Urteil
Dienstunfähigkeit eines Richters wegen affektiver Störungen

Gericht:

BGH


Aktenzeichen:

RiZ (R) 1/18


Urteil vom:

20.07.2018


Grundlage:

  • RiG HA § 8 Abs. 1 |
  • RiG HA § 72 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. d |
  • RiG HA § 88 Abs. 4 |
  • DRiG § 34 |
  • DRiG § 71 |
  • BeamtStG § 26 Abs. 1 S. 2 |
  • BG HA § 41 Abs. 2 |
  • VwGO § 84 Abs. 1 |
  • VwGO § 86 |
  • VwGO § 130b |
  • SGB IX § 95 Abs. 2 S. 1 |
  • GG Art. 97 |
  • GG Art. 103 Abs. 1

Tenor:

Die Revision gegen das Urteil des Richterdienstsenats bei dem Hanseatischen Oberlandesgericht vom 28. November 2017 wird auf Kosten des Antragsgegners zurückgewiesen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Antragsgegner wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt werden darf.

Der Antragsgegner ist Richter am Amtsgericht im Dienste der Antragstellerin. Seit dem 27. März 2015 ist der zu 50 % schwerbehinderte Antragsgegner ununterbrochen dienstunfähig erkrankt. Am 19. Oktober 2015 erstattete der Personalärztliche Dienst der Antragstellerin nach einer Untersuchung des Antragsgegners vom 1. September 2015 ein Gutachten und kam zu dem Ergebnis, dessen Krankschreibung sei aufgrund einer affektiven Störung erfolgt, die unter anderem mit Konzentrationsschwierigkeiten, reduzierter Belastbarkeit sowie Störungen bei Planungs- und Entscheidungsprozessen einhergehe. Auf dieser Grundlage bestehe keine Dienstfähigkeit für die ausgeübte Tätigkeit als Richter. Es sei nicht abzusehen, wann bei der rezidivierenden Störung wieder eine ausreichende, kontinuierliche Belastbarkeit für eine fortgesetzte Diensttätigkeit gegeben sein könnte. Mit Schreiben vom 22. März 2016 teilte der Präsident des Amtsgerichts Hamburg dem Antragsgegner mit, dass nunmehr das Ruhestandsverfahren eingeleitet werde, und stellte dessen Dienstunfähigkeit fest. Dem schloss sich die Präsidentin des Hanseatischen Oberlandesgerichts mit Schreiben vom 29. März 2016 an die Justizbehörde an. Der angehörte Präsidialrat befürwortete am 11. Juli 2016 die Versetzung des Antragsgegners in den Ruhestand. Durch E-Mail vom 18. August 2016 unterrichtete der Präsident des Amtsgerichts Hamburg die Schwerbehindertenvertretung von der beabsichtigten Maßnahme. Eine Stellungnahme erfolgte nicht. Der Schwerbehindertenvertreter teilte nachträglich mit Schreiben vom 21. November 2016 mit, er habe von einer Stellungnahme abgesehen, da der Antragsgegner zu keiner Zeit mit ihm Kontakt aufgenommen habe.

Am 23. August 2016 hat die Antragstellerin die Richterdienstkammer bei dem Landgericht Hamburg angerufen und beantragt, gemäß § 72 Abs. 1 Nr. 3 d) des Hamburgischen Richtergesetzes (HmbRiG) die Zulässigkeit der Versetzung des Antragsgegners in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit nach § 34 des Deutschen Richtergesetzes (DRiG) in Verbindung mit § 88 Abs. 4 HmbRiG festzustellen.

Die Richterdienstkammer hat mit Gerichtsbescheid vom 30. Januar 2017 dem Antrag der Antragstellerin entsprochen. Dem Antragsgegner hat sie die Rechtsmittelbelehrung "Revision" erteilt. Dieser hat gegen den Gerichtsbescheid Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 18. April 2017 begründet. Er hat beantragt, den Gerichtsbescheid vom 30. Januar 2017 aufzuheben und den Antrag zurückzuweisen, hilfsweise die Sache unter Aufhebung des Gerichtsbescheids vom 30. Januar 2017 zur erneuten Verhandlung und Entscheidung über den Antrag an die Richterdienstkammer zurückzuverweisen.

