Urteil
Bemessung der Besoldung eines begrenzt dienstfähigen Beamten entsprechend der reduzierten Dienstleistung

Gericht:

VG Stuttgart 3. Kammer


Aktenzeichen:

3 K 1366/08


Urteil vom:

01.04.2009


Leitsätze:

§ 2 Abs. 2 Satz 2 DBZV kann nicht im Wege verfassungskonformer Auslegung gleichsam gestrichen werden, um allen begrenzt dienstfähigen Beamten, deren Bezüge deutlich über ihrem fiktiven Ruhegehalt liegen, einen Zuschlag von 5 % ihres fiktiven Gehalts bei Vollzeitbeschäftigung zuzusprechen.

Angesichts des weiten politischen Ermessens des Gesetzgebers im Besoldungsrecht ist es nicht verfassungswidrig, wenn das Gehalt einer begrenzt dienstfähigen Beamtin nach § 72 a Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Abs. 1 BBesG entsprechend der Reduzierung der Dienstleistung bemessen und ein Zuschlag zu der Besoldung freiwillig Teilzeitbeschäftigter nicht gewährt wird.

Rechtsweg:

VGH Mannheim Urteil vom 16.05.2011 - 4 S 1003/09
BVerwG Urteil vom 27.03.2014 - 2 C 50.11

Quelle:

Justizportal des Landes Baden-Württemberg

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:


Die am ... geborene Klägerin steht als Studiendirektorin (Besoldungsgruppe A 15 Stufe 12) in Diensten des beklagten Landes.

Mit Verfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 01.10.2007 wurde ihre Arbeitszeit wegen begrenzter Dienstfähigkeit mit Wirkung vom 01.10.2007 auf 15 von 25 Wochenstunden herabgesetzt. Mit Schreiben vom 04.10.2007 teilte das Landesamt für Besoldung und Versorgung ihre ab 01.10.2007 bzw. ab 01.11.2007 (nach Aufrücken in Stufe 12) neu berechneten Bruttodienstbezüge mit (3.262,49 EUR ab November 2007). Es wies die Klägerin darauf hin, dass ihr Bruttodienstbezüge entsprechend dem Umfang der begrenzten Dienstfähigkeit zustünden. Ein Zuschlag für den Fall, dass die fiktiven Versorgungsbezüge höher sind (hier 2.292,47 EUR), ergab sich durch die Berechnung nicht.

Die Klägerin erhob am 02.11.2007 Widerspruch gegen die Berechnung der Bezüge und beantragte ausdrücklich einen Zuschlag gemäß § 72 a Abs. 2 BBesG.

Mit Schreiben vom 03.12.2007 erläuterte das Landesamt, dass der Zuschlag von 5 % der vollen Dienstbezüge nach § 2 Abs. 2 der Dienstbezügezuschlagsverordnung vom 06.11.2007 (GBl. S. 490) - DBZV -, die auf Grund von § 72 a Abs. 2 Satz 1 BBesG mit Wirkung vom 01.01.2007 erlassen wurde, sich um den Differenzbetrag der Dienstbezüge bei begrenzter Dienstfähigkeit zu den fiktiven Versorgungsbezügen verringere. Nach der beigefügten Berechnung war der Differenzbetrag weit höher als der Zuschlag.

Der Klägervertreter bestand mit Schreiben vom 28.02.2008 auf einem Widerspruchsbescheid. Er vertrat die Auffassung, dass § 2 Abs. 2 DBZV verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht genüge.

Mit Widerspruchsbescheid vom 07.03.2008 wies das Landesamt für Besoldung und Versorgung den Widerspruch zurück.

Die Klägerin hat am 07.04.2008 Klage erhoben. Sie hält ihre zeitanteilige Besoldung für verfassungswidrig zu niedrig und verweist auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 28.04.2005 - 2 C 1.04 -, dessen Überlegungen auch auf ihren Fall zuträfen.


Die Klägerin beantragt,

das beklagte Land unter Aufhebung des Widerspruchsbescheids des Landesamts für Besoldung und Versorgung vom 07.03.2008 zu verurteilen, an sie 1.588,73 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.04.2008 zu zahlen,

hilfsweise festzustellen, dass die ihr bezahlte Besoldung ab 01.10.2007 unter Verstoß gegen Art. 33 Abs. 1 GG zu niedrig ist,

sowie die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.


