Urteil
Ruhestandsversetzung, Dienstunfähigkeit, anderweitige Verwendung, negative Prognose

Gericht:

VG Bayreuth 5. Kammer


Aktenzeichen:

B 5 K 14.255 | B 5 K 14/255


Urteil vom:

18.08.2015


Grundlage:

  • BeamtStG §§ 26 Abs. 1 S. 1 |
  • BeamtStG § 3 Abs. 2, Abs. 3 |
  • BayBG Art. 65 |
  • BayBG Art. 66 |
  • SGB IX § 84 |
  • VwGO § 113 Abs. 1 S. 1

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen seine Versetzung in den Ruhestand.

Der am ... 1966 geborene Kläger stand seit 1997 im Dienst des Beklagten, zuletzt als Obersekretär im Justizvollzugsdienst an der Justizvollzugsanstalt (JVA) ... Er ist schwerbehindert mit einem GdB von 50.

Nachdem es in den Jahren 2008 und 2009 zu längeren krankheitsbedingten Ausfallzeiten des Klägers gekommen war, veranlasste der Beklagte eine Begutachtung des Klägers bei der Medizinischen Untersuchungsstelle der Regierung von ... Im Gesundheitszeugnis vom 14. August 2009 wird ausgeführt, beim Kläger liege seit Jahren eine Störung aus dem nervenärztlichen Fachgebiet vor, die sich in Symptomen wie einer deutlichen Minderung der psychophysischen Belastbarkeit, Stimmungsschwankungen und Schlafstörungen äußere. Die Beweglichkeit des Klägers sei aufgrund einer Wirbelkörperverblockung im Jahre 2003 noch eingeschränkt. Es werde eine Wiedereingliederungsmaßnahme empfohlen. Eine dauernde Dienstunfähigkeit bestehe noch nicht. Weitere psychiatrische/psychotherapeutische Behandlung erscheine notwendig. Nach der Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements von April bis September 2010 kam es erneut zu krankheitsbedingten Fehlzeiten des Klägers. Seit 14. März 2011 war der Kläger durchgängig krankheitsbedingt dienstunfähig.

Aufgrund dieser erneuten krankheitsbedingten Ausfallzeiten ersuchte der Dienstvorgesetzte die Medizinische Untersuchungsstelle der Regierung von ... mit Schreiben vom 29. März 2011 um Nachuntersuchung des Klägers. Im Gesundheitszeugnis vom 18. August 2011 kam die Medizinische Untersuchungsstelle zu dem Ergebnis, dass der Kläger unter Erkrankungen aus dem nervenärztlichen und orthopädischen Bereich leide, wodurch die körperliche und psychophysische Belastbarkeit beeinträchtigt sei. Der Kläger befinde sich seit Jahren in psychiatrischer Behandlung wegen einer wiederkehrenden Erkrankung des Gemüts mit Herabsetzung der Stimmung, Schlafstörungen, Angstzuständen und Panikattacken. Es habe sich eine auffällige Persönlichkeitsstruktur symptomatisch gezeigt. Die Voraussetzungen einer dauernden Dienstunfähigkeit seien gleichwohl noch nicht gegeben, es werde ein neuer Wiedereingliederungsversuch an einem geeigneten Arbeitsplatz empfohlen.

Unter dem 6. Oktober 2011 forderte der Dienstvorgesetzte den Kläger zur Vorlage eines Wiedereingliederungsplanes seines behandelnden Arztes auf. Mit am 2. November 2011 bei der JVA ..., welcher die JVA ... organisatorisch zugeordnet ist, eingegangenem Schreiben der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dipl. Med. H. ließ der Kläger mitteilen, dass er aufgrund der gerade begonnenen Therapie nicht in der Lage sei, eine Wiedereingliederung durchzuführen.

Daraufhin veranlasste der Dienstvorgesetzte des Klägers dessen erneute Untersuchung durch die Medizinische Untersuchungsstelle der Regierung von ... am 1. Dezember 2011. Zusätzlich fand am 11. Januar 2012 eine nervenfachärztliche Begutachtung des Klägers mit psychologischer Testung statt. Im Gesundheitszeugnis vom 15. Mai 2012 führt die Medizinische Untersuchungsstelle der Regierung von ... aus, beim Kläger bestünden Erkrankungen aus dem psychiatrischen und in geringem Ausmaß auch orthopädischen Fachgebiet. Die psychische Erkrankung zeige sich in einer reduzierten psychophysischen Belastbarkeit und eingeschränkter Stressresistenz. Es könnten Stimmungsschwankungen, Ängste und Albträume auftreten. Es bestehe eine Persönlichkeitsdisposition, die mit Einschränkungen in Anpassungsfähigkeit, Flexibilität, interpersoneller Kompetenz und Konfliktlösungsfähigkeit einhergehe. Auch die körperliche Belastbarkeit sei noch eingeschränkt. Einschränkungen der kognitiven Leistungsfähigkeit lägen nicht vor, es bestehe keine dauernde Dienstunfähigkeit. Die dienstliche Tätigkeit solle unter Berücksichtigung der genannten Einschränkungen im Rahmen einer Wiedereingliederung aufgenommen werden, wobei Tätigkeiten im Verwaltungsdienst, der Poststelle oder auch im Sozialdienst in Betracht kämen.

Nachdem der Dienstvorgesetzte den Kläger unter dem 31. Mai 2012 wegen der empfohlenen Wiedereingliederung angeschrieben hatte, stellte er fest, dass der Kläger zwischenzeitlich nach Berlin verzogen war. Auf ein erneutes Anschreiben teilte der Kläger mit, er sei weiterhin krankheitsbedingt dienstunfähig und sehe sich aufgrund einer Verschlechterung seines psychischen Zustandes nicht in der Lage, an einer Wiedereingliederung teilzunehmen. Die Medizinische Untersuchungsstelle der Regierung von ... wurde daher erneut um Begutachtung des Klägers ersucht. Einen anberaumten Untersuchungstermin sagte der Kläger ab und bat darum, die amtsärztliche Untersuchung in Berlin durchführen zu lassen. In der Folge beauftragte der Dienstvorgesetzte mit Schreiben vom 22. August 2012 die Zentrale Medizinische Gutachtenstelle (ZMGA) des Landesamts für Gesundheit und Soziales Berlin mit der Überprüfung der Dienstfähigkeit des Klägers. Als Ergebnis der am 18. Dezember 2012 durchgeführten Begutachtung wurde im Gesundheitszeugnis der ZMGA vom 5. Februar 2013 festgestellt, dass beim Kläger mittelgradig bis schwer ausgeprägte Gesundheitsstörungen des untersuchten Fachgebiets mit einem erheblichen Grad der Chronifizierung festgestellt werden konnten. Mit der Wiederherstellung der beruflich erforderlichen Belastbarkeit sei in absehbarer Zeit nicht zu rechnen. Es liege eine starke Reduktion der psychophysischen Belastbarkeit mit Aufhebung der dienstlichen Leistungsfähigkeit vor. Bereits im amtsärztlichen Gesundheitszeugnis vom 18. August 2011 sei in Aussicht gestellt worden, dass eine frühzeitige Pensionierung möglicherweise nicht zu umgehen sei. Aus fachärztlicher Sicht bestehe keine Aussicht auf Wiederherstellung der vollen Dienstfähigkeit innerhalb der nächsten sechs Monate, für die Wiederherstellung der Dienstfähigkeit in ca. 12 Monaten bestehe einige Wahrscheinlichkeit. Behandlungsmöglichkeiten, die zu einer Wiederherstellung binnen der nächsten sechs Monate führen könnten, seien nicht erkennbar. Es bestehe eine dauernde Unfähigkeit zur Erfüllung der beschriebenen Pflichten für mehr als sechs Monate. Eine gesundheitliche Eignung für anderweitige Verwendungsmöglichkeiten innerhalb der nächsten sechs Monate sei nicht zu erwarten.

Mit Schreiben vom 11. April 2013 informierte der Dienstvorgesetzte den Kläger darüber, dass beabsichtigt sei, ihn aufgrund seiner dauernden Dienstunfähigkeit in den Ruhestand zu versetzen.
Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 9. Mai 2013 Einwendungen. Unter anderem führte er darin aus, die Ruhestandsversetzung verstoße gegen Art. 56 des Bayerischen Beamtengesetzes (BayBG). Er verwies auf ein Aufforderungsschreiben wegen Schadensersatzes aufgrund von Diskriminierung und machte überdies Verstöße gegen § 81 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) sowie gegen die Fürsorgepflicht, insbesondere die Fürsorgerichtlinien des Freistaates Bayern, geltend.