Der Richterdienstsenat bei dem Hanseatischen Oberlandesgericht hat aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 7. November 2017 die Berufung des Antragsgegners durch das angefochtene Urteil zurückgewiesen. Die zulässige Berufung sei unbegründet. Die Richterdienstkammer habe zu Recht und mit zutreffender Begründung die Zulässigkeit der Versetzung des Antragsgegners in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit festgestellt. Der Antrag sei von der zuständigen Behörde unter ordnungsgemäßer Beteiligung des Präsidialrats sowie der Schwerbehindertenvertretung gestellt worden. Die Frist, die dem Schwerbehindertenvertreter zur Verfügung gestanden habe, sei nicht verfahrensfehlerhaft zu kurz, sondern nach den konkreten Umständen ausreichend gewesen, um die Verfahrensrechte des Antragsgegners zu wahren. Der Inhalt der Unterrichtung sei ebenfalls nicht zu beanstanden, zumal der Antragsgegner selbst nichts habe vortragen wollen und ein Gespräch mit dem Amtsgerichtspräsidenten unter Beteiligung des Schwerbehindertenvertreters abgelehnt habe. Der Antragsgegner sei auch dienstunfähig gemäß § 71 DRiG, § 8 Abs. 1 HmbRiG, § 26 Abs. 1 BeamtStG, § 41 Abs. 2 HmbBG. Er sei innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten mehr als drei Monate krankgeschrieben gewesen und es habe im Zeitpunkt der Entscheidung des Richterdienstsenates keine Aussicht bestanden, dass innerhalb weiterer sechs Monate die Dienstfähigkeit wieder voll hergestellt werde. Der Antragsgegner sei seit dem 27. März 2015 ununterbrochen krankgeschrieben. Trotz Aufforderung des Gerichts habe er nicht konkret zur weiteren Entwicklung seines Gesundheitszustandes vorgetragen. Weitere Ermittlungen seien nicht angezeigt. Insbesondere sei es nicht erforderlich, ein neues amtsärztliches Gutachten einzuholen. Der Antragsgegner selbst habe keine inhaltlichen Einwände gegen das Gutachten vom 19. Oktober 2015 erhoben und keine konkreten Angaben zu seinem Gesundheitszustand gemacht. Schließlich komme eine Zurückverweisung in die erste Instanz gemäß dem Hilfsantrag nicht in Betracht, weil die Voraussetzungen des § 130 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO nicht vorlägen. Zwar habe die Richterdienstkammer unzulässig durch Gerichtsbescheid entschieden. Das ändere aber nichts an einer inhaltlich getroffenen Entscheidung. Der Gerichtsbescheid stelle keine Nicht-Entscheidung im Sinne von § 130 Abs. 2 Nr. 2 VwGO dar. Eine Zurückverweisung nach § 130 Abs. 2 Nr. 1 VwGO scheide aus, weil die Sache entscheidungsreif sei und weitere amtswegige Ermittlungen oder Beweisaufnahmen weder erforderlich noch angezeigt seien.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Antragsgegner mit der vom Richterdienstsenat zugelassenen Revision und beantragt,

1. den Gerichtsbescheid der Richterdienstkammer Hamburg vom 30. Januar 2017 und das Urteil des Richterdienstsenats des Hamburgischen Oberlandesgerichts vom 28. November 2017 aufzuheben und den Antrag der Revisionsgegnerin abzuweisen,

2. hilfsweise

den Gerichtsbescheid der Richterdienstkammer Hamburg vom 30. Januar 2017 und das Urteil des Richterdienstsenats des Hamburgischen Oberlandesgerichts vom 28. November 2017 aufzuheben und die Sache an die Richterdienstkammer des Landgerichts Hamburg zurückzuverweisen,

3. weiter hilfsweise

den Gerichtsbescheid der Richterdienstkammer Hamburg vom 30. Januar 2017 und das Urteil des Richterdienstsenats des Hamburgischen Oberlandesgerichts vom 28. November 2017 aufzuheben und die Sache an den Richterdienstsenat bei dem Hanseatischen Oberlandesgericht zurückzuverweisen.

