Die nach der Beschwer (§ 64
Abs. 2
ArbGG) an sich statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Beklagten (§§ 66
Abs. 1 Satz 1; 64
Abs. 6
ArbGG, 516
ff. ZPO) hat keinen Erfolg, da die Kündigung der Beklagten vom 04.11.2004 das Arbeitsverhältnis zum Kläger nicht beendet hat (s.u. I.) und der erstmals in der Berufungsinstanz gestellte Auflösungsantrag zurückzuweisen war (s.u. II.).
Außerdem waren der Beklagten nach übereinstimmender Erledigungserklärung hinsichtlich des Teilzeitantrages des Klägers die damit verbundenen Kosten aufzuerlegen (s.u. III.).
I.
Die Kündigung der Beklagten vom 04.11.2004 erweist sich
gem. § 134
BGB als nichtig, da sie im Sinne dieser Vorschrift gegen ein Gesetz, § 18
Abs. 1
S.1 BErzGG, verstößt. Wenn nämlich § 18
Abs. 1
S.1 BErzGG beschreibt, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis nicht kündigen darf, so liegt hierin ein gesetzliches Verbot, welches sich gegen die Kündigungserklärung selbst richtet mit der Folge, dass die trotzdem ausgesprochene Kündigung
gem. § 134
BGB nichtig ist (grundlegend
BAG, Urteil vom 17.02.1994, 2 AZR 616/93, NZA 1994,
S. 656).
A. Die Voraussetzungen des § 18
Abs. 1
S.1 BErzGG liegen vor, da der Kläger im Sinne der Norm Elternzeit verlangt hat.
1. § 18 BErzGG beschreibt selbst nicht die Voraussetzungen, unter denen Elternzeit verlangt werden kann, sondern bezieht sich nur auf das Verlangen selbst. Aus diesem Grunde ist auf die Vorschriften der §§ 15, 16 BErzGG zurückzugreifen, die die Grundlagen für den Anspruch auf Elternzeit und die formellen Regeln für deren Inanspruchnahme bestimmen. Der Kündigungsschutz aus § 18
Abs. 1
S. 1 BErzGG besteht nämlich grundsätzlich nur, wenn das Verlangen rechtswirksam erklärt worden ist (
BAG, Urteil vom 17.02.1994, aaO,
vgl. auch Gröninger/Thomas MuSchG, 40. Erg. 2006, § 18
nF,
Rdnr. 11; Hessisches
LAG, Urteil vom 07.11.2000, 9 Sa 675/00 zu II.1a) der Gründe bei juris).
a. Der Kläger hat einen Anspruch auf Elternzeit
gem. § 15
Abs. 1 und
Abs. 2 BErzGG, da er streitlos
- Arbeitnehmer der Beklagten ist,
- mit einem Kind, für welches ihm die Personensorge zusteht, in einem Haushalt lebt,
- dieses Kind selbst betreut und erzieht und
- das Kind (*12.02.2003) das dritte Lebensjahr zum streitgegenständlichen Zeitpunkt noch nicht vollendet hatte.
Ob und inwieweit die Ehefrau des Klägers Elternzeit ihrerseits in Anspruch genommen haben mag, konnte offen bleiben, da § 15
Abs. 3 BErzGG ausdrücklich für beide Elternteile das Recht einräumt, auch gemeinsam Elternzeit in Anspruch zu nehmen.
b. Der Kläger hat spätestens mit Schreiben vom 01.10.2004
gem. § 16
Abs. 1
S.1 BErzGG rechtswirksam Elternzeit verlangt. Diese Bestimmung setzt die schriftliche Form und die Angabe der Zeiten voraus, in denen Elternzeit beansprucht wird. Außerdem bezeichnet sie die Frist von acht Wochen vor Beginn der Elternzeit.
Die Schriftform ist gewahrt, da der Kläger seinen Antrag unterschrieben hat, § 126
Abs. 1
BGB. Auch sind die entsprechenden Zeiten angegeben, wobei offen bleiben kann, ob mit Zugang des Schreibens am 01.10.2004 auch bei gewünschtem Beginn am 26.11.2004 die Frist von acht Wochen gewahrt ist, da eine Nichteinhaltung der Frist ohnehin nicht zur Unwirksamkeit des Verlangens im o.g. Sinne führen würde, sondern den Beginn der Elternzeit nur herausschieben würde (
BAG, Urteil vom 17.02.1994 aaO zu II.3.c)(2) der Gründe) mit der Folge, dass der Arbeitnehmer erst nach Fristablauf ohne weitere Erklärungen der Arbeit fernbleiben kann (
vgl. Gröninger/Thomas aaO, § 16
nF,
Rdnr. 8).
Soweit die Beklagte hierzu die Auffassung vertreten hat, dass sowohl das erste Schreiben vom 21.09. als auch das zweite vom 01.10.2004 nur einen Teilzeitantrag, nicht aber das Verlangen nach Elternzeit darstellt, vermochte die Berufungskammer dem nicht zu folgen. Selbst wenn man der Beklagten beipflichten und das Schreiben vom 01.10.2004 nicht als eindeutig im Sinne eines Verlangens nach § 16
Abs. 1 BErzGG ansehen würde, so wäre in jedem Falle eine Auslegung
gem. § 133
BGB vorzunehmen (Hessisches
LAG, Urteil vom 07.11.2000 aaO;
BAG, Urteil vom 27.04.2004, 9 AZR 21/04, NZA 2004, 1039). Eine solche Auslegung müsste dann auch dazu führen, trotz des Schriftformerfordernisses in § 16
Abs. 1
S.1 BErzGG auch Umstände außerhalb des Schreibens vom 01.10.04 heranzuziehen (
BAG, Urteil vom 27.04.2004 aaO), also auch das vorhergehende Schreiben vom 21.09.2004.
Beide Schreiben formulieren zwar nicht ausdrücklich, dass der Kläger hiermit Elternzeit verlange, beschränken sich aber auch nicht auf ein bloßes Teilzeitverlangen, wie es sich etwa auf § 8
Abs. 2
TzBfG stützen lassen könnte. Das Schreiben vom 01.10. betitelt er mit "Anmeldung Elternzeit-Teilzeitantrag", nimmt ausdrücklich Bezug auf die Geburt der Tochter am 12.02.2003 und schreibt "möchte ich Elternzeit .... in Anspruch nehmen. Zudem beschränkt er den zugleich geäußerten Teilzeitwunsch auf die Vollendung des dritten Lebensjahres der Tochter und bringt damit verstärkt zum Ausdruck, dass er sich am BErzGG (dort § 15
Abs. 2) orientiert.
Daneben lag der Beklagten das Schreiben vom 21.09.2004 vor, welches mit "Elternzeit mit Teilzeit" überschrieben war und worin der Kläger eine schriftliche Bestätigung "meiner Elternzeit" für den angegebenen Zeitraum bat.
Damit war nach den o.g. Grundsätzen für die Beklagte klar, dass der Kläger Elternzeit nach Ablauf von acht Wochen ab seinen Schreiben bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres der Tochter beanspruchte und sich nicht nur auf die Geltendmachung eines Teilzeitverlangens beschränkte. Auch die Reaktion der Beklagten im Schreiben vom 15.10.2004 dokumentiert, dass die Beklagte das Ansinnen des Klägers genau so verstanden hat, da sie ausdrücklich davon spricht, der Kläger habe "grundsätzlich Anspruch auf Elternzeit gemäß § 15 ff BErzGG".
Liegt damit ein wirksames Verlangen der Elternzeit im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung vom 04.11.2004 vor, verbietet § 18
Abs. 1 BErzGG diese Kündigung mit der Nichtigkeitsfolge des § 134
BGB. Die gleichfalls in § 18
Abs. 1 (
S.2) BErzGG geregelte Ausnahme der behördlichen Zulässigkeitserklärung der Kündigung ist nicht gegeben, da eine solche von der Beklagten ohnehin nicht beantragt worden ist.
