A.
Die gemäß §§ 8
Abs. 2, 64
Abs. 1, 64
Abs. 2 b, 66
Abs. 1, 64
Abs. 6
ArbGG, 519, 520
ZPO an sich statthafte und form- sowie fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Minden ist begründet.
I.
1. Der auf Feststellung der Unwirksamkeit der Herabsetzung der Arbeitszeit und der Vergütung ab dem 01.01.2010 gerichtete Hauptantrag ist gemäß § 256
Abs. 1
ZPO zulässig. Der Kläger hat ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung. Die Feststellungsklage kann auf einzelne Beziehungen oder Rechtsfolgen aus dem Rechtsverhältnis beschränkt werden. Streiten die Parteien darüber, ob der Arbeitgeber hier aufgrund gesetzlicher Vorschriften eine Änderung der Arbeitsbedingungen herbeiführen kann, kann der Arbeitnehmer dies im Wege der Feststellungsklage klären lassen (
BAG 12.01.2005 - 5 AZR 364/04, BAGE 113, 140).
Dem Feststellungsinteresse des Klägers steht nicht entgegen, dass er selbst behauptet, bereits im Dezember 2009 zu 100 % dienstunfähig gewesen zu sein. In diesem Fall hätte die Beklagte ihn gemäß §§ 15, 18 der Dienstordnung in Verbindung mit § 34
LBG NRW wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzen müssen.
Sein Feststellungsinteresse ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil ihn die Beklagte mit Wirkung zum 01.01.2012 auf seinen Antrag in den Ruhestand versetzt hat und er in dem streitgegenständlichen Zeitraum arbeitsunfähig krank war. Auch während der Arbeitsunfähigkeit hat der Kläger unter Anwendung beamtenrechtlicher Grundsätze Anspruch auf uneingeschränkte Fortzahlung seiner Vergütung. Insoweit besteht zwischen den Parteien kein Streit.
2. Der Antrag ist begründet.
a. Die Herabsetzung der Arbeitszeit des Klägers auf 50 % der regelmäßigen Arbeitszeit verstößt gegen § 73
Nr. 2 LPVG NRW in der vom 17.10.2007 bis zum 04.07.2011 gültigen Fassung.
Danach wirkt der Personalrat mit bei wesentlichen Änderungen des Arbeitsvertrags, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht.
aa. Das Mitwirkungsrecht erfasst nur Arbeitnehmer. Nur diese werden auf der Grundlage eines Arbeitsvertrags beschäftigt. Auf Beamte ist die Vorschrift dagegen nicht anwendbar.
Der Kläger ist auf arbeitsvertraglicher Basis bei der Beklagten tätig gewesen. Die Parteien haben in § 1 des Dienstvertrags vom 24.09.1984 vereinbart, dass das Dienstverhältnis des Klägers der Dienstordnung für Angestellte der Beklagten unterstellt ist. Nach § 1 des Vertrags vom 01.02.1988 war er auf Lebenszeit beschäftigt.
Dienstordnungen von Sozialversicherungsträgern sind nach § 144
SGB VII dem öffentlichen Recht angehöriges gesetzesvollziehendes autonomes Satzungsrecht, das kraft seiner Normwirkung zwingend das Arbeitsverhältnis der von der Dienstordnung erfassten Angestellten gestaltet, ohne dass es dazu übereinstimmender Willenserklärungen der Arbeitsvertragsparteien bedarf. Der Anstellungsvertrag hat nur die Wirkung, den Angestellten der Dienstordnung zu unterstellen. Ist die Unterstellung erfolgt, wirkt die Dienstordnung in ihrer jeweiligen Fassung gesetzesgleich auf das Dienstverhältnis ein (
BAG 22.07.2010 - 6 AZR 82/09, ZTR 2010, 606; 29.09.2004 - 10 AZR 88/04, ZTR 2005, 216;
LAG Düsseldorf 21.12.2010 - 11 Sa 615/10, ZTR 2011, 383). Gleichwohl bleibt der nach einer Dienstordnung beschäftigte Arbeitnehmer im Sinne des LPVG NRW Arbeitnehmer, § 5
Abs. 3 Satz 1 LPVG NRW.
bb. Mitwirkungspflichtig im Sinne des § 73
Nr. 2 LPVG NRW sind nur wesentliche Änderungen des Arbeitsvertrags. Nicht erfasst werden Änderungen des Arbeitsverhältnisses als solches. Die Änderung kann auf einer einvernehmlichen Vereinbarung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber beruhen oder aber auch aufgrund des Direktionsrechtes des Arbeitgebers erfolgen. Jede Arbeitsvertragsänderung setzt eine entsprechende Maßnahme des Arbeitgebers voraus (Cecior/Vallender/Lechter-mann/Klein, Das Personalvertretungsrecht in NRW, § 73 LPVG Rn. 26 a, 27). Als Maßnahme, die der Mitbestimmung
bzw. der Mitwirkung des Personalrats bedarf, wird jede Entscheidung oder Handlung des Leiters der Dienststelle angesehen, mit der dieser in eigener Zuständigkeit eine Angelegenheit der Dienststelle regelt, sofern hierdurch der Rechtsstand der Beschäftigten oder einzelner Arbeitnehmer berührt wird (
OVG für das Land NRW 25.08.2004 - 1 A 1758/02.PVL, PersV 2005, 146).
Entgegen der Auffassung der Beklagten folgt die Änderung des Dienstvertrags nicht bereits durch Vollzug einer bestehenden gesetzlichen Regelung. Nach §§ 15, 18 der Dienstordnung ist die beamtenrechtliche Vorschrift des § 34
LBG NRW auf das Arbeitsverhältnis anwendbar. Danach kann die Dienstvorgesetzte Stelle, hält sie den Beamten für dienstunfähig, die Versetzung in den Ruhestand verfügen. Es bedarf demnach zum Vollzug eines Ausführungsaktes. Der Sachverhalt ist in der Norm nicht vollständig, erschöpfend und umfassend geregelt. Die Ausgestaltung der Einzelmaßnahme ist der Dienststellenleitung überlassen.
Gemäß § 27
Abs. 1 BeamtStG soll jedoch von der Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit abgesehen werden, wenn der Beamte unter Beibehaltung des übertragenen Amtes die Dienstpflichten noch während mindestens der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit erfüllen kann. Gemäß § 27
Abs. 2 BeamtStG ist die Arbeitszeit entsprechend der begrenzten Dienstfähigkeit herabzusetzen.
Nach der Ausgestaltung der Vorschrift bedarf es auch zur Herabsetzung der Arbeitszeit einer Maßnahme des Dienstherrn. § 27 BeamtStG regelt die Rechtsfolge der begrenzten Dienstfähigkeit nicht abschließend und zwingend. Der Dienstherr hat sich nach Einholung eines amtsärztlichen Gutachtens eine Überzeugung von der Dienstfähigkeit
bzw. Dienstunfähigkeit zu verschaffen. Er hat das amtsärztliche Gutachten zu bewerten und die Entscheidung zu treffen, ob eine Versetzung in den Ruhestand oder eine Herabsetzung der Arbeitszeit im Hinblick auf die begrenzte Dienstfähigkeit zu erfolgen hat. Er muss, da § 27
Abs. 1 Satz 1 BeamtStG als Sollvorschrift ausgestaltet ist, sein pflichtgemäßes Ermessen ausüben. Der äußeren Form nach muss er seine Entscheidung in eine dienstliche Verfügung umsetzen. Diese hat Auswirkungen sowohl auf den Beamten als auch auf den Geschäftsbereich der Dienststelle.
Vor diesem Hintergrund ist entsprechend dem Sinn und Zweck der Mitwirkung des Personalrats, ihm die Möglichkeit der Erörterung und der Einflussnahme durch Darstellung von Bedenken im Sinne der Richtigkeitskontrolle zu geben, ein Mitwirkungsrecht bei der Herabsetzung der Arbeitszeit im Falle begrenzter Dienstfähigkeit zu bejahen. Dass es sich bei der Reduzierung der Arbeitszeit um fünfzig Prozent um eine wesentliche Änderung des Dienstvertrags handelt, steht außer Frage.
cc. § 73
Nr. 2 LPVG NRW ist auch nicht deshalb auf den gegebenen Sachverhalt nicht anwendbar, weil nach § 74
Abs. 3 LPVG NRW der Personalrat bei der vorzeitigen Versetzung eines Beamten in den Ruhestand nur auf Antrag mitwirkt. Wie ausgeführt, ist der Kläger kein Beamter im Sinne des § 5
Abs. 2 LPVG NRW, sondern als Beschäftigter nach einer für die Dienststelle geltenden Dienstordnung Arbeitnehmer.
Im Übrigen erfassen § 73
Nr. 1 LPVG NRW und § 74
Abs. 3 LPVG NRW unterschiedliche Sachverhalte. Die Mitwirkungstatbestände schließen sich nicht aus. In dem Fall der Herabsetzung der Arbeitszeit im Hinblick auf die begrenzte Dienstfähigkeit geht es um die Änderung des Dienstvertrags durch positives Tun der Dienststelle, im Fall des § 74
Abs. 3 LPVG NRW um die Beendigung des Beamtenverhältnisses - hier des Dienstordnungs-Dienstverhältnisses - infolge der Dienstunfähigkeit. Die Mitwirkungstatbestände konkurrieren nicht miteinander, sondern ergänzen sich.
dd. Der bei der Beklagten bestehender Personalrat ist unstreitig nicht vor der Herabsetzung der klägerischen Arbeitszeit mit Schreiben vom 16.12.2009 beteiligt worden.
Kann sich der Arbeitnehmer auf die fehlerhafte Durchführung des Mitwirkungsverfahrens
z.B. aufgrund unzureichender Unterrichtung des Personalrats nur dann berufen, wenn auch der Personalrat die mangelhafte Information gerügt hat (
OVG für das Land Nordrhein-Westfalen 03.11.2010 - 6 B 1249/10, NVwZ - RR 2011, 73;
BAG 31.03.1983 - 2 AZR 384/81, BAGE 44, 37), gilt dies nicht, wenn das Mitwirkungsverfahren entgegen § 69
Abs. 1 LPVG NRW schon nicht durch Unterrichtung des Personalrats eingeleitet, er gar nicht befasst wurde. Die Maßnahme ist unwirksam.
ee. Die Kammer hat das ihr nach § 156
Abs. 1
ZPO eingeräumte pflichtgemäße Ermessen nach Beratung am 06.02.2012 dahin ausgeübt, die mündliche Verhandlung auf den nach Schluss der mündlichen Verhandlung am 16.01.2012 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz der Beklagten nicht wiederzueröffnen. Der Schriftsatz wiederholt und vertieft lediglich den Rechtsstandpunkt der Beklagten zur Beteiligung des Personalrats. Die entscheidungserheblichen Argumente waren bereits Gegenstand der mündlichen Verhandlung, wie die Beklagte selbst ausführt.
b. Der Hauptantrag ist dagegen nicht deshalb begründet, weil die Beklagte den Kläger unter Zugrundelegung einer vollständigen Dienstunfähigkeit gemäß §§ 15, 18 b der Dienstordnung in Verbindung mit § 34
LBG NRW zwingend in den Ruhestand hätte versetzen müssen. Der Kläger hat eine Dienstunfähigkeit zu 100 % nicht dargetan.
Dienstunfähig ist derjenige, der infolge eines körperlichen Gebrechens oder wegen der Schwäche seiner körperlichen und geistigen Fähigkeiten dauernd unfähig ist, seine Dienstpflichten zu erfüllen (
BAG 20.10.1977 -
2 AZR 688/76, DB 1978, 990).
Aus den bis zum 31.12.2009 vorliegenden amtsärztlichen Stellungnahmen folgt lediglich eine begrenzte Dienstfähigkeit. Keinen anderen Schluss lässt das amtsärztliche Gutachten vom 25.10.2011 zu, das unter Berücksichtigung der Ergebnisse einer medizinischen Untersuchung vom 07.10.2011 erstellt wurde. Die zuständige Ärztin D1. T1 hat zwar Berichte der den Kläger stationär behandelnden Habichtswaldeklinik K2 vom 03.12.2008 und 22.12.2009 sowie der HNO-Klinik der Universität M3 vom 11.05.2009 und 17.08.2009 hinzugezogen, ihre Beurteilung aber auf eine zusammenfassende ärztliche Auswertung weiterer ärztlicher Berichte aus den Jahren 2010 und 2011 gestützt. Allein eine durchgehende Arbeitsunfähigkeit des Klägers seit dem 29.09.2008 begründet noch keine vollständige Dienstunfähigkeit.
Die Feststellung des erstinstanzlichen Gerichts, es habe bei dem Kläger jedenfalls eine begrenzte Dienstunfähigkeit von 50 % bestanden, ist von ihm in der Berufungsinstanz nicht mehr angegriffen worden.
c. Die Festsetzung einer Arbeitszeit von 50 % der regelmäßigen Arbeitszeit ist auch nicht deshalb unwirksam, weil die Beklagte dem Kläger das Schreiben vom 16.12.2009 nicht förmlich zugestellt hat. Dabei geht die Kammer zugunsten des Klägers davon aus, dass § 106
LBG NRW auch auf sein Dienstverhältnis anwendbar ist. Danach sind Verfügungen und Entscheidungen, die den Beamten nach dem
LBG NRW mitzuteilen sind, zuzustellen, wenn durch sie eine Frist in Lauf gesetzt oder Rechte des Beamten berührt werden.
In § 5
Abs. 1,
Abs. 2 LZG NRW ist die Zustellung durch Behörden geregelt. Hier ist dem Kläger das Schreiben der Beklagten vom 16.12.2009 am 29.12.2009 durch Einwurf in seinen Briefkasten zugegangen. Ein Empfangsbekenntnis hat er unstreitig nicht erteilt, ist ihm nach seinem Vorbringen auch nicht abgefordert worden.
Gemäß § 8 LZG NRW sind Zustellungsmängel jedoch heilbar. Lässt sich die formgerechte Zustellung eines Dokuments nicht nachweisen oder ist es unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen, gilt es als in dem Zeitpunkt zugestellt, in dem es der Empfänger nachweislich erhalten hat. Das ist hier spätestens der 29.12.2009.
Ein Fall des § 5
Abs. 5 LZG NRW liegt nicht vor.
Die Rüge des Klägers, die Beklagte habe überhaupt keinen Zustellungswillen gehabt, ist angesichts ihrer Bitte im Schreiben vom 16.12.2009, er möge den Empfang des Schreibens auf der Rückseite der beigefügten Ausfertigung bestätigen, nicht nachvollziehbar.
II.
Der Hilfsantrag ist nicht zur Entscheidung angefallen.
B.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 64
Abs. 6
ArbGG, 91
Abs. 1
ZPO, die Entscheidung über die Zulassung der Revision aus § 72
Abs. 2
Nr. 1
ArbGG.