Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 19. März 2009 geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten beider Rechtszüge.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Kläger ist alleiniger Erbe seiner verstorbenen Ehefrau E...G.... Er wendet sich gegen deren Zurruhesetzung wegen Dienstunfähigkeit.
Die 1946 geborene, schwerbehinderte (zuletzt
GdB 60) Frau ... war als Bibliotheksamtmännin der Besoldungsgruppe A 11 Beamtin im gehobenen Bibliotheksdienst der Beklagten und in der Kartenabteilung der
S... beschäftigt. Seit Februar 2005 befand sie sich in Altersteilzeit (Blockmodell); die Beklagte hatte ihre Arbeitszeit auf die Hälfte reduziert, die Freistellungsphase sollte am 1. Juli 2007 beginnen.
Nachdem die Beamtin im Jahr 2004 an insgesamt 96 Arbeitstagen, im Jahr 2005 an insgesamt 160 Arbeitstagen und im Jahr 2006 seit Jahresbeginn ununterbrochen erkrankt war, leitete die Beklagte mit Schreiben vom 13. März 2006 eine amtsärztliche Untersuchung zur Überprüfung der Dienstfähigkeit der Beamtin ein. Die Beamtin nahm daraufhin am 18. März 2006 ihren Dienst wieder auf. Der zuständige amts- und vertrauensärztliche Dienst für die Bezirke Steglitz-Zehlendorf und Tempelhof-Schöneberg teilte der Beklagten mit Schreiben vom 2. Mai 2006 mit, dass Frau G... an mehrfachen chronischen Erkrankungen leide, die die allgemeine Belastbarkeit und Konzentrationsfähigkeit wesentlich einschränken würden und nicht mit Dienstfähigkeit - auch nicht begrenzter Dienstfähigkeit - vereinbar seien. Es müsse dauerhafte Dienstunfähigkeit amtsärztlicherseits bestätigt werden. Hintergrund für die Beurteilung war, dass die untersuchende Ärztin
Dr. S... von einer Alkoholabhängigkeit mit Folgeerkrankungen - insbesondere einem schweren Leberschaden und einem Persönlichkeitsabbau - und daraus resultierender wesentlich eingeschränkter Belastbarkeit ausging (
vgl. Vermerke vom 20. und 26. April 2006, Bl. 29 und 30 der Akte des amts- und vertrauensärztlichen Dienstes).
Die Beklagte kündigte daraufhin der Beamtin mit Schreiben vom 11. Mai 2006 ihre Absicht an, sie in den Ruhestand zu versetzen. Zugleich teilte sie ihr mündlich mit, dass sie von der weiteren Dienstausübung freigestellt werde. Ferner beteiligte die Beklagte mit Schreiben vom 22. Juni 2006 den örtlichen Personalrat der
S..., den Hauptpersonalrat der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und die Hauptvertrauensfrau der Schwerbehinderten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz sowie mit zwei weiteren Schreiben vom 19. Juli 2006 die Gleichstellungsbeauftragte und die Schwerbehindertenvertretung der
S.... Die beteiligten Stellen bemängelten, es sei kein der Schwerbehinderung der Frau G... Rechnung tragendes Eingliederungsmanagement erfolgt. Die Schwerbehindertenvertreterin der
S... monierte zudem, sie sei nicht rechtzeitig beteiligt worden. Die Beamtin legte verschiedene privatärztliche Atteste vor, in denen ihr Dienstfähigkeit bescheinigt wurde.
Mit Bescheid vom 27. Oktober 2006 versetzte die Beklagte Frau G... mit Ablauf des 30. November 2006 in den Ruhestand. Zur Begründung führte sie aus: Die Einbeziehung der von der Beamtin vorgelegten, Dienstfähigkeit bejahenden Atteste ihrer behandelnden Ärzte würden an der von der Amtsärztin festgestellten Dienstunfähigkeit nichts ändern. Einem amtsärztlichen Gutachten komme im Vergleich zu einem privatärztlichen Gutachten grundsätzlich der höhere Beweiswert zu. Der Annahme der Dienstunfähigkeit stehe auch nicht entgegen, dass Frau G... vorübergehend den Dienst aufgenommen habe. Auch dass sie den Dienst aufgrund der gewährten Altersteilzeit im Blockmodell nur noch bis zum 30. Juni 2007 auszuüben hätte, ändere an ihrer Dienstunfähigkeit nichts. Ihre Schwerbehinderung sei bei der amtsärztlichen Untersuchung berücksichtigt worden.
Hiergegen legte Frau G... mit Schreiben vom 24. November 2006 Widerspruch ein und führte zur Begründung aus: Sie sei dienstfähig. Im Hinblick auf die Fürsorgepflicht des Dienstherrn hätte die Weiterentwicklung ihres Gesundheitszustandes abgewartet und dann gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt entschieden werden können, ob vor Beginn der Freistellungsphase der Altersteilzeit die Versetzung in den Ruhestand unter Fürsorgegesichtspunkten wirklich geboten sei. Schließlich sei nicht geprüft worden, ob gemäß § 42a Bundesbeamtengesetz von der Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit abzusehen sei, weil Frau G... unter Beibehaltung ihres Amtes ihre Dienstpflicht noch während mindestens der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit erfüllen könne. Wegen ihrer Dienstfähigkeit verweist sie auf ein Attest des sie behandelnden Arztes für Innere Medizin
S... vom 22. November 2006. Danach sei "derzeit von Dienstfähigkeit" auszugehen, weil die Beamtin angegeben habe, seit August 2006 keinen Alkohol getrunken zu haben, was durch die Laborwerte bestätigt werde.
Der erneut von der Beklagten eingeschaltete amts- und vertrauensärztliche Dienst für die Bezirke Steglitz-Zehlendorf und Tempelhof-Schöneberg teilte mit Schreiben vom 20. Februar 2007 mit, dass aufgrund der erhobenen Befunde eine zwischenzeitliche Besserung zu bestätigen und Dienstunfähigkeit nicht mehr anzunehmen sei; Frau G... solle umgehend zur Dienstaufnahme aufgefordert werden. Auf die mit Schreiben vom 23. Februar 2007 geäußerte Bitte der Beklagten um Mitteilung, ob angenommen werden könne, dass es bei Frau G... trotz der mehrfachen chronischen Erkrankungen in der Zukunft keine erhöhten Fehlzeiten geben werde, führte der amts- und vertrauensärztliche Dienst unter dem 1. März 2007 aus, dass trotz der zwischenzeitlichen Besserung der gesundheitlichen Situation von Frau G... aber unter Berücksichtigung des überschaubaren Verlaufs und der mehrfachen chronischen Erkrankungen davon ausgegangen werden müsse, dass es auch in Zukunft zu erhöhten Fehlzeiten kommen werde.
Mit Widerspruchsbescheid vom 9. März 2007 wies die Beklagte den Widerspruch der Beamtin zurück. Wegen der auch künftig zu erwartenden hohen Fehlzeiten sei ungeachtet der zwischenzeitlichen Besserung der Gesundheitssituation von ihrer dauernden Dienstunfähigkeit auszugehen. Im Hinblick auf die Altersteilzeit im Blockmodell sei es dem Dienstherrn nicht zumutbar, über einen weiteren Zeitraum den Gesundheitszustand von Frau G... zu beobachten, nicht tätig zu werden und die Störung des Dienstbetriebs hinzunehmen. Auch die Möglichkeit einer Einsatzfähigkeit mit der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit sei trotz anderslautender Feststellung der Amtsärztin (Verneinung einer begrenzten Dienstfähigkeit) geprüft worden. Aufgrund der hier vorliegenden erheblichen chronischen Erkrankungen mit vielen Fehlzeiten würde diese Einsatzmöglichkeit zu keinem anderen Ergebnis führen und hätte ebenfalls die Störung der Arbeitsabläufe im Dienstbetrieb zur Folge.
Mit der am 13. April 2007 erhobenen Klage wandte sich die Beamtin zunächst selbst gegen ihre Zurruhesetzung. Nach ihrem Tod am 24. Oktober 2008 führte der Kläger als ihr Ehemann und Alleinerbe die Klage weiter.
Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 19. März 2009 der Klage stattgegeben und den angefochtenen Bescheid aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Zurruhesetzung sei rechtswidrig. Allein der Dienstherr habe nach den beamtenrechtlichen Vorschriften zu entscheiden, ob eine Beamtin dienstunfähig und deshalb in den Ruhestand zu versetzen sei. Die Beklagte habe die zu Gunsten der Dienstfähigkeit der Beamtin geänderte medizinische Einschätzung der Amtsärztin nicht außer Acht lassen dürfen und hätte sich mit dem neuen Untersuchungsbefund inhaltlich näher befassen müssen, um ihre rechtlichen Schlüsse daraus zu ziehen. Die Beklagte wäre angesichts der geänderten Einschätzung der Amtsärztin gehalten gewesen, auf eine nähere medizinische Erklärung des neuen Befunds zu dringen und sich insbesondere die auch nach der Ansicht der Amtsärztin nach wie vor zu erwartenden erhöhten krankheitsbedingten Fehlzeiten im Einzelnen erläutern zu lassen.
Mit der vom Senat durch Beschluss vom 12. Januar 2012 wegen ernstlicher Richtigkeitszweifel zugelassenen Berufung macht die Beklagte geltend: Das Verwaltungsgericht habe den Sachverhalt unvollständig
bzw. fehlerhaft gewürdigt. Die Beklagte habe die amtsärztlichen Stellungnahmen hinreichend gewürdigt. Das Verwaltungsgericht habe zudem verkannt, dass bei der Beurteilung der Dienstfähigkeit auf die Auswirkungen auf den Dienstbetrieb abzustellen sei.
Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 19. März 2009 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakte, der Verwaltungsvorgänge der Beklagten sowie der vom Senat beigezogenen Gesundheitsakte des Landesamtes für Gesundheit und Soziales Berlin (früher Akte des amts- und vertrauensärztlichen Dieses der Bezirke Steglitz-Zehlendorf und Tempelhof-Schöneberg) verwiesen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.
Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Der angefochtene Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides ist rechtmäßig und verletzt Frau G... als betroffene Beamtin
bzw. den Kläger als ihren Rechtsnachfolger nicht in ihren
bzw. seinen Rechten (§ 113
Abs. 1 Satz 1
VwGO). Die Beklagte hat die Beamtin im maßgeblichen Zeitpunkt der Zurruhesetzung zu Recht als dienstunfähig angesehen (1.). Etwaige Verfahrensfehler sind im Ergebnis unbeachtlich (2.).
1. Rechtsgrundlage der Zurruhesetzung der Beamtin ist § 42
Abs. 1 Satz 1 des Bundesbeamtengesetzes in der zum Zeitpunkt der Zurruhesetzung geltenden Fassung - BBG a.F. -. Nach dieser Vorschrift ist der Beamte auf Lebenszeit in den Ruhestand zu versetzen, wenn er wegen seines körperlichen Zustandes oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung seiner Dienstpflichten dauernd unfähig (dienstunfähig) ist.
a. Dienstunfähigkeit im Sinne der Vorschrift ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der als solcher weder eine Ermessens- noch eine Beurteilungsermächtigung des Dienstherrn enthält, vielmehr im Streitfalle von den Verwaltungsgerichten in vollem Umfang nachzuprüfen ist. Unbeschadet dessen bestehen allerdings hinsichtlich eines Teils der zu prüfenden Aspekte Spielräume des Dienstherrn: Dieser regelt im Rahmen seiner organisatorischen Gestaltungsfreiheit die in Betracht kommenden Dienstposten, bestimmt die zahlreichen fachlichen und persönlichen Anforderungen der Laufbahn, des statusrechtlichen Amtes sowie der in Betracht kommenden Dienstposten, und ihm kommt - hier wie allgemein - eine gerichtlich nur beschränkt nachprüfbare Beurteilungsermächtigung für das Werturteil zu, ob und inwieweit der Beamte derzeit mit der Dienstleistung diesen Anforderungen entspricht (Plog/Wiedow, BBG (alt), § 42, Rn. 3
m.w.N.).
Weiter ist das Tatbestandsmerkmal der Dienstunfähigkeit kein medizinischer, sondern ein spezifisch beamtenrechtlicher Begriff. Prüfungsmaßstab dafür, ob ein Beamter dienstfähig oder dienstunfähig ist, ist grundsätzlich das von ihm inne gehabte abstrakt-funktionelle Amt. Im Falle der Frau ... also das Amt einer Bibliotheksamtmännin in der Laufbahn des gehobenen Bibliotheksdienstes. Ein Beamter ist dienstunfähig, wenn er wegen gesundheitlicher Schwächen nicht in der Lage ist, die seinem abstrakt-funktionellen Amt entsprechenden Dienstaufgaben bei seiner Beschäftigungsbehörde wahrzunehmen.
Ob eine derartige Unfähigkeit zur Wahrnehmung der Dienstaufgaben vorliegt, richtet sich nicht allein nach der Art der jeweiligen Gesundheitsbeeinträchtigung, sondern in erster Linie nach den konkreten Auswirkungen der gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Beamten auf den Dienstbetrieb der Behörde, der er angehört. Dienstunfähigkeit liegt mithin auch dann vor, wenn es dem Dienstherrn nicht mehr zugemutet werden kann, einen Beamten im Dienst zu belassen, dessen häufige oder lang andauernden krankheitsbedingten Fehlzeiten den Dienstbetrieb nachhaltig beeinträchtigen. Die entsprechende Feststellung hat die Dienstbehörde selbständig im Wege einer pflichtgemäßen Würdigung des Sachverhalts, zu der in der Regel die Inanspruchnahme (fach-) ärztlichen Sachverstands gehört, zu treffen (
BVerwG, Urteil vom 30. Januar 1964 - 2 C 45.62 -, RiA 1964,
S. 190; Urteil vom 17. Oktober 1966 - 6 C 56.63 -, ZBR 1967,
S. 148; Urteil vom 28. Juni 1990 - 2 C 18.89 -, Buchholz 237.6, § 56 NdsLBG
Nr. 1). Der Begriff der Dienstunfähigkeit im Sinne des § 42
Abs. 1 BBG a.F. umfasst dabei also nicht nur die aktuelle Dienstunfähigkeit im Sinne einer "Arbeitsfähigkeit". Vielmehr ist auch prognostisch in den Blick zu nehmen, ob bei Weiterbeschäftigung des Beamten angenommen werden kann, dass sich der Dienstbetrieb ohne nachhaltige Beeinträchtigungen aufrechterhalten lässt. Das ist etwa dann zu verneinen, wenn eine Prognose ergibt, dass (auch) künftig mit überdurchschnittlichen Fehlzeiten des Beamten gerechnet werden muss, die es nicht zulassen, ihn bei der Festlegung der Betriebsabläufe einzuplanen. In der Rechtsprechung ist daher anerkannt, dass auch aus einer Vielzahl von in relativ kurzen Zeitabständen immer wieder auftretenden, wenn auch teilweise unterschiedlichen und für sich betrachtet nicht schwerwiegenden Erkrankungen von längerer Dauer auf eine Schwäche der gesamten Konstitution und auf eine damit verbundene erhöhte Anfälligkeit des Beamten zu schließen sei, den Beamten - mit Blick auf die damit einhergehenden erheblichen Beeinträchtigungen des Dienstbetriebes - ebenfalls als zur Erfüllung seiner Dienstpflichten dauernd unfähig anzusehen, sofern eine Besserung dieses Zustandes in absehbarer Zeit nicht zu erwarten ist (
OVG Koblenz, Urteil vom 21. März 1997 - 10 A 11954/96 -, IÖD 1997,
S. 266 f., Rn. 19 bei juris;
BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 1966, a.a.O.,
S. 150).
b. Bei Anlegung des dargelegten Maßstabs hat die Beklagte die Beamtin in dem hier maßgeblichen Zeitpunkt zu Recht als dienstunfähig im Sinne des § 42
Abs. 1 Satz 1 BBG a.F. angesehen.
Frau G... litt an zahlreichen Erkrankungen, die in den Jahren 2004, 2005 und 2006 zu ganz erheblichen und weit überdurchschnittlichen Fehlzeiten geführt hatten. Diese Erkrankungen bestanden auch in dem Zeitpunkt fort, als sie ihren Alkoholkonsum eingeschränkt
bzw. aufgegeben hatte. Bereits aus diesem Grund war davon auszugehen, dass seinerzeit auch künftig weiterhin mit hohen Fehlzeiten zu rechnen war, die die Annahme von Dienstunfähigkeit rechtfertigten (aa.). Darüber hinaus war mit weiterhin hohen Fehlzeiten der Beamtin aufgrund ihrer schweren und wegen fehlender Krankheitseinsicht nicht therapierbaren Alkoholerkrankung zu rechnen (bb.). Dass die Zurruhesetzung nur kurze Zeit vor der sog. Freistellungsphase der Altersteilzeit im Blockmodell erfolgte, ist insoweit unerheblich (cc.).
aa. Die Beamtin litt im Zeitpunkt der Zurruhesetzung an folgenden chronischen Erkrankungen: Insulinpflichtiger Diabetes, diabetischer Retinopathie, axonalen Polyneuropathien, Leberzirrhose mit Ösophagusvarizen, arteriellem Bluthochdruck, einem Schilddrüsenleiden sowie an degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule. Das ergibt sich aus dem Bescheid des Versorgungsamtes vom 25. September 2006 sowie aus den Attesten des Internisten
S... vom 22. November 2006 und des Arztes für Neurologie und Psychiatrie
Dr. B... vom 10. August 2006.
Diese Erkrankungen bildeten ganz überwiegend die Ursache ihrer Krankschreibungen (
vgl. hierzu die von der Beamtin zu den Akten gereichte Übersicht, Bl. 47
ff. d.A.). Daraus geht hervor, dass sie im Jahr 2004 von den 96 Fehltagen lediglich 14 von Erkrankungen herrührten, die nicht chronisch waren (Krankschreibung vom 7. bis zum 15. Juni 2004, sieben Arbeitstage, wegen Distorsion des rechten oberen Sprunggelenks und vom 8. bis zum 17. Dezember, sieben Arbeitstage, wegen akuten Infekts der oberen Luftwege mit Tubenkatarrh). Im Jahr 2005 war sie von den 160 Arbeitstagen lediglich an 26 Tagen aufgrund nicht chronifizierter Erkrankungen arbeitsunfähig (Krankschreibungen vom 19. bis zum 28. Januar, acht Arbeitstage, wegen Epicondylitis Humeri radialis rechts, sog. Tennisarm, vom 29. Juni bis zum 8. Juli, 8 Arbeitstage, wegen Ulcus ventriculi, also eines Magengeschwürs, vom 22. August bis zum 2. September, zehn Arbeitstage, wegen eitriger Rhinosinusitis). Die übrigen 144 Krankheitstage gingen auf ihre chronischen Leiden zurück (Krankschreibungen vom 4. Februar bis 19. März, 31 Arbeitstage, wegen diabetischen Weichteilinfekts des rechten Fußes, vom 19. April bis 22. April, vier Arbeitstage, wegen Verdacht auf Thrombose des rechten Beins, vom 28. April bis 28. Juni, 44 Arbeitstage, wegen Bandscheibenprotrusion, Prolaps, vom 9. Juli bis 21. August, 30 Arbeitstage, wegen Nachbehandlung Krankenhaus und Bandscheibenprotrusion, Prolaps, vom 28. November bis 31. Dezember, 25 Arbeitstage, wegen Bandscheibenprotrusion und Prolaps). Im Jahr 2006 war sie vom 1. Januar bis zum 17. März (55 Arbeitstage) wegen der Bandscheibenprotrusion, wegen des Prolapses sowie zur Anpassung und zum Einlaufen orthopädischer Schuhe in Behandlung.
Die Ursachen der Krankschreibungen der Beamtin bestanden im Zeitpunkt der Zurruhesetzung unverändert fort. Es ist nicht ersichtlich, weshalb die weiterhin fortbestehenden Erkrankungen nunmehr nicht mehr zu weiteren erhöhten Fehlzeiten hätten führen sollen. Das gilt auch ungeachtet der Frage, ob und inwieweit diese Erkrankungen auf ihren Alkoholmissbrauch zurückzuführen waren. Denn die zumindest von August bis November 2006 festgestellte (weitgehende) Abstinenz der Beamtin hat zwar dazu geführt, dass die Laborwerte ihrer Leber wieder im Normbereich lagen und damit eine Dekompensation, also ein Kollaps der Leber oder anderer erkrankter Organe nicht mehr akut drohte. Die dargelegten Erkrankungen bestanden aber nach wie vor.
Die der Beamtin "Dienstfähigkeit" bescheinigenden Atteste ihrer behandelnden Ärzte rechtfertigen keine andere Einschätzung. Sie beruhen auf einer Verkennung des Begriffs der Dienstfähigkeit. Denn sie stellen ersichtlich darauf ab, ob im Zeitpunkt der jeweiligen Exploration eine akute Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit der Beamtin bestand, befassen sich mit der für die Feststellung der Dienstfähigkeit vorliegend im Vordergrund stehenden Frage der Auswirkungen auf den Dienstbetrieb aufgrund künftiger Fehlzeiten aber nicht. Eine aktuelle Beschwerdefreiheit ist zur Feststellung der Dienstfähigkeit aus den dargelegten Gründen indes nicht ausreichend.
Das Abstellen auf eine lediglich aktuelle Dienstfähigkeit wird besonders deutlich beim Attest des Internisten
S... vom 22. November 2006, der ausdrücklich ausführt, es könne mit Blick auf den kompensierten Leberschaden und die erfolgreiche Einstellung des Alkoholkonsums "derzeit" von Dienstfähigkeit ausgegangen werden. Er bejaht Dienstfähigkeit der Beamtin daher nur mit Blick auf deren aktuelle Beschwerdefreiheit. Die Frage künftiger Fehlzeiten spricht er nicht an.
Auch hinsichtlich des Attestes des Facharztes für Orthopädie B... vom 6. Juni 2006 gilt nichts anderes. Soweit er dort ausführt, aufgrund des guten konservativen Ansprechens der therapeutischen Versorgung und der orthopädischen Halbstiefelversorgung habe in Einklang mit der vorbehandelnden Klinik ab dem 20. März 2006 wieder die Arbeitsbelastung ohne entsprechende Einschränkung ermöglicht werden können, schließt er erkennbar von der seinerzeit gegebenen aktuellen Beschwerdefreiheit der Frau G... auf deren aktuelle Arbeitsfähigkeit. Zu der hier relevanten Frage, ob künftig mit erhöhten Fehlzeiten aufgrund der nach wie vor bestehenden Erkrankungen zu rechnen ist, äußert er sich nicht. Es wäre auch nicht nachvollziehbar, weshalb derselbe Arzt, der Frau G... in den vorangegangenen Jahren regelmäßig und für ganz erhebliche Zeiten krankgeschrieben hatte, davon ausgehen sollte, dass sich dies nunmehr geändert haben könnte. Hinzu kommt, dass sich die Bescheinigung der Arbeitsfähigkeit lediglich auf orthopädische Erkrankungen bezieht.
Im Übrigen dürfte die Beamtin, als sie am 18. März 2006 den Dienst erstmals in jenem Jahr wieder antrat, dagegen auch aktuell nicht dienstfähig gewesen sein. Das ergibt sich aus einem Telefonvermerk der Amtsärztin Frau
Dr. S... vom 26. April 2012. Danach habe der Internist
S... ihr gegenüber geäußert, er habe Frau G... im März unterschreiben lassen, dass sie gegen ärztlichen Rat ihre Arbeit wieder aufnehmen wolle. Herr
S... habe der Beamtin eine stationäre Entgiftung empfohlen gehabt.
Dem Attest der Diabetologin
S... vom 26. Juni 2006 lässt sich ebenfalls keine prognostische Aussage über den weiteren Gesundheitszustand der Beamtin entnehmen. Darin heißt es abschließend: "Aufgrund der sehr guten Stoffwechseleinstellung seitens des Diabetes mellitus besteht aus meiner diabetologischen Sicht in Bezug auf die Erkrankung Typ 2 Diabetes mellitus keine Dienstunfähigkeit." Damit ist lediglich dargelegt, dass Frau G... zum damaligen Zeitpunkt mit Blick auf ihren Diabetes beschwerdefrei war. Die Frage zu erwartender künftiger Fehlzeiten hat sie nicht ausdrücklich angesprochen.
bb. Darüber hinaus war auch aufgrund der unbehandelten schweren Alkoholerkrankung der Beamtin aus damaliger Sicht mit weiterhin hohen Fehlzeiten zu rechnen. Das ergibt sich aus den nachvollziehbaren Darlegungen der Amtsärztin Frau
Dr. S....
Dienstunfähigkeit der Frau G... wurde von Frau
Dr. S... bis zur Besserung ihres Gesundheitszustandes vor allem im Hinblick auf deren unbehandelte Alkoholkrankheit angenommen. In der vorläufigen Beurteilung vom 20. April 2006 wird nicht nur von organischen Schäden an der Leber infolge der Alkoholabhängigkeit, sondern auch auf einen Persönlichkeitsabbau und daraus resultierender wesentlich eingeschränkter Belastbarkeit ausgegangen. Dementsprechend stellt Frau
Dr. S... im Schreiben an die Beklagte vom 2. Mai 2006 fest, dass bei der Beamtin mehrfach chronische Erkrankungen vorlägen, die die allgemeine Belastbarkeit und Konzentrationsfähigkeit wesentlich einschränken und nicht mit Dienstfähigkeit vereinbar seien. Dies bekräftigt sie im Schreiben an die Beklagte vom 4. August 2006. Darin heißt es: "Abschließend ist nochmals festzustellen, dass vor dem Hintergrund der Suchterkrankung die allgemeine Belastbarkeit so weit eingeschränkt ist, dass dauerhafte Dienstunfähigkeit
gem. § 42 BBG bestätigt werden muss". In einem Schreiben an den Neurologen
Dr. S... vom 18. Januar 2007 führt Frau
Dr. S... aus: "Im Rahmen einer ersten hiesigen Untersuchung im April 2006 wurde von dauerhafter Dienstunfähigkeit vor dem Hintergrund eines Alkoholleidens mit toxischem Leberschaden ausgegangen. Sonographisch ist eine Leberzirrhose bestätigt. Sowohl die Transaminasen als auch der CDT-Wert waren damals wesentlich erhöht. Der psycho-pathologische Befund ließ auch einen Persönlichkeitsabbau vermuten. Neurologisch ist eine Polyneuropathie bestätigt, wobei Diabetes mellitus und Alkoholmissbrauch ursächlich sein dürften. Frau G..., die vor der letzten amtsärztlichen Untersuchung langfristig nicht gearbeitet hatte und nach Aussage des Dienstherrn ihrer Arbeit nicht mehr gewachsen war, hat Widerspruch gegen die beabsichtigte Zurruhesetzung eingelegt. Sie begründet dies mit ihrer Einstellung jeglichen Alkoholkonsums und der Rückläufigkeit von auffälligen Laborwerten." Auch dies macht deutlich, dass die Annahme der Dienstunfähigkeit aus der unbehandelten Alkoholerkrankung der Beamtin resultiert.
Diese Erkrankung bestand während des gesamten maßgeblichen Zeitraums fort. Sie war wegen der fehlenden Krankheitseinsicht der Beamtin auch nicht therapierbar. Dass der behandelnde Internist
S... und namentlich auch die Amtsärztin Frau
Dr. S... gleichwohl von Dienstfähigkeit der Frau G... ausgegangen sind, ist nicht auf eine Behandlung ihrer Alkoholkrankheit zurückzuführen, sondern dem Umstand geschuldet, dass die aktuellen Leberwerte von Frau G... aufgrund der Einschränkung des Alkoholkonsums
bzw. längerer Abstinenz sich so weit gebessert hatten, dass von einer Kompensation der anderenfalls akut drohenden Leberzirrhose auszugehen war. Dienstfähigkeit wurde Frau G... daher auch von Frau
Dr. S... nur in dem Sinne bescheinigt, dass sie im Gegensatz zum zuvor bestehenden Zustand einer akut drohenden Leberzirrhose nunmehr aktuell durchaus in der Lage war, ihren Dienst zu versehen.
Das diesen Annahmen zu Grunde liegende Verständnis der Dienst(un)fähigkeit ist jedoch aus den bereits dargelegten Gründen unzureichend. Die Amtsärztin ging anscheinend davon aus, dass die Dienstunfähigkeit jedenfalls auch eine "aktuelle Dienstunfähigkeit" voraussetzt. Das ist aus den dargelegten Gründen unzutreffend. Diese Sicht nimmt nur die aktuelle Arbeitsfähigkeit in den Blick und blendet die mittel- und längerfristigen Auswirkungen auf den Dienstbetrieb aus. Diesen trägt erst die auf Nachfrage der Beklagten erfolgte Mitteilung durch Frau
Dr. S... Rechnung, wonach auch künftig erhebliche Fehlzeiten der Beamtin zu erwarten seien.
Diese Feststellung erscheint nach Aktenlage nicht nur aus den bereits dargelegten Gründen, sondern auch im Hinblick auf die schwere Alkoholkrankheit der Frau G... nachvollziehbar. Dies gilt insbesondere deshalb, weil ausweislich der Vermerke der Frau
Dr. S... der Beamtin nach wie vor jede Krankheitseinsicht fehlte. Nach den Angaben im Vermerk vom 20. Februar 2007 bagatellisierte Frau G... auch zu diesem Zeitpunkt noch immer ihre Alkoholproblematik und verwies auf den verbesserten CDT-Wert. Sie wertet dieses Verhalten im Sinne einer krankheitsbedingten Persönlichkeitsstörung. Abschließend urteilt sie: "Die Situation ist unbefriedigend. Auch wenn derzeit die suchtbedingten Erkrankungen weitgehend kompensiert sind, muss kurzfristig wieder mit Dekompensation gerechnet werden, da adäquate therapeutische Maßnahmen fehlen." Das erscheint ohne weiteres plausibel, zumal der Erfolg einer Therapie meist mehr von der Motivation des Süchtigen abhängt als von der Art und Dauer der Therapie (Wikipedia "Alkoholkrankheit", Ziffer 11 "Prognose").
Anlass, den Gesundheitszustand der Beamtin zum Zeitpunkt der Zurruhesetzung weiter aufzuklären, besteht nicht. Insbesondere liegen keine ärztlichen Stellungnahmen vor, die die Richtigkeit der Annahme künftig zu erwartender überdurchschnittlicher Fehlzeiten in Frage stellen.
cc. Soweit der Kläger geltend macht, es habe berücksichtigt werden müssen, dass die Freistellungsphase der seiner Ehefrau gewährten Altersteilzeit im Blockmodell bereits am 1. Juli 2007 begonnen hätte, rechtfertigt das keine andere Sicht. Ist Dienstunfähigkeit festzustellen, steht die Frage der vorzeitigen Zurruhesetzung nicht im Ermessen des Dienstherrn. Dementsprechend könnte dieser Gesichtspunkt nur dann berücksichtigt werden, wenn die Zurruhesetzung gegen höherrangiges Recht verstieße, etwa mit der aus Artikel 33
Abs. 5
GG folgenden Fürsorgepflicht des Dienstherrn oder dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht vereinbar wäre. Das kann hier nicht angenommen werden. Insoweit hat die Behörde zu Recht darauf abgestellt, dass die Beamtin seit Beginn ihrer Altersteilzeit im Februar 2005 kaum Dienst geleistet hatte. Zu Recht geht die Beklagte weiter davon aus, das Prinzip des Blockmodells sei, in der Arbeitsphase ein "Zeitguthaben" anzusparen, das durch Weiterzahlung der Bezüge in der Freistellungsphase ausgeglichen werde. Durch die Krankheitszeiten der Beamtin sei dieses Gleichgewicht zwischen Dienstbezügen und Leistung des Dienstes erheblich gestört. Sie würde für die Freistellungsphase ihre Bezüge weiter erhalten, ohne in entsprechendem Maße "vorgearbeitet" zu haben. Die Beklagte weist weiter auch zu Recht darauf hin, dass, um entsprechenden Störfällen entgegenzuwirken, die Altersteilzeitbewilligung den Vorbehalt enthalte, dass das Blockmodell sich für den Fall in ein Teilzeitmodell umwandle, dass die Beamtin mehr als sechs Monate ohne Unterbrechung krank sei. Diese Bedingung sei vorliegend nur deshalb nicht wirksam geworden, weil die langen Krankheitszeiten von Frau G... immer wieder durch kurze Dienstzeiten unterbrochen gewesen seien.
2. Das Verfahren der Zurruhesetzung ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Soweit die Behörde rechtliche Vorgaben missachtet hat, wirken sich diese auf die Rechtmäßigkeit des Zurruhesetzungsbescheides nicht aus.
a. Es kann dahinstehen, ob die Behörde vorliegend gegen
§ 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX verstoßen hat. Nach dieser Vorschrift hat der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung in allen Angelegenheiten, die einen Einzelnen oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe berühren, unverzüglich und umfassend zu unterrichten und vor einer Entscheidung anzuhören; er hat ihr die getroffene Entscheidung unverzüglich mitzuteilen. Ob die Schwerbehindertenvertreterin der
S... zu Recht bemängelt, die Beklagte habe sie erst im Juli 2006 und damit zu spät beteiligt, ist nicht entscheidungserheblich. Ein etwaiger Verstoß insoweit wäre nämlich im Ergebnis ohne Bedeutung, weil die Anhörung jedenfalls rechtzeitig nachgeholt worden ist. Eine Nachholung spätestens im Widerspruchsverfahren ist dabei ausreichend (Düwell in: Dau/Düwell/Joussen, Sozialgesetzbuch IX, 3. Auflage 2010, § 95, Rn. 53). Vorliegend ist die Nachholung noch vor Erlass des Ausgangsbescheides und damit in jedem Fall rechtzeitig erfolgt.
b. Die Beklagte hat allerdings die Vorgaben des
§ 84 Abs. 2 SGB IX nicht beachtet. Nach dieser Vorschrift gilt: Sind Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig, klärt der Arbeitgeber mit der zuständigen Interessenvertretung im Sinne des § 93, bei schwerbehinderten Menschen außerdem mit der Schwerbehindertenvertretung, mit Zustimmung und Beteiligung der betroffenen Person die Möglichkeiten, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann (betriebliches Eingliederungsmanagement).
Das Unterbleiben eines Verfahrens nach dieser Vorschrift führt jedoch nicht zur Rechtswidrigkeit der Zurruhesetzungsverfügung. Ob die Vorschrift überhaupt auf Beamte Anwendung findet, kann daher dahinstehen (bejahend: Düwell, a.a.O., Rn. 90
m.w.N.). Jedenfalls ist die vorherige Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements nicht formelle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung eines Bescheides, mit dem die Versetzung eines Beamten in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit verfügt wird (
OVG Münster, Beschluss vom 21. Mai 2010 -
6 A 816/09 -, ZBR 2011,
S. 58 f., Rn. 5
ff. bei juris;
OVG Schleswig, Urteil vom 19. Mai 2009 -
3 LB 27/08 -, Rn. 28 bei juris).
Das
OVG Münster hat in der zitierten Entscheidung hierzu ausgeführt (a.a.O., Rn. 7 f.): "§ 84
Abs. 2
SGB IX ist schon nicht als Verfahrensvorschrift ausgestaltet, die vor einer Kündigung oder Zurruhesetzung zu beachten wäre. Die dem Kapitel 3 (Sonstige Pflichten der Arbeitgeber; Rechte der schwerbehinderten Menschen) zugeordnete Bestimmung ist vielmehr Teil von Präventionsverpflichtungen, die dem Arbeitgeber obliegen, um der Gefährdung von Arbeits- und sonstigen Beschäftigungsverhältnissen vorzubeugen (
vgl. § 84 Abs. 1 SGB IX), und über deren Einhaltung die zuständigen Interessenvertretungen wachen (
vgl. § 84
Abs. 2 Satz 7
SGB IX). Die Einordnung des § 84
Abs. 2
SGB IX als zwingender Verfahrensvorschrift wäre auch mit den beamtenrechtlichen Bestimmungen zur Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit nicht in Einklang zu bringen. Ist nach der Prognose des Dienstherrn eine dauernde Dienstunfähigkeit in Bezug auf das abstrakt-funktionelle Amt zu bejahen (§ 45
Abs. 1 Satz 1
LBG NRW a.F.)
bzw. bei längeren Erkrankungen nicht von der Wiederherstellung der vollen Dienstfähigkeit innerhalb der nächsten sechs Monate auszugehen (§ 45
Abs. 1 Satz 2
LBG NRW a.F.) und kommt eine anderweitige Verwendung des Beamten nicht in Betracht (
vgl. § 45
Abs. 3
LBG NRW a.F.), ist für die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements kein Raum mehr.
Abgesehen davon, dass arbeitsrechtliche Kündigung und beamtenrechtliche Zurruhesetzung wegen Dienstunfähigkeit wesensverschieden sind, wird diese Rechtsauffassung auch durch die vom Kläger angeführte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht in Frage gestellt, sondern vielmehr gestützt. Das Bundesarbeitsgericht betrachtet § 84
Abs. 2
SGB IX ebenfalls nicht als Verfahrensvorschrift, sondern als bloße Konkretisierung des Verhältnismäßigkeitsprinzips und nimmt weiter an, dass ein unterlassenes betriebliches Eingliederungsmanagement einer Kündigung dann nicht entgegensteht, wenn keine Möglichkeiten einer alternativen (Weiter-) Beschäftigung bestehen."
Dem ist zu folgen. Die hieran geäußerte Kritik (Düwell, a.a.O., Rn. 90 a.E.), inwieweit die landesrechtlichen Normen geeignet seien, die bundesgesetzliche Regelung des § 84
Abs. 2
SGB IX zu verdrängen, werde von der Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht begründet, greift - ungeachtet der Frage, ob sie gerechtfertigt ist - jedenfalls im vorliegenden Fall nicht, weil es hier um Normen des Bundesbeamtenrechts geht.
c. Soweit ein Verstoß gegen die Pflicht zur Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung und anderer Stellen nach § 84
Abs. 1
SGB IX gerügt wird, gilt das unter b. Gesagte entsprechend. Nach § 84
Abs. 1
SGB IX schaltet der Arbeitgeber bei Eintreten von personen-, verhaltens- oder betriebsbedingten Schwierigkeiten im Arbeits- oder sonstigen Beschäftigungsverhältnis, die zur Gefährdung dieses Verhältnisses führen können, möglichst frühzeitig die Schwerbehindertenvertretung und die in § 93 genannten Vertretungen sowie das Integrationsamt ein, um mit ihnen alle Möglichkeiten und alle zur Verfügung stehenden Hilfen zur Beratung und mögliche finanzielle Leistungen zu erörtern, mit denen die Schwierigkeiten beseitigt werden können und das Arbeits- oder sonstige Beschäftigungsverhältnis möglichst dauerhaft fortgesetzt werden kann. Auch diese Vorschrift ist schon nicht so ausgestaltet, dass sie einer Zurruhesetzung wegen Dienstunfähigkeit entgegenstehen könnte.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154
Abs. 1
VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Satz 1
VwGO in Verbindung mit § 708
Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132
Abs. 2
VwGO genannten Gründe vorliegt.