B. Da bereits die Voraussetzungen des § 18
Abs. 1 BErzGG vorliegen, kam es auf die insbesondere im Verhandlungstermin vor der Berufungskammer aufgeworfene Frage, unter welchen Voraussetzungen der Kündigungsschutz nach § 18
Abs. 2, Ziffer 2 BErzGG eingreift, nicht mehr an. Allerdings möchte die Kammer darauf hinweisen, dass zumindest nach einhelliger Auffassung in der Literatur, die die Kammer teilt, eine Anknüpfung an die tatbestandlichen Voraussetzungen des Teilzeitverlangens nach § 15
Abs. 7 BErzGG (hier: Betriebsgröße) nicht stattfindet. Denn § 18
Abs. 2 Ziffer 2 BErzGG macht auch ohne eine solche Anknüpfung einen Sinn, da § 15 BErzGG für die Elternzeit weitere Anspruchsvoraussetzungen bezeichnet, deren Nichtvorliegen einem Anspruch auf Elternzeit entgegenstehen (
vgl. Gröninger/Thomas aaO, § 18
nF, Rdnr 9: Wohnsitz, Aufenthalt des Kindes
etc.).
C. Dem Kläger ist es auch nicht verwehrt, sich auf den Kündigungsschutz aus § 18 BErzGG zu berufen, § 242
BGB.
Zwar hat die Beklagte vorgetragen, der Kläger habe nur deswegen seinen Antrag vom 01.10.2004 gestellt, um Sonderkündigungsschutz zu schaffen, nachdem er die Kündigung mit Zustimmung des Integrationsamtes erhalten hatte. Allerdings konnte die Kammer offen lassen, ob selbst dann, wenn eine solche Konstellation vorliegt, die Berufung auf § 18 BErzGG rechtsmissbräuchlich sein kann.
Denn die Abfolge der Zeitdaten im vorliegenden Rechtsstreit stützt die Auffassung der Beklagten nicht: So stammt der aus Sicht der Beklagten maßgebliche "Antrag" des Klägers vom 01.10.2004, bei der Beklagten ausweislich ihres Antwortschreibens jedenfalls vor dem 15.10.2004, nach den tatbestandlichen Feststellungen des insoweit nicht angegriffenen erstinstanzlichen Urteils am gleichen Tage, zugegangen. Der Zustimmungsbescheid des Integrationsamtes datiert hingegen vom 22.10.2004, also drei Wochen nach dem Verlangen der Elternzeit; die Kündigung stammt vom 04.11.2004. Damit steht schon aufgrund des Zeitablaufes fest, dass der Kläger die Elternzeit nicht nach Zugang der Kündigung verlangt hat.
Nach alledem verbleibt es bei der Nichtigkeit der streitgegenständlichen Kündigung.
II.
Der Auflösungsantrag, der erstmals in der Berufungsinstanz von der Beklagten gestellt wurde, hat keinen Erfolg.
A. Der Antrag ist zulässig. Es begegnet keinen Bedenken, dass er erstmals in der Berufungsinstanz gestellt wurde. Unzulässig wird der Auflösungsantrag erst dann, wenn kein Bestandsschutzstreit vor Gericht zwischen den Parteien (mehr) anhängig ist (
LAG Hamm, Urteil vom 22.03.1989, LAGE § 9
KSchG Nr. 13). Ansonsten gilt
gem. § 9 Abs. 1 S. 3 KSchG, dass dieser Antrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz - wie geschehen - gestellt werden kann (
vgl. Spilger in: Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz und zu sonstigen kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften - KR -, § 9
Rdnr. 20 mit weiteren Nachweisen auch zur Rechtsprechung).
B. Der Antrag ist aber nicht begründet.
Unabhängig davon, dass sich die streitgegenständliche Kündigung vom 04.11.2004 zwar als rechtsunwirksam erwiesen und damit das Arbeitsverhältnis nicht beendet hat (s.o. I.), kann die Beklagte einen Auflösungsantrag nicht mit Erfolg stellen, ohne das es auf die Frage der Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ankäme.
Wegen des Standortes der maßgeblichen Vorschrift des
§ 9 Abs. 1, S.2 KSchG im Ersten Abschnitt des Gesetzes kommt diese Vorschrift nur zur Anwendung, wenn eine Überprüfung der Sozialwidrigkeit der Kündigung durch das Gericht nach den Maßstäben der sozialen Rechtfertigung
gem. § 1 KSchG deren Rechtsunwirksamkeit ergeben hat (
vgl. KR-Spilger aaO, § 9 Rdnrn. 26 ff mit weiteren Nachweisen). Erweist sich die Kündigung hingegen aus anderen gesetzlichen Gründen als nichtig, ist für den Auflösungsantrag kein Raum (
BAG, Urteil vom 10.11.1994, 2 AZR 207/94, NZA 1995,
S. 309;
LAG Köln, Urteil vom 11.03.1999, 10 (2) Sa 889/98, NZA-RR 2000, 55), weil die Lösungsmöglichkeit nach § 9
Abs. 1,
S.2
KSchG für den Arbeitgeber eine Vergünstigung darstellt, die nur in Betracht kommt, wenn eine Kündigung "nur" sozialwidrig und nicht aus anderen Gründen nichtig ist (
BAG, Beschluss vom 21. September 2000, 2 AZN 576/00, NZA 2001, 102).
So liegt der Fall hier: Die Kündigung verstößt gegen § 18
Abs. 1 BErzGG, s.o. I.
Auf den Inhalt der von der Beklagten im Verhandlungstermin überreichten Schriftstücke anderer Mitarbeiter, die sie zur Begründung des Auflösungsbegehrens herangezogen hat, kam es danach nicht an.
III.
Nach übereinstimmender Erledigungserklärung der Parteien wegen Zeitablaufs hinsichtlich des vom Kläger geltend gemachten Anspruchs auf Teilzeitarbeit in der Zeit vom 26.11.2004 bis zum 11.02.2006 hatte die Berufungskammer insoweit
gem. § 91 a
Abs. 1,
S. 1
i.V.m. § 525
ZPO, § 64
Abs. 6
ArbGG über die Kosten unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden.
Die Kosten waren nach diesen Maßstäben der Beklagten aufzuerlegen, da dem Kläger der Anspruch auf Teilzeitarbeit zustand.
A. Vorauszuschicken ist, dass als Prüfungsmaßstab für das klägerische Begehren § 15
Abs. 6 und 7 BErzGG heranzuziehen sind - wie das Arbeitsgericht zutreffend entschieden hat -, da der Kläger Teilzeitarbeit während der Elternzeit beantragt hatte und insoweit die Voraussetzungen im allgemeinen (Anspruch auf Elternzeit, Verlangen der Elternzeit, Fristenwahrung, Dauer des Arbeitsverhältnisses, Bestimmtheit des klägerischen Antrages, Umfang der Teilzeitarbeit) vorlagen. Auf die Ausführungen zum Kündigungsschutz nach § 18 BErzGG unter I. dieses Urteils wird insoweit Bezug genommen. Problematisch waren allein die Fragen nach der Anzahl der beschäftigten Arbeitnehmer (§ 15
Abs. 7
Nr. 1 BErzGG) - dazu unten 1. - und nach
evtl. entgegenstehenden dringenden betrieblichen Gründen (§ 15
Abs. 7
Nr. 4 BErzGG) - dazu unten 2.
1. Die Beklagte beschäftigte in der Regel mehr als 15 Arbeitnehmer im Sinne des § 15
Abs. 7
Nr. 1 BErzGG.
a. Anknüpfungspunkt für die Bemessung der Anzahl der Arbeitnehmer sind die reinen Kopfzahlen der Beschäftigten, nicht deren Arbeitszeit. Das bedeutet, dass auch Teilzeitbeschäftigte und sog. Abruf- und Aushilfskräfte (wie immer sie aus Sicht der Beklagten zu definieren sind) voll mitzählen, da es allein auf die Arbeitnehmereigenschaft ankommt. Ob die Arbeitszeit 1 Stunde pro Woche, anders verteilt auf einzelne Monate oder 40 Stunden pro Woche beträgt, ist rechtlich unerheblich. Lediglich Personen, die sich in der Berufsbildung befinden, sind ausgenommen. Dieses Verständnis von § 15
Abs. 7
Nr. 1 BErzGG ergibt sich zum einem aus dem Wortlaut der Norm, der nämlich irgendwelche Eingrenzungen unter Berücksichtigung der abzuleistenden Arbeitszeit nicht vorsieht. Zum anderen ergibt sich das auch aus der Gesetzgebungsgeschichte: Während im Gesetzesentwurf zur Änderung des BErzGG der Fraktion der SPD/Bündnis90-Die Grünen (Bundestagsdrucksache 14/3118) die Formulierung des neu zu schaffenden § 15
Abs. 7
Nr. 1 noch lautete (BT-
Dr. 14/3118
S. 7):
(7) Für den Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit gelten folgende Voraussetzungen:
1. Der Arbeitgeber beschäftigt, unabhängig von der Anzahl der Personen in Berufsbildung, in der Regel mehr als 15 Arbeitnehmer; § 23
Abs. 1 Satz 3 des Kündigungsschutzgesetzes gilt entsprechend; ...
Die weiteren Voraussetzungen regelt Absatz 7. Nummer 1 betrifft die Mindestgröße des Betriebes (unter Bezugnahme auf § 23
Abs. 1 des Kündigungsschutzgesetzes (
KSchG) wegen der anteiligen Berücksichtigung von Teilzeitkräften) ist der einschränkende Verweis auf
§ 23 KSchG nicht zum Inhalt der dann verabschiedeten Gesetzesänderung geworden (
vgl. auch Gröninger/Thomas aaO, § 15
nF.
Rdnr. 8; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch 10. A., § 102
Rdnr. 178).
Mit der Formulierung "..in der Regel..." hingegen knüpft der Gesetzgeber an andere gesetzliche Bestimmungen an, die gleiche oder ähnliche Formulierungen verwenden, so
z.B. in § 23
Abs. 1
S.2
KSchG. Dieser Umstand war auch im Gesetzgebungsverfahren nie zweifelhaft, da der ursprünglich angedachte und nicht realisierte Verweis auf § 23
Abs. 1
KSchG sich ausschließlich auf die Frage der Teilzeitkräfte, nicht auf die Frage des Begriffs "in der Regel" bezog,
vgl. die oben zitierten Auszüge aus der BT-Drucks. 14/3118. Hiernach gilt, dass es bei dieser Feststellung nicht allein auf den Zeitpunkt des Zugangs des Teilzeitverlangens ankommt, sondern dass vielmehr eine Rückschau auf die bisherige personelle Situation und eine Einschätzung der zukünftigen Entwicklung im Betrieb vorzunehmen ist (
BAG, Urteil vom 31.01.1991, 2 AZR 356/90, NZA 1991, 562 zu § 23
Abs. 1
S. 2
KSchG mit weiteren Nachweisen).
b. Ausgehend von diesen Grundlagen sind die vom Arbeitsgericht im angegriffenen Urteil getroffenen Feststellungen zutreffend. Berücksichtigt man nämlich die von der Beklagten selbst gefertigte Liste mit Stand 31.10.2004, die durchgeführte Beweisaufnahme sowie das Vorbringen in der Berufungsinstanz, so sind die von der Beklagten bezeichneten Saison- und Aushilfskräfte schon deswegen zu berücksichtigen, weil es sich begrifflich um Arbeitnehmer handelt. Auch die Abrufarbeitskraft, die der Deckung von Arbeitsspitzen dient, die regelmäßig saisonal auftreten, ist Arbeitnehmer, wie sich zweifelsohne aus § 12
Abs. 1
TzBfG ergibt, der die Arbeitnehmereigenschaft solcher Kräfte unterstellt.
Den Mitarbeiter F4 hat die Beklagte selbst als Aushilfe mit einer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von 10 Stunden aufgeführt. Soweit sie hierzu dessen Abwesenheit durch einen Australienaufenthalt angeführt hat, führt das nicht zum Verlust der Arbeitnehmereigenschaft:
Zum einen ist nicht vorgetragen, dass das Arbeitsverhältnis zu Herrn F4 beendet war; zum anderen ergibt sich aus der überreichten Kopie des Reisepasses eine Einreise in Australien unter dem 27.06.2004 und eine Ausreise unter dem 25.09.2004 (Bl. 146 d.A.), verbunden mit dem Vortrag, Herr F4 sei zuvor und sodann wieder ab Mitte November tätig geworden. Nach Auffassung der Berufungskammer stellen diese Umstände unter Beachtung der o.g. höchstrichterlichen Rechtsprechung durchaus eine regelmäßige Beschäftigung im Sinne des § 15
Abs. 7
Nr. 1 BErzGG dar.
Herauszurechnen sind aus der eigenen Liste der Beklagten daher die beiden geschäftsführenden Gesellschafter, da ihnen die Arbeitnehmereigenschaft fehlt (
vgl. § 5
Abs. 1
S. 3
ArbGG) sowie die sechs Auszubildenden, da sich letztere im Sinne des § 15
Abs. 7
Nr. 1 BErzGG in der Berufsbildung befinden (
vgl. § 1
Abs. 1
BBiG). Die angeführte Studentin hingegen zählt nach den obigen Grundsätzen zu Aushilfskräften mit; insbesondere befindet sie sich nicht in der Berufsbildung im Sinne des § 15
Abs. 7
Nr. 1 BErzGG, da eine universitäre Ausbildung nicht Berufsbildung im Sinne des Gesetzes ist, § 1
Abs. 1
BBiG. Damit verbleiben 18 Arbeitnehmer im Sinne des § 15
Abs. 7
Nr. 1 BErzGG; jedenfalls mehr als 15, auch wenn man das Vorbringen der Beklagten zu zwei Aushilfsschülern berücksichtigen würde.
2. Dringende betriebliche Gründe im Sinne des § 15
Abs. 7
Nr. 4 BErzGG standen dem Teilzeitanspruch des Klägers nicht entgegen.
a. Maßstab für das Entfallen des Teilzeitanspruchs nach § 15
Abs. 7
Nr. 1 BErzGG sind - anders als in § 8
TzBfG - dringende betriebliche Gründe; "einfache" betriebliche Gründe reichen nicht aus. Hintergrund für diese Differenzierung zwischen allgemeinem Teilzeitrecht und den Bestimmungen im BErzGG war das Ziel des Gesetzgebers, "angemessene strukturelle Verbesserungen beim Erziehungsgeld und Erziehungsurlaub einschließlich einer erleichterten Teilzeitarbeit während dieser Zeit,..." zu schaffen (BT-Drucks. 14/3118,
S. 1). Daraus und aus der vergleichbaren Wortwahl in § 1
Abs. 2
S. 1
KSchG ("dringende betriebliche Erfordernisse") folgt, dass die entgegenstehenden betrieblichen Interessen von erheblichem Gewicht sein müssen und sich als zwingende Hindernisse für die beantragte Verkürzung der Arbeitszeit und deren Verteilung darstellen (Gröninger/Thomas aaO, § 15
nF,
Rdnr. 55 a;
LAG Hamm, Urteil vom 08.02.2006, 9 Sa 1601/04 zu 2.b) der Gründe;
BAG, Urteil v. 18.03.2003- 9 AZR 126/02 - AP 3 zu § 8
TzBfG; zu BI2a der Gründe) In der Entscheidung vom 19.04.2005, der die Berufungskammer folgt, hat das Bundesarbeitsgericht hierzu wörtlich ausgeführt: (
BAG, Urteil vom 19.04.2005, 9 AZR 233/04, NZA 2005, 1354-1358):
Dabei ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass der Arbeitgeber gegen den Anspruch des Arbeitnehmers auf Elternzeit ohne jegliche Arbeitsleistung keine Einwendungen erheben kann. Daraus folgt, dass sich die dringenden betrieblichen Gründe iSd. § 15
Abs. 7 Satz 1
Nr. 4 BErzGG gerade daraus ergeben müssen, dass durch den Wunsch nach Teilzeitarbeit des in Elternzeit befindlichen Arbeitnehmers erhebliche Beeinträchtigungen für den Arbeitgeber entstehen.
b. Diesen Kriterien werden die von der Beklagten aufgeführten Gründe nicht gerecht. Insbesondere konnte die Beklagte nicht näher darlegen, warum es ihr grundsätzlich möglich ist (durch ihre eigene Liste Stand 31.10.04 dokumentiert und vom Kläger substantiiert vorgetragen), Teilzeitkräfte zu beschäftigen, aber eine Reduzierung der Arbeitszeit des Klägers für einen begrenzten Zeitraum nicht verkraften zu können.
Soweit sie auf Schulungsveranstaltungen, notwendige Expedientenreisen, Urlaubsvertretungen und Wochenenddienste verweist, ist nicht ersichtlich, warum der Kläger nicht trotz Teilzeit bereit gewesen wäre, an solchen Veranstaltungen teilzunehmen; zur Organisation von Vertretungen und Wochenenden ist nicht zu erkennen, welche organisatorischen Anstrengungen und Vorkehrungen die Beklagte hätte treffen können, um ihren eigenen Anforderungen zu entsprechen. Aus dem pauschalen Vorbringen, der Kläger müsse solche Dienste leisten, mögen gewisse Schwierigkeiten zu ersehen sein, "dringende betriebliche Gründe" sind es jedenfalls nicht.
Die von der Beklagten geforderte "Einheitlichkeit des Ansprechpartners" stellt ebenso keinen dringenden betrieblichen Grund dar. Nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten zu Verschiebungen der Kundenanfragen auf Samstage und zu notwendigen Wochenenddiensten ergibt sich, dass die Beklagte unter Berücksichtigung der mit den Mitarbeitern vereinbarten vertraglichen Wochenarbeitszeiten (
max. 40 Stunden; s. Aufstellung Stand 31.10.2004) ohnehin nicht den gewünschten "einheitlichen Ansprechpartner" für ihre Kunden vorhalten kann (so schon zu § 8
TzBfG:
BAG, Urteil vom 30.09.2003, 9 AZR 665/02, DB 2004, 709). Die Beklagte trägt insoweit auch widersprüchlich vor, wenn sie darlegt, bei Wahrnehmung von Samstagsarbeit müsse sie über Mitarbeiter verfügen, da dann flexibel auf die Werktage verteilt eingesetzt werden können: Eine flexible Verteilung auf Werktage lässt sich nur schwer mit der Vorstellung nach einem einheitlichen Ansprechpartner in Einklang bringen.
Im Übrigen wird auf die zutreffenden Erwägungen der angegriffenen Entscheidung Bezug genommen,
vgl. § 69
Abs. 2
ArbGG.
Nach alledem verbleibt es dabei, dass das Arbeitsgericht dem entsprechenden Antrag des Klägers auf Verringerung der Arbeitszeit zu Recht entsprochen hat mit der Folge, dass nach Erledigungserklärung in der Berufungsinstanz insoweit der Beklagten die Kosten aufzuerlegen waren, § 91 a
Abs. 1
ZPO.
IV.
Die Kosten des Berufungsverfahrens im übrigen hat die Beklagte als unterlegene Partei zu tragen, § 97
Abs. 1
ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 72
Abs. 2
ArbGG liegen nicht vor.