Unter dem 20. Februar 2013 erklärte das Bayerische Staatsministerium der Justiz (StMJ) das Einverständnis mit der Einleitung des Ruhestandsversetzungsverfahrens.
Mit Schreiben vom 14. April 2013 erklärte der örtliche Schwerbehindertenvertreter die Zustimmung zu der beabsichtigten Ruhestandsversetzung.

Das Zentrum Bayern Familie und Soziales Region Oberfranken - Integrationsamt - teilte mit Schreiben vom 14. Juni 2013 mit, dass nach Mitwirkung im Rahmen des durchgeführten Präventionsverfahrens derzeit keine Möglichkeit gesehen werde, im Fall des Klägers weitere Unterstützung anzubieten.

Aufgrund der erhobenen Einwendungen des Klägers und des seit der letzten Begutachtung verstrichenen Zeitraums veranlasste der Dienstvorgesetzte des Klägers erneut dessen amtsärztliche Untersuchung durch die ZMGA Berlin. Unter dem 9. Oktober 2013 wurde der Kläger schließlich ein weiteres Mal medizinisch begutachtet.

In seiner Stellungnahme vom 15. November 2013 gelangte der ärztliche Gutachter der ZMGA unter Einbeziehung einer in Auftrag gegebenen fachpsychiatrischen Zusatzbegutachtung beim Kläger zu folgenden Diagnosen: schwere Depression mit paranoiden Zügen, somatoforme Schmerzstörung, Z.n. Spondylodese bei Spondylolisthesis, chronisches Schmerzsyndrom mit Lumboischialgien, Synkopen unklarer Genese, Differenzialdiagnose cerebrales Anfallsleiden. Es sei eine schwere Depression mit paranoiden Zügen festgestellt worden. Weiter zeige sich eine unsichere und ängstliche neurasthenische Persönlichkeit. Körperlich bestehe im Bereich der Wirbelsäule ein chronisches Schmerzsyndrom mit somatoformer Schmerzüberlagerung. Krankheitsführend sei ein depressives paranoides Syndrom mit starkem Rückzugsverhalten und erheblicher Minderbelastbarkeit. Vereinzelt träten unklare cerebrale Anfälle auf. Umstellungsfähigkeit, Anpassungsfähigkeit, die Fähigkeit zur Umsetzung dienstlicher Vorgaben und das Reaktionsvermögen sowie der Überblick über die Arbeitsaufgaben seien vermindert. Die Teamfähigkeit des Klägers sei eingeschränkt und seine psychische und psychophysische Belastbarkeit sei aufgehoben. Die dienstliche Leistungsfähigkeit werde als schwer eingeschränkt beurteilt. Es bestehe keine Aussicht auf Wiederherstellung der vollen tätigkeitsbezogenen Leistungsfähigkeit innerhalb der nächsten sechs Monate, auch später werde diese als sehr unwahrscheinlich beurteilt. Eine (teil)stationäre Behandlung sei sinnvoll. Die vom Kläger avisierte tiefenpsychologische ambulante Psychotherapie sei als sinnvoll zu beurteilen, wenngleich eine wesentliche Stabilisierung nicht erwartet werde. Beim Kläger bestehe eine dauernde Unfähigkeit zur Erfüllung der Dienstpflichten, auch für andere dienstliche Verwendungen sei keine ausreichende Belastbarkeit gegeben. Eine Nachuntersuchung könne aus fachärztlicher Sicht entfallen.

Unter dem 3. Dezember 2013 erklärte das Bayerische Staatsministerium der Justiz erneut sein Einverständnis mit der Einleitung des Ruhestandsversetzungsverfahrens.
Mit Schreiben vom 17. Dezember 2013 setzte der Dienstvorgesetzte den Kläger erneut über die beabsichtigte Ruhestandsversetzung in Kenntnis.

Dieser erhob hiergegen unter dem 16. Januar 2014 Einwendungen und verwies auf eine zwischenzeitlich erhobene Klage wegen Diskriminierung. Diese war zunächst beim Bayerischen Verwaltungsgericht München anhängig gemacht und von dort an das Bayerische Verwaltungsgericht Bayreuth verwiesen worden und wird unter dem Aktenzeichen B 5 K 14.106 geführt. Weiter machte der Kläger neben den bereits im Schreiben vom 9. Mai 2013 angeführten Gesichtspunkten unter anderem geltend, es sei eine neuerliche Beteiligung von Integrationsamt, Personalvertretung und Schwerbehindertenvertretung erforderlich.
Das Bayerische Staatsministerium der Justiz gab mit Schreiben vom 3. Februar 2014 der Hauptvertrauensperson der schwerbehinderten Beschäftigten im nichtrichterlichen Dienst Gelegenheit zur Stellungnahme. Diese erklärte unter dem 27. Februar 2014 ihr Einverständnis mit der beabsichtigten Vorgehensweise.

Mit Verfügung des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz vom 3. April 2014 wurde der Kläger mit Ablauf des Monats April 2014 in den Ruhestand versetzt. Zur Begründung wird ausgeführt, der Kläger sei seit 14. März 2011 ununterbrochen dienstunfähig erkrankt. Aus dem amtsärztlichen Gesundheitszeugnis des Landesamtes für Gesundheit und Soziales in Berlin vom 15. November 2013 ergebe sich, dass bei dem Kläger von dauernder Dienstunfähigkeit auszugehen sei. Eine Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit sei in den nächsten sechs Monaten nicht zu erwarten. Auch eine anderweitige Verwendungsmöglichkeit sei nicht erkennbar. Der Kläger werde daher gemäß § 26 Abs. 1 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) i. V. m. Art. 65 Abs. 1 BayBG in den Ruhestand versetzt.

Mit Schriftsatz vom 14. April 2014, eingegangen am 15. April 2014, erhob der Kläger gegen die Ruhestandsversetzung Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth. Zur Begründung wiederholt er im Wesentlichen seine vorangegangenen Einwendungen gegen die Versetzung in den Ruhestand. Diese sei diskriminierend und beruhe auf einem Gutachten, das wegen mangelnder Objektivität als befangen zurückzuweisen sei. Unter dem 17. April 2014 beantragte der Kläger die Gewährung von Prozesskostenhilfe.

Der Beklagte nahm unter dem 12. Mai 2014 zur Klage Stellung und beantragte

Klageabweisung.

Die Klageerwiderung stützt sich im Wesentlichen auf die den Ausgangsbescheid tragenden Gründe. Es wird ausgeführt, sowohl das Bayerische Staatsministerium der Justiz als auch der Leiter der JVA ... hätten den Kläger aufgrund der vorliegenden Gesundheitszeugnisse für dienstunfähig gehalten. Versuche der Durchführung von Wiedereingliederungsmaßnahmen seien gescheitert, so dass der Kläger nach Anhörung des zuständigen Integrationsamtes und der Zustimmung der Hauptvertrauensperson der schwerbehinderten Beschäftigten beim Bayerische Staatsministerium der Justiz mit Ablauf des Monats April 2014 in den Ruhestand versetzt worden sei. In Wahrnehmung der Fürsorgepflicht des Dienstherrn sei dem Kläger die Weisung erteilt worden, die amtsärztlicherseits empfohlenen therapeutischen Maßnahmen durchzuführen. Überdies sei entgegen der ärztlichen Einschätzung ein Nachuntersuchungstermin für Oktober 2016 vorgemerkt. Es stehe dem Kläger darüber hinaus offen, während des Ruhestands bei Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen der Dienstfähigkeit seine Reaktivierung zu beantragen. Die Teilhaberichtlinien - Inklusion behinderter Angehöriger des Öffentlichen Dienstes in Bayern - (TeilR) seien eingehalten worden, was sich unter anderem am Angebot eines betrieblichen Eingliederungsmanagements sowie an der Anhörung von Integrationsamt und Schwerbehindertenvertretung zeige. Auch in Hinblick auf die Dauer und Intensität des Prüfungsverfahrens seit 14. März 2011 bis zur endgültigen Ruhestandsversetzung am 1. Mai 2014 werde die Wahrung der Sorgfaltspflicht offenbar. Die Behauptungen des Klägers, ihm sei ein seiner Gesundheit entsprechender Dienstposten verwehrt worden, seien haltlos, vielmehr seien ihm bereits ab Frühjahr 2010 geeignete Dienstposten angeboten worden. Der Beklagte verfahre bei der Prüfung jeder Ruhestandsversetzung stets nach dem Grundsatz "Prävention und Rehabilitation vor Versorgung". Im Übrigen seien die erhobenen Diskriminierungsvorwürfe unsubstantiiert und daher zurückzuweisen.

Das Bayerische Verwaltungsgericht Bayreuth lehnte den Prozesskostenhilfeantrag des Klägers mit Beschluss vom 20. April 2015 ab. Im anschließenden Beschwerdeverfahren vertiefte der Kläger seine Ausführungen und betonte erneut den Zusammenhang der Ruhestandsversetzung mit den über Jahre andauernden Diskriminierungen gegen seine Person, deren Schlusspunkt die angegriffene Verfügung darstelle. Weiter machte er geltend, ein betriebliches Eingliederungsmanagement auf einem seiner Schwerbehinderung entsprechenden Dienstposten sei nicht ordnungsgemäß erfolgt, im Gegenteil sei ihm ein behindertengerechter Arbeitsplatz verwehrt worden. Die gegen den Prozesskostenhilfebeschluss gerichtete Beschwerde des Klägers wies der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 10. Juli 2015 zurück.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die zum Verfahren beigezogenen Behördenakten Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - entsprechend). Die Akten des Verfahrens B 5 K 14.106 wurden beigezogen.

Rechtsweg:

Es liegen keine Informationen zum Rechtsweg vor.

Quelle:

BAYERN.RECHT

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.

Die angefochtene Verfügung des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Das Bayerische Staatsministerium der Justiz ist ohne Rechtsfehler zu der Einschätzung gelangt, dass der Kläger dauernd dienstunfähig im Sinne des § 26 Abs. 1 BeamtStG ist und eine anderweitige Verwendung nach § 26 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 und 3 BeamtStG nicht in Betracht kommt.

Der Bescheid vom 3. April 2014 begegnet weder in formeller noch in materiell-rechtlicher Hinsicht rechtlichen Bedenken.
1. Das Bayerische Staatsministerium der Justiz war als Ernennungsbehörde für die Entscheidung über die Ruhestandsversetzung zuständig, Art. 66 Abs. 2 Satz 2, Art. 71 Abs. 1 Satz 1, Art. 18 Abs. 1 Satz 3 BayBG. Dem Kläger wurde die beabsichtigte Ruhestandsversetzung vom Beklagte mit Gründen mitgeteilt, Art. 66 Abs. 1 BayBG; er wurde mit seinen Einwendungen gem. Art. 66 Abs. 2 Satz 1 BayBG gehört. Eine Mitwirkung des Personalrats nach Art. 76 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6, Satz 3 Bayerisches Personalvertretungsgesetz (BayPVG) hat der Kläger, soweit ersichtlich, nicht beantragt. Eine ordnungsgemäße Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung gem. § 95 Abs. 2 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) hat mit der Erklärung des Einverständnisses durch die Hauptvertrauensperson der schwerbehinderten Beschäftigten im nichtrichterlichen Dienst unter dem 27. Februar 2014 stattgefunden. Einer erneuten Beteiligung des Integrationsamts nach der letzten amtsärztlichen Untersuchung vom 9. Oktober 2013 bedurfte es nicht. Insoweit war die Äußerung des Integrationsamts vom 14. Juni 2013, man sehe für den Kläger im Rahmen des Präventionsverfahrens nach § 84 Abs. 1 SGB IX keine weitere Unterstützungsmöglichkeit, abschließend. Das Gutachten vom 15. November 2013 enthält keine Feststellungen, aufgrund derer das Integrationsamt zu einer anderen Einschätzung hätte gelangen können oder müssen. Einer Zustimmung des Integrationsamts zur Ruhestandsversetzung des Klägers nach §§ 85, 92 SGB IX bedurfte es nicht. Insofern fehlt es im Rahmen der Versetzung in den Ruhestand bereits an einer "Kündigung" oder "Beendigung des Arbeitsverhältnisses". Auch besteht zwischen den Fällen der beamtenrechtlichen Zurruhesetzungsverfügung und den arbeitsrechtlichen Konstellationen der §§ 85, 92 SGB IX eine unterschiedliche Interessenlage, die eine (analoge) Anwendung auf das Zurruhesetzungsverfahren verbietet (vgl. BAG U.v. 24.5.2012 - 6 AZR 679/10 - juris; OVG NRW, U.v. 13.9.2012 - 1 A 644/12 - juris). Ein betriebliches Eingliederungsmanagement gem. § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX wurde dem Kläger bereits im Jahr 2010 angeboten und durchgeführt. Dennoch kam es in der Folge zu weiteren erheblichen Fehlzeiten des Klägers. Der Versuch einer erneuten betrieblichen Eingliederung in den Jahren 2011 und 2012 blieb erfolglos, da der Kläger zunächst die Vorlage eines entsprechenden Wiedereingliederungsplans unter Verweis auf eine gerade begonnene Therapie ablehnte und im Nachgang der amtsärztlichen Feststellungen im Gesundheitszeugnis der Medizinische Untersuchungsstelle der Regierung von ... vom 15. Mai 2012 nach Berlin verzogen war und eine Wiedereingliederung in Hinblick auf seinen verschlechterten Gesundheitszustand ablehnte. Im Übrigen stellt die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements keine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für die Versetzung eines Beamten in den Ruhestand dar (vgl. BVerwG, U.v. 5.6.2014 - 2 C 22/13 - BVerwGE 150, 1 - juris Rn. 48; BayVGH, B.v. 10.7.2015 - 3 C 15.1015).

2. Auch in materieller Hinsicht erweist sich die angegriffene Zurruhesetzungsverfügung als rechtmäßig. Der Beklagte ist rechtsfehlerfrei zu der Einschätzung gelangt, dass beim Kläger eine dauernde Dienstunfähigkeit i. S. d. § 26 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG vorliegt.

Nach § 26 Abs. 1 BeamtStG ist ein Beamter in den Ruhestand zu versetzen, wenn er wegen seines körperlichen Zustands oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung seiner Dienstpflichten dauernd unfähig (dienstunfähig) ist. Als dienstunfähig kann auch angesehen werden, wer infolge Erkrankung innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst getan hat, wenn keine Aussicht besteht, dass innerhalb einer Frist, deren Bestimmung dem Landesrecht vorbehalten bleibt, die Dienstfähigkeit wieder voll hergestellt ist. Art. 65 Abs. 1 BayBG bestimmt für diese Frist einen Zeitraum von sechs Monaten. Von der Versetzung in den Ruhestand soll abgesehen werden, wenn eine anderweitige Verwendung möglich ist, § 26 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG. Die Dienstunfähigkeit bezieht sich auf die Erfüllung der Dienstpflichten des Amts im abstrakt-funktionellen Sinn, das heißt jenen Aufgabenbereich, der einem bestimmten Amt im statusrechtlichen Sinne bezogen auf die konkrete Behörde zugeordnet ist (vgl. Summer in Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand Juni 2012, § 26 BeamtStG Rn. 14). Dauernd dienstunfähig i. S. d. § 26 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG ist ein Beamter, wenn sich die Dienstunfähigkeit in absehbarer Zeit nicht beheben lässt (vgl. Summer in Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, § 26 BeamtStG Rn. 23), d. h. wenn die Wiedererlangung der Dienstfähigkeit in absehbarer Zeit unwahrscheinlich ist (vgl. BVerwG, U. v. 30.8.1963, VI C 178.61 - BVerwGE 16, 285 ff.). Dauernd dienstunfähig ist der Beamte dabei nicht nur dann, wenn es ihm nicht möglich ist, seinen Arbeitsplatz aufzusuchen, sondern auch dann, wenn es ihm nicht möglich ist, eine bezogen auf sein Amt vollwertige Dienstleistung zu erbringen (vgl. Summer a. a. O., § 26 BeamtStG Rn. 15). Der Prognosezeitraum beträgt wie bei der in der Regel erleichterten Prognose des § 26 Abs. 1 S. 2 BeamtStG sechs Monate, wobei hinsichtlich des Beginns maßgeblich auf den Zeitpunkt der ärztlichen Stellungnahme abzustellen ist (vgl. BayVGH, B.v. 5.5.1994 - 3 CS 94.255). Für die Prognose ist weiter zu beachten, dass zunächst ausgehend von den amtsbezogenen Anforderungen ein leistungseinschränkender Sachverhalt festgestellt werden muss, zu dem dann eine Prognosewertung abgegeben werden muss. Zwischen den festgestellten Amtsanforderungen und dem sich nach dem leistungseinschränkenden Sachverhalt ergebenden Prognosebild muss sich eine Diskrepanz ergeben (vgl. Summer a. a. O., § 26 BeamtStG Rn. 12).

Hieran gemessen gelangte der Beklagte ohne Rechtsfehler zu der Einschätzung einer dauernden Dienstunfähigkeit des Klägers im Sinne des § 26 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG.

Bereits im Gesundheitszeugnis vom 5. Februar 2013 kam die Zentrale Medizinische Gutachtenstelle des Landesamts für Gesundheit und Soziales Berlin zu dem Ergebnis, dass beim Kläger eine mittelgradig bis schwer ausgeprägte Gesundheitsstörung aus dem nervenärztlichen Bereich gegeben sei, die dazu führe, dass die für seine Tätigkeit als Obersekretär im Justizvollzugsdienst erforderliche berufliche Belastbarkeit in absehbarer Zeit nicht erwartet werde und dass die dienstliche Leistungsfähigkeit des Klägers aufgehoben sei. Zur Erfüllung der im Gutachtensauftrag beschriebenen tätigkeitsbezogenen Pflichten sei der Kläger dauerhaft unfähig. Eine Aussicht auf Wiederherstellung der Dienstfähigkeit sah der medizinische Gutachter binnen sechs Monaten nicht als erreichbar an, binnen eines Zeitraums von zwölf Monaten wurde damals noch von einiger Wahrscheinlichkeit für das Wiedererreichen der Dienstfähigkeit ausgegangen.

Gleichwohl kam es in der Folge auch innerhalb des Zeitraums von zwölf Monaten nicht zur Wiederaufnahme der beruflichen Tätigkeit des Klägers.

Das auf der Grundlage der letzten Untersuchung des Klägers vom 9. Oktober 2013 sowie der Beiziehung eines psychiatrischen Vorgutachtens vom Januar 2013 sowie des fachpsychiatrischen Befundberichts der Dipl.-Med. H. aus dem Jahr 2011 durch die Zentrale Medizinische Gutachtenstelle des Landesamts für Gesundheit und Soziales Berlin erstellte Gesundheitszeugnis vom 15. November 2013 gelangt zu der Einschätzung, dass aufgrund der beim Kläger vorliegenden Erkrankungen - insbesondere jener aus dem nervenärztlichen Bereich wie unter anderem einer schweren Depression mit paranoiden Zügen und einer unsicheren, ängstlichen, neurasthenischen Persönlichkeit - von einer erheblichen Minderbelastbarkeit des Klägers auszugehen sei. Seine Anpassungsfähigkeit und die Fähigkeit zur Umsetzung dienstlicher Vorgaben sei vermindert und seine Teamfähigkeit eingeschränkt. Seine dienstliche psychische und psychophysische Belastbarkeit sei aufgehoben und seine Leistungsfähigkeit schwer eingeschränkt. Der Gutachter gelangt zu dem Schluss, dass eine Wiederherstellung der vollen tätigkeitsbezogenen Leistungsfähigkeit des Klägers innerhalb von sechs Monaten ausgeschlossen, aber auch zu einem späteren Zeitpunkt sehr unwahrscheinlich sei. Selbst bei intensivierten Behandlungsmaßnahmen wie einer stationären Behandlung werde nicht mit der Herstellung einer ausreichenden Belastbarkeit des Klägers gerechnet. Dem Kläger wird eine dauernde Unfähigkeit zur Erfüllung seiner Pflichten attestiert. Auch anderweitige Verwendungsmöglichkeiten seien laut dem Gutachten nicht erkennbar, da eine ausreichende Belastbarkeit des Klägers für eine andere dienstliche Verwendung nicht mehr gegeben sei. Der Gutachter hält aus fachärztlicher Sicht selbst eine Nachuntersuchung des Klägers für entbehrlich, was die Dauerhaftigkeit der festgestellten Dienstunfähigkeit unterstreicht.

