differenzen wegen der Einführung des Pokers und wegen des Einsatzes der Croupiers beim Poker. Am 09. März 1995 trat eine Einigungsstelle zusammen, in der die Differenzen beigelegt wurden. Die Einigungsstelle hatte u.a. folgendes Ergebnis:

"2. Herr C und Herr D erklärten, dass sie sich sowohl persönlich als auch unter Einsatz ihrer Ämter bei Tarifvertragsverhandlungen dafür einsetzen werden, dass

a) ...

b) § 6 Ziff. 1 des Tarifvertrages für Arbeitnehmer der Gruppe A dahingehend klargestellt wird, dass die Eignung im Hinblick auf die zu besetzende Position auch dann als erfüllt gilt, wenn der Mitarbeiter hinsichtlich des u.a. angebotenen Spiels Poker die Grundausbildung erfolgreich absolviert hat, ohne dass er im Sinn des § 5 Ziff. 7 beim Poker auch praktisch eingesetzt worden ist bzw. wird.

3. ...

Zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat besteht Einigkeit darüber, dass die gegenwärtige Fassung des Tarifvertrages für Mitarbeiter der Gruppe A aus Gründen des Vertrauensschutzes bereits gegenwärtig so auszulegen ist, wie es aus Gründen der Klarstellung gemäß obiger Ziffer 2. b) künftig in den Tarifvertrag eingefügt werden soll. ..."

In der Folgezeit kam es zu Tarifverhandlungen zwischen der Arbeitgeberin und der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen, Landesbezirk Hessen, die am 30.05.1995 zu einer Tarifvereinbarung führten. Danach wurde § 5 I. Tronc- und Gehaltstarifvertrag für die Gruppe A wie folgt neu formuliert:

"7. Croupier I + II: Hat in allen angebotenen Spielen erfolgreich an einer Grundausbildung teilgenommen, arbeitet am Spieltisch und kann zur Aufsicht am Spieltisch und bei entsprechender Eignung vorübergehend in der Kasse eingesetzt werden."

Am 11. April 1996 wurde der Tarifvertrag überarbeitet. Die §§ 5 und 6 erhielten nunmehr folgende Fassung:

"§ 5 Stellenbeschreibung und Stellenbegrenzung

...

7. Croupier I + II: Arbeitet am Spieltisch bei allen angebotenen Spielen und kann zur Aufsicht am Spieltisch und bei entsprechender Eignung vorübergehend in der Kasse eingesetzt werden.

8. Croupier III - X: Arbeitet am Spieltisch und kann bei entsprechender Eignung vorübergehend in der Kasse eingesetzt werden.

...

§ 6 Beförderungsrhythmus und -voraussetzungen

1. Grundvoraussetzung für eine Beförderung ist neben einer freien Planstelle nach § 5 die positive Beurteilung der Mitarbeiterleistung und/oder die Eignung im Hinblick auf die zu besetzende Position. ...

2. In die Croupierstufe X kann nur übernommen werden, wer am Kessel des Französischen Roulettes und am Black Jack einsetzbar ist, in die Croupierstufe V nur, wer darüber hinaus auch am American Roulette einsetzbar ist, in die Croupierstufe II nur, wer in allen angebotenen Spielen erfolgreich an einer Grundausbildung teilgenommen hat."

In den Protokollnotizen zu den Tarifverträgen vom 11. April 1996 heißt es unter 10:

"Zu Tronc- und Gehaltstarifvertrag der Gruppe A, § 7

Zwischen den Tarifvertragsparteien besteht eine grundsätzliche Übereinstimmung hinsichtlich der Einführung eines Zuschlags wegen der tatsächlichen Mitarbeit bei folgenden Angeboten der Spielbank:

Am Roul, Black Jack, Poker

Über Einzelheiten einer entsprechenden Regelung werden die Tarifvertragsparteien zu gegebener Zeit verhandeln."

Der Kläger ist Ersatzmitglied des Betriebsrats. In dieser Funktion nahm er an zahlreichen Betriebsratssitzungen teil, u. a. am 20. Mai 2011. Als Ersatzmitglied wird der Kläger insbesondere tätig, wenn das Betriebsratsmitglied S. verhindert ist. Dieser befindet sich in Altersteilzeit, die derart ausgestaltet ist, dass sich Beschäftigung und Freistellung monatlich abwechseln. Am 25. Mai 2011 war das Betriebsratsmitglied S. nicht verhindert.

Bereits am 29. November 2006 hatte der Kläger der Beklagten ein Attest vorgelegt, wonach es notwendig sei, ihn bis auf weiteres nicht mehr im Pokerspiel zu beschäftigen. Am 07. Dezember 2006 hatte die Beklagte deshalb beim damaligen Betriebsrat die Zustimmung zu einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist beantragt. Der Kläger war damals Betriebsratsmitglied. Am 10. Dezember 2006 hatte der Betriebsrat seine Zustimmung verweigert.

In der folgenden gerichtlichen Auseinandersetzung wurde erst- und zweitinstanzlich die Zustimmung des Betriebsrates zu der geplanten außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist erteilt. Insoweit wird auf die Entscheidungen des Arbeitsgerichtes Wiesbaden vom 16. Mai 2007 - 6 BV 104/06 (Bl. 51 ff. d. A.) - sowie des Hessischen Landesarbeitsgerichtes vom 15. Mai 2008 - 5 TaBV 149/07 (Bl. 40 ff. d. A.) - verwiesen. Eine Entscheidung über die eingelegte Rechtsbeschwerde wurde in der Sache vom Bundesarbeitsgericht nicht getroffen, da die Wahl des damaligen Betriebsrates zwischenzeitlich erfolgreich angefochten worden war (AZ.: 2 ABR 53/08).

Am 30. September 2010 schrieb die Beklagte den Kläger erneut an und erfragte den aktuellen Gesundheitszustand (Bl. 46 d. A.). Der Kläger legte daraufhin ein Attest vom 08. Oktober 2010 (Bl. 47 d. A.) vor, das ausführt:

"Der Gesundheitszustand von Herrn E hat sich insgesamt etwas gebessert. Voraussetzung für eine anhaltende Verbesserung ist bis auf weiteres eine Befreiung vom Einsatz am Poker-Spiel."

Nach weiterem Zuwarten hörte die Beklagte unter dem 19. Mai 2011 den Betriebsrat zur beabsichtigten außerordentlichen Änderungskündigung mit sozialer Auslauffrist an (Bl. 18 d. A.). Der Betriebsrat äußerte unter dem 20. Mai 2011(Bl. 50 d. A.) diesbezüglich Bedenken.

Unter dem 25. Mai 2011 sprach die Beklagte dann dem Kläger eine außerordentliche Änderungskündigung mit sozialer Auslauffrist aus (Bl. 14 d. A.). Das Änderungsangebot richtete sich auf eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses gemäß Aufgabengebiet und Vergütung eines Croupiers der Tarifstufe Croupier III. Der Kläger nahm dieses Angebot am 06. Juni 2011 unter Vorbehalt an.

Mit Klage vom 08. Juni 2011, der Beklagten am 16. Juni 2011, zugestellt, hat sich der Kläger gegen die Wirksamkeit diese Änderungskündigung gewandt.

Der Kläger ist der Ansicht gewesen, aufgrund seiner regelmäßigen Vertretungsphasen für das Betriebsratsmitglied F bedürfe auch seine Kündigung der Zustimmung des Betriebsrats. Jedenfalls gebiete der nachwirkende Kündigungsschutz für ihn als Ersatzmitglied des Betriebsrats, dass auch fristlose Kündigungen mit sozialer Auslauffrist, die einer ordentlichen Kündigung gleichzustellen seien, rechtlich untersagt seien.

Des Weiteren fehle es auch am Vorliegen eines wichtigen Grundes für eine fristlose Kündigung. Der Kläger hat dazu behauptet, eine negative Gesundheitsprognose sei nicht gegeben. Sein Gesundheitszustand habe sich gebessert.

Auch sei der einschlägige Tarifvertrag nach Meinung des Klägers derart auszulegen, dass für die Eingruppierung in die Tarifstufe Croupier I eine tatsächliche Einsatzfähigkeit in allen Spielen nicht erforderlich sei.

Schließlich habe der Arbeitgeber ein betriebliches Wiedereingliederungsmanagement durchführen müssen. Darüber hinaus habe die Beklagte die Kündigungserklärungsfrist des § 626 BGB nicht eingehalten, da sie, die Beklagte, unstreitig von der Erkrankung des Klägers bereits seit Oktober 2006 Kenntnis hatte. Auch die Anhörung des Betriebsrates sei fehlerhaft, da der Betriebsrat nicht auf ein betriebliches Wiedereingliederungsmanagement hingewiesen worden sei und die Rechtfertigung der Kündigung sowie deren Interessenabwägung nicht aufgezeigt worden sei.


Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen gemäß der Änderungskündigung der Beklagten vom 25. Mai 2011 sozial ungerecht fertigt bzw. aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist.


Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet, der Kläger könne die Tätigkeiten am Pokertisch und damit die Tätigkeiten eines Croupiers der Tarifstufe I nicht dauerhaft ausfüllen. Die tatsächliche Einsetzbarkeit auch am Pokertisch sei zur Erfüllung der Eingruppierungsvoraussetzungen der Tarifstufe I Croupier aber notwendig. Es sei ihr nicht zuzumuten, dem Kläger weiter eine nicht gerechtfertigte Vergütung zu zahlen und damit das Vergütungsgefüge insgesamt zu verzerren.

Mit Urteil vom 15. September 2011 hat das Arbeitsgericht die Klage unter Zulassung der Berufung abgewiesen, im Wesentlichen mit der Begründung, für die außerordentliche Änderungskündigung bestehe mit der fortgesetzten Erkrankung des Klägers ein wichtiger Grund. Der Betriebsrat sei an der Kündigung ordnungsgemäß beteiligt gewesen, insbesondere habe es einer ausdrücklichen Zustimmung des Betriebsrats zur Kündigung nicht bedurft. Die Änderungskündigung in die Tarifstufe Croupier III sei hinreichend, aber auch notwendig gewesen, weil der Kläger nicht mehr an allen Spielen tatsächlich einsetzbar sei. Angesicht der Erkrankung als Dauertatbestand sei auch die zweiwöchige gesetzliche Kündigungsfrist eingehalten. Ein Wiedereingliederungsmanagement habe die Beklagte angesichts der mit sozialer Auslauffrist erklärten Änderungskündigung nicht durchführen müssen. Wegen der Einzelheiten wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen (Bl. 118 - 126 Rückseite d. A.).

Gegen dieses dem Kläger am 25. Oktober 2011 zugestellte Urteil hat dieser mit einem am 10. November 2011 beim erkennenden Gericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 27. Dezember 2011 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Der Kläger wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen. Er ist nach wie vor der Ansicht, dass ihn das Gesetz auch vor außerordentlichen Kündigungen mit einer Auslauffrist schütze, weil diese einer ordentlichen Kündigung gleichkämen, vor der er als Ersatzmitglied des Betriebsrats im fraglichen Zeitpunkt geschützt war.

Die im Wege der Änderungskündigung erfolgte Herabgruppierung sei trotz seiner Erkrankung nicht geboten, weil für die Tarifstufe I des o. a. Tarifvertrages die Einsatzfähigkeit am Pokertisch nicht zwingend erforderlich sei. Es genüge die bei ihm vorhandene Ausbildung und Eignung. Seine Erkrankung sei im Übrigen auch kein ausreichender wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung.


Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 15. September 2011 - 5 Ca 1545/11 - abzuändern und festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen gemäß der Änderungskündigung der Beklagten vom 25. Mai 2011 sozial ungerechtfertigt bzw. aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist.


Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Vertiefung ihrer erstinstanzlich vorgebrachten tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen.

Wegen des sonstigen Vorbringens der Parteien ím zweiten Rechtszug wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Niederschrift der Berufungsverhandlung vom 17. April 2012 Bezug genommen.

Die Akte des Beschwerdeverfahrens im Beschlussverfahren 5 TaBV 149/07 des erkennenden Gerichts war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den § 8 Abs. 2 ArbGG; 511 ZPO an sich statthafte Berufung begegnet nach der ausdrücklichen Zulassung der Berufung hinsichtlich des Wertes des Beschwerdegegenstandes keinen Bedenken (§ 64 Abs. 2 lit a ArbGG). Sie ist nach Maßgabe der im Tatbestand mitgeteilten Daten form- und fristgerecht eingelegt sowie rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet worden (§§ 66 Abs. 1 ArbGG; 517; 519; 520 ZPO) und damit insgesamt zulässig.

In der Sache ist die Berufung erfolglos.

Die dem Kläger am 25. Mai 2011 erklärte Änderungskündigung ist wirksam und hat das Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 2011 dahin geändert, dass der Kläger bei unveränderten Arbeitsbedingungen nach Tarifstufe Croupier III aus dem Tronc- und Gehaltstarifvertrag für die Arbeitnehmer der Gruppe A des Haustarifvertrags der Beklagten vom November 2000 vergütet wird.

Nach rechtzeitiger Klageerhebung im Sinne des zweifelsfrei anwendbaren Kündigungsschutzgesetzes (§§ 1 Abs. 1; 2; 23 Abs. 1; 4 KSchG) sind Unwirksamkeitsgründe für die streitbefangene Änderungskündigung nicht erkennbar.

Die Kündigung durfte ohne Zustimmung des Betriebsrats ausgesprochen werden. Der Kläger kann sich nicht auf den Sonderkündigungsschutz gemäß § 15 Abs. 1 KSchG in Verbindung mit § 103 BetrVG berufen. Danach bedarf die außerordentliche Kündigung von Mitgliedern des Betriebsrats der Zustimmung des Betriebsrats. Der Kläger war aber nicht Mitglied des Betriebsrats, sondern dessen Ersatzmitglied. Für Ersatzmitglieder besteht der - volle - Sonderkündigungsschutz aus § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG nur während der Vertretungszeit und für deren Dauer.

Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 BetrVG rückt ein Ersatzmitglied in den Betriebsrat nach, sofern ein ordentliches Mitglied aus ihm ausscheidet. Das gilt nach § 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG entsprechend für die Dauer der Stellvertretung eines zeitweilig verhinderten ordentlichen Mitglieds. Eine zeitweilige Verhinderung in diesem Sinne liegt vor, wenn ein Betriebsratsmitglied aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht in der Lage ist, sein Amt auszuüben (vgl. BAG vom 08. September 2011 - 2 AZR 388/10 -, NZA 2012, 400; BAG vom 17. Januar 1979 - 5 AZR 891/77 -, AP Nr. 5 zu § 15 KSchG 1969). Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall gegeben, wenn der Kläger z. B. das Betriebsratsmitglied S. in Phasen von dessen altersteilzeitbedingter Abwesenheit vertritt. Dies war aber zum Zeitpunkt des Ausspruchs der hier streitigen Kündigung nicht der Fall. Wie das Arbeitsgericht bereits festgestellt hat, ergibt sich aus der Tatsache, dass der Kläger das Betriebsratsmitglied F offenbar in regelmäßigem Rhythmus vertreten hat, nichts anderes. Eine beliebige Ausweitung des - vollen - Sonderkündigungsschutzes für Betriebsratsmitglieder durch "geschickte" Organisation der Vertretungsregeln steht dem Willen des Gesetzes entgegen. Der gesetzliche Sonderkündigungsschutz soll klar und auch für den Arbeitgeber nachvollziehbar nach Mitgliedern und Ersatzmitgliedern des Betriebsrats differenziert sein.

Dem Kläger kommt allerdings auch nicht der Sonderkündigungsschutz für aktiv gewesene Ersatzmitglieder gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG zu Gute. Hiernach ist die ordentliche Kündigung - auch Änderungskündigung - eines Mitglieds des Betriebsrats innerhalb eines Jahres nach Beendigung der Amtszeit jeweils vom Zeitpunkt der Beendigung der Amtszeit angerechnet unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die dem Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen. Ausdrücklich ausgenommen ist also die Möglichkeit einer außerordentlichen Kündigung. Eine außerordentliche Kündigung liegt auch vor, wenn sie als außerordentliche erklärt wird, jedoch nicht fristlos, sondern unter Wahrung einer sozialen Auslauffrist ausgesprochen wird (so schon BAG vom 03. Dezember 1954 - 1 AZR 150/54 - AP Nr. 2 zu § 13 KSchG, ErfK-Kiel, 12. Aufl. 2012, § 15 KSchG Randziffer 24).

Es ist zwar umstritten, ob die in § 15 Abs. 1-3a geschützten Personen außerordentlich mit Auslauffrist gekündigt werden können, wenn ein Grund zur fristlosen Kündigung nicht vorliegt (vgl. dazu APS-Linck, Kündigungsrecht, 4. Auflage 2012, § 15 KSchG Randziffern 128 ff, n. w. N.). Diesen Fall behandelt auch die vom Kläger angeführte Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 15. März 2001 (- 2 AZR 624/99 -, NZA-RR 2002, 20). Im vorliegenden Fall geht es jedoch um die Prüfung einer außerordentlichen Kündigung auf ihren wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB. Nach zutreffender Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist für eine außerordentliche Kündigung eines ordentlich unkündbaren Arbeitnehmers entscheidend, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der fiktiven Kündigungsfrist unzumutbar und damit unabweisbar alsbald notwendig wäre (BAG vom 17. Januar 2008 - 2 AZR 821/06 -, NZA 2008, 777; BAG vom 29. März 2007 - 8 AZR 538/06 -, AP Nr. 4 zu § 613 a BGB Widerspruch; BAG vom 08. April 2003 - 2 AZR 355/02 -, AP Nr. 181 zu § 626 BGB). Das gilt nicht nur bei individuell oder tarifvertraglich vereinbartem Ausschluss der ordentlichen Kündigung, sondern nach ständiger Rechtsprechung des BAG auch bei Arbeitnehmern, denen gegenüber die ordentliche Kündigung nach § 15 KSchG ausgeschlossen ist (BAG vom 17. Januar 2008, a. a. O.; BAG vom 10. Februar 1999 - 2 ABR 31/98 -, BAGE 91, 30; BAG vom 21. Juni 1995 - 2 ABR 28/94 -, NZA 95, 1157; BAG vom 18. Februar 1993 - 2 AZR 526/92 -, AP Nr. 35 zu § 15 KSchG 1969). Außerdem muss die Kündigung auch für den Arbeitnehmer zumutbar sein (BAG vom 21. Juni 1995, a. a. O. und BAG vom 27. September 2001 - 2 AZR 487/00 -, EzA Nr. 54 zu § 15 KSchG).

Diese Voraussetzungen sind aufgrund der schon seit Jahren beschränkten Einsatzfähigkeit des Klägers gegeben, der krankheitsbedingt nicht am Pokertisch arbeiten kann.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der die Kammer folgt, sind krankheitsbedingte Kündigungen auf ihre Wirksamkeit hin dreistufig zu prüfen (vgl. u. a. BAG vom 19. April 2007 -2 AZR 239/06-, NZA 2007, 1041; APS-Dörner/Vossen, Kündigungsrecht, 4. Aufl. 2012, § 1 KSchG Randziffer 138 ff, m.w.N.). Es ist zunächst eine negative Prognose hinsichtlich der voraussichtlichen Dauer der Arbeitsunfähigkeit erforderlich, sodann eine darauf beruhende erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen, worauf schließlich in einer dritten Stufe im Rahmen einer Interessenabwägung festzustellen ist, ob die betrieblichen Beeinträchtigungen zu eine billigerweise nicht mehr hinzunehmenden Belastung des Arbeitgebers führen. Für eine Änderungskündigung gilt nichts anderes.

Die Berufungskammer geht mit dem Arbeitsgericht und auch schon der 5. Kammer des erkennenden Gerichts in dem "Vorverfahren" -5 TaBV 149/07- (Beschluss vom 15. Mai 2008) von einer negativen Gesundheitsprognose bezüglich des Klägers aus. Es ist nämlich entgegen seiner Behauptung derzeit nicht absehbar, wann die gegenwärtige Beeinträchtigung - das Unvermögen, im Pokerspiel als Croupier eingesetzt zu werden - enden wird. Dies ergibt sich zunächst aus dem ursprünglichen Attest des Klägers aus Oktober 2006. Die negative Prognose wird bestärkt durch das auf Nachfrage der Beklagten vom Kläger vorgelegte Attest vom 08. Oktober 2010. Aus diesem lässt sich entgegen der Behauptung des Klägers gerade nicht entnehmen, dass er in absehbarer Zeit seine Einsatzfähigkeit im Pokerspiel wieder erlangen werde. Das Attest lässt völlig offen, in welchem Umfang Besserung eingetreten ist und inwieweit in welchem zeitlichen Rahmen eine endgültige Genesung zu erwarten ist. Insbesondere hebt das Attest hervor, dass "bis auf Weiteres" eine Befreiung vom Einsatz am Pokerspiel erforderlich ist. Die Formulierung "bis auf Weiteres" lässt auf einen unbestimmten Zeitraum in der Zukunft schließen. Daran ändert auch das unsubstantiierte Vorbringen des Klägers nichts, sein Gesundheitszustand werde sich bessern.

Auch eine erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen ist aufgrund der gesundheitlichen Einschränkung des Klägers festzustellen. Die gesundheitliche Beeinträchtigung des Klägers führt bei Beibehaltung seiner bisherigen Vergütung als Croupier der Tarifstufe I zu einer übertariflichen Vergütung und damit zu einer Verletzung der Ausgewogenheit des betrieblichen Vergütungssystems. Die Beklagte wäre gehalten, auf unkalkulierbar lange Zeit dem Kläger eine höhere Vergütung zu zahlen als sie nach der Tariflage geboten wäre. Hinzukommt, dass gemäß dem Entlohnungssystem der Beklagten die Mittel zur Vergütung der Croupiers allein aus dem Tronc erhoben und nach einem Punktesystem verteilt werden. Die übertarifliche Vergütung eines Croupiers wirkt sich auf diese Weise nachteilig auf die Vergütung der übrigen Mitarbeiter aus.

Die Einsatzbeschränkung des Klägers führt auch zwingend dazu, das andere Mitarbeiter in entsprechend großem Umfang diese Spielart zu betreuen haben, auch wenn, wie der Kläger vorträgt, nicht alle Croupiers im Pokerspiel eingesetzt werden. Jedenfalls wäre die Planungs- und Organisationsfreiheit der Beklagten über das Maß des Notwendigen hinaus eingeschränkt, was sich insbesondere bei Urlaub- und Krankheitszeiten auswirkt (so auch schon Hessisches Landesarbeitsgericht vom 15. Mai 2008, a. a.O.).

Entgegen der Ansicht des Klägers kann und darf die Beklagte den Kläger wegen seiner gesundheitlichen Einschränkung in die Tarifstufe Croupier III des o. a. Tronc- und Gehaltstarifvertrages "herabgruppieren".

Der Kläger kann nämlich nicht mehr, wie es die Tarifstufen Croupier I und II verlangen, "an allen angebotenen Spielen" arbeiten (§ 5 Abs. 1 Nr. 7 des Tarifvertrages).

Die Auslegung ergibt, dass damit ein Croupier für die Tarifstufe I an allen Spielen, auch dem Pokerspiel, tatsächlich einsetzbar sein muss. Der Wortlaut der entsprechenden Tarifnorm ist eindeutig. Dass der Croupier I und II am Spieltisch bei allen angebotenen Spieltischen "arbeitet", macht klar, dass es nicht ausreicht, eine Grundausbildung absolviert zu haben, die tatsächliche Einsatzfähigkeit, etwa aus personenbedingten Gründen, jedoch nicht gegeben ist. Voraussetzung für die Vergütung nach Croupier Stufe I und II ist es zwar nicht, dass der Croupier im Vergütungszeitraum tatsächlich an allen Spieltischen eingesetzt wird. Der Arbeitgeber hat die höhere Vergütung jedoch für die flexible Einsatzfähigkeit am Spieltisch bei allen angebotenen Spielen zu zahlen und dafür, dass der Croupier für den Einsatz am Spieltisch bei allen angebotenen Spielen zur Verfügung steht. Der Arbeitgeber zahlt die höhere Vergütung, weil er mittels seines Direktionsrechts jederzeit in der Lage ist, eine andere Tischbesetzung vorzunehmen. Aus der Tarifgeschichte kann kein dem klaren Wortlaut und dem Sinn und Zweck der Tarifnorm widersprechendes Ergebnis abgeleitet werden. Auch die früheren im Tatbestand wiedergegebenen Fassungen des Tarifvertrages sagen nichts, was den Wortlaut der aktuellen Fassung relativieren könnte. Immer war von vom tatsächlichen Arbeiten, nicht nur von der bloßen Eignung für einen Einsatz die Rede. Die Protokollerklärung Ziffer 7 b der Einigungsstellensitzung vom 09. März 1995 kann ebenfalls nicht dazu führen, den Tarifvertrag entgegen seinem Wortlaut auszulegen. Zudem handelt es sich dort lediglich um eine Absichtserklärung, die seit 1996 nicht tarifvertraglich umgesetzt worden ist (so schon Hessisches Landesarbeitsgericht vom 01. Juni 2006 - 9 Sa 1743/09 -, zitiert nach juris; Hessisches Landesarbeitsgericht vom 15. Mai 2008 - 5 TaBV 149/07-).

§ 6 des Tronc- und Gehaltstarifvertrages setzt für die Tarifstufe Croupier II zwar neben entweder der positiven Beurteilung der Mitarbeiterleistung und/oder der Eignung im Hinblick auf die zu besetzende Stelle die erfolgreiche Teilnahme an einer Grundausbildung für alle angebotenen Spiele voraus. Damit ist jedoch nur eine subjektive Voraussetzung für die Beförderung formuliert, zu der dann noch eine tatsächliche persönliche Einsetzbarkeit gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 7 des Tarifvertrages kommen muss, um in die Tarifstufe Croupier I oder II befördert zu werden (ebenso auch Hessisches Landesarbeitsgericht vom 01. Juni 2006, - 9 Sa 1743/05 - a.a.O. und Hessisches Landesarbeitsgericht vom 15. Mai 2008, - 5 TaBV 149/07 -, entgegen Hessisches Landesarbeitsgericht vom 26. April 2005, - 18/4 TaBV 89/04 -, das entgegen der hier vertretenen Ansicht den Wortlaut der Tarifnorm im Verhältnis zur Entstehungsgeschichte nicht ausreichend berücksichtigt hat).

Auch die am Ende vorzunehmende Interessenabwägung fällt zu Lasten des Klägers aus. Der Ausspruch der außerordentlichen Änderungskündigung mit Auslauffrist erweist sich für die Beklagte als notwendig und für den Kläger als zumutbar.

Ihm wird mit der neuen Vergütung nichts anderes als eine tarifgerechte Bezahlung zugemutet. Hinzukommt, dass diese Vergütungsminderung erst nach Auslauf der sozialen Auslauffrist hinzunehmen ist. Weiter ist zu bedenken, dass die Einkommenseinbuße nur bezogen ist auf den gesundheitlichen Zustand des Klägers. Nach seiner Wiedergenesung steht es ihm offen, unter Berücksichtigung der betrieblichen Gegebenheiten wieder in die Tarifstufe Croupier I aufzurücken. Die Beklagte muss sich auch nicht darauf verweisen lassen abzuwarten, bis der nachwirkende besondere Kündigungsschutz des Klägers beendet ist. Zum einen ist dies zeitlich derzeit nicht überschaubar. Zum anderen fällt zu Gunsten der Beklagten ins Gewicht, das sie keine fristlose Beendigungskündigung mit sozialer Auslauffrist ausgesprochen hat, sondern nur die Änderung der Arbeitsbedingungen im Streit stehen. In dieser Situation ist die Beklagte nicht gehalten, solange abzuwarten, bis der nachwirkende Kündigungsschutz irgendwann in der Zukunft ausgelaufen ist.

