Urteil
Anspruch eines schwerbehinderten Arbeitnehmers auf Teilzeitbeschäftigung gem. § 81 Abs. 5 SGB IX

Gericht:

LAG Hamm 8. Kammer


Aktenzeichen:

8 Sa 1095/11


Urteil vom:

27.09.2012


Grundlage:

Leitsatz:

1. Zum Anspruch des schwerbehinderten Arbeitnehmers auf Teilzeitbeschäftigung gem. § 81 Abs. 5 SGB IX:

Stehen dem auf § 81 Abs. 5 SGB IX gestützten Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit in Form der Vier-Tage-Woche am bisherigen Arbeitsplatz betriebliche Gründe entgegen, lässt sich jedoch die begehrte Regelung an einem anderen gleichwertigen Arbeitsplatz verwirklichen, so ist die Teilzeitbeschäftigung am bisherigen Arbeitsplatz weder "wegen Art und Schwere der Behinderung notwendig" noch zumutbar.

2. Zum Teilzeitverlangen gem. § 8 TzBfG:

Gegenstand des auf Zustimmung zur Verringerung der Arbeitszeit gerichteten Klagebegehrens ist das vorprozessuale Verringerungsverlangen des Arbeitnehmers. Modifiziert der Kläger im Zuge des Rechtsstreits sein materiell-rechtliches Änderungsverlangen, so handelt es sich um eine Klageänderung, die im 2. Rechtszug nur unter den Voraussetzungen des § 533 ZPO zulässig ist.

Rechtsweg:

Es liegen keine Informationen zum Rechtsweg vor.

Quelle:

Justizportal des Landes NRW

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 01.06.2011 - 5 Ca 470/11 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Mit seiner Klage begehrt der mit einem GdB 60 schwerbehinderte Kläger, welcher bei der beklagten Gemeinde zuletzt als Messgehilfe vollzeitbeschäftigt ist, die Herabsetzung und Verteilung seiner Arbeitszeit auf vier Tage/Woche.

Diesen Anspruch stützt der Kläger in erster Linie auf die Vorschrift des § 81 Abs. 5 SGB IX und behauptet hierzu unter Vorlage ärztlicher Atteste, die Verkürzung der Arbeitszeit sei wegen der Schwere seiner Behinderung notwendig. Mit Rücksicht auf die unstreitige obstruktive Atemwegserkrankung mit einer Reduzierung der Lungenfunktion um ca. 50 % sei nach einer Arbeitsleistung an vier Tagen eine Regenerationsphase von drei Tagen erforderlich. Entgegen dem Standpunkt der Beklagten lasse sich der Einsatz der der vorhandenen Messtrupps auch ohne die Anwesenheit des Klägers an Freitagen organisieren, indem etwa die Besetzung eines Messtrupps an diesem Tage auf einen Messtruppführer und einen Messgehilfen beschränkt werde, wie dies auch sonst vorkomme. Hilfsweise stützt der Kläger sein Begehren auf die Vorschrift des § 8 TzBfG. Vorgerichtlich hat der Kläger bei der Beklagten mit Schreiben vom 05.03.2010 erfolglos eine entsprechende Arbeitszeitreduzierung beantragt. Das Schreiben (Bl 10 d. A.) lautet wie folgt

Antrag auf Verkürzung der Arbeitszeit von 39 auf 33 Stunden

Sehr geehrte Damen und Herren,

aus persönlichen Gründen beantrage ich die obige Arbeitszeitverkürzung und möchte diese freitags in Anspruch nehmen.
Als Beginn für die Verkürzung biete ich den 01. Mai 2010 an mit einer Dauer von vorerst 5 Jahren.

Mit freundlichen Grüßen


Der Kläger hat im ersten Rechtszuge beantragt

1. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger mit einer reduzierten Arbeitszeit von 31 Stunden pro Woche, verteilt auf die Wochentage Montag bis Donnerstag jeweils mit 8,25 Stunden zu beschäftigen,

hilfsweise,

2. die Beklagte zu verurteilen, dem Verlangen des Klägers auf Reduzierung seiner vertraglichen Arbeitszeit auf 31 Stunden pro Woche, die montags bis donnerstags mit jeweils 8,25 Stunden geleistet werden, zuzustimmen.


Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen

Sie hat geltend gemacht, weder werde die Notwendigkeit der erstrebten Arbeitszeitänderung durch die vorgelegten Atteste belegt, noch lasse sich die Beschränkung auf vier Tage/Woche mit dem bestehenden Organisationskonzept vereinbaren. Ohne den Kläger sei der angestrebte Einsatz der drei Messfahrzeuge mit regulärer personeller Besetzung an Freitagen infrage gestellt. Im Übrigen könne den geltend gemachten gesundheitlichen Einschränkungen durch eine Verkürzung der täglichen Arbeitszeit oder einem Einsatz als Straßenkontrolleur oder Verkehrsaufseher Rechnung getragen werden.

Durch Urteil vom 01.06.2011 (Bl. 129 ff. d. A.), auf welches wegen des weiteren erstinstanzlichen Parteivorbringens Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt worden, aus den vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen sei die Notwenigkeit einer Arbeitszeitreduzierung nicht zu erkennen, vielmehr habe der behandelnde Arzt die begehrte Arbeitszeitverkürzung lediglich als sinnvoll und arbeitsmedizinisch begründbar bezeichnet. Im Übrigen scheitere der auf § 81 Abs. 5 SGB IX gestützte Antrag auch daran, dass selbst bei Notwendigkeit einer Arbeitszeitverkürzung die beantragte Verblockung der reduzierten wöchentlichen Arbeitszeit unter Beschränkung auf die Arbeitstage Montag bis Donnerstag nicht nachzuvollziehen sei. Ebenso wenig könne der Kläger von der Beklagten die Zustimmung zur Verringerung der Wochenarbeitszeit gemäß § 8 TzBfG verlangen. Der Antrag des Klägers vom 05.03.2010 sei darauf gerichtet, eine befristete Verringerung der vertraglichen Arbeitszeit zu erreichen. Da das Gesetz eine solche Befristung nicht vorsehe, habe die Beklagte der beantragten Vertragsänderung nicht zustimmen müssen, weswegen der auf Zustimmung gerichtete Klageantrag schon aus diesem Grunde erfolglos bleiben müsse.

Mit seiner rechtzeitig eingelegten und begründeten Berufung hält der Kläger unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens und unter Stellung weiterer Hilfsanträge am Klageziel der Arbeitszeitverkürzung fest.

Abweichend vom Standpunkt des arbeitsgerichtlichen Urteils sei die begehrte Verkürzung der Arbeitszeit wegen der bestehenden Lungenerkrankung notwendig. Zu einer Tätigkeit in Vollzeit sei der Kläger nicht mehr in der Lage. Dementsprechend sei die Reduzierung der Arbeitszeit erforderlich, um das Restleistungsvermögen des Klägers zu erhalten und der Schwere des Krankheitsbildes zu entsprechen. Allein der Umstand, dass neben der begehrten Form der Arbeitsverkürzung auch andere Verkürzungsszenarien denkbar und sinnvoll seien, bedeute nicht, dass nicht auch die begehrte Regelung als notwendige Form der behindertengerechten Beschäftigung anerkannt werde. Insbesondere zur Regeneration der Atemhilfsmuskulatur sei die begehrte Regelung deutlich besser als etwa eