Urteil
Antrag auf Zulassung der Berufung - Klage gegen eine Aufforderung zur amtsärztlichen Untersuchung

Gericht:

OVG NRW 6. Senat


Aktenzeichen:

6 A 2168/08


Urteil vom:

08.09.2010


Leitsätze:

Erfolgloser Antrag einer Lehrerin auf Zulassung der Berufung, die sich mit ihrer Klage gegen eine Aufforderung zur amtsärztlichen Untersuchung wendet.

Rechtsweg:

Es liegen keine Informationen zum Rechtsweg vor.

Quelle:

Justizportal des Landes NRW

Tenor:

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag hat keinen Erfolg.

Aus den im Zulassungsverfahren dargelegten Gründen ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.

Das Verwaltungsgericht hat angenommen, das mit dem Hauptantrag verfolgte Begehren festzustellen, dass die Bescheide der Bezirksregierung E. vom 5. September und 11. Oktober 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. November 2007 rechtswidrig gewesen sind, sei bereits unzulässig. Die angegriffenen Bescheide hätten sich nicht durch Zeitablauf erledigt, da die Anordnungen, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, nicht an den genannten Untersuchungstermin gebunden gewesen seien. Mit dem auf Aufhebung der Bescheide gerichteten Hilfsantrag sei die Klage unbegründet. Die angegriffenen Bescheide seien formell rechtmäßig. Vor Erlass des ersten Bescheides vom 5. September 2007 sei die Klägerin mit Schreiben vom 13. August 2007 angehört worden, Schwerbehindertenvertretung und Personalrat hätten der Maßnahme zugestimmt. Aufgrund der bereits erfolgten vollständigen Information und wegen des im Wesentlichen unveränderten Sachverhaltes habe es keiner erneuten Anhörung und keiner erneuten Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung und des Personalrats bedurft, deren Zustimmung sich jeweils auf die Anordnung einer amtsärztlichen Untersuchung als solcher bezogen hätten. Die Begründung der Bescheide sei ausreichend gewesen; jedenfalls seien etwaige Begründungsdefizite im Widerspruchsbescheid und im Klageverfahren ausgeräumt worden. Die Verfügungen seien auch materiell rechtmäßig. Es bestünden begründete Zweifel an der Dienstfähigkeit der Klägerin. Die erforderlichen konkreten Umstände ergäben sich aus den ganz erheblichen krankheitsbedingten Dienstausfallzeiten; die Klägerin habe privatärztliche Dienstunfähigkeitsbescheinigungen für die Zeit von Mai 2006 bis August 2007 vorgelegt und damit in einem Zeitraum von 16 Monaten ununterbrochen keinen Dienst verrichtet. Die Behauptung, die Bezirksregierung E. habe die amtsärztliche Untersuchung lediglich als "Trotzreaktion" wegen der Absage des Präventionsgesprächs angeordnet, bleibe rein spekulativ; zudem sei es ein erhebliches Indiz für die Dienstunfähigkeit eines Beamten, wenn sein Verhalten den Eindruck erwecke, er versuche die Feststellung der Dienstunfähigkeit möglichst lange zu verzögern. Der Abbruch des betrieblichen Eingliederungsmanagements wirke sich auf die Anordnung der amtsärztlichen Untersuchung nicht aus. Schließlich sei auch der Widerspruchsbescheid als solcher nicht zu beanstanden. Aus dem Umstand, dass der Widerspruch innerhalb von drei Tagen beschieden worden sei, folge keine Verletzung des rechtlichen Gehörs.

Diese umfassende, ausführlich begründete und überzeugende Würdigung stellt die Klägerin mit ihrem Zulassungsvorbringen nicht durchgreifend in Frage.

Zu Unrecht macht sie geltend, dass Verwaltungsgericht habe die angegriffenen Bescheide fehlerhaft ausgelegt; sie hätten sich durch Zeitablauf erledigt. Weder aus der Diktion der Bescheide noch aus dem von der Klägerin angeführten Umstand, die Bezirksregierung habe den Fall der Verhinderung nicht in den Blick genommen, lässt sich schließen, mit dem Verstreichen des ohnehin nur im Bescheid vom 11. Oktober 2007 konkret benannten Termins erledige sich die Anordnung. Aus der Sicht eines objektiven Empfängers konnten die angegriffenen Bescheide nur dahingehend verstanden werden, dass generell die Frage der dauernden Dienstunfähigkeit geklärt werden sollte. Die geforderte Bestimmung von Alternativterminen ist gänzlich fernliegend, da die Wahrnehmung der amtsärztlichen Untersuchung nicht im Belieben des Beamten steht, sondern vielmehr eine beamtenrechtliche Pflicht besteht, sich nach Weisung amtsärztlich untersuchen zu lassen, und dem nicht Terminschwierigkeiten oder privatärztlich Krankschreibungen entgegengehalten werden können.

Die gegen die formelle Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide erhobenen Einwände greifen ebenfalls nicht durch.

Der gerügte Anhörungsmangel liegt nicht vor. Das Schreiben vom 13. August 2007 genügt den Anforderungen des § 28 VwVfG NRW; die Ausführungen der Klägerin zu einem "vernünftigen Anhörungsschreiben" begründen keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Vorgehensweise der Behörde. Hinsichtlich der unterbliebenen erneuten Anhörung vor Erlass der zweiten Verfügung vom 11. Oktober 2007 setzt sich die Klägerin schon nicht mit der entscheidungstragenden Annahme des Verwaltungsgerichts auseinander, hier sei ein Fall des § 28 Abs. 2 VwVfG NRW gegeben, und verfehlt damit die Darlegungsanforderungen (vgl. § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO).

Dem pauschalen Bestreiten, dass Schwerbehindertenvertretung und Personalrat ordnungsgemäß beteiligt worden seien, dass am 5. September 2007 eine Personalratssitzung stattgefunden habe und dass die "Äußerung" vom 5. September 2007 noch Einfluss auf die Entscheidung vom selben Tag gehabt habe, ist das beklagte Land in seinem Erwiderungsschriftsatz vom 11. September 2008 substantiiert und überzeugend entgegengetreten. Aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Urteils bedurfte es vor der Verfügung vom 11. Oktober 2007 keiner erneuten Beteiligung von Schwerbehindertenvertretung und Personalrat: Sie hatten ihre Zustimmung zu einer amtsärztlichen Untersuchung - ohne Bindung an einen bestimmten Termin - bereits vor Erlass des ersten Bescheides erteilt. Es ist auch nicht ersichtlich, warum sich aus der von der Klägerin angeführten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Personalratsbeteiligung bei Kündigungen und Befristungen hier etwas anderes ergeben soll.

Die angegriffenen Bescheide sind auch im Sinne von § 39 VwVfG NRW ausreichend begründet worden. Die Auffassung der Klägerin, es fehle an einer Begründung, weil die Ausführungen nicht am Gesetz orientiert seien, keine Sachargumente für die Durchführung der amtsärztlichen Untersuchung benannt und Zweifel an der Dienstfähigkeit nicht thematisiert worden seien sowie zu Unrecht auf die krankheitsbedingten Abwesenheiten abgestellt worden sei, trifft nicht zu. Die Behörde genügt der Begründungspflicht, wenn sie - wie hier - die für sie tatsächlich maßgeblichen wesentlichen Gründe benennt; ob diese materiell-rechtlich tragfähig sind, ist im Rahmen des § 39 VwVfG NRW nicht von Bedeutung.

Ob das betriebliche Eingliederungsmanagement, wie die Klägerin meint, wegen falscher Einschätzung ihrer Kooperationsbereitschaft rechtsfehlerhaft abgebrochen worden ist, ist für die Rechtmäßigkeit der hier streitgegenständlichen Bescheide irrelevant. Die vorherige Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements gem. § 84 Abs. 2 SGB IX ist nicht formelle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung eines Bescheides, mit dem eine amtsärztliche Untersuchung zur Klärung der Dienstfähigkeit angeordnet wird.

Vgl. für die Zurruhesetzung wegen Dienstunfähigkeit OVG NRW, Beschluss vom 21. Mai 2010 - 6 A 816/09 -, IÖD 2010, 150, m.w.N.

Als Teil von Präventionsverpflichtungen des Arbeitgebers ist § 84 Abs. 2 SGB IX nicht als Verfahrensvorschrift ausgestaltet und kann insbesondere, wie das Verwaltungsgericht näher zutreffend ausgeführt hat, einer vorherigen amtsärztlichen Untersuchung nicht entgegenstehen, mittels derer Klarheit hinsichtlich des Gesundheitszustandes überhaupt erst geschaffen werden soll.

Mit ihrem Einwand, die Bezirksregierung E. habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, indem sie zeitnah über den Widerspruch entschieden habe, ohne die Widerspruchsbegründung abzuwarten, wiederholt die Klägerin lediglich ihr Vorbringen erster Instanz. Mit den Erwägungen des Verwaltungsgerichts, dem Grundsatz rechtlichen Gehörs werde mit Blick auf das Widerspruchsverfahren schon durch die Möglichkeit der Einlegung eines Widerspruchs und dessen Begründung innerhalb der Widerspruchsfrist ausreichend Rechnung getragen, setzt die Klägerin sich nicht auseinander und genügt damit wiederum nicht den Darlegungsanforderungen.

Schließlich begründet das Vorbringen der Klägerin zur materiellen Rechtmäßigkeit der Verfügung keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils. Die Auffassung, es habe keinen Sachgrund für die amtsärztliche Untersuchung gegeben, die von der Bezirksregierung nur aus "Trotz" veranlasst worden sei, weil sie sich beleidigt gefühlt habe, trifft aus den Gründen der angegriffenen Entscheidung nicht zu. Bei einer derart langen krankheitsbedingten Fehlzeit wie im Fall der Klägerin musste sich die amtsärztliche Klärung der dauernden Dienstfähigkeit vielmehr geradezu aufdrängen.

Geben die Angriffe der Klägerin danach keinen begründeten Anlass zu Zweifeln an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils, ist die Berufung auch nicht wegen besonderer rechtlicher Schwierigkeiten gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen.

Der Rechtssache kommt schließlich keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zu. Insoweit genügt das Zulassungsvorbringen schon nicht den Darlegungsanforderungen (vgl. § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO). Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage auszuformulieren und substantiiert auszuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird. Daran fehlt es hier. Es ist schon unklar, um die Klärung welcher Frage(n) es der Klägerin konkret geht, wenn sie - unter Bezugnahme auf ihr mehr als 7-seitiges Vorbringen zum Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO - lediglich wie folgt ausführt: "Die Probleme, die im Rahmen der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils beschrieben wurden, sind zugleich auch von grundsätzlicher Bedeutung gekennzeichnet.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 40, 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 2 GKG.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Referenznummer:

R/R3462


Informationsstand: 26.10.2010