Die Berufung hat keinen Erfolg.
I. Zwar ist die Berufung zulässig. Insbesondere ist sie innerhalb der nach § 124 a
Abs. 3 Satz 3
VwGO bis zum 3. Dezember 2015 verlängerten Frist begründet worden.
II. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 22. Februar 2013 und ihr Widerspruchsbescheid vom 8. Mai 2013 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113
Abs. 5
VwGO). Sie hat keinen Anspruch aus § 74
SGB VIII auf eine Zuwendung von 350,- Euro für die von ihr im Jahr 2013 entrichtete Ausgleichsabgabe nach
§ 77 SGB IX.
1. Die Klägerin hat aus § 74
Abs. 3
SGB VIII keinen Anspruch darauf, dass die Förderung ihres Kinder- und Jugendhauses die Erstattung der Ausgleichsabgabe umfasst. Nach § 74
Abs. 3 Satz 1
SGB VIII entscheidet der Träger der öffentlichen Jugendhilfe im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel nach pflichtgemäßem Ermessen über die Art und Höhe der Förderung. Für eine Ermessensreduzierung auf Null bestehen keine Anhaltspunkte. Auch ist ein Ermessensfehlgebrauch der Beklagten nicht ersichtlich.
a) Nach § 77
Abs. 1 Satz 1
SGB IX entrichten Arbeitgeber, welche die vorgeschriebene Zahl schwerbehinderter Menschen nicht beschäftigen, für jeden unbesetzten Pflichtarbeitsplatz eine Ausgleichsabgabe. Diese Regelung ist verfassungsgemäß (
BVerfG, Beschl., v. 1. Oktober 2004 -
1 BvR 2221/03 -, juris, Orientierungssätze 1a, 1b, 2 zu der Vorschrift in der damaligen Fassung im Schwerbehindertengesetz.)
b) Die Beklagte ist zutreffend davon ausgegangen, dass eine Übernahme der Ausgleichsabgabe dem Sinn und Zweck des § 77
SGB IX zuwider liefe. Nach
§ 71 Abs. 1 SGB IX besteht eine gesetzliche Verpflichtung zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen. Die Ausgleichsabgabe soll die Arbeitgeber anhalten, Schwerbehinderte einzustellen (Antriebsfunktion). Ferner sollen die Belastungen zwischen denjenigen Arbeitgebern, die dieser Verpflichtung genügen, und denjenigen, die diese Verpflichtung - aus welchen Gründen auch immer - nicht erfüllen, ausgeglichen werden (Ausgleichsfunktion) (
vgl. BVerfG, Urt. v. 26. Mai 1981 -
1 BvL 56/78 u.a. -, juris Rn. 100, zu den Vorschriften des Schwerbehindertengesetzes). Die Antriebsfunktion wäre jedoch wirkungslos, wenn ein Unternehmen auf die Einstellung der vorgeschriebenen Zahl schwerbehinderter Arbeitnehmer verzichten könnte und dennoch letztlich nicht mit einer Ausgleichsabgabe belastet würde, weil ihm diese im Rahmen der Zuwendung von Fördermitteln erstattet würde.
c) Dem steht nicht der Umstand entgegen, dass bei der Beschäftigung Schwerbehinderter der Klägerin möglicherweise höhere Personalkosten entstünden, die dann in die Förderung der Beklagten einzubeziehen wären. In diesem Fall wären die Antriebsfunktion des § 77
SGB IX gewahrt und der Gesetzeszweck erreicht.
d) Auch ist es für die Ermessensausübung nicht relevant, ob und in welchem Umfang sich Schwerbehinderte bei der Klägerin bewerben. Die Verpflichtung aus § 77
SGB IX betrifft das allgemeine unternehmerische Risiko. Sie gilt für sämtliche Arbeitgeber und unabhängig davon, ob die fehlende Beschäftigung Schwerbehinderter auf deren Verschulden zurückzuführen ist.
e) In die Ermessensausübung war nicht einzustellen, dass für das Projekt Kinder- und Jugendhaus bei gesonderter Betrachtung keine Ausgleichsabgabe zu entrichten wäre. Die Pflicht aus § 77
SGB IX ist unternehmensbezogen. Dementsprechend zahlt die Klägerin die Ausgleichsabgabe für ihr gesamtes Unternehmen und legt die Kosten anteilig auf die einzelnen Angebote um.
f) Da die Ausgleichsabgabe nicht zu den generell erstattungsfähigen Kosten zählt, hat die Beklagte in ihrer Ermessensentscheidung zutreffend geprüft, ob ein Zusammenhang mit dem geförderten Jugendhilfeprojekt vorliegt, und dies mit richtigen Erwägungen verneint. Es handelt sich um Kosten, die wegen der Nichterfüllung der Verpflichtung der Klägerin aus § 71
Abs. 1
SGB IX entstanden sind und die ihre Ursache nicht in dem Betrieb des Kinder- und Jugendhauses haben.
2. Ein Anspruch auf Erstattung der Ausgleichsabgabe steht der Klägerin nicht aus § 74
Abs. 3 Satz 1
i. V. m.
Abs. 5
SGB VIII zu. Zwar ist das Ermessen des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe aus § 74
Abs. 5 Satz 1
SGB VIII dahin gebunden, dass bei der Förderung gleichartiger Maßnahmen mehrerer Träger unter Berücksichtigung ihrer Eigenleistungen gleiche Grundsätze und Maßstäbe anzulegen sind. Dies gilt ebenfalls für die Förderung gleichartiger Maßnahmen desselben Trägers der freien Jugendhilfe. Das Projekt Kinder- und Jugendhaus einerseits und die von der Klägerin betriebenen Kindertageseinrichtungen nach § 22
SGB VIII andererseits stellen aber keine gleichartigen Maßnahmen dar, weil Rechtsgrundlagen und Voraussetzungen einer Förderung unterschiedlich ausgestaltet sind.
a) Die Finanzierung von Kindertageseinrichtungen richtet sich gemäß § 74a
SGB VIII nach Landesrecht. Nach den landesrechtlichen Vorgaben steht der Beklagten kein Ermessen zu. Die Personal- und Sachkosten einer Kindertageseinrichtung eines Trägers der freien Jugendhilfe werden nach § 14
Abs. 4 SächsKitaG aufgebracht durch die Gemeinde, einschließlich des Landeszuschusses, durch Elternbeiträge und durch den Eigenanteil des Trägers. Die Elternbeiträge werden nach § 15
Abs. 1 Satz 1 SächsKitaG von der Gemeinde in Abstimmung mit dem Träger der Kindertageseinrichtung und dem örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe festgesetzt; sie sollen nach § 15
Abs. 2 SächsKitaG bei Krippen 20% bis 23% und bei Kindergärten und Horten 20% bis 30% betragen. Nach § 14
Abs. 1 SächsKitaG sind Personal- und Sachkosten solche, die für den ordnungsgemäßen Betrieb einer Kindertageseinrichtung erforderlich sind. Hieraus folgt, dass die Beklagte - und zwar als Kommune und nicht als örtlicher Träger der öffentlichen Jugendhilfe - verpflichtet ist, einen Teil der Personal- und Sachkosten zu tragen.
b) Hingegen unterliegt ein Projekt der Jugendarbeit nach § 11
SGB VIII der Förderung nach § 74
SGB VIII. Der Träger der öffentlichen Jugendhilfe hat ein weites Ermessen, in welchem Umfang eine Förderung erfolgt. Anders als im Fall des § 24
SGB VIII, der einen Anspruch auf Förderung in Tageseinrichtungen und in Kindertagespflege statuiert, steht einem Kind oder Jugendlichen kein Anspruch darauf zu, dass eine konkrete Maßnahme der Jugendarbeit durchgeführt wird.
c) Zudem ist eine Gleichbehandlung nicht geboten, weil es zweifelhaft erscheint, ob es überhaupt rechtmäßig ist, den Kindertageseinrichtungen nach § 14
Abs. 1 SächsKitaG die Kosten für die Ausgleichsabgabe nach § 77
SGB IX zu erstatten. Diese Kosten sind nicht für den ordnungsgemäßen Betrieb der Kindertageseinrichtung erforderlich, sondern vielmehr auf eine Verletzung der Pflicht zur Beschäftigung Schwerbehinderter aus
§ 71 Abs. 1 SGB IX zurückzuführen. Es ist nicht erkennbar, dass es der Klägerin unmöglich war, schwerbehinderte Mitarbeiter einzustellen. Ihr Hinweis darauf, dass sich bei ihr nur selten Schwerbehinderte bewerben, und ihre Schilderung einzelner praktischer Schwierigkeiten bei einem beruflichen Einsatz Schwerbehinderter reichen insoweit nicht aus. Im Übrigen hat die Vertreterin der Beklagten in der mündlichen Verhandlung dargelegt, dass auch für den Bereich der Kindertageseinrichtungen die Ausgleichsabgabe nicht pauschal gewährt wird.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154
Abs. 2
VwGO. Das Verfahren ist nach § 188
VwGO gerichtskostenfrei.
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 132
Abs. 2
Nr. 1
VwGO zuzulassen. Die Klärung der Frage, ob und inwieweit eine Förderpraxis zulässig ist, die auch Ausgleichsabgaben nach § 77
Abs. 1
SGB IX erstattet, hat wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung und Auslegung des Rechts.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen das Urteil steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu.