Urteil
Einstellung als Steuersekretäranwärterin - Gesundheitliche Eignung - Nicht anerkannte Schwerbehinderung

Gericht:

VG Ansbach 1. Kammer


Aktenzeichen:

AN 1 E 12.01106 | 1 E 12.01106


Urteil vom:

10.08.2012


Grundlage:

  • GG Art. 33 Abs. 2 |
  • BeamtStG § 9 |
  • VwGO § 123

Tenor:

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Der Streitwert wird auf 5.934,63 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die am ...1968 geborene Antragstellerin, die die Zweite Juristische Staatsprüfung zum wiederholten Male nicht bestanden hat, unterzog sich 2011 dem Auswahlverfahren für die Ausbildungsplätze in der öffentlichen Verwaltung und der Justiz in der zweiten Qualifikationsebene für das Einstellungsjahr 2012. Sie erreichte dabei unter 9146 Teilnehmern, von denen 8948 das Auswahlverfahren erfolgreich abgeschlossen haben, die Platzziffer 709 im Gleichrang mit 12 Bewerbern. Das Bayerische Landesamt für Steuern (im Folgenden: Landesamt) teilte der Antragstellerin mit, dass sie aufgrund des in diesem Auswahlverfahren erzielten Ergebnisses für den Einstieg in der zweiten Qualifikationsebene der Fachlaufbahn Verwaltung und Finanzen mit dem fachlichen Schwerpunkt Steuer in Betracht komme; ihre Ausbildung sei am Finanzamt Ansbach vorgesehen, beginnend am ... 2012.

Bei dem Vorstellungsgespräch beim Finanzamt Ansbach am ... 2011 wurde die Antragstellerin als geeignet für den Einstieg in der zweiten Qualifikationsebene der Fachlaufbahn Verwaltung und Finanzen mit dem fachlichen Schwerpunkt Steuer erachtet.

Am ... 2012 wurde die Antragstellerin auf ihre gesundheitliche Eignung für die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit amtsärztlich untersucht.

Mit ... teilte das Landesamt der Antragstellerin unter Bezugnahme auf das in Anlage beigefügte Gesundheitszeugnis des Landratsamtes - Gesundheitsamt - Ansbach (im Folgenden: Gesundheitsamt) vom 19. März 2012 mit, dass von ihrer Einstellung als Steuersekretäranwärterin abgesehen werde, weil ihre gesundheitliche Eignung für die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit derzeit nicht zuerkannt werden könne.

Im Gesundheitszeugnis ist ausgeführt:

"Frau K. wurde am ....2012 amtsärztlich untersucht. Ergänzende Unterlagen wurden von Frau K. eingereicht, aber nicht vollständig.

Frau K. besitzt nach derzeitigem Kenntnisstand, der jedoch aufgrund der fehlenden Überprüfbarkeit eingeschränkt ist, die gesundheitliche Eignung als Steuersekretäranwärterin.

Sie ist gemäß augenblicklichem Gesundheitszustand geeignet, den zweijährigen Vorbereitungsdienst im Beamtenverhältnis auf Widerruf abzuleisten.

Vor einer Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit wird eine Nachuntersuchung nach Ablauf von 2 Jahren empfohlen."

Mit einem am 27. Juni 2012 per Telefax bei Gericht eingegangenen Schriftsatz ihrer früheren Bevollmächtigten, Rechtsanwälte ..., ließ die Antragstellerin beantragen,

den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Antragstellerin bis zur Rechtskraft einer Entscheidung in der Hauptsache ab ...2012 vorläufig als Steuersekretäranwärterin für die Finanzverwaltung einzustellen.

Der Antragstellerin stehe ein Anspruch auf Einstellung in das Ausbildungsverhältnis zu. Sie habe nicht nur das Auswahlverfahren erfolgreich abgeschlossen, sondern verfüge auch über die gesundheitliche Eignung, erfülle mithin sämtliche Einstellungsvoraussetzungen. Die Ablehnung der Einstellung verletzte sie in ihrem Recht aus Art. 12 GG auf freie Wahl der Ausbildungsstätte, ferner in ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG. Der Antragstellerin stehe auch ein Anordnungsgrund zur Seite, da das Zuwarten bis zu einer gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache für sie mit unzumutbaren Nachteilen verbunden wäre, zumal für die Antragstellerin nur bei einer Einstellung im September 2012 die Möglichkeit bestehe, die zweijährige Ausbildung vor Vollendung des 45. Lebensjahres abzuschließen, um in das Beamtenverhältnis berufen werden zu können (Art. 23 Abs. 1 BayBG). Der Antrag sei gemäß § 123 Abs. 1 VwGO schon vor Klageerhebung in der Hauptsache zulässig. Hinsichtlich ihrer gesundheitlichen Eignung habe das Gesundheitsamt auf den Einwand der Antragstellerin, die erbetenen Befunde unverzüglich übermittelt zu haben, im Schreiben vom ... ergänzend ausgeführt, dass die von der Antragstellerin vorgelegten Befunde in Zusammensicht mit der amtsärztlichen Untersuchung eine Erhöhung des kardiovaskulären Risikos gezeigt hätten, die zur Empfehlung einer Nachuntersuchung nach Ablauf von zwei Jahren - vor der Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit - geführt habe. Für ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko gebe es jedoch tatsächlich - wie dem in Anlage beigefügten ärztlichen Attest der Gemeinschaftspraxis Dres. ... entnommen werden könne - keinen Hinweis.

Mit am 4. Juli 2012 per Telefax eingegangenem Schriftsatz haben die früheren Bevollmächtigten der Antragstellerin Klage erhoben.

Auf richterliche Anregung wurde die Antragstellerin am 18. Juli 2012 erneut zu einer amtsärztlichen Untersuchung geladen.

Mit Schreiben vom 1. August 2012 beantragte das Landesamt,

den Antrag abzulehnen.

Das Gesundheitsamt komme in seinem aufgrund der erneuten amtsärztlichen Untersuchung erstellten Gesundheitszeugnis vom ... 2012 zu dem Ergebnis, dass bei der Antragstellerin Erkrankungen aus dem internistischen, orthopädischen, augenärztlichen sowie hautärztlichen Fachbereich bestünden. In der Zusammenschau bestehe ein Anspruch auf Erteilung eines Schwerbehindertenausweises. Aussagen zum möglichen Grad der Behinderung seien nicht erfolgt. Der Antragstellerin sei dringend angeraten worden, einen entsprechenden Antrag beim Versorgungsamt zu stellen. Eine Korrektur der Aussage vom ... 2012 zur derzeit fehlenden gesundheitlichen Eignung für die Verbeamtung auf Lebenszeit bzw. zur Unmöglichkeit einer derzeitigen Stellungnahme hierzu sei nicht vorgenommen worden; vielmehr werde ausgeführt:

"Nach momentanem Kenntnisstand besteht bei der Betroffenen die gesundheitliche Eignung für die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit unter Berücksichtigung der offenbar bestehenden Schwerbehinderung."

Die Antragstellerin habe per e-mail vom ...2012 mitgeteilt, einen entsprechenden Antrag auf Feststellung einer Behinderung von 50% beim Zentrum Familie und Soziales gestellt zu haben. Weitere Unterlagen seien bislang nicht vorgelegt worden.

Zur Begründung des ablehnenden Antrages führte das Landesamt u. a. aus, dass es an einem Anordnungsanspruch der Antragstellerin fehle, da die Einstellungsvoraussetzungen nach Art. 33 Abs. 2 GG, § 9 BeamtStG nicht gegeben seien. Es bestehe keine Verpflichtung des Antragsgegners, die Antragstellerin zur Beamtin auf Widerruf zu ernennen. Ein Anspruch ergebe sich auch nicht im Wege einer Ermessensreduzierung auf Null. Die ablehnende Entscheidung sei ermessensfehlerfrei im Rahmen des dem Antragsgegner zustehenden Beurteilungsspielraums getroffen worden. Die vom Dienstherrn vorzunehmende Beurteilung der gesundheitlichen Eignung sei ein Akt wertender und prognostischer Erkenntnis und sei als solche gerichtlich nur beschränkt daraufhin zu überprüfen, ob die Verwaltung den Begriff verkannt, einen unrichtigen Sachverhalt zugrunde gelegt, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachwidrige Erwägungen angestellt habe. Dies sei vorliegend indes nicht der Fall. Als Einstellungsbehörde fordere das Landesamt bereits zum Einstellungszeitpunkt - hier dem ... - die uneingeschränkte gesundheitliche Eignung für die Verbeamtung auf Lebenszeit, da in der Finanzverwaltung nach dem vorhandenen Bedarf ausgebildet werde, d. h. dass nur so viele Bewerber eingestellt würden, wie zum Übernahmezeitpunkt in das Beamtenverhältnis auf Probe auch benötigt werden. Im Falle einer derart bedarfsorientierten Ausbildung könne der Dienstherr die fehlende uneingeschränkte Eignung für die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit bereits bei der Einstellung in den Vorbereitungsdienst berücksichtigen, um eine letztlich überflüssige Ausbildung im Vorbereitungsdienst sowohl im Interesse des Betroffenen als auch im Interesse des Dienstherrn zu vermeiden. Die Ausbildung in der Laufbahn der zweiten Qualifikationsebene sei auch nicht als allgemeine Ausbildungsstätte anzusehen. Für die auf die Bedürfnisse der Finanzverwaltung zugeschnittene Ausbildung in der zweiten (wie auch dritten) Qualifikationsebene werde nur der Bedarf der Bayerischen Finanzverwaltung an Nachwuchskräften ausgebildet. Im Rahmen der Entscheidung über die Einstellung der Antragstellerin seien das amtsärztliche Gutachten des Gesundheitsamts vom 19. März 2012 und dessen ergänzende Stellungnahme vom 23. Juli 2012, an deren Richtigkeit zu zweifeln kein Anlass bestehe, einbezogen worden. Hiernach habe die geforderte uneingeschränkte gesundheitliche Eignung für die Verbeamtung auf Lebenszeit nicht attestiert werden können. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts fehle die gesundheitliche Eignung bereits dann, wenn Umstände gesundheitlicher Art festgestellt würden, die geeignet seien, den Beamten für die Übernahme in das Beamtenverhältnis untauglich erscheinen zu lassen. Insoweit genüge bereits eine körperliche oder psychische Veranlagung der Art, dass die Möglichkeit häufiger Erkrankungen oder des Eintritts dauernder Dienstunfähigkeit schon vor Erreichen der Altersgrenze nicht mit einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden könne. Dies sei bei der Antragstellerin nach der vorliegenden amtsärztlichen Prognose jedoch der Fall. Soweit die medizinische Beurteilung des Amtsarztes hinsichtlich desselben Krankheitsbildes von der Beurteilung des behandelnden Privatarztes abweiche, komme der Beurteilung des Amtsarztes der Vorrang zu, wenn keine begründeten Zweifel an dessen Sachkunde bestünden, die medizinische Beurteilung auf zutreffenden Tatsachen beruhe sowie in sich stimmig und nachvollziehbar sei. Dieser Vorrang habe seinen Grund in der Neutralität und Unabhängigkeit des Amtsarztes, der im Gegensatz zu einem Privatarzt, der möglicherweise bestrebt sei, das Vertrauen des Patienten zu ihm zu erhalten, seine Beurteilung von seiner Aufgabenstellung her unbefangen und unabhängig vornehme und der dem Beamten und der Dienststelle gleichermaßen fernstehe.
Gerade bei der Feststellung der gesundheitlichen Eignung komme den Zeugnissen des Gesundheitsamtes eine besondere Bedeutung zu, da es einer besonderen Sorgfaltspflicht unterliege und über speziellen Sachverstand hinsichtlich der Frage verfüge, ob und wann eine Gesundheitsstörung die Dienstunfähigkeit eines Beamten bewirke. Soweit das Gesundheitsamt vorliegend ausführe, bei der Antragstellerin bestehe die gesundheitliche Eignung für die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit unter Berücksichtigung der offenbar bestehenden Schwerbehinderung, so fehle es derzeit an einem entsprechenden Nachweis der Schwerbehinderung. Die Schwerbehinderteneigenschaft als Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Rechten und Nachteilsausgleichen, die schwerbehinderte Menschen nach der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen über die Rehabilitation und Teilhabe behinderter Angehöriger des Öffentlichen Dienstes in Bayern vom 3. Dezember 2005 (Fürsorgerichtlinien), dem SGB IX oder nach anderen Rechtsvorschriften zustünden, sei grundsätzlich durch Vorlage des Schwerbehindertenausweises gemäß § 69 Abs. 5 SGB IX, andernfalls durch Vorlage eines bestandskräftigen Rentenbescheides oder einer entsprechenden rechtskräftigen Verwaltungs- oder Gerichtsentscheidung nachzuweisen, in welchen das Vorliegen einer Behinderung und der Grad einer auf ihr beruhenden Minderung der Erwerbsfähigkeit festgestellt würden. Nicht ausreichend sei es, wenn - wie hier - lediglich der entsprechende Antrag gestellt worden sei. Zwar sollen Betroffene nach den Fürsorgerichtlinien bis zur Entscheidung über einen solchen Antrag unter Vorbehalt als schwerbehinderte Personen behandelt werden, dies allerdings nur im Rahmen des rechtlich Möglichen und des sachlich Zweckmäßigen. Eine Ernennung zur Beamtin auf Widerruf - wie von der Antragstellerin begehrt werde - unter Vorbehalt oder auf Grundlage von Entscheidungen, die unter Vorbehalt ergangen seien, komme deswegen grundsätzlich nicht in Betracht. Die begehrte Einstellung als Steuersekretäranwärterin könne aber gemäß Art. 26 Abs. 2, 1. Alt. LlbG nur im Beamtenverhältnis auf Widerruf erfolgen. Für die Einstellung und Ernennung müssten daher die in Art. 33 Abs. 2 GG und § 9 BeamtStG genannten Einstellungsvoraussetzungen erfüllt sein, mithin auch die gesundheitliche Eignung der Antragstellerin vorliegen. Hierbei kämen auch weder eine rückwirkende noch eine vorläufige und damit bedingte Ernennung der Antragstellerin im Wege einer einstweiligen Anordnung in Betracht. Die Ernennung sei ein rechtsgestaltender, mitwirkungsbedürftiger und formbedürftiger Verwaltungsakt, der insoweit bedingungs- und auflagenfeindlich sei, mithin auch nicht vom ungewissen Ausgang eines Hauptsacheverfahrens abhängig gemacht werden könne. Auch eine rückwirkende Ernennung sei gemäß § 8 Abs. 4 BeamtStG kraft Gesetzes ausgeschlossen.

In der vom Landesamt dem Gericht mit weiteren, den vorliegenden Vorgang betreffenden Unterlagen übermittelten Stellungnahme vom ... 2012 führt das Gesundheitsamt - insoweit vom Landesamt nicht ausdrücklich angesprochen - weiter aus:

"... Trotz der offenbar bestehenden Behinderung besitzt Frau K. aus amtsärztlicher Sicht die gesundheitliche Eignung für die Laufbahn als Steuersekretäranwärterin....

Mit dem vorzeitigen Eintritt dauernder Dienstunfähigkeit im beurteilungsrelevanten Zeitraum von 5 Jahren ist derzeit nicht zu rechnen. Technische Hilfsmittel oder eine Hilfskraft sind nicht notwendig."

Mit Schreiben vom 8. August 2012 trug die Antragstellerin vor, sie habe den Antrag auf Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises am ... 2012 beim Versorgungsamt Nürnberg gestellt und hierzu alle in ihren Händen befindlichen ärztlichen Atteste vorgelegt, im Übrigen deren Übermittlung veranlasst. Sie habe darauf vertraut, dass auch das amtsärztliche Gutachten vollständig an das Versorgungsamt weitergeleitet werde. Erst am 1./2. August 2012 sei ihr bekannt geworden, dass das Versorgungsamt noch weitere Unterlagen, u.a., ein digitales Foto ihres Gesichts und ihres Rückens sowie ein fachärztliches Attest eines Orthopäden benötige. Die erbetenen Fotos habe sie dem Versorgungsamt am 5. August 2012 per e-mail übermittelt, einen Arzttermin beim Orthopäden jedoch erst für den 6. August 2012 vereinbaren können. Ein Attest werde ihr frühestens am 15. August 2012 zugeleitet. In Anbetracht dessen schlage sie vor, bei ihr aufgrund der Zusicherung der Amtsärztin, zu 50% schwerbehindert zu sein, eine "ideelle" Schwerbehinderung anzuerkennen, damit ihrem Begehren, zum 1. September 2012 eingestellt zu werden, Rechnung getragen werden könne. "Ersatzweise" sei sie auch mit einer schriftlichen Zusicherung einer Einstellung zum 1. September 2013 einverstanden.

In seiner Stellungnahme vom 9. August 2012 führte das Landesamt aus, dass das Vorbringen der Antragstellerin weiterhin nicht geeignet sei, den gestellten Antrag zu rechtfertigen. Soweit die Antragstellerin auf das Verfahren zur Anerkennung der Schwerbehinderung beim Versorgungsamt Nürnberg Bezug nehme, sei darauf hinzuweisen, dass der Antragsgegner hierauf keinen Einfluss nehmen könne. Soweit die Mitwirkung des Antragsgegners vonnöten gewesen sei, sei dem auch nachgekommen worden. Das Landesamt habe umgehend mit den zuständigen Behörden Kontakt aufgenommen, um das Verfahren - soweit möglich - zu beschleunigen. Erstmals mit e-mail der Antragstellerin vom 1. August 2012 sei das Landesamt darauf hingewiesen worden, dass das Versorgungsamt die amtsärztlichen Untersuchungsergebnisse des Gesundheitsamts Ansbach benötige. Die Antragstellerin sei umgehend darauf hingewiesen worden, dass es insoweit einer Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht bedürfe. Wie dem Landesamt vom Gesundheitsamt mitgeteilt worden sei, seien die Unterlagen an das Versorgungsamt weitergegeben worden. Soweit die Antragstellerin darauf verweise, die Amtsärztin habe ihr bereits eine Schwerbehinderung "zugesichert", sei darauf hinzuweisen, dass das Gesundheitsamt hierfür nicht zuständig sei und das Versorgungsamt ... an eine entsprechende Beurteilung der Amtsärztin auch nicht gebunden sei. Dies werde nicht zuletzt auch dadurch deutlich, dass das Versorgungsamt weitere Unterlagen und Untersuchungen für notwendig erachte. Festzuhalten bleibe, dass die Antragstellerin nicht in der Lage sei, eine Schwerbehinderung nachzuweisen, so dass die Voraussetzungen für ihre Einstellung nicht gegeben seien. Eine Anerkennung einer "ideellen" Schwerbehinderung sei weder gesetzlich vorgesehen noch käme sie - rein rechtlich gesehen - nach dem Fürsorgeerlass bei einer bedingungsfeindlichen Ernennung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf überhaupt in Betracht. Sie scheitere im Übrigen auch aus Gründen der Gleichbehandlung aller Einstellungskandidaten. Soweit die Antragstellerin hilfsweise die schriftliche Zusicherung einer Einstellung zum ... 2013 begehre, sei dem ebenfalls entgegenzutreten; auch insoweit sei ein Anordnungsanspruch nicht gegeben. Gemäß Art. 22 Abs. 8 Satz 7 LlbG i. V. m. Art. 22 Abs. 1 Satz 1 LlbG und Art. 14 der Verordnung zur Regelung der besonderen Auswahlverfahren für den Einstieg in der zweiten und dritten Qualifikationsebene im nichttechnischen Bereich der Leistungslaufbahn (Auswahlverfahrensordnung - AVfV) habe das Ergebnis des Auswahlverfahrens des Bayerischen Landespersonalausschusses grundsätzlich nur für das Einstellungsjahr Geltung, für das es durchgeführt worden sei. Ausnahmen hiervon bedürften nach § 14 AVfV der Zustimmung des Bayerischen Landespersonalausschusses. Hierauf habe der Antragsgegner keinen Einfluss, weshalb eine entsprechende Zusicherung des Antragsgegners - wie von der Antragstellerin begehrt - ausscheiden müsse. Zudem könnte allenfalls das Ergebnis des Auswahlverfahrens 2012 in das Einstellungsverfahren 2013 übernommen werden. Im Interesse der Chancengleichheit müsste die Antragstellerin jedoch mit diesem Ergebnis auch im Einstellungstermin 2013 eine entsprechende Platzziffer erhalten, die zu ihrer Berücksichtigung im Einstellungsverfahren führen würde. Zudem müssten in der Person der Antragstellerin erneut die beamtenrechtlichen Voraussetzungen für eine Beamtin auf Widerruf gegeben sein.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der vorgelegten Behördenunterlagen und der in diesem Verfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Rechtsweg:

Es liegen keine Informationen zum Rechtsweg vor.

Quelle:

BAYERN.RECHT

II.

Der zulässige Antrag ist sachlich nicht begründet.

Gemäß § 123 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache eine einstweilige Anordnung treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert wird. Nach Satz 2 des § 123 Abs. 1 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, sofern die Maßnahme unerlässlich erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden. Beide Arten einer vorläufigen Anordnung setzen ein besonderes Bedürfnis für die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund) im Interesse der Wahrung des behaupteten streitbefangenen Rechts (Anordnungsanspruch) voraus. Beides ist vom Antragsteller glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO), wobei die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgebend sind. Über den Erfolg des Antrags ist aufgrund einer im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen und auch nur möglichen summarischen Prüfung zu entscheiden. Ergibt die überschlägige rechtliche Beurteilung auf der Grundlage der verfügbaren und vom Antragsteller glaubhaft zu machenden Tatsachenbasis, dass von überwiegenden Erfolgsaussichten in der Hauptsache auszugehen ist, besteht regelmäßig ein Anordnungsanspruch. Ein Anordnungsgrund setzt voraus, dass es dem Antragsteller unter Berücksichtigung seiner Interessen unzumutbar ist, eine Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten (Kopp / Schenke, VwGO, 15. Auflage, § 123, RN 26 m. w. N.).

Vorliegend beantragt die Antragstellerin die vorläufige Einstellung als Steuersekretäranwärterin in den Vorbereitungsdienst für die zweite Qualifikationsebene der Fachlaufbahn Verwaltung und Finanzen mit dem fachlichen Schwerpunkt Steuer unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf ab ... 2012, hilfsweise eine entsprechende Zusicherung für eine Einstellung zum ... 2013. Mit ihrem Hauptantrag begehrt die Antragstellerin eine Regelungsanordnung i. S. d. § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO, denn ihr Antrag ist auf die "Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitigen Rechtsverhältnis" und damit auf eine Änderung des status quo gerichtet, nämlich auf die Verpflichtung des Antragsgegners zu der - einstweiligen - Berufung der Antragstellerin in das Beamtenverhältnis auf Widerruf (vgl. BayVGH, B. v. 17.9.2009, 3 CE 09.1383; Eyermann - Happ, VwGO, 12. Aufl. 2006, § 123, RN 23).

Insoweit ist bereits das Bestehen eines Anordnungsgrundes zweifelhaft. Das nahende Erreichen der Höchstaltersgrenze des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 BayBG - die Vollendung des 45. Lebensjahres der Antragstellerin am ... - legt zwar die Eilbedürftigkeit einer (abschließenden) Entscheidung nahe. Mit ihrem auf Aufnahme in das Beamtenverhältnis auf Widerruf in die zweite Qualifikationsebene der Fachlaufbahn Verwaltung und Finanzen mit dem fachlichen Schwerpunkt Steuer gerichteten Antrag begehrt die Antragstellerin jedoch - wenn auch zeitlich begrenzt bis zu dem Abschluss des sachgleichen gerichtlichen Hauptsacheverfahrens - eine Vorwegnahme der Hauptsache zu Lasten des Antragsgegners, da mit der Einstellung und vor allem der Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf der in der Hauptsache AN 1 K 12.01141 verfolgte Anspruch schon weitestgehend erfüllt wird. Eine lediglich vorläufige Ernennung ist gesetzlich nicht vorgesehen (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 BeamtStG). Eine Vorwegnahme der Hauptsache wäre im Übrigen auch dann gegeben, wenn die Antragstellerin nicht die Einstellung beantragt hätte, sondern - unter Beachtung des gemäß Art. 33 Abs. 2 GG, § 9 BeamtStG gegebenen Auswahlermessens des Antragsgegners - lediglich die erneute Verbescheidung ihres Antrags auf Einstellung unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf. Denn auch in diesem Fall wären das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes und das Hauptsacheverfahren auf das gleiche Ziel gerichtet.

Dieses auf eine Vorwegnahme der Hauptsache abzielende Antragsbegehren könnte indes - soweit realisierbar - unter dem Gebot eines effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) nur in einem besonderen Ausnahmefall Erfolg haben, nämlich dann, wenn eine bestimmte Regelung schlechterdings notwendig wäre, weil eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr rechtzeitig erwirkt werden kann, und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg auch in der Hauptsache spräche (vgl. BVerfG, B. v. 16.3.1999, 2 BvR 2131/95, BayVBl 1999, 497 f. = DVBl 1999, 1206 f.; B. v. 25.10.1988, 2 BvR 745/88, BVerfGE 79, 69 ff. = BayVBl 1989, 207 ff. = NJW 1989, 827 f.; BVerwG, B. v. 13.8.1999, 2 VR 1/99, BVerwGE 109, 258 ff. = DVBl 2000, 487 ff. = NJW 2000, 160 ff.; BayVGH, B. v. 17.9.2009, 3 CE 09.1383; B.v. 4.12.2002, 3 CE 02.2797; B. v. 7.12.1992, 7 CE 92.3287, BayVBl 1993, 185 ff.; Kopp / Schenke, a. a. O., § 123, RN 14).

Im Hinblick auf das bereits in einem Jahr vollendete 45. Lebensjahr der Antragstellerin muss zwar davon ausgegangen werden, dass ihr im Hauptsacheverfahren verfolgtes Begehren, in ein Beamtenverhältnis (auf Widerruf) berufen zu werden, aufgrund der zwischenzeitlich dann erreichten Höchstaltersgrenze des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 BayBG nicht mehr zu verwirklichen wäre. Indes kann vorliegend keine Rede davon sein, dass für einen Erfolg in der Hauptsache ein hoher Grad der Wahrscheinlichkeit spräche.

Die Höchstaltersgrenze des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 BayBG gilt zwar - wie Satz 2 der Vorschrift zeigt - nicht ausnahmslos. Dem Ausnahmecharakter der Vorschrift entsprechend sind Ausnahmen indes nur aus Gründen des dienstlichen Interesses möglich. Da die Altersgrenze von 45 Jahren der Wahrung dienstlicher Belange dient - einerseits beamtenrechtlichen und personalpolitischen Erfordernissen einschließlich der Gewährleistung eines gesunden Altersaufbaus, andererseits den Geboten der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, insbesondere durch Vermeidung unbilliger Versorgungslasten (vgl. Weiss / Niedermaier / Summer / Zängl, a. a. O., Art. 23 BayBG, RN 7) -, können Ausnahmen demnach nur unter Beachtung von Sinn und Zweck der Vorschrift zugelassen werden. Nachdem den persönlichen Belangen der Beamten, die früher für die wesentlich niedrigeren Altersgrenzen der Laufbahnverordnung durch entsprechende Ausnahmeregelungen, wie z. B. für Schwerbehinderte, berücksichtigt wurden, durch den Verzicht auf die früheren besonderen laufbahnrechtlichen Ausnahmeregelungen hinreichend Rechnung getragen wurde, ist es gerechtfertigt, an die Zulassung einer Ausnahme von der verbliebenen Höchstaltersgrenze von 45 Jahren strenge Anforderungen zu stellen und allein auf das dienstliche Bedürfnis abzustellen (vgl. Weiss / Niedermaier / Summer / Zängl, a. a. O., Art. 23 BayBG, RN 25). Die Berücksichtigung sozialer Erwägungen oder gar persönlicher Belange kommt demnach nicht in Betracht.

Die Antragstellerin konnte einen Anordnungsanspruch nicht hinreichend glaubhaft machen. Sie hat keinen Anspruch auf Freihaltung einer Ausbildungsstelle im Vorbereitungsdienst der zweiten Qualifikationsebene der Fachlaufbahn Verwaltung und Finanzen mit dem fachlichen Schwerpunkt Steuer zum Einstellungstermin 3. September 2012. Der - infolge fehlender Rechtsbehelfsbelehrung (§ 58 Abs. 2 VwGO) - noch nicht bestandskräftige Bescheid des Antragsgegners vom 2. April 2012, mit welchem der Antragstellerin mitgeteilt wurde, dass aufgrund der Beurteilung des Landratsamts - Gesundheitsamt -... im Gesundheitszeugnis vom 19. März 2012 von ihrer Einstellung als Steuersekretäranwärterin abgesehen werde, weil ihre gesundheitliche Eignung für die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit derzeit nicht zuerkannt werden könne, ist - auch unter Einbeziehung der ergänzenden Stellungnahme des Gesundheitsamts vom 23. Juli 2012 - nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO).

Ein Anspruch auf eine Einstellung der Antragstellerin unter gleichzeitiger Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf ergibt sich weder aus Art. 33 Abs. 2 GG noch aus Art. 12 Abs. 1 GG, da der Vorbereitungsdienst für die zweite Qualifikationsebene der Fachlaufbahn Verwaltung und Finanzen mit dem fachlichen Schwerpunkt Steuer keine allgemeine Ausbildungsstätte im Sinne dieser Vorschrift ist. Die Ausbildung in der zweiten Qualifikationsebene ist auf die Bedürfnisse der bayerischen Finanzverwaltung zugeschnitten, d. h. dass die Ausbildung nach dem vorhandenen Bedarf erfolgt.

Der bei Einstellungen in das Beamtenverhältnis zu beachtende Bewerbungsverfahrensanspruch der Antragstellerin (Art. 33 Abs. 2 GG, § 9 BeamtStG) beschränkt sich in aller Regel auf das formelle subjektive Recht auf eine sachgerechte Auswahl der Bewerber nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung und führt nicht zu einem Anspruch auf Einstellung. Nur dann, wenn das hierbei dem Dienstherrn eröffnete Auswahlermessen (Beurteilungsspielraum) ausnahmsweise "auf Null reduziert" ist, könnte sich der Bewerbungsverfahrensanspruch zu einem Einstellungsanspruch verdichten. Voraussetzung dafür ist, dass angesichts der besonderen Umstände des zu entscheidenden konkreten Falls überhaupt nur eine einzige Entscheidung - nämlich die Einstellung - ermessensfehlerfrei sein könnte (vgl. dazu Kopp / Schenke, a. a. O., § 114, RN 6). Dass die Antragstellerin offensichtlich alle gesetzlichen Voraussetzungen für eine Einstellung erfüllt, hat sie nicht glaubhaft machen können. Es ist ihr nicht gelungen darzulegen, dass die die Entscheidung des Antragsgegners tragende Begründung, wonach sie nicht über die erforderliche gesundheitliche Eignung verfüge, eindeutig nicht zutreffe. Etwas anderes ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt der nach der Einschätzung des Gesundheitsamtes offenbar gegebenen, seitens der Antragstellerin zwar beantragten, bislang jedoch nicht gemäß § 2 Abs. 2 SGB IX anerkannten Schwerbehinderung der Antragstellerin.

Die gesundheitliche Eignung setzt nach ständiger Rechtsprechung voraus, dass die Möglichkeit künftiger Erkrankungen und des Eintritts dauernder Dienstunfähigkeit vor Erreichen der Altersgrenze mit einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann (vgl. BVerwG, B. v. 23.4.2009, 2 B 79/08, juris). Diesbezüglich hat der Dienstherr eine Prognoseentscheidung zu treffen (vgl. BVerwG, U. v. 21.6.2007, 2 A 6/06, DokBer 2007, 312 ff.; U. v. 18.7.2001, 2 A 5/00, NVwZ-RR 2002, 49 = ZBR 2002, 184; U. v. 25.2.1993, 2 C 27/90, BVerwGE 92, 147), die im Rahmen des dem Dienstherrn zustehenden Beurteilungsspielraums sowohl am individuellen Gesundheitszustand des Bewerbers als auch an wissenschaftlich gesicherten allgemeinen Erkenntnissen und Erfahrungswerten festgemacht werden kann (vgl. OVG Münster, B. v. 12.3.2008, 6 A 4819/05; VG Gelsenkirchen, U. v. 25.6.2008, 1 K 3143/06, NVwZ-RR 2009, 252) und die sich auf die Gesamtdauer eines späteren Beamtenverhältnisses auf Lebenszeit erstreckt (vgl. BayVGH, B. v. 9.6.2008, 3 CS 08,1106). Der Dienstherr ist nämlich nicht verpflichtet, auf Kosten der Allgemeinheit Bewerber auszubilden, die später mangels gesundheitlicher Eignung nicht in die angestrebte Laufbahn in das Beamtenverhältnis auf Probe oder auf Lebenszeit übernommen werden können.

Ein abgemilderter Prognosemaßstab und eingeschränkter Ermessensspielraum des Dienstherrn besteht allein für schwerbehinderte Menschen, bei denen dem verfassungsrechtlichen Gebot des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG zufolge die gesundheitliche Eignung nur verneint werden darf, wenn im Einzelfall zwingende Gründe für das Festhalten an dem allgemeinen Maßstab sprechen (vgl. BVerwG, U. v. 21.6.2007, a. a. O., unter Hinweis auf BVerfG, B. v. 8.10.1997, 1 BvR 9/97, BVerfGE 96, 288 ff.; B. v. 19.1.1999, 1 BvR 2161/94, BVerfGE 99, 341 ff.) und der Forderung des § 128 Abs. 1 SGB IX entsprechend gemäß Art. 21 Abs. 1 Satz 1 LlbG nur ein Mindestmaß an körperlicher Eignung verlangt werden kann (bzw. darf) und bezüglich deren Ziffer IV. 6. der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen zur Rehabilitation und Teilhabe behinderter Angehöriger des öffentlichen Dienstes in Bayern vom 3. Dezember 2005 (FMBl 2005, 193 ff.) - Fürsorgerichtlinien 2005 - bestimmt, dass schwerbehinderte Menschen auch dann in ein Beamtenverhältnis berufen werden können (bzw. dürfen), wenn aufgrund ihrer Behinderung eine vorzeitige Dienstunfähigkeit denkbar ist und dass für die zukunftsbezogene Gesundheitsprognose die amtsärztliche Bestätigung einer Dienstfähigkeit von voraussichtlich noch wenigstens fünf Jahren genügt - so wie nunmehr in der ergänzenden Stellungnahme des Gesundheitsamts dargelegt wird.

Indes ist die Antragstellerin bislang nicht als Schwerbehinderte gemäß § 2 Abs. 2 SGB IX anerkannt; ihre bloße Antragstellung reicht insoweit nicht aus. Gemäß Ziffer II. 2.2 der Fürsorgerichtlinien sollen Antragsteller zwar bis zur Entscheidung über ihren Antrag - soweit rechtlich möglich und sachlich zweckmäßig - unter Vorbehalt als schwerbehinderte Beschäftigte behandelt werden. Dies kommt jedoch vorliegend - worauf der Antragsgegner zu Recht hingewiesen hat - von vorne herein nicht in Betracht, da die begehrte Einstellung als Steuersekretäranwärterin gemäß Art. 26 Abs. 2 LlbG nur im Beamtenverhältnis auf Widerruf erfolgen kann und eine Ernennung zum Beamten auf Widerruf ein rechtsgestaltender (mitwirkungs- und formbedürftiger) und bedingungs- und auflagenfeindlicher Verwaltungsakt (vgl. Weiss / Niedermaier / Summer / Zängl, Beamtenrecht in Bayern, § 8 BeamtStG, RN 5 f.) ist, die weder vorläufig noch bedingt ausgesprochen und auch nicht vom ungewissen Ausgang eines Hauptsacheverfahrens abhängig gemacht werden kann. Eine rückwirkende Ernennung ist gemäß § 8 Abs. 4 BeamtStG bereits kraft Gesetzes ausgeschlossen. Soweit die Antragstellerin geltend macht, die Amtsärztin des Gesundheitsamts Ansbach habe ihr "zugesichert", als Schwerbehinderte anerkannt zu werden, ist dies zum einen unzutreffend, da die Amtsärztin eine derartige Erklärung tatsächlich nicht abgegeben, sondern lediglich die Erwartung geäußert hat, dass aufgrund ihrer Feststellungen von einer entsprechenden Entscheidung des Versorgungsamts ausgegangen werden dürfe. Zum anderen wäre die Amtsärztin - worauf der Antragsgegner zu Recht hingewiesen hat - insoweit unzuständig, das zuständige Versorgungsamt an eine entsprechende Einschätzung der Amtsärztin auch nicht gebunden, wie nicht zuletzt auch dem Umstand entnommen werden kann, dass das Versorgungsamt weitere Entscheidungsgrundlagen für erforderlich erachtet. Soweit die Antragstellerin meint, eine "ideelle" Anerkennung ihrer Schwerbehinderung durch den Antragsgegner müsste in Anbetracht der Gesamtumstände genügen, hat das Landesamt zu Recht darauf hingewiesen, dass eine "ideelle" Schwerbehinderung weder gesetzlich vorgesehen sei noch - im Hinblick auf die Bedingungsfeindlichkeit einer beamtenrechtlichen Ernennung - aus Rechtsgründen in Betracht käme.

Soweit § 9 BeamtStG in Anlehnung an das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz - AGG - ausdrücklich vorschreibt, dass Ernennungen ohne Rücksicht auf eine Behinderung vorzunehmen sind, vermag auch dies dem Begehren der Antragstellerin nicht zum Erfolg zu verhelfen. Denn selbst wenn aufgrund ihrer Erkrankungen zu ihren Gunsten vom Vorliegen einer Behinderung im Sinne des § 9 BeamtStG und § 1 AGG auszugehen wäre, ist eine "Benachteiligung" wegen der Besonderheiten des beamtenrechtlichen Dienst- und Treueverhältnisses gerechtfertigt (so auch bereits VG Bayreuth, U. v. 29.5.2009, B 5 K 08.173, juris). Denn § 8 Abs. 1 AGG lässt eine unterschiedliche Behandlung von Personen ausdrücklich dann zu, wenn die auszuübende Tätigkeit oder die Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung verlangen und diese Anforderung einen rechtmäßigen Zweck verfolgt und angemessen ist. Solange eine psychische oder physische Einschränkung nicht die Tragweite einer Schwerbehinderung erreicht, ist demnach eine nachteilige Behandlung gesundheitlich beeinträchtigter Bewerber durch die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums (Art. 33 Abs. 5 GG), zu denen neben dem Lebenszeitprinzip insbesondere die Pflicht des Dienstherrn zur amtsangemessenen Alimentation während des aktiven Dienstes wie auch nach erfolgter Ruhestandsversetzung zu zählen ist, zu rechtfertigen. Die besonderen Anforderungen an die gesundheitliche Eignung von Beamtenbewerbern schützen vor einer übermäßigen finanziellen Belastung des Dienstherrn und letztlich der Allgemeinheit, die mit ihren Steuerzahlungen die Mittel für die Besoldung aufbringt (vgl. VG Hannover, U. v. 27.5.2009, 2 A 1621/08). Während des aktiven Dienstes soll der krankheitsbedingte Ausfall der Arbeitskraft eines Beamten möglichst auf ein Minimum reduziert sein, denn das Alimentationsprinzip verpflichtet zur Voll-alimentation eines Beamten selbst bei einer längerfristigen Erkrankung. Das Erfordernis einer hohen Wahrscheinlichkeit des Erreichens der gesetzlichen Altersgrenze dient darüber hinaus der Vermeidung vorzeitiger Ruhestandsversetzungen wegen Dienstunfähigkeit und damit einer gleichgewichtigen Verteilung zwischen aktiver Dienst- und Versorgungszeit. Dass dieser Aspekt einen angemessenen Differenzierungsgrund darstellen kann, folgt bereits aus der Regelung des § 10 Abs. 3 AGG, wonach Höchstaltersgrenzen für die Einstellung im Hinblick auf eine Benachteiligung wegen Alters ausdrücklich zugelassen werden, um eine angemessene Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand erreichen zu können.

Soweit das Oberverwaltungsgericht Lüneburg (vgl. U. v. 25.1.2011, 5 LC 190/09, DÖD 2011, 113 ff. = ZBR 2011, 263 ff.) den Begriff der gesundheitlichen Eignung eines Beamtenbewerbers, der behindert, aber nicht schwerbehindert ist, dahin gehend modifiziert, dass derjenige Bewerber für die Übernahme in das Beamtenverhältnis als gesundheitlich geeignet anzusehen sei, wenn sich nach der prognostischen Einschätzung des Dienstherrn künftige Erkrankungen des Bewerbers und dauernde vorzeitige Dienstunfähigkeit (nicht mit einem hohen, jedenfalls aber) mit einem überwiegenden Grad an Wahrscheinlichkeit, also mit mehr als 50 vom Hundert, ausschließen lassen, vermag auch dies eine abweichende Beurteilung nicht zu rechtfertigen, da sich den vorliegenden amtsärztlichen Stellungnahmen entsprechende Anhaltspunkte nicht entnehmen lassen, die Antragstellerin dies auch selbst bislang nicht einmal geltend gemacht, geschweige dann durch entsprechende (fach-)ärztliche Gutachten belegt hat. Die Nichterweislichkeit von Tatsachen, aus denen ein Beteiligter für sich günstigere Rechtsfolgen ableiten will, geht jedoch grundsätzlich zu Lasten dieses Beteiligten (vgl. BVerwG, B. v. 1.11.1993, 7 B 190/93, NJW 1994, 468). Anderslautende gesetzliche Vorschriften, die hier eine besondere Regelung treffen würden, etwa eine Umkehr der Beweislast vorsähen, liegen nicht vor. Soweit die früheren Bevollmächtigten der Antragstellerin darauf verweisen, dass sich dem von dieser vorgelegten ärztlichen Attest der Gemeinschaftspraxis Dres. .... vom 2. Mai 2012 kein Hinweis auf das von der Amtsärztin angenommene erhöhte kardiovaskuläre Risiko entnehmen ließe, ist dem entgegenzuhalten, dass die Annahme der Amtsärztin in deren das Gesundheitszeugnis vom 19. März 2012 ergänzenden Stellungnahme vom 17. April 2012 auch nicht - wie geboten - substantiiert widerlegt worden ist. Insoweit hat der Antragsgegner zu Recht darauf verwiesen, dass die medizinische Beurteilung eines Amtsarztes für die Entscheidung über die Dienstfähigkeit eines Beamten Vorrang vor der medizinischen Beurteilung des Privatarztes genießt, wenn beide hinsichtlich desselben Krankheitsbildes inhaltlich voneinander abweichen (vgl. BVerwG, U. v. 11.10.2006, 1 D 10/05, NVwZ-RR 2008, 190 ff. = ZBR 2007, 163 ff.). Für die Frage der Prüfung der gesundheitlichen Eignung eines Beamten kann insoweit nichts anderes gelten. Die Beurteilung der gesundheitlichen Eignung bzw. der Dienstfähigkeit eines Beamten ist (allein) Aufgabe des Amtsarztes, dem von der Rechtsprechung (vgl. BVerwG, B. v. 8.3.2001, 1 DB 8/01, BayVBl 2002, 345 f. = DVBl 2001, 1079 f.) insoweit ein spezieller Sachverstand zuerkannt wird, der einerseits auf der Kenntnis der Belange der öffentlichen Verwaltung sowie der gesundheitlichen Anforderungen, die die konkrete Dienstausübung an den Beamten stellt, andererseits auf der Erfahrung aus einer Vielzahl von gleich oder ähnlich gelagerten Fällen beruht. Ob und wann einer Gesundheitsstörung Krankheitswert zukommt, mag ein Privatarzt, zumal ein Facharzt, besser beurteilen können. Ob und wann eine Störung mit Krankheitswert die Dienstfähigkeit beeinträchtigt, ist hingegen eine Frage, deren Entscheidung vorrangig dem von der Verwaltung beauftragten (Amts-)Arzt zusteht (vgl. BVerwG, B. v. 8.3.2001, 1 DB 8/01, a. a. O.; B. v. 15.9.1999, 1 DB 40/98; U. v. 23.4.1991, 1 D 73/89; OVG Koblenz, U. v. 4.10.1989, 2 A 30/889, DVBl 1990, 310 f. = DÖD 1990, 72 f.).

Dieser Vorrang im Konfliktfall hat seinen Grund in der Neutralität und Unabhängigkeit des Amtsarztes. Im Gegensatz zu einem Privatarzt, der womöglich bestrebt ist, das Vertrauen des Patienten zu ihm zu erhalten, nimmt der Amtsarzt seine Beurteilung von seiner Aufgabenstellung her unbefangen und unabhängig vor. Er steht Beamten und Dienststelle gleichermaßen fern (vgl. BVerwG, U. v. 11.10.2006, 1 D 10/05, a. a. O.; U. v. 9.10.2002, 1 D 3.02, juris).

Nach alledem ist das Bestehen des geltend gemachten Anspruchs auf Einstellung angesichts der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen summarischen Prüfung unter Anlegung eines bei der Vorwegnahme der Hauptsache gebotenen strengen Maßstabs weder offensichtlich noch in hohem Maße wahrscheinlich.

Soweit die Antragstellerin hilfsweise ("ersatzweise") die schriftliche Zusicherung einer Einstellung zum nächsten Einstellungstermin, dem 2. September 2013, begehrt, ist auch insoweit ein Anordnungsanspruch nicht gegeben. Zu Recht hat das Landesamt dargelegt, dass eine verbindliche Zusicherung schon aus Rechtsgründen scheitert, da das Ergebnis des Auswahlverfahrens des Bayerischen Landespersonalausschusses gemäß Art. 22 Abs. 8 Satz 7 i. V. m. Art. 22 Abs. 1 Satz 1 LlbG i. V. m. § 14 AVfV grundsätzlich nur für das Einstellungsjahr gilt, für das das Verfahren durchgeführt wurde, Ausnahmen hiervon der Zustimmung des Bayerischen Landespersonalausschusses bedürfen, im Übrigen - aus Gründen der Chancengleichheit aller Bewerber des Auswahlverfahrens 2013 - auch erforderlich wäre, dass die Antragstellerin mit dem Ergebnis des Auswahlverfahrens 2012 auch im Auswahlverfahren 2013 eine entsprechende Platzziffer erreichen müsste, die zu ihrer Berücksichtigung im Einstellungsverfahren führen würde.

Der Antrag der Antragstellerin auf Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung war demnach insgesamt mit der Kostenfolge aus § 161 Abs. 1, § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Die Streitwertfestsetzung (913,02 EUR x 6,5) beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Nr. 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, Stand 2004.

Referenznummer:

R/R5422


Informationsstand: 25.03.2013