Der Kläger kann sich auch nicht auf das Unterbleiben eines betrieblichen Wiedereingliederungsmanagements im Sinne des § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX berufen. Die Beklagte hat im vorliegenden Fall gerade eine Änderungskündigung ausgesprochen, um der tariflichen Regelung hinsichtlich der Voraussetzung der Einsetzbarkeit in allen Spielen gerecht zu werden. Im Rahmen eines betrieblichen Eingliederungsmanagements hätte kein anderes Ergebnis gefunden werden können. Die Beklagte hat, wie das Arbeitsgericht bereits zutreffend festgestellt hat, mit ihrer Änderungskündigung vielmehr den Zielen eines betrieblichen Eingliederungsmanagements Rechnung getragen und dem Kläger einen seinem Gesundheitszustand entsprechenden Arbeitsplatz angeboten.

Schließlich ist entgegen der Ansicht des Klägers auch die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB eingehalten, die höchstens zwischen der Kenntnis der maßgeblichen Kündigungsgründe und dem Kündigungsausspruch verstreichen darf. Vorliegend handelt es sich um einen Dauertatbestand, der sich Tag für Tag verwirklicht und jedenfalls solange als wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB dienen kann, wie der Dauertatbestand anhält (BAG vom 06. Oktober 2005 - 2 AZR 362/04 -, NZA-RR 2006, 416; APS/Kiel, Kündigungsrecht, 4. Auflage 2012, § 626 BGB Randziffer 318 t).

Auch von einer Verwirkung des Kündigungsrechts kann entgegen der Ansicht des Klägers nicht die Rede sein. Dem Kläger wird zwar schon seit über 15 Jahren Vergütung nach Tarifstufe Croupier I gezahlt. Seit dem Jahr 2006 versucht die Beklagte aber, den Kläger wegen seiner gesundheitlichen Beschränkung in die Tarifstufe Croupier III "herabzugruppieren". Dies ist, wie im Tatbestand geschildert, im Jahre 2008 aus kollektiv-rechtlichen Gründen vor dem Bundesarbeitsgericht gescheitert. Allein aus der Tatsache, dass die Beklagte dann von 2008 bis 2010 gewartet hat, um den Gesundheitszustand des Klägers erneut zu überprüfen und dann eine neue Kündigung auszusprechen, lässt sich eine Verwirkung des Kündigungsrechts nicht herleiten. Bekanntlich gehören zum Tatbestand der Verwirkung nicht nur der Nichtgebrauch eines Rechts über länge Zeit (Zeitmoment), sondern auch, dass sich der Verpflichtete nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten darauf einrichten dürfte und eingerichtet hat, dass dieser das Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde (Umstandsmoment; vgl. dazu statt vieler Palandt, BGB, 71. Auflage 2012, § 242 BGB Randziffer 93 ff). An Letzterem fehlt es hier offenkundig. Außer dem Zeitablauf gibt es nichts im Verhalten der Beklagten, was beim Kläger die berechtigte Hoffnung nähren durfte, die Beklagte werde ihr Kündigungsrecht nicht mehr geltend machen.

Die ordnungsgemäße Beteiligung des Betriebsrats im Sinne des § 102 BetrVG ist im zweiten Rechtszug nicht mehr gesondert gerügt worden. Sie ist frei von Rechtsbedenken. Die Kammer macht sich insoweit die Ausführungen des Arbeitsgerichts in dem angefochtenen Urteil zu Eigen und verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf sie.

Der Kläger hat die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

Die Zulassung der Revision hat ihren Grund in der Divergenz der vorliegenden Entscheidung zu der zitierten Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 26. April 2005 - 18/4 TaBV 89/04 - (§ 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG).

Referenznummer:

R/R5886


Informationsstand: 19.11.2013