Er macht geltend, das Verfahren erster Instanz leide an einem wesentlichen Mangel, weil die Richterdienstkammer unzulässig durch Gerichtsbescheid entschieden habe. Dies ziehe die Pflicht des Richterdienstsenats nach sich, die Sache an die Richterdienstkammer zurückzuverweisen. Ferner sei die Dienstunfähigkeit nicht rechtmäßig festgestellt worden und auch die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung nicht ordnungsgemäß erfolgt.

Die Antragstellerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Rechtsweg:

OLG Hamburg, Urteil vom 28.11.2017 - RDS 1/17

Quelle:

Rechtsprechung im Internet

Entscheidungsgründe:

Die nach § 79 Abs. 2, § 78 Nr. 3 d) und § 80 Abs. 2 DRiG zulässige Revision ist unbegründet. Die angegriffene Entscheidung hält der revisionsrechtlichen Prüfung stand.

I. Das Berufungsurteil unterliegt entgegen der Auffassung der Revision nicht bereits deshalb der Aufhebung, weil der Richterdienstsenat in der Sache entschieden und diese nicht an die Richterdienstkammer zurückverwiesen hat. Allerdings war die Richterdienstkammer nicht berechtigt, über das vorliegende Prüfungsverfahren durch Gerichtsbescheid gemäß § 84 Abs. 1 VwGO zu entscheiden. Nach §§ 83, 66 Abs. 1 Satz 1 DRiG und § 87 Abs. 1 HmbRiG gelten für die Verfahren nach § 72 Abs. 1 Nr. 3 d) HmbRiG die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung entsprechend. Zwar lässt der Wortlaut von § 66 Abs. 1 Satz 1 DRiG i.V.m. § 87 Abs. 1 HmbRiG auch eine Auslegung zu, wonach die Anordnung der sinngemäßen bzw. entsprechenden Geltung der Verwaltungsgerichtsordnung die Anwendbarkeit von § 84 VwGO erfasst. Die rahmenrechtlich gemäß § 83 DRiG i.V.m. § 66 Abs. 1 Satz 1 DRiG vorgegebene sinngemäße Geltung der Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung bedeutet aber deren Anwendbarkeit nur, soweit sich diese mit der Ausgestaltung des Prüfungsverfahrens im Deutschen Richtergesetz vereinbaren lässt. Die Gesetzgebungsgeschichte sowie der Sinn und Zweck der Regelung sprechen dafür, die Bestimmung über den Gerichtsbescheid als von der entsprechenden bzw. sinngemäßen Anwendung der Verwaltungsgerichtsordnung nicht erfasst anzusehen (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. Urteile vom 13. Februar 2014 - RiZ(R) 5/13, NJW-RR 2014, 702 Rn. 11-15; vom 14. Oktober 2013 - RiZ(R) 5/12, BGHZ 198, 285 Rn. 13-21; RiZ(R) 6/12, juris Rn. 17-25).

Dieser von Amts wegen zu beachtende Verfahrensmangel führt entgegen der Auffassung der Revision indessen nicht dazu, dass der Richterdienstsenat verpflichtet gewesen wäre, die Sache gemäß § 130 Abs. 2 VwGO an die Richterdienstkammer zurückzuverweisen. Denn der Richterdienstsenat hat durch Urteil nach mündlicher Verhandlung entschieden. In diesem hat er ausgeführt, von einer Zurückverweisung abzusehen und in der Sache selbst zu entscheiden. Eine solche Vorgehensweise ist rechtlich nicht zu beanstanden (vgl. hierzu Senatsurteil vom 18. August 1987 - RiZ(R) 2/87, NJW 1988, 418 unter 2 [juris Rn. 13]). Im Streitfall kam eine Zurückverweisung entsprechend § 130 Abs. 2 VwGO nicht in Betracht. Gemäß § 130 Abs. 2 Nr. 1 VwGO darf die Sache nur zurückverwiesen werden, soweit das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und aufgrund dieses Mangels eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist (vgl. hierzu Kopp/Schenke, VwGO 24. Aufl. § 130 Rn. 10). Ein derartiger Fall liegt hier - wie der Richterdienstsenat rechtsfehlerfrei ausgeführt hat - nicht vor. Nach § 130 Abs. 2 Nr. 2 VwGO kommt eine Aufhebung der Sache ferner in Betracht, wenn das erstinstanzliche Gericht noch nicht in der Sache selbst entschieden hat. Eine solche Fallkonstellation eines Nicht- oder Scheinurteils erster Instanz ist hier entgegen der Auffassung der Revision ebenfalls nicht gegeben. Die Richterdienstkammer hat in der Sache entschieden, mag sie hierfür auch die fehlerhafte Form des Gerichtsbescheids gemäß § 84 VwGO verwendet haben.

Soweit der Senat mehrfach durchgreifende Verstöße gegen § 84 VwGO angenommen hat, betraf dies ausschließlich Fälle, in denen die unmittelbar mit der Revision angefochtene Entscheidung in Gestalt eines unzulässigen Gerichtsbescheids ergangen war (vgl. Senatsurteile vom 13. Februar 2014 - RiZ(R) 5/13, NJW-RR 2014, 702 Rn. 8, 11-15; vom 14. Oktober 2013 - RiZ(R) 5/12, BGHZ 198, 285 Rn. 10, 13; RiZ(R) 6/12, juris Rn. 15, 17). Ein derartiger Fall liegt hier nicht vor, da der Richterdienstsenat seinerseits durch Urteil entschieden und dem Antragsgegner die Möglichkeit einer mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz eröffnet hat, damit er dort durch seinen mündlichen Vortrag und das Rechtsgespräch mit dem Dienstgericht seine Sichtweise mündlich erläutern kann (vgl. Senatsurteil vom 14. Oktober 2013 - RiZ(R) 5/12, BGHZ 198, 285 Rn. 20). Aus den genannten Gründen liegt hier entgegen der Auffassung der Revision auch kein Verstoß des Richterdienstsenats gegen Art. 97, Art. 103 Abs. 1 GG i.V.m. § 130b VwGO vor. Im Übrigen hat er schon nicht vorgetragen, welche Umstände er gegenüber der Richterdienstkammer ergänzend zu seinem schriftsätzlichen Vorbringen vorgetragen hätte, die er nicht auch noch in der mündlichen Verhandlung vor dem Richterdienstsenat hätte äußern können.

II. Der Richterdienstsenat hat ferner rechtsfehlerfrei angenommen, dass der Antragsgegner als dienstunfähig gemäß § 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG, § 41 Abs. 2 HmbBG anzusehen ist und dem Antrag der Antragstellerin nach § 71 DRiG, § 26 Abs. 1 BeamtStG, § 8 Abs. 1 HmbRiG stattzugeben war.

1. Der Richterdienstsenat hat bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 BeamtStG zutreffend auf die Sach- und Rechtslage bei Schluss der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz abgestellt. Die Richterdienstgerichte entscheiden - anders als die Verwaltungsgerichte bei der Versetzung eines Beamten in den Ruhestand - nicht über die Frage, ob eine bereits erfolgte Zurruhesetzung rechtmäßig ist, sondern darüber, ob eine vom Dienstherren beabsichtigte Versetzung in den Ruhestand vorgenommen werden darf. Denn der Richter darf nach § 34 DRiG gegen seinen Willen nur aufgrund rechtskräftiger richterlicher Entscheidung wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt werden. Deshalb müssen zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz die gesetzlichen Voraussetzungen für die Versetzung in den Ruhestand erfüllt sein (Senatsurteile vom 4. März 2015 - RiZ(R) 5/14, NVwZ-RR 2015, 668 Rn. 39; vom 13. Februar 2014 - RiZ(R) 3/13, juris Rn. 19; vom 16. Dezember 2010 - RiZ(R) 2/10, BGHZ 188, 20 Rn. 18).

2. Rechtsfehlerfrei hat der Richterdienstsenat zunächst festgestellt, dass der Schwerbehindertenvertreter ordnungsgemäß beteiligt worden ist. Gemäß § 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX in der bis zum 29. Dezember 2016 gültigen Fassung (i.F.: § 95 SGB IX a.F.) hat der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung in allen Angelegenheiten, die einen einzelnen oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe berühren, unverzüglich und umfassend zu unterrichten und vor einer Entscheidung anzuhören; er hat ihr die getroffene Entscheidung unverzüglich mitzuteilen. Diese gesetzlichen Vorgaben sind beachtet worden. Vor Anrufung der Richterdienstkammer wurde der Schwerbehindertenvertreter unter Verweis auf die ununterbrochene Dienstunfähigkeit des Antragsgegners seit dem 27. März 2015 sowie die Ergebnisse des Gutachtens des Personalärztlichen Dienstes vom 19. Oktober 2015 über die beabsichtigte Versetzung des Antragsgegners in den vorzeitigen Ruhestand mit E-Mail vom 18. August 2016 unterrichtet. Anhaltspunkte dafür, dass dem Schwerbehindertenvertreter diese Nachricht nicht oder nicht rechtzeitig vor dem Antrag der Antragstellerin an die Richterdienstkammer vom 23. August 2016 gemäß § 130 BGB zugegangen wäre, bestehen nicht. Vielmehr hat der Schwerbehindertenvertreter in seiner Stellungnahme vom 21. November 2016 darauf hingewiesen, mit der E-Mail vom 18. August 2016 über die beabsichtigte Versetzung des Antragsgegners in den vorzeitigen Ruhestand unterrichtet worden zu sein. Damit ist den Anforderungen des § 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX a.F. Genüge getan (vgl. auch Düwell in Dau/Düwell/Joussen, Sozialgesetzbuch IX 4. Aufl. § 95 Rn. 47). Eine Anhörung des betroffenen schwerbehinderten Menschen durch die Schwerbehindertenvertretung sieht die Vorschrift nicht vor (Senatsurteil vom 16. Dezember 2010 - RiZ(R) 2/10, DRiZ 2012, 246 Rn. 37, insoweit in BGHZ 188, 20 nicht abgedruckt).

Die Unterrichtung des Schwerbehindertenvertreters ist - anders als die Revision meint - auch so rechtzeitig erfolgt, dass er hinreichend Zeit für eine Stellungnahme hatte, von der er nach eigenem Bekunden nur deshalb abgesehen hat, weil der Antragsgegner zu keiner Zeit Kontakt mit ihm aufgenommen hatte und aufnahm. Fristen für die Gelegenheit zur Stellungnahme sieht das Gesetz im Gegensatz zu § 102 Abs. 2 BetrVG nicht vor (vgl. Düwell aaO Rn. 49, der lediglich die Auffassung vertritt, es empfehle sich die Wahrung der in § 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG aufgestellten Regelfrist von einer Woche). Es ist nicht ersichtlich und wird auch vom Antragsgegner nicht nachvollziehbar vorgetragen, weshalb der Schwerbehindertenvertreter in der Zeit vom 18. bis 23. August 2016 (darunter 3 Werktage) nicht ausreichend Gelegenheit gehabt haben sollte, zu dem beabsichtigten Antrag der Antragstellerin Stellung zu nehmen. Hierbei ist in Rechnung zu stellen, dass der Antragsgegner selbst ausweislich des Schreibens des Schwerbehindertenvertreters vom 21. November 2016 seit seiner Erkrankung im Jahr 2015 zu keiner Zeit Kontakt mit ihm gesucht oder seine Hilfe erbeten hätte. Der Antragsgegner trägt auch nicht vor, welche auf seiner Schwerbehinderung beruhenden Umstände der Schwerbehindertenvertreter bei einer früheren Beteiligung hätte vortragen können oder sollen. Vielmehr hatte der Antragsgegner zuvor ein Gespräch mit dem Amtsgerichtspräsidenten unter Beteiligung des Schwerbehindertenvertreters ausdrücklich abgelehnt. Ferner steht es der in § 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX a.F. vorgesehenen umfassenden Unterrichtung des Schwerbehindertenvertreters nicht entgegen, dass diesem das Gutachten des Personalärztlichen Dienstes nicht vollständig zur Verfügung gestellt wurde. Unterlagen hat der Arbeitgeber dem Schwerbehindertenvertreter nur auf dessen Verlangen zur Verfügung zu stellen (vgl. Düwell aaO Rn. 44). Auch hier ist nicht ersichtlich, inwieweit eine vollständige Übermittlung des Gutachtens des Personalärztlichen Dienstes, welches der Antragsgegner inhaltlich nicht bestreitet, zu einer Stellungnahme des Schwerbehindertenvertreters hätte führen sollen, die der Versetzung des Antragsgegners in den Ruhestand entgegengestanden hätte. Insofern unterscheidet sich der Sachverhalt grundlegend von demjenigen, der der vom Antragsgegner genannten Entscheidung des VG Freiburg zugrunde lag (vgl. Urteil vom 21. März 2017 - 3 K 1354/15, juris Rn. 21 ff.).

Unerheblich ist schließlich, dass nicht festgestellt werden kann, ob und gegebenenfalls wann die Antragstellerin den Schwerbehindertenvertreter gemäß § 95 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 SGB IX a.F. von der getroffenen Entscheidung unterrichtet hat. Eine mögliche Verletzung der Mitteilungspflicht als solcher ist lediglich für den Beginn des Laufs der Aussetzungsfrist gemäß § 95 Abs. 2 Satz 2 SGB IX a.F. von Bedeutung (vgl. Düwel aaO Rn. 52). Im Übrigen ist auch hier nicht erkennbar, welche Umstände der Schwerbehindertenvertreter noch nachträglich hätte vortragen können, nachdem ihm die Entscheidung der Antragstellerin über den gegenüber der Richterdienstkammer gestellten Antrag bekannt gegeben worden wäre.

3. Entgegen der Auffassung der Revision hat der Richterdienstsenat ferner rechtsfehlerfrei angenommen, dass der Antragsgegner als dienstunfähig im Sinne von § 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG i.V.m. § 41 Abs. 2 HmbBG anzusehen ist. Als dienstunfähig kann gemäß § 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG auch angesehen werden, wer infolge Erkrankung innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst getan hat und keine Aussicht besteht, dass innerhalb einer Frist, deren Bestimmung dem Landesrecht vorbehalten bleibt, die Dienstfähigkeit wieder voll hergestellt wird. Gemäß § 41 Abs. 2 HmbBG beträgt diese Frist sechs Monate.

Der Begriff der Dienstunfähigkeit stellt dabei nicht allein auf die Person des Beamten ab. Vielmehr sind die Auswirkungen seiner Erkrankung oder Gebrechen auf seine Fähigkeit, die ihm in seinem konkreten Amt obliegenden Dienstpflichten zu erfüllen, und damit auch die Auswirkungen auf den Dienstbetrieb entscheidend. Es kommt dabei nicht allein und ausschlaggebend auf Art und Ausmaß der einzelnen Gebrechen, den objektiven ärztlichen Befund und dessen medizinische Qualifikation als solche an, sondern vielmehr darauf, ob der Beamte aufgrund seiner gesamten Konstitution zur Erfüllung seiner Dienstpflichten dauernd unfähig ist. Die Regelung des § 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG in Verbindung mit § 41 Abs. 2 HmbBG erfordert nicht, dass im Zeitpunkt der Entscheidung des Dienstgerichts feststeht, dass die Wiedererlangung der Dienstfähigkeit innerhalb der nächsten sechs Monate unmöglich ist. Es genügt vielmehr, wenn hiervon aufgrund konkreter tatsächlicher Umstände mit hinreichender Sicherheit ausgegangen werden kann (vgl. Senatsurteile vom 4. März 2015 - RiZ(R) 5/14 NVwZ-RR 2015, 668 Rn. 41; vom 13. Februar 2014 - RiZ(R) 3/13, juris Rn. 22).

Ob eine derartige Dienstunfähigkeit besteht, stellt eine dem Tatsachengericht zukommende Feststellung dar. Dieses bestimmt die Art der Beweismittel und den Umfang der Beweisaufnahme im Rahmen seiner nach § 86 VwGO bestehenden Pflicht zur Sachaufklärung von Amts wegen nach seinem Ermessen. Das gilt auch für die Frage, ob es die Einholung eines weiteren Gutachtens oder die Ergänzung vorhandener Gutachten für erforderlich hält. Die unterlassene Einholung eines weiteren Gutachtens kann nur dann verfahrensfehlerhaft sein, wenn sich dem Gericht eine weitere Beweiserhebung aufdrängt oder aufdrängen muss, weil die vorliegenden Gutachten den ihnen obliegenden Zweck nicht erfüllen können, dem Gericht die zur Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts erforderliche Sachkunde zu vermitteln und ihm dadurch die Bildung der für die Entscheidung notwendigen Überzeugung zu ermöglichen. Dies kann der Fall sein, wenn die dem Gericht vorliegenden Gutachten grobe Mängel oder unlösbare Widersprüche aufweisen, von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgehen oder wenn Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit des Gutachters besteht (Senatsurteile vom 4. März 2015 aaO Rn. 31; vom 13. Februar 2014 aaO Rn. 31, jeweils m.w.N.).

Ein Verstoß gegen den Untersuchungsgrundsatz des § 86 Abs. 1 VwGO liegt danach nicht vor. Der Antragsgegner war im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Richterdienstsenat am 7. November 2017 ununterbrochen seit dem 27. März 2015 dienstunfähig erkrankt. Soweit der Richterdienstsenat auf der Grundlage dieser lang andauernden ununterbrochenen Krankschreibung sowie des Gutachtens des Personalärztlichen Dienstes vom 19. Oktober 2015 davon ausgegangen ist, bei dem Antragsgegner bestehe keine Aussicht, dass er innerhalb einer Frist von weiteren sechs Monaten die Dienstfähigkeit wieder in vollem Umfang erlange, lässt dies einen Rechtsfehler nicht erkennen. Der Personalärztliche Dienst hat in seinem Gutachten vom 19. Oktober 2015 festgestellt, bei dem Antragsgegner bestehe eine affektive Störung, die nach seinen eigenen Angaben u.a. mit Konzentrationsschwierigkeiten, reduzierter Belastbarkeit sowie Störungen bei Planungs- und Entscheidungsprozessen verbunden sei. Diese Störungen hätten rezidivierenden Charakter und träten seit mehreren Jahren immer wieder auf. Der Antragsgegner sei daher einer kontinuierlichen beruflichen Tätigkeit als Richter bis auf weiteres nicht mehr gewachsen. Aus personalärztlicher Sicht sei es nicht absehbar, wann bei dieser Störung wieder eine ausreichende, kontinuierliche Belastbarkeit für eine fortgesetzte Diensttätigkeit gegeben sein könnte. Inhaltliche Einwendungen gegen die Richtigkeit dieses Gutachtens hat der Antragsgegner nicht erhoben. Vielmehr hat er auf die Verfügung des Richterdienstsenats vom 5. September 2017, sich zu seiner aktuellen gesundheitlichen Situation zu äußern, vortragen lassen, dass er zu seinem Gesundheitszustand keine Auskunft geben möchte. Angesichts der andauernden ununterbrochenen Krankschreibung sowie des Inhalts des Gutachtens einschließlich der Weigerung des Antragsgegners, sich zu seinem aktuellen Gesundheitszustand zu äußern, bestand für den Richterdienstsenat aus Rechtsgründen keine Veranlassung, trotz des Zeitablaufs von etwas über zwei Jahren seit dem Gutachten des Personalärztlichen Dienstes ein neues Sachverständigengutachten einzuholen. Soweit die Revision geltend gemacht hat, dass das Gutachten eine Nachuntersuchung empfohlen hat, betrifft das nur den Fall einer Ruhestandsversetzung und einer möglichen Reaktivierung.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 80 Abs. 1 Satz 1 DRiG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.

Referenznummer:

R/R7941


Informationsstand: 01.02.2019