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Urteil
Zurruhesetzung eines Beamten

Gericht:

OVG NRW 6. Senat


Aktenzeichen:

6 A 2328/16


Urteil vom:

12.03.2018


Tenor:

Der Antrag wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf die Wertstufe bis 65.000 Euro festgesetzt.

Rechtsweg:

VG Düsseldorf - 2 K 1873/15

Quelle:

Justizportal des Landes NRW

Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

I. Aus den im Zulassungsverfahren dargelegten Gründen ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.

Das Verwaltungsgericht hat angenommen, die angefochtene Zurruhesetzungsverfügung vom 10. Februar 2015 sei rechtmäßig. Die Klägerin sei im maßgeblichen Zeitpunkt ihres Erlasses dienstunfähig gewesen. Ein ihrem Statusamt als Studienrätin zugeordneter Dienstposten, dessen Anforderungen die Klägerin gesundheitlich gewachsen gewesen wäre, habe bei der Beschäftigungsbehörde nicht zur Verfügung gestanden. Es liege auch kein Verstoß gegen die Pflicht des beklagten Landes vor, eine anderweitige Verwendung zu prüfen, da feststehe, dass die Klägerin keinerlei Dienst mehr verrichten könne. Dies sei durch das Scheitern der mit einer äußerst geringen Belastung verbundenen Wiedereingliederung nach den nachvollziehbaren amtsärztlichen Feststellungen hinreichend zum Ausdruck gekommen.

1. Die Antragsbegründung zeigt keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Erwägung auf, die Klägerin sei im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der Zurruhesetzungsverfügung dienstunfähig gewesen.

Ohne Erfolg macht sie geltend, es fehle an einer tauglichen medizinischen Grundlage für die Zurruhesetzung. Diese besteht in dem amtsärztlichen Gutachten des Dr. S.vom 17. April 2014, worin nachvollziehbar begründet die dauernde Dienstunfähigkeit bejaht wird. Eine andere Bewertung folgt entgegen dem Zulassungsvorbringen auch nicht aus der Befürwortung einer erneuten Wiedereingliederung durch Herrn Dr. S. in seiner Stellungnahme vom 17. Juli 2014. Soweit die Klägerin kritisiert, diese Stellungnahme sei keine Diagnose, sondern eine Prognose, verkennt sie nicht nur, dass die Diagnose „Anpassungsstörung“ sowie „Depression mit deutlicher Einschränkung der psychomentalen Belastbarkeit“ im Gutachten vom 17. April 2014 bereits gestellt war, sondern lässt auch die rechtlichen Maßstäbe außer Acht. Die nach § 26 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG vorzunehmende Prüfung, ob der Beamte zur Erfüllung seiner Dienstpflichten dauernd unfähig ist, enthält notwendigerweise eine Prognose. Dabei ist es Sache des Arztes, den Gesundheitszustand festzustellen und medizinisch zu bewerten, aber Aufgabe der Behörde, die Schlussfolgerungen daraus für die Beurteilung der Dienstfähigkeit zu ziehen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. März 2015 - 2 C 37.13 -, NVwZ-RR 2015, 625 = juris, Rn.12, m.w.N.

Dies zugrunde gelegt, bedurfte es auch keiner erneuten amtsärztlichen Begutachtung nach der erfolglosen Wiedereingliederungsmaßnahme. Mit dem amtsärztlichen Gutachten vom 17. April 2014, das im Grunde mit der Stellungnahme vom 17. Juli 2014 bestätigt worden ist („keine wesentlichen Änderungen des Gesundheitszustandes“), lag eine hinreichende Grundlage für die erforderliche Beurteilung der Behörde vor. Offenbar war der Amtsarzt Dr. S. im Juli 2014 bei unveränderter medizinischer Sachlage der Meinung, der Klägerin solle eine letzte Möglichkeit zur Wiedereingliederung eingeräumt werden. Er hat aber ausdrücklich klargestellt, dass „beim erneuten Scheitern dieser Maßnahme trotz der geringen dienstlichen Belastung aus meiner Sicht dann allerdings alle Möglichkeiten zur Vermeidung einer dauernden Dienstunfähigkeit ausgeschöpft“ seien.
Zu Unrecht bringt die Klägerin weiter vor, auf die gescheiterte Wiedereingliederung dürfe nicht abgestellt werden, weil ihr bei der Maßnahme nicht die gebotene Fürsorgepflicht entgegengebracht worden sei, man sie bei der Gestaltung ungeachtet ihrer Schwerbehinderung nicht beteiligt habe und die Verteilung auf drei aufeinanderfolgende Tage ohne Erholungspausen eine gesundheitliche Überforderung gewesen sei. Der Wiedereingliederungsversuch war vielmehr mit einer äußerst geringen Belastung verbunden, die sich aus der außergewöhnlich niedrigen Stundenzahl und der übermäßig langen Laufzeit ergibt: Die Klägerin sollte im ersten Schulhalbjahr, vom 18. August 2014 bis zum 1. Februar 2015, lediglich vier Wochenstunden und anschließend im zweiten Halbjahr bis zum 28. Juni 2015 nur acht Wochenstunden unterrichten. Überdies waren die Wochenstunden auf mehrere Tage verteilt und damit ausreichende Erholungszeiten gewährleistet. Das Integrationsfachamt lässt in seiner von der Klägerin vorgelegten Stellungnahme vom 8. Dezember 2014 völlig außer Acht, dass die Klägerin dienstags nur zwei, mittwochs und donnerstags lediglich je eine Schulstunde unterrichten sollte. Dass schon diese geringe Belastung an einer Schule, an der sie sich nach eigener Erklärung nach der zuvor absolvierten Hospitation wohl fühlte, bereits nach kurzer Zeit - am 10. September 2014 meldete die Klägerin sich erneut dienstunfähig - eine gesundheitliche Überforderung war, wie die Klägerin selbst vorträgt, belegt die Annahme der dauernden Dienstunfähigkeit deutlich.

Das Verwaltungsgericht hat weiter zutreffend darauf hingewiesen, dass es für die Frage der Dienstunfähigkeit und der Zurruhesetzung nicht entscheidend ist, worauf sie zurückzuführen ist und ob der Dienstherr in der Vergangenheit seine Fürsorgepflicht gewahrt hat. Darauf wird Bezug genommen. Im Übrigen kann von fürsorgepflichtwidrigem Verhalten oder dem von der Klägerin gar behaupteten Mobbing nicht ansatzweise die Rede sein. Das beklagte Land hat im Fall der Klägerin vielmehr seit 2004 über das übliche Maß hinaus alles getan, um ihr den Verbleib im aktiven Schuldienst zu ermöglichen, was im Übrigen - legt man die zahlreichen bei den Akten befindlichen Beschwerden von Schulleitern, Eltern und Lehrern zugrunde - aufgrund der jeweils massiven Fehlzeiten und der Art und Weise, wie und wann die Klägerin diese (erst) gemeldet hat, regelmäßig zu nicht unerheblichen Beeinträchtigungen des ordnungsgemäßen Schulbetriebs geführt hat. Der Dienstherr hat der Klägerin an zahlreichen Schulen und auch in einem anderen Regierungsbezirk wiederholte Neustarts ermöglicht, die sämtlich gescheitert sind. Die Klägerin war an den Schulen jeweils nur wenige Tage bis allenfalls wenige Monate aktiv im Dienst, wobei sie ihre Stundenzahl schon überwiegend auf 13 Stunden reduziert hatte. Sie war nach den massiven Fehlzeiten an der Gesamtschule T. nicht nur an die - von ihrem Wohnort weiter entfernte - Gesamtschule X., sondern nachfolgend noch an die I. -Gesamtschule X1. , das D. -S1. -Gymnasium I1. und an die Gesamtschule I2. abgeordnet. Seit der - schon zweieinhalb Jahre nach der zunächst angefochtenen Zurruhesetzung erfolgten ‑ Reaktivierung im Jahr 2011 war sie zunächst an der X2. -C. -Gesamtschule C1. tätig, ehe ein weiterer Neubeginn an der Gesamtschule Solingen ermöglicht wurde. Angesichts der Vielzahl der Schulleiter einerseits und der Mitarbeiter bei den Bezirksregierungen andererseits, mit denen die Klägerin im Laufe der Jahre zu tun hatte, entbehren die zudem unsubstantiierten Mobbingvorwürfe jeglicher Grundlage. Der Hinweis auf die E-Mail des Sachbearbeiters der Bezirksregierung Arnsberg ist verfehlt. Abgesehen davon, dass die E-Mail vom 12. Oktober 2004 im Zeitpunkt der Zurruhesetzung bereits zehn Jahre zurück lag, wird sie nicht nur aus dem Zusammenhang gerissen, sondern auch noch falsch zitiert. Herr Meinolf V. hat darin dem Schulleiter S2. mitgeteilt: „Wir haben Frau B.-K. zzt. massiv unter Druck gesetzt“; die Klägerin gibt hingegen wieder: „Sie haben Frau B.-K. zzt. massiv unter Druck gesetzt“. Im Übrigen war deshalb auf die Klägerin Druck ausgeübt worden, weil sie in amtsärztlichen Gutachten wiederholt für dienstfähig erachtet worden war, aber gleichwohl unter Berufung auf Bescheinigungen verschiedener behandelnder Ärzte nicht zum Dienst erschienen war.

2. Die Klägerin legt auch keine ernstlichen Zweifel hinsichtlich der Annahme des Verwaltungsgerichts dar, das beklagte Land habe nicht gegen die Pflicht verstoßen, eine anderweitige Verwendung zu prüfen. Mit dem Zulassungsvorbringen wird der rechtliche Ausgangspunkt des Verwaltungsgerichts nicht schlüssig in Frage gestellt, es habe keine Suchpflicht bestanden, weil die Klägerin krankheitsbedingt keinerlei Dienst mehr verrichten konnte bzw. erhebliche Fehlzeiten zu erwarten waren.

Vgl. dazu auch BVerwG, Beschlüsse vom 6. November 2014 ‑ 2 B 97.13 -, NVwZ 2015, 439 = juris, Rn. 13, und vom 14. April 2011 - 2 B 80.10 -, juris, Rn. 16 f.; OVG NRW, Urteil vom 4. November 2015 - 6 A 1364/14 -, juris, Rn. 52.

Die Antragsbegründung verhält sich im Wesentlichen zu den Anforderungen an die Suchpflicht. Im Übrigen ergibt sich aus den obigen Ausführungen, dass auch eine anderweitige Verwendung ausschied. Dies folgt nicht nur aus den vorliegenden ärztlichen Gutachten und Stellungnahmen, sondern zuletzt aus dem Umstand, dass die Klägerin, die an einer Depression mit deutlicher Einschränkung der psychomentalen Belastbarkeit litt, selbst nach längerer Fehlzeit zur Erbringung von lediglich vier, auf drei Tage verteilten Unterrichtsstunden gesundheitlich nicht in der Lage war, ohne dass vorgetragen oder aus den umfangreichen Verwaltungsakten erkennbar wäre, dies sei auf die Besonderheiten der Arbeitssituation „Schule“ zurückzuführen. Mit dem Zulassungsvorbringen wird lediglich ein „leidensgerechter“ Einsatz verlangt, ohne dass substantiiert würde, warum und inwieweit eine anderweitige Beschäftigung der Klägerin gesundheitlich möglich wäre. Auch für die Annahme einer begrenzten Dienstfähigkeit fehlt angesichts des Vorstehenden jegliche Grundlage.

II. Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass das Verwaltungsgericht im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO von einer höchstrichterlichen Entscheidung abgewichen ist. Sie benennt schon keinen konkreten Rechtssatz aus dem angefochtenen Urteil, der mit einem - ebenfalls anzuführenden - Rechtssatz aus der angeführten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Suchpflicht nicht im Einklang steht. Mit dem Zulassungsvorbringen fordert sie lediglich eine bestimmte Würdigung des vorliegenden Einzelfalls. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts - wie ausgeführt - darauf abgestellt, dass eine Suchpflicht nicht besteht, wenn feststeht, dass der Beamte keinerlei Dienst mehr leisten kann bzw. erhebliche Fehlzeiten zu erwarten sind.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 GKG.

Der Beschluss ist unanfechtbar. Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Referenznummer:

R/R7677


Informationsstand: 13.09.2018