Aus Sicht des Gerichts besteht kein Anlass, an der Richtigkeit der vorliegenden ärztlichen Gutachten zu zweifeln. Die Darlegungen des Gutachters sind schlüssig und nachvollziehbar und fügen sich in das Gesamtbild der bisherigen medizinischen Stellungnahmen ein. Insbesondere sind die vom Kläger vorgebrachten Behauptungen, den Gutachten mangele es an der erforderlichen Objektivität, da diese vom Beklagten in Auftrag gegeben worden und damit befangen seien, nicht geeignet, zu einer anderen Beurteilung zu gelangen. Der in § 108 VwGO niedergelegte Grundsatz der freien Beweiswürdigung erlaubt es dem Gericht, seine Überzeugung auch auf im Verwaltungsverfahren eingeholte Sachverständigengutachten zu stützen, soweit diese im Prozess nicht substantiiert in Zweifel gezogen werden oder sich dem Gericht die Notwendigkeit weiterer Ermittlungen aufdrängen muss (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 21. Auflage, § 108 Rn. 4 m. w. N.). Der Vortrag des Klägers, die Gutachten seien vom Beklagten bezahlt und somit befangen, auch, weil sie keine Feststellungen hinsichtlich einer weiteren möglichen Verwendung des Klägers, etwa im Bereich Sozialdienst, Wirtschaftsverwaltung, Poststelle etc., zu der sich der Kläger selbst im Stande sieht, enthielten, ist aus Sicht des Gerichts nicht geeignet, Zweifel an der Objektivität des letzten Gutachtens zu begründen. Das Gutachten gelangt zu dem Schluss, dass für den Kläger aufgrund der festgestellten Erkrankungen neben der bisherigen dienstlichen Verwendung auch keine anderweitigen Verwendungsmöglichkeiten bestehen. Überdies war es der Kläger selbst, der den Beklagten um eine Begutachtung durch das zuständige Gesundheitsamt an seinem Aufenthaltsort in Berlin gebeten hat. Warum das dort gewonnene Untersuchungsergebnis nun in Hinblick auf seine Objektivität vom Kläger hinterfragt wird, erschließt sich dem Gericht nicht. Auch im Übrigen enthält der klägerische Vortrag keine Ausführungen, welche die Feststellungen des Gutachtens substantiiert in Zweifel zu ziehen vermögen.

Ausgehend von diesen oben dargestellten ärztlichen Feststellungen durfte der Beklagte die nach § 26 Abs. 1 BeamtStG erforderliche negative Prognose in Hinblick auf die Wiederherstellung der Dienstfähigkeit des Klägers treffen. Darauf beruhend ist auch die getroffene Rechtsfolgenentscheidung der Versetzung des Klägers in den Ruhestand rechtlich nicht zu beanstanden. Wie sich aus dem letzten ärztlichen Gutachten ergibt, kam für den Kläger weder eine anderweitige Verwendung i. S. d. § 26 Abs. 2 BeamtStG noch die Übertragung einer geringerwertigen Tätigkeit i. S. d. § 26 Abs. 3 BeamtStG in Betracht. Auch § 27 Abs. 1 BeamtStG, wonach von der Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit abgesehen werden soll, wenn der Beamte unter Beibehaltung des übertragenen Amtes die Dienstpflichten noch während mindestens der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit erfüllen kann, scheidet im vorliegenden Fall aus, da der Kläger, wie festgestellt, die erforderliche Leistungsfähigkeit zur Erfüllung seiner Dienstpflichten nicht (mehr) besitzt.

Die vom Kläger vorgetragenen Vorwürfe hinsichtlich einer Vielzahl über Jahre hinweg andauernder Diskriminierungen, deren Schlusspunkt die streitgegenständliche Ruhestandsversetzung aus seiner Sicht darstellt, sind für die Frage der hier in Rede stehenden Rechtmäßigkeit der Versetzung des Klägers in den Ruhestand nicht von Bedeutung. Gegenstand der Prüfung ist allein, ob beim Kläger eine dauernde Dienstunfähigkeit vorliegt, ohne dass es auf die zugrundeliegenden Ursachen ankommt.

Die angegriffene Verfügung vom 3. April 2014 erweist sich somit als rechtmäßig, so dass die Klage abzuweisen ist.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 709 ff. ZPO.

Referenznummer:

R/R7396


Informationsstand: 05.10.2017