Die zulässige (Anfechtungs-) Klage ist begründet.
Der Bescheid der Bundespolizeidirektion Koblenz vom 13. Juni 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. September 2017 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113
Abs. 1
S. 1 Verwaltungsgerichtsordnung -
VwGO -).
Allerdings bestehen in formeller Hinsicht keine Bedenken gegen die streitgegenständliche Zurruhesetzungsverfügung. Sie ist jedoch in materiell-rechtlicher Hinsicht rechtswidrig. Zwar ist die Beklagte zu Recht von der Polizeidienstunfähigkeit und auch der allgemeinen Dienstunfähigkeit des Klägers ausgegangen (dazu I.). Sie hat jedoch nicht hinreichend geprüft und aufgeklärt, ob eine Zurruhesetzung des Klägers wegen (Polizei-)Dienstunfähigkeit unter Beachtung des Grundsatzes "Rehabilitation vor Versorgung" in geeigneter Weise abgewendet werden kann (dazu II.).
I. Der Kläger war im maßgebenden Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (
vgl. etwa
BVerwG, Urteil vom 30. Mai 2013 -
2 C 68.11 -, juris Rn. 11) wegen seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen sowohl polizeidienstunfähig im Sinne von § 4
Abs. 1 erster Halbsatz Bundespolizeibeamtengesetz - BPolBG - als auch (allgemein) dienstunfähig gemäß § 44
Abs. 1
S. 1 Bundesbeamtengesetz - BBG -.
Gemäß § 44
Abs. 1
S. 1 BBG, der über § 2 BPolBG auch auf Beamte der Bundespolizei Anwendung findet, ist ein Beamter auf Lebenszeit in den Ruhestand zu versetzen, wenn er wegen des körperlichen Zustandes oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung der Dienstpflichten dauernd unfähig (dienstunfähig) ist. Die Rechtmäßigkeit der Zurruhesetzung eines Beamten wegen Dienstunfähigkeit beurteilt sich danach, ob die zuständige Behörde im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung nach den ihr zur Verfügung stehenden Erkenntnissen annehmen durfte, dass der Betroffene in absehbarer Zeit, d.h. nicht zwingend lebenslänglich, voraussichtlich nicht im Stande sein wird, seine Dienstpflichten zu erfüllen (
vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Oktober 1997 - 2 C 7.97 -, juris; Tegethoff, in: Kugele (Hrsg.), BBG - Kommentar zum Bundesbeamtengesetz, 2011, § 44 Rn. 10).
Zur Beurteilung der Dienstunfähigkeit ist allgemein auf die Anforderungen des dem Beamten zuletzt übertragenen abstrakt-funktionellen Amtes abzustellen (
vgl. BVerwG, Urteil vom 23. September 2004 -
2 C 27.03 -, juris). Bei Polizeivollzugsbeamten liegt in Übertragung dieses Grundsatzes auf die besonderen Verhältnisse des Polizeivollzugsdienstes gemäß § 4
Abs. 1 erster Halbsatz BPolBG Dienstunfähigkeit bereits dann vor, wenn der Polizeivollzugsbeamte den besonderen gesundheitlichen Anforderungen für den Polizeivollzugsdienst nicht mehr genügt und nicht zu erwarten ist, dass er seine volle Verwendungsfähigkeit innerhalb zweier Jahre wiedererlangt (Polizeidienstunfähigkeit).
Es kann offen bleiben, ob die Beklagte die (Polizei-)Dienstunfähigkeit des Klägers bereits mit Schreiben vom ... 2017 für diesen verbindlich festgestellt hat. Denn die (Polizei-)Dienstunfähigkeit des Klägers ergibt sich jedenfalls aus dem sozialmedizinischen Gutachten des ... vom ... 2016.
Das Gutachten wurde durch einen Amtsarzt
bzw. durch einen beamteten Bundespolizeiarzt
i.S.d. § 4
Abs. 2 BPolBG erstellt, sodass auf dessen Grundlage die Polizeidienstunfähigkeit des Klägers festgestellt werden durfte. Der Gutachter diagnostiziert in seinem Gutachten beim Kläger gesundheitliche Störungen, welche den Kapiteln VI "Krankheiten des Nervensystems" und IX "Krankheiten des Kreislaufsystems" der
ICD-10 zuzuordnen seien. Auf Grundlage der Untersuchungsbefunde verneint der Gutachter die gesundheitliche Eignung des Klägers für den Polizeivollzugsdienst. Das Gericht folgt diesen gutachterlichen Ausführungen und macht sie zur Grundlage seiner Entscheidung. Das Gutachten ist in sich schlüssig und widerspruchsfrei. Es deckt sich mit den sonstigen vorliegenden ärztlichen Befunden, insbesondere auch den Ausführungen des begutachteten Arztes des AMD in seiner ärztlichen Stellungnahme vom ... 2014, und fügt sich zu einem homogenen Gesamtbild. Zweifel an Richtigkeit und Vollständigkeit des Gutachtens sind vom Kläger weder vorgetragen noch für das Gericht ersichtlich. Insbesondere stellt der Kläger selbst die Annahme seiner (Polizei-) Dienstunfähigkeit auch nicht in Frage.
II. Die Zurruhesetzung des Klägers ist jedoch deshalb materiell rechtswidrig, weil die Beklagte eine anderweitige Verwendungsmöglichkeit des Klägers nicht hinreichend geprüft hat. Dies gilt zum einen im Hinblick auf eine Verwendbarkeit des Klägers im Polizeidienst auf einem Dienstposten, auf dem die besondere gesundheitliche Belastbarkeit entbehrlich ist (§ 4
Abs. 1 letzter Halbsatz BPolBG), zum anderen auch hinsichtlich einer anderweitigen Verwendung des Klägers nach einem eventuellen Laufbahnwechsel (§ 44
Abs. 1
S. 3,
Abs. 2 bis 4 BBG).
1. § 4
Abs. 1 letzter Halbsatz BPolBG sieht die weitere Verwendung polizeidienstunfähiger Lebenszeitbeamter auf Dienstposten vor, auf denen die besondere gesundheitliche Belastbarkeit entbehrlich ist. Eine solche Weiterverwendung im Polizeidienst setzt voraus, dass dort eine Funktion, d.h. ein Dienstposten, zur Verfügung steht, dessen Aufgaben der Beamte dauerhaft, d.h. voraussichtlich bis zum Erreichen der besonderen Altersgrenze, bewältigen kann (
vgl. zu der vergleichbaren Regelung des § 194
Abs. 1 Landesbeamtengesetz Nordrhein-Westfalen a.F.:
BVerwG, Urteil vom 3. März 2005 - 2 C 4.04 -, juris).
Nach dem gemäß § 2 BPolBG heranzuziehenden § 44
Abs. 1
S. 3 BBG wird ein dienstunfähiger Beamter zudem nicht in den Ruhestand versetzt, wenn er anderweitig verwendbar ist. Nach § 44
Abs. 2
S. 1 BBG ist eine anderweitige Verwendung möglich, wenn ein anderes Amt, auch einer anderen Laufbahn, übertragen werden kann. Die Übertragung eines anderen Amtes ohne Zustimmung des Beamten ist zulässig, wenn das neue Amt zum Bereich desselben Dienstherrn gehört, es mit mindestens demselben Endgrundgehalt verbunden ist wie das bisherige Amt und zu erwarten ist, dass der Beamte den gesundheitlichen Anforderungen des neuen Amtes genügt, § 44
