I.
Der am 12. Oktober 19.. geborene Kläger steht als Inspektor im Verwaltungsdienst der Beklagten. Er ist mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 70 schwerbehindert. Mit Schreiben vom 29. Februar 2004 stellte er bei der Beklagten den Antrag, rückwirkend zum 1. Januar 2004 nach den für Schwerbehinderte geltenden Schutzvorschriften von Mehrarbeit befreit zu werden. Die Beklagte erwiderte mit Schreiben vom 8. März 2004, bei der in der Hessischen Arbeitszeitverordnung ( HAZVO) festgelegten Arbeitszeit von 42 Wochenstunden handele es sich nicht um Mehrarbeit.
Hiergegen hat der Kläger am 14. September 2004 Klage erhoben. Mit der Klageschrift hat er zunächst beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihn von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung von mehr als acht Stunden täglich
bzw. 40 Stunden wöchentlich gemäß
§ 124 SGB IX freizustellen.
Nachdem die wöchentliche Arbeitszeit des Klägers auf dessen Antrag aus gesundheitlichen Gründen ab 1. März 2005 auf 35 Wochenstunden ermäßigt worden war, hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung am 13. Juli 2006 beantragt,
festzustellen,
dass seine regelmäßige Arbeitszeit bei einer Vollzeitbeschäftigung 40 Stunden pro Woche beträgt.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen des vom Verwaltungsgericht festgestellten Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Klageverfahren wird gemäß § 130b Satz 1
VwGO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Mit Urteil vom 13. Juli 2006 - 1 E 2246/04 - hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, die Regelarbeitszeit der hauptamtlich tätigen Beamten betrage im Land Hessen bei einer Vollzeitbeschäftigung im Durchschnitt 42 Stunden pro Woche. Eine Freistellung von Mehrarbeit nach der für schwerbehinderte Arbeitnehmer geltenden Vorschrift des
§ 124 SGB IX komme nicht in Betracht, da keine Mehrarbeit im Sinne von § 85
Abs. 2 HBG vorliege. Die auf § 3 Satz 1 Arbeitszeitgesetz (
ArbZG) gestützte Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 3. Dezember 2002 -
9 AZR 462/01 - besage nichts für die in § 1
Abs. 1 HAZVO geregelte Arbeitszeit von Beamten. Der Schutzzweck des § 124
SGB IX erfordere keine von § 85
Abs. 2 HBG abweichende Auslegung des Begriffs der Mehrarbeit. Es sei nicht erkennbar, dass eine Regelarbeitszeit von 42 Stunden pro Woche die Leistungsfähigkeit schwerbehinderter Bediensteter überbeanspruche oder deren gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben (
§ 1 SGB IX) merklich erschwere.
Gegen dieses seinen damaligen Bevollmächtigten am 26. Juli 2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 28. August 2006, einem Montag, die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt. Er trägt vor, die Verpflichtung zur Ableistung von 42 Wochenstunden sei Mehrarbeit im Sinne des auch auf Beamtenverhältnisse anzuwendenden § 124
SGB IX, dessen in § 1
SGB IX normierter Schutzzweck nur erreicht werde, wenn die tägliche Arbeitszeit Behinderter acht Stunden nicht überschreite. § 3
ArbZG sei zwar nicht unmittelbar anwendbar, enthalte aber eine gesetzgeberische Wertung dessen, was als Regelarbeitszeit zumutbar sei. Demgegenüber diene § 85 HBG lediglich dem Zweck, entsprechend der Überstundenregelung im privatrechtlichen Bereich festzulegen, inwieweit ein Freizeitausgleich oder eine Mehrarbeitsvergütung zu gewähren sei. Der Verordnungsgeber sei auch nach der Erhöhung der Wochenarbeitszeit davon ausgegangen, dass vollzeitbeschäftigte Beamte nur zur Leistung von 40 Wochenstunden verpflichtet seien. Ein beamtenrechtlicher Ausgleich der besonderen Interessen schwerbehinderter Bediensteter sei nicht ersichtlich.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Kassel vom 13. Juli 2006 - 1 E 2246/04 - abzuändern und festzustellen, dass seine - des Klägers - regelmäßige Arbeitszeit bei einer Vollzeitbeschäftigung 40 Stunden pro Woche beträgt.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erwidert, dem Kläger werde keine Mehrarbeit abverlangt, so dass auch kein Anspruch auf Befreiung von Mehrarbeit bestehen könne. Der Kläger könne nicht verlangen, mit Hilfe der Regelung des
§ 154 SGB IX gegenüber seinen nichtbehinderten Kollegen bevorzugt zu werden.
Wegen des Sachverhalts im Übrigen und des Vorbringens der Beteiligten im Berufungsrechtszug wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des Verwaltungsvorgangs der Beklagten (1 Hefter Personalakten) Bezug genommen, der vorgelegen hat und Gegenstand der Senatsberatung gewesen ist.
II.
Die Entscheidung ergeht gemäß § 130a
VwGO ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss, weil der Senat die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten hatten Gelegenheit, zu dieser Verfahrensweise Stellung zu nehmen.
Die vom Verwaltungsgericht zugelassene und auch im Übrigen gemäß § 124a
Abs. 2 und 3
VwGO zulässige Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Feststellungsklage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen; auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils nimmt der Senat Bezug (§ 130b Satz 2
VwGO). Im Berufungsrechtszug sind keine wesentlichen rechtlichen Gesichtspunkte hervorgetreten, die eine für den Kläger günstigere Entscheidung rechtfertigen könnten.
Für die mit der Klage begehrte Feststellung besteht im Land Hessen keine rechtliche Grundlage. In der auf Grund der Ermächtigung in § 85
Abs. 1 Satz 1 HBG ergangenen (hessischen) Verordnung über die Arbeitszeit der Beamten (HAZVO) vom 13. Dezember 2003 (GVBl. I
S. 326) findet sich keine Sonderregelung über die Arbeitszeit schwerbehinderter Beamter. Damit hat der Verordnungsgeber von der ihm eingeräumten Regelungsbefugnis in einer Weise Gebrauch gemacht, die jedenfalls vertretbar und im Ergebnis gerichtlich nicht zu beanstanden ist.
Zwar stellt entsprechend der Auffassung des Klägers die häufig eingeschränkte Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit schwerbehinderter Beamter ein grundsätzlich zulässiges Differenzierungskriterium innerhalb von Arbeitszeitregelungen dar (
vgl. insbesondere
BVerwG, Urteil vom 28. November 21002 - 2 CN 1.01 - BVerwGE 117, 219 = DVBl. 2003, 613; BayVerfGH, Urteil vom 20. September 2005 - Vf 13-VII-04 und Vf 17-VII-04 - ZBR 2006, 416). Die gegenüber gesundheitlich beeinträchtigten Beamten bestehende, besondere Fürsorgepflicht des Dienstherrn kann es durchaus gebieten, deren Arbeitszeit im Verhältnis zu gesunden Bediensteten herabzusetzen oder aber diesen gesundheitlich belasteten Personenkreis von einer Erhöhung der Regelarbeitszeit auszunehmen, wie es beispielsweise im bayrischen Landesbeamtenrecht der Fall ist. Gemäß § 80
Abs. 1 BayLBG
i. V. m. § 2
Abs. 1 der hierzu ergangenen Arbeitszeitverordnung in der Fassung vom 27. Juli 2004 (GVBl.
S. 347) gilt im Freistaat Bayern für schwerbehinderte Beamte weiterhin die 40-Stunden-Woche als Regelarbeitszeit. Auf diese landesrechtliche Regelung kann sich der Kläger jedoch nicht berufen.
Die hier streitgegenständliche, im Land Hessen geltende Regelung verstößt nicht gegen das verfassungsrechtliche Gebot der Ungleichbehandlung ungleicher Sachverhalte (
Art. 3
Abs. 1
GG). Der Dienstherr hat vielmehr in Konkretisierung seiner Fürsorgepflicht in mehreren Bereichen des öffentlichen Dienstrechts Regelungen getroffen, in denen die berechtigten, besonderen Interessen schwerbehinderter Bediensteter angemessen berücksichtigt werden. In erster Linie sind die Richtlinien zur Integration schwerbehinderter Angehöriger des öffentlichen Dienstes - Integrationsrichtlinien - vom 29. Januar 2002 ( StAnz.
S. 723) einschlägig, in denen eine individuelle Berücksichtigung gesundheitlicher Belange auch im Bereich der Arbeitszeitregelung erkennbar wird.
Eine Arbeitszeitvergünstigung besonderer Art besteht für Schwerbehinderte im Schulbereich, und zwar in Gestalt des Nachteilsausgleichs für schwerbehinderte Lehrkräfte, Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen in § 17 der Verordnung über die Pflichtstunden der Lehrkräfte, über die Anrechnung dienstlicher Tätigkeiten und über Pflichtstundenermäßigungen ( Pflichtstundenverordnung - HPflVO -) vom 20. Juli 2006 (
ABl.
S. 631). Hiernach kann unter bestimmten Voraussetzungen das Pflichtstundendeputat ermäßigt werden. Da die Pflichtstundenzahl lediglich einen Teil der Gesamtarbeitszeit eines Lehrers darstellt (
vgl. dazu im einzelnen Beschlüsse des Senats vom 8. August 2000 - 1 N 4694/96 - NVwZ-RR 2002, 278 sowie vom 22. August 2000 - 1 N 2320/96 - ZBR 2002, 185), kann sich im Einzelfall eine erhebliche Entlastung ergeben, die den besonderen Schwierigkeiten gesundheitlich belasteter Lehrkräfte im Schuldienst Rechnung trägt.
Des Weiteren hat der Verordnungsgeber den behinderten Bediensteten einen Anspruch auf Zusatzurlaub eingeräumt (§ 13 der Urlaubsverordnung für die Beamten im Land Hessen - HUrlVO - vom 16. November 1982, GVBl. I
S. 269, zuletzt geändert durch Verordnung vom 28. März 2001, GVBl. I
S.179).
Auf der Ebene der Landesgesetzgebung ist schließlich auf die vereinfachte Ruhestandsregelung in § 51
Abs. 4 HBG sowie auf die Altersteilzeitregelung für begrenzt dienstfähige Beamte (§ 85b
Abs. 1 HBG) hinzuweisen.
Alle diese Ausgestaltungen der besonderen Fürsorge gegenüber Schwerbehinderten in bestimmten Teilbereichen zeigen deutlich, dass eine generelle Regelung für schwerbehinderte Bedienstete gerade nicht dem Willen des hessischen Gesetz-
bzw. Verordnungsgebers entspricht. Der Hinweis des Klägers auf die für Bundesbeamte geltende Regelarbeitszeit von 40 Wochenstunden (§ 1
Abs. 1 Satz 1 Arbeitszeitverordnung - AZV - in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. November 2004, BGBl. I
S. 2844) ändert hieran nichts. Die für Beamte in Hessen maßgebliche Regelarbeitszeit ist in § 1 HAZVO normiert; allgemein geltende Ausnahmen oder Sonderregelungen für die Regelarbeitszeit aller schwerbehinderten Beamten sind nicht vorgesehen.
Im Ergebnis ist daher entsprechend der vom Verwaltungsgericht vertretenen Auffassung in § 124
SGB IX keine Rechtsgrundlage für die Annahme einer regelmäßigen Arbeitszeit schwerbehinderter Bediensteter von nicht mehr als 40 Wochenstunden und damit zugleich für die Anwendung der Vorschriften über Mehrarbeit im Sinne des § 85
Abs. 2 Satz 2 HBG zu sehen.
Der Kläger hat als erfolgloser Rechtsmittelführer nach § 154
Abs. 2
VwGO die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision sind nicht erfüllt (§§ 127 BRRG, 183 HBG, 132
Abs. 2 Nrn. 1 und 2
VwGO).
Die Festsetzung des Streitwerts für das Berufungsverfahren beruht auf §§ 47
Abs. 1 und 3, 52
Abs. 1 und 2 GKG. Der Senat geht ebenso wie das Verwaltungsgericht in Verfahren über Arbeitszeitregelungen, bei denen wirtschaftliche Interessen regelmäßig nicht im Vordergrund stehen, vom sog. Auffangwert im Sinne des § 52
Abs. 2 GKG aus (
vgl. z. B. Beschluss vom 22. September 2005 - 1 TE 2300/05 - m. w. N.).