Das beklagte Land beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es vertritt die Auffassung, dass die im genannten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts geforderte Besserstellung von begrenzt dienstfähigen Beamten, die Dienstbezüge in Höhe der fiktiven Versorgungsbezüge erhielten, schon dadurch gewahrt sei, dass die Klägerin bereits höhere Bezüge als ihre fiktiven Versorgungsbezüge erhalte.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:


Die Klage ist mit dem Haupt- und Hilfsantrag zulässig, aber unbegründet.

Der angefochtene Widerspruchsbescheid vom 07.03.2008 und die Berechnung der Dienstbezüge der Klägerin sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO in ihren Rechten.

Das Landesamt für Besoldung und Versorgung hat die Dienstbezüge der Klägerin ab 01.10.2007 in Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben, insbesondere der Dienstbezügezuschlagsverordnung vom 06.11.2007 (GBl. S. 490) - DBZV -, und rechnerisch korrekt festgesetzt. Das ist auch zwischen den Beteiligten unstreitig. Dass die Ermächtigung für die Landesregierungen in § 72 a Abs. 2 BBesG in der Fassung vom 06.08.2002 (BGBl. I, S. 3020), durch Rechtsverordnung die Gewährung eines nicht ruhegehaltsfähigen Zuschlags zu regeln, in der ab 12.02.2009 geltenden Neufassung des § 72 a Abs. 2 BBesG durch das Dienstrechtneuordnungsgesetz vom 05.02.2009 (BGBl. I, S. 160) weggefallen ist, trägt nur dem Umstand Rechnung, dass die Bundesländer einer bundesrechtlichen Ermächtigung für Verordnungen zur Beamtenbesoldung nicht mehr bedürfen, und ändert die Rechtslage nicht.

Der Klägervertreter greift die Berechnung der Dienstbezüge der Klägerin und damit die uneingeschränkte Gültigkeit der Dienstbezügezuschlagsverordnung mit verfassungsrechtlichen Bedenken an. Nach Auffassung der Kammer greifen jedoch seine Argumente jedenfalls bei der vorliegenden Fallgestaltung nicht.

Das Bundesverwaltungsgericht hat in dem Urteil vom 28.04.2005 - 2 C 1.04 - (BVerwGE 123, 308) entschieden, dass die Besoldung nach § 72 a Abs. 1 Satz 2 BBesG ohne einen Zuschlag nach Absatz 2 gleichheitswidrig zu niedrig bemessen ist. Die Entscheidung betraf einen Fall, in dem ein begrenzt dienstfähiger Beamter in Baden-Württemberg Dienstbezüge nur in Höhe des fiktiven Ruhegehalts erhalten hatte. Das Bundesverwaltungsgericht hielt eine Bemessung der Dienstbezüge begrenzt dienstfähiger Beamter nur in Höhe der erdienten Versorgung mit dem Gleichheitssatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG nicht für vereinbar, weil der begrenzt dienstfähige Beamte anders als der teilzeitbeschäftigte seine Arbeitskraft ganz einbringe. Das Gericht hielt deswegen bei verfassungskonformer Auslegung den Erlass von Rechtsverordnungen nach § 72 a Abs. 2 Satz 1 BBesG zum Ausgleich des Besoldungsdefizits beschränkt dienstfähiger Beamter, die im Dienst verbleiben, zu denen, die in Ruhestand versetzt werden, für zwingend geboten. Auch Sander in Schwegmann/Summer Bundesbesoldungsgesetz, § 72 a BBesG Rn. 7b hält einen angemessenen Mindestzuschlag durch eine Verordnung auf Grund § 72 a Abs. 2 BBesG für erforderlich, um den verfassungsrechtlichen Bedenken Rechnung zu tragen.

Ob der Zuschlag von 5 % der vollen Dienstbezüge - mindestens 220 EUR - nach § 2 Abs. 2 DBZV -, der zur Befolgung des verfassungsrechtlichen Gebots nunmehr im beklagten Land Baden-Württemberg gewährt wird, ausreicht, um die verfassungsrechtlich gebotene Besserstellung begrenzt dienstfähiger Beamter gegenüber in den Ruhestand versetzter Beamter mit einem Zuschlag zum fiktiven Ruhegehalt zu erreichen, kann jedoch offen bleiben. Denn der Klägervertreter übersieht, dass seine Mandantin gerade nicht wie in dem vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall Bezüge in Höhe der fiktiven Versorgungsbezüge nach § 72 a Abs. 1 Satz 2 BBesG erhält, sondern Dienstbezüge nach § 72 a Abs. 1 Satz 1 BBesG entsprechend § 6 Abs. 1 BBesG (Teilzeitbesoldung), und diese Fallgestaltung vom Bundesverwaltungsgericht nicht entschieden wurde.

Tatsächlich erhält die Klägerin nicht den nicht ruhegehaltsfähigen Zuschlag nach § 2 Abs. 2 DBZV, der in ihrem Fall 271,06 EUR (bei den Bezügen ab Januar 2008) betrüge, sondern sie bekommt durch die Höhe ihrer Teilzeitbezüge faktisch einen ruhegehaltsfähigen Unterschiedsbetrag in Höhe von 961,48 EUR über den fiktiven Versorgungsbezügen. Die Kammer sieht keinen Grund dies für verfassungsrechtlich bedenklich zu halten. Die Klägerin hat einen hinreichenden Vorteil davon, dass sie nicht wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt wurde, sondern mit ihrer begrenzten Dienstfähigkeit im aktiven Dienst verblieben ist.

Soweit der Klägervertreter sinngemäß rügt, begrenzt dienstfähige Beamte, deren Arbeitszeit reduziert ist, damit sie unter Einsatz ihrer vollen verbliebenen Arbeitskraft die nötige Dienstleistung erbringen können, seien gegenüber freiwillig teilzeitbeschäftigten Beamten, die die ersparte Arbeitszeit anderweitig nutzen können, benachteiligt, trifft das Argument grundsätzlich zu. Die Kammer würde aber die Gesetzesbindung missachten, wollte sie dem einfach folgen. Nach dem insoweit in Baden-Württemberg weiterhin anzuwendenden § 72 a Abs. 1 BBesG ist nur der Vergleich mit dem fiktiven Ruhegehalt, nicht jedoch mit den Bezügen teilzeitbeschäftigter Beamter gesetzlich vorgeschrieben. Die nach dem Bundesverwaltungsgericht von Verfassungs wegen zur Verordnungsverpflichtung erstarkte Verordnungsermächtigung gilt nur in diesem Rahmen. Die Kammer sieht sich deswegen daran gehindert, durch die von der Klägerin für geboten gehaltene Nichtanwendung des § 2 Abs. 2 Satz 2 DBZV im Wege verfassungskonformer Auslegung gleichsam auch allen begrenzt dienstfähigen Beamten, deren Bezüge deutlich über ihrem fiktiven Ruhegehalt liegen, einen Zuschlag von 5 % ihres fiktiven Gehalts bei Vollzeitbeschäftigung zuzusprechen.

Der Hilfsantrag ist ebenfalls unbegründet.

Nach Auffassung der Kammer ist es angesichts des weiten politischen Ermessens des Gesetzgebers im Besoldungsrecht nicht verfassungswidrig, wenn das Gehalt einer begrenzt dienstfähigen Beamtin nach § 72 a Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Abs. 1 BBesG entsprechend der Reduzierung der Dienstleistung bemessen wird und ein Zuschlag zu der Besoldung freiwillig Teilzeitbeschäftigter nicht gewährt wird. Sowohl der Teilzeitbeschäftigte als auch der entsprechend begrenzt dienstfähige Beamte erbringen für den Dienstherrn im Ergebnis eine gleiche Dienstleistung. Eine am Gerechtigkeitsgedanken orientierte Betrachtungsweise gebietet nicht, die Einbringung der vollen Arbeitskraft durch die begrenzt dienstfähigen Beamten demgegenüber als so bedeutsam anzusehen, dass zwingend eine höhere Alimentation gewährt werden muss (so auch das den Beteiligten bekannte Urteil des VG München vom 10.02.2009 - M 5 K 08.687 -).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Berufung war nach §§ 124 a Abs. 1 und 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen, da die Rechtsfrage der Gleich- oder Ungleichbehandlung begrenzt dienstfähiger Beamter, die ein Gehalt bekommen, das höher als ihre fiktiven Ruhebestandsbezügen ist, mit teilzeitbeschäftigten Beamten in der Rechtsprechung noch nicht grundsätzlich geklärt ist.

Beschluss vom 01.04.2009

Der Streitwert wird gemäß §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 3 GKG auf 1.588,73 EUR festgesetzt.

Referenznummer:

R/R4973


Informationsstand: 22.08.2011