Die Anschlussrevision des Klägers ist begründet. Die streitige Kündigung ist sozial ungerechtfertigt (§ 1
Abs. 2 Satz 1
KSchG) und hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst. Über die Revision der Beklagten gegen ihre Verurteilung zur Wiedereinstellung des Klägers war deshalb nicht mehr zu entscheiden.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, nach der Diagnose und dem Therapieplan des behandelnden Arztes
Dr. S. sei die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit des Klägers im Zeitpunkt der Kündigung völlig ungewiss gewesen. Zwar könne dem eingeholten Sachverständigengutachten entnommen werden, dass bei Ausschöpfung sämtlicher objektiv zur Verfügung stehenden Therapiemöglichkeiten schon im Kündigungszeitpunkt eine Genesung keineswegs unabsehbar gewesen sei. Aus rechtlichen Gründen müsse aber auf die damalige Diagnose des behandelnden Arztes und die hieran anknüpfenden Therapiemöglichkeiten abgestellt werden. Durch das Tätigwerden des Medizinischen Dienstes sei ein neuer Kausalverlauf in Gang gesetzt worden, der bei der Beurteilung der sozialen Rechtfertigung der Kündigung unberücksichtigt bleiben müsse. Auch im übrigen seien die Voraussetzungen einer wirksamen Kündigung gegeben, allerdings sei die Beklagte zur Wiedereinstellung des Klägers verpflichtet.
II. Die Entscheidung des Berufungsgerichts hält den Angriffen der den Hauptantrag des Klägers betreffenden und deshalb vorrangig zu prüfenden Anschlussrevision nicht stand. Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts war im Kündigungszeitpunkt ein Ende der Arbeitsunfähigkeit des Klägers nicht unabsehbar und völlig ungewiss.
1. Das Landesarbeitsgericht hat die bei Zugang der Kündigung noch andauernde Erkrankung des Klägers allerdings zutreffend als langanhaltende Krankheit im Sinne der Senatsrechtsprechung beurteilt. Von einer langanhaltenden Krankheit geht nunmehr auch der Kläger aus. Die Überprüfung der sozialen Rechtfertigung einer Kündigung wegen langanhaltender Krankheit ist grundsätzlich in drei Stufen vorzunehmen (
vgl. BAG 29. April 1999 -
2 AZR 431/98 - BAGE 91, 271, 276 f.), wobei in der ersten Prüfungsstufe eine negative Prognose hinsichtlich des weiteren voraussichtlichen Gesundheitszustandes erforderlich ist.
2. Der Annahme des Landesarbeitsgerichts, im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung sei die Prognose gerechtfertigt gewesen, der Kläger werde auch weiterhin auf unabsehbare Dauer krankheitsbedingt mit seiner Arbeitskraft ausfallen, folgt der Senat nicht. Der Kläger rügt die Beweiswürdigung durch das Landesarbeitsgericht zu Recht als fehlerhaft (§ 286
ZPO).
a) Maßgebliche Beurteilungsgrundlage für die Rechtmäßigkeit einer Kündigung sind die objektiven Verhältnisse im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung. Das gilt auch für die bei einer krankheitsbedingten Kündigung anzustellende Gesundheitsprognose. Die tatsächliche Entwicklung nach Kündigungsausspruch bis zum Ende der mündlichen Verhandlung kann nicht zur Bestätigung oder Korrektur der Prognose verwertet werden (
BAG 29. April 1999 - 2 AZR 431/98 - aaO, 278 f.). Aus diesem Grund kann ein neuer Kausalverlauf, der nach Zugang der Kündigung eingetreten ist, nicht berücksichtigt werden. Ein neuer Kausalverlauf besagt nichts über die objektive Richtigkeit der zum Kündigungszeitpunkt erstellten Prognose. Unerheblich ist dehalb, ob der neue Kausalverlauf durch subjektiv vom Arbeitnehmer beeinflussbare Umstände ausgelöst wurde, wie
z.B. eine vom Arbeitnehmer zuvor abgelehnte Operation
bzw. Therapie oder eine Änderung der bisherigen Lebensführung, oder durch außerhalb seines Einflussbereichs liegende Umstände, wie
z.B. die Entwicklung oder das Bekanntwerden einer neuen Heilmethode oder die Anwendung eines schon bekannten, aber vom behandelnden Arzt nicht erwogenen Heilmittels erst nach Ausspruch der Kündigung (
BAG 9. April 1987 - 2 AZR 210/86 - AP
KSchG 1969 Krankheit
Nr. 18 = EzA
KSchG § 1 Krankheit
Nr. 18, zu B III 3 der Gründe; 6. September 1989 - 2 AZR 118/89 - AP
KSchG 1969 Krankheit
Nr. 22 = EzA
KSchG § 1 Krankheit
Nr. 27, zu B II 2 b bb der Gründe; 5. Juli 1990 - 2 AZR 154/90 - AP
KSchG 1969 Krankheit
Nr. 26 = EzA
KSchG § 1 Krankheit
Nr. 32, zu II 1 c aa der Gründe.
b) Nicht zu beanstanden ist es, dass das Landesarbeitsgericht bei der Gesundheitsprognose nicht maßgeblich auf die am 22. Januar 1997 diagnostizierte Magenentzündung, deren Ausheilung unter der medikamentösen Behandlung innerhalb von 10 Tagen zu erwarten war, sondern wesentlich auf die psychische Erkrankung abgestellt hat. Soweit es allerdings aus der Einschätzung des behandelnden Arztes
Dr. S., der ausweislich seiner Stellungnahme vom 27. Januar 1999 eine Behandlung der psychischen Erkrankung als aussichtslos angesehen und im Kündigungszeitpunkt offensichtlich keine psychiatrische Therapie in Erwägung gezogen hatte, eine negative Prognose für begründet erachtet, kann dem nicht gefolgt werden.
Das Landesarbeitsgericht geht einerseits unter Bezugnahme auf die ergänzende Stellungnahme des Gutachters
Dr. H. vom 22. Februar 1999 - bei der Prüfung des Wiedereinstellungsanspruchs - davon aus, dass bei der gegebenen hypochondrischen Fixierung ein mit ärztlicher Autorität vorgetragender Hinweis, die Beschwerden rechtfertigen keine dauerhafte Krankschreibung, bereits im Kündigungszeitpunkt eine Wende des Krankheitsgeschehens herbeigeführt, also ein mäßiger "therapeutischer Druck" auf den Kläger genügt hätte, die vorangegangene Arbeitsunfähigkeit zu beenden. Es beurteilt die künftige Entwicklung der Fehlzeiten des Klägers andererseits aber nur in Abhängigkeit von der Einschätzung und dem Behandlungsplan des Hausarztes
Dr. S. dem Landesarbeitsgericht ist zwar zuzustimmen, dass der Arbeitnehmer grundsätzlich das Risiko einer Fehldiagnose des behandelnden Arztes trägt. Sprechen aber schon im Zeitpunkt der Kündigung objektive Umstände dafür, dass die Arbeitsunfähigkeit unabhängig von einer solchen Fehldiagnose voraussichtlich oder möglicherweise von absehbarer Dauer sein wird, kann keine negative Prognose gestellt werden. Insoweit hat das Landesarbeitsgericht den Inhalt des sozialmedizinischen Gutachtens vom 17. Januar 1997 nicht gewürdigt und deshalb rechtsfehlerhaft angenommen, durch das Tätigwerden des Medizinischen Dienstes am 4. März 1997 sei nachträglich ein neuer Kausalverlauf in Gang gesetzt worden. Aus dem Gutachten vom 17. Januar 1997 ist zu entnehmen, dass die Arbeitsunfähigkeit des Klägers voraussichtlich für absehbare Dauer weiter bestehe, wobei ausschließlich auf organische Restbeschwerden abgestellt wird; ferner wird die nächste Arztanfrage in zwei Wochen empfohlen. Daraus ist zu schließen, dass eine zeitnahe weitere von der Krankenkasse veranlasste Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit durch den Medizinischen Dienst voraussehbar war. Ebenfalls absehbar war das Abklingen der zu diesem Zeitpunkt noch bestehenden organischen Restbeschwerden. Der durch das Tätigwerden des Medizinischen Dienstes am 4. März 1997 ausgeübte therapeutische Druck, durch den die psychische Erkrankung des Klägers positiv beeinflusst wurde, war daher unabhängig von der weiteren Beurteilung der Arbeitsfähigkeit des Klägers durch seinen Hausarzt schon im Kündigungszeitpunkt objektiv angelegt; ein neuer Kausalverlauf kann entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgericht in der Feststellung der Arbeitsfähigkeit des Klägers durch den Medizinischen Dienst am 4. März 1997 nicht gesehen werden. Die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit des Klägers war nach den objektiven Umständen im Zeitpunkt der Kündigung daher allenfalls bis zur nächsten Überprüfung durch den Medizinischen Dienst ungewiss.
3. Fehlt es somit schon an der erforderlichen negativen Gesundheitsprognose im Kündigungszeitpunkt, ist die streitige Kündigung gemäß § 1
Abs. 2 Satz
KSchG der vorherigen Zustimmung der Hauptfürsorgestelle bedurft hätte und ob die Beklagte den Betriebsrat gemäß § 102
Abs. 1
BetrAVG ordnungsgemäß angehört hatte, kommt es demnach nicht mehr an.