Abs. 2
S. 2 BBG.
Die Vorschriften sind Ausdruck des Grundsatzes "Weiterverwendung vor Versorgung". Sie begründen eine Suchpflicht des Dienstherrn, die regelmäßig auf den gesamten Bereich des Dienstherrn zu erstrecken ist. Die Suche muss sich auf Dienstposten erstrecken, die in absehbarer Zeit voraussichtlich neu zu besetzen sind. Eine Verpflichtung des Dienstherrn, personelle oder organisatorische Änderungen vorzunehmen, um eine Weiterverwendung zu ermöglichen, besteht zwar nicht. Jedoch ist es Sache des Dienstherrn, schlüssig darzulegen, dass er bei der Suche nach einer anderweitigen Verwendung für den dienstunfähigen Beamten die gesetzlichen Vorgaben beachtet hat. Denn es geht um Vorgänge aus dem Verantwortungsbereich des Dienstherrn, die dem Einblick des betroffenen Beamten in der Regel entzogen sind. Daher geht es zulasten des Dienstherrn, wenn nicht aufgeklärt werden kann, ob die Suche den gesetzlichen Vorschriften entsprochen hat (
vgl. zu der noch als "Soll-Vorschrift ausgestalteten Bestimmung des § 42
Abs. 3
S. 1 BBG a.F.:
BVerwG, Urteil vom 26. März 2009 -
2 C 73.08 -, juris; zu der Neufassung des § 44
Abs. 1
S. 3 BBG: BT-Drucks. 16/7076,
S. 111; zu der entsprechenden Suchpflicht betreffend die Weiterverwendung im Polizeidienst:
BVerwG, Urteil vom 6. November 2014 -
2 B 97.13 -, juris).
Dabei obliegt es nicht dem Gericht, eine von der Beklagten versäumte Verwendungssuche im gerichtlichen Verfahren nachzuholen. Denn in welcher Form die Verwaltung ihrer Suchpflicht nachkommt, bleibt grundsätzlich ihrer Organisationsgewalt überlassen (
vgl. BVerwG, Urteil vom 19. März 2015 -
2 C 37.13 -, juris).
2. Das Vorgehen der Beklagten wird diesen Anforderungen nicht gerecht.
a) Weder der Zurruhesetzungsverfügung vom 13. Juni 2017 noch dem hierzu ergangenen Widerspruchsbescheid vom 6. September 2017 lässt sich entnehmen, dass die Beklagte geprüft hat, ob dem polizeidienstunfähigen Kläger ein Dienstposten im Polizeivollzugsdienst zugewiesen werden könnte, der eine gesundheitlich uneingeschränkte Verwendungsmöglichkeit nicht erfordert. Zwar wird der Ausnahmetatbestand des § 4
Abs. 1 letzter Halbsatz BPolBG in den genannten Bescheiden seinem Wortlaut nach wiedergegeben. Eine Subsumtion erfolgt jedoch nicht. Vielmehr beschränkt sich die Beklagte allein auf die Feststellung, aus den in dem sozialmedizinischen Gutachten vom ... 2016 genannten gesundheitlichen Störungen ergäben sich Verwendungseinschränkungen, die keinerlei Tätigkeiten im polizeilichen Umfeld möglich machen würden.
Auch im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte die tatsächlichen Voraussetzungen für eine Weiterverwendung des Klägers im Polizeivollzugsdienst zureichend geprüft hat. Lediglich das an die Bundespolizeidirektion Koblenz gerichtete Schreiben der Bundespolizeiinspektion ... vom ... 2016 (Blatt ... der Verwaltungsakte) enthält den Hinweis, in Kenntnis der gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers werde ausgeschlossen, dass bei der Bundespolizeiinspektion ... ein geeigneter Dienstposten für Polizeivollzugsbeamte vorhanden sei, der ihm gerecht werde. Auch besagt der Gesprächs-Vermerk über das Personalgespräch vom ... (Blatt ... der Verwaltungsakte), mit den Einschränkungen des Klägers gebe es keine zumutbaren Tätigkeiten.
Die Beklagte hat weder ermittelt, welche gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers im Zeitpunkt seiner Zurruhesetzung bestanden, noch welche Dienstposten gemessen an der verbleibenden gesundheitlichen Eignung des Klägers zur Verfügung standen. Insbesondere war die Beklagte auch nicht berechtigt, eine Verwendbarkeit des Klägers auf etwaigen Dienstposten der Bundespolizeiinspektion ... allein unter Hinweis auf den - zeitlich deutlich vor der dem sozialmedizinischen Gutachten zugrundeliegenden Begutachtung des Klägers - gescheiterten Wiedereingliederungsversuch zu verneinen, zumal eine Verwendbarkeit des Klägers für den allgemeinen Verwaltungsdienst in dem sozialmedizinischen Gutachten vom ... 2016 unter Einschränkungen für möglich gehalten und eine Wiedereingliederungsmaßnahme empfohlen wurde. Darüber hinaus hat der Kläger nach Erlass des Gutachtens einen erneuten Wiedereingliederungsplan seines behandelnden Hausarztes vorgelegt und erfolgreich an einer
EDV-Einzelschulung teilgenommen.
b) Auch hat die Beklagte eine anderweitige Verwendung des Klägers im Sinne von § 44
Abs. 1
S. 3,
Abs. 2 BBG nicht ausreichend geprüft. Es fehlt an der erforderlichen Abfrage im gesamten Bereich des Dienstherrn. Die streitgegenständlichen Bescheide legen in keiner Weise eine etwaige Verwendungssuche der Beklagten dar. Darüber hinaus lässt sich auch den Verwaltungsvorgängen lediglich entnehmen, dass nach Auffassung der Beklagten, da der Kläger über 55 Jahre alt sei, ein Laufbahnwechsel nicht in Betracht komme, eine Verwendungsanfrage im gesamten Bundesgebiet derzeit für aussichtslos gehalten werde und eine solche aufgrund der Beeinträchtigungen des Klägers nicht ernsthaft erwogen werden könne (insbesondere Blatt ... der Verwaltungsakte).
Die Beklagte war indes nicht berechtigt, von der grundsätzlich erforderlichen Abfrage im gesamten Bereich des Dienstherrn abzusehen. Den einschlägigen gesetzlichen Regelungen lässt sich bereits nicht entnehmen, dass ein Laufbahnwechsel - wie von der Beklagten angenommen - ab einer Altersgrenze von 55 Jahren nicht mehr möglich wäre. Zwar kann der mit der Versetzung eines Beamten in ein Amt einer anderen Laufbahngruppe verbundene zeitliche und finanzielle Umschulungsaufwand für den Dienstherrn unter anderem dann unzumutbar werden, wenn der Beamte kurz vorm Erreichen der Altersgrenze steht (
vgl. BayVGH, Beschluss vom 14. Februar 2018 - 3
ZB 16.1011 -, juris). Anhaltspunkte für eine derartige Unzumutbarkeit sind jedoch weder von der Beklagten vorgetragen, noch für das Gericht ersichtlich. Insbesondere stand der zum Zeitpunkt seiner Ruhestandsversetzung ...-jährige Kläger noch nicht kurz vor Erreichen der nach § 5 BPolBG für ihn vorgesehenen Altersgrenze von 61 Jahren und 2 Monaten, zumal diese Altersgrenze bei einem Laufbahnwechsel des Klägers in die Laufbahn des allgemeinen Verwaltungsdienstes nochmals hinausgeschoben würde.
Die Frage, ob ein Einsatz des Klägers auf einem Dienstposten im Bereich des Dienstherrn möglich ist, kann auch nicht losgelöst von den Anforderungen der einzelnen Dienstposten erfolgen. Die Beklagte durfte nicht pauschal annehmen, dass eine vergleichbare Situation in allen anderen Behörden und Dienststellen des Dienstherrn bestehe und eine Verwendungsanfrage vor diesem Hintergrund von vornherein aussichtlos sei (
vgl. ebenso:
VG Wiesbaden, Urteil vom 22. April 2013 - 3 K 1024/11.WI -, juris).
c) Im Übrigen fehlt es schließlich auch an der gebotenen Prüfung, ob der Kläger - soweit die Suche nach einer anderen Verwendung nicht erfolgreich gewesen sein sollte - unter Beibehaltung des übertragenen Amtes ohne Zustimmung auch eine geringwertigere Tätigkeit übertragen werden könnte (§ 44
Abs. 3 BBG) und ob er auch ohne Zustimmung in ein Amt einer anderen Laufbahn mit geringerem Endgrundgehalt versetzt werden könnte (§ 44
Abs. 4 BBG).
III. Nach alledem ist der Klage mit der Kostenfolge des § 154
Abs. 1
VwGO stattzugeben.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten folgt aus § 167
VwGO i.V.m. §§ 708
Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung -
ZPO -.
Gründe im Sinne der §§ 124, 124a
VwGO, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich.