Urteil
Berufungszulassungsantrag - Leistungen zur behinderungsgerechten Einrichtung von Arbeitsplätzen für schwerbehinderte Menschen durch das Integrationsamt

Gericht:

VGH Bayern


Aktenzeichen:

12 ZB 15.2176


Urteil vom:

09.06.2016


Grundlage:

Nichtamtlicher Leitsatz:

Im Rahmen seiner Ermessensentscheidung über die Bewilligung von Leistungen zur behinderungsgerechten Einrichtung von Arbeitsplätzen für schwerbehinderte Menschen handelt das Integrationsamt rechtmäßig, wenn es bei einem behinderungsgerechten Ausbau der Arbeitsstätte die Kosten eines Neubaus mit den Kosten eines Umbaus vergleicht und die Größe des Unternehmens, insbesondere dessen wirtschaftliche Lage als Maßstab für die Förderfähigkeit heranzieht.

Rechtsweg:

Es liegen keine Informationen zum Rechtsweg vor.

Quelle:

Behindertenrecht 07/2016

Gründe:

Der zulässige Antrag auf Zulassung der Berufung, mit dem sich die Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 26.08.2015 wendet und ihr Begehren, ihr unter Aufhebung des entgegenstehenden Bescheids des Beklagten vom 19. Mai 2014 einen Zuschuss für die behinderungsgerechte Ausstattung eines Neubaus in Nürnberg zu gewähren, weiter verfolgt, bleibt ohne Erfolg. Zulassungsgründe gemäß § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO liegen nicht vor.

Die Klägerin beruft sich auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Gerichtsbescheids (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), weil der Beklagte nicht in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise ausgeübt und das Verwaltungsgericht dies verkannt habe. Mit diesem Vorbringen kann die Klägerin indes nicht durchdringen. Das Verwaltungsgericht Bayreuth hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Zutreffend hat das Verwaltungsgericht darauf abgestellt, dass dem Beklagten bei seiner auf der Grundlage des § 102 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2a SGB IX i. V. m. § 26 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SchwbAV zu treffenden Entscheidung ein Ermessen zukommt und das Verwaltungsgericht nach § 114 VwGO nur zu prüfen hat, ob die in dieser Vorschrift genannten besonderen Voraussetzungen eingehalten wurden. Es hat dagegen nicht zu prüfen, ob vielleicht andere Lösungen zweckmäßiger gewesen wären (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 20. Auflage 2014, § 114 Rn. 4).

Das für die Verwendung der Ausgleichsabgabe gemäß § 77 SGB IX zuständige Integrationsamt kann im Rahmen seiner Zuständigkeit für die begleitende Hilfe im Arbeitsleben aus den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln nach § 102 Abs. 3 Satz 1 Ziffer 2a SGB IX an Arbeitgeber Geldleistungen erbringen zur behinderungsgerechten Einrichtung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen für schwerbehinderte Menschen. Auf Leistungen der begleitenden Hilfe im Arbeitsleben besteht grundsätzlich kein Rechtsanspruch, die Gewährung liegt vielmehr im pflichtgemäßen Ermessen der Integrationsämter, die hierbei auch berücksichtigen dürfen, dass die begleitende Hilfe aus dem Aufkommen der Ausgleichsabgabe zu finanzieren ist und insoweit nur begrenzte Mittel zur Verfügung stehen (Seidel in: Hauck/Noftz, SGB IX, 12/09, § 102 Rn. 25; Knittel, SGB IX, 8. Auflage 2015, § 102 Rn. 17b). Mit den Vorschriften der §§ 17 - 28 Schwerbehindertenausgleichsabgabeverordnung vom März 1998 (BGBl. I S. 484 SchwbAV) wird die begleitende Hilfe konkretisiert und es sind ferner aufgrund der Verankerung der begleitenden Hilfe im Arbeitsleben im Sozialgesetzbuch bei der Auslegung und Anwendung der Vorschriften der §§ 102 SGB IX, 17 - 28 SchwbAV die Vorschriften des SGB I zu beachten (Seidel in: Hauck(Noftz, SGB IX, 12/09, § 102 Rn. 24).

§ 39 SGB I verpflichtet die Integrationsämter, bei den finanziellen Leistungen der begleitenden Hilfe im Arbeitsleben, die gemäß § 102 Abs. 3 Satz 1 SGB IX, § 18 Abs. 2 SchwbAV als Ermessensleistungen ausgestaltet sind, ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die Grenzen des Ermessens einzuhalten. Grundsätzlich muss den direkt arbeitsplatzbezogenen finanziellen Hilfe Priorität bei der Ermessensausübung hinsichtlich der Verwendung der Mittel der Ausgleichsabgabe zukommen, da der konkrete Arbeitsplatz auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von SGB IX als Kernstück der schwerbehindertenrechtlichen Regelungen gesehen wird (Seidel in: Hauck/Noftz, SGB IX, 12/09, § 102 Rn. 25 unter Hinweis auf §§ 73 Abs. 1, 81 und 102 Abs. 2 Satz 2 SGB IX). Die Förderung umfasst aber auch das behinderungsgerechte Umfeld von einzelnen Arbeitsplätzen, da nach § 26 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SchwbAV Arbeitgeber Darlehen oder Zuschüsse für die behindertengerechte Einrichtung und Unterhaltung der Arbeitsstätten einschließlich der Betriebsanlagen, Maschinen und Geräte erhalten können sowie auch für sonstige Maßnahmen, durch die eine möglichst dauerhafte behinderungsgerechte Beschäftigung schwerbehinderter Menschen in Betrieben oder Dienststellen ermöglicht, erleichtert oder gesichert werden kann (§ 26 Abs. 1 Satz 1 Ziffer 4 SchwbAV). Zulässig sind darüber hinaus bei der Entscheidung über die Gewährung von Leistungen neben der Begrenzung auf die den jeweiligen Integrationsämtern insgesamt zur Verfügung stehenden Mittel der Ausgleichsabgabe finanzielle Erwägungen im Hinblick auf die Haushaltslage (vgl. Seidel in: Hauck/Noftz, SGB IX, 12/09, § 102 Rn. 25).

Diesen Maßstäben wird die Entscheidung des Integrationsamts gerecht. Zutreffend geht das Verwaltungsgericht davon aus, dass der Beklagte in seine Ermessenserwägungen alles Erforderliche eingestellt, den Sachverhalt richtig ermittelt und sodann eine sachgerechte Abwägung getroffen hat (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 20. Auflage 2014, § 114 Rn. 13).

Sachgerecht ist insbesondere die Überlegung, dass der Mehraufwand für einen behindertengerechten Ausbau bei einem Neubau geringer ist als bei einem Umbau, da die behindertengerechte Ausgestaltung bereits in die Planung einbezogen werden kann, zumal sich eine Verpflichtung hierzu bereits aus § 3a der Arbeitsstättenverordnung - ArbStättV - ergibt. Diese planerische und bauliche Verpflichtung schließt zwar eine Förderung durch das Integrationsamt nicht von vornherein aus, wie sich schon aus § 102 Abs. 3 Nr. 2a SGB IX und § 26 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SchwbAV entnehmen lässt, ist jedoch in die Ermessensentscheidung für eine Förderung maßgeblich mit einzustellen. In diesem Zusammenhang ist es durchaus angebracht, die Größe des Unternehmens, insbesondere dessen wirtschaftliche Lage (vgl. Pahlen in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, 12. Auflage, § 26 SchwbAV Rn. 6) und die damit verbundene Zumutbarkeit als Maßstab für die Förderfähigkeit heranzuziehen. Wie der Anhörungstermin vor dem Verwaltungsgericht ergeben hat, hat die Klägerin in Bezug auf den streitbefangenen Neubau unwidersprochen Förderung aus den Mitteln der Schwerbehindertenausgleichsabgabe erhalten, sodass von einer gänzlichen Ablehnung einer Förderung, worauf das Verwaltungsgericht Bayreuth zu Recht verweist, keine Rede sein kann. Es bedarf entgegen der Auffassung der Klägerin bei der hier zu treffenden Entscheidung, bei der es allein um die Begründung der konkret begehrten Förderung im Einzelfall geht, keiner Berücksichtigung, warum die vorliegende Maßnahme zu den nach Angabe des Beklagten in der Regel zu 5 % nicht geförderten Maßnahmen gehören soll. Ebenso wenig trifft der Einwand der Klägerseite zu, es sei Aufgabe des Beklagten, in diesem konkreten Verfahren allgemeine Hinweise auf Förderung anderer, auf freiwilliger Basis durchgeführter Maßnahmen zu geben. Denn bei den Leistungen nach § 102 Abs. 3 Nr. 2a SGB IX i. V. m. § 26 SchwbAV ist immer, worauf die Landesanwaltschaft zu Recht hinweist, eine Einzelfallprüfung durchzuführen.

Soweit der Klägerbevollmächtigte eine fehlende Gewichtung bzw. Abwägung rügt, wird dies im Wesentlichen nicht näher erläutert und trifft im Übrigen auch nicht zu. Das Verwaltungsgericht stellt insoweit zu Recht auf den Kontext zu den vorherigen Ausführungen ab und darauf, dass, obwohl durchaus der Umstand der Übererfüllung der Schwerbehindertenbeschäftigungsquote berücksichtigt wird, dies allein für eine Förderung nicht ausreicht. Vielmehr wurde dieser Gesichtspunkt gegenüber den vorgenannten Gründen als weniger gewichtig erachtet. Dies ist im Rahme der dem Senat allein zukommenden Prüfung auf Ermessensfehler nicht zu beanstanden.

Weitere Zulassungsgründe macht der Klägerbevollmächtigte nicht geltend. Solche sind auch sonst nicht ersichtlich.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist deshalb abzulehnen.

Referenznummer:

R/R7207


Informationsstand: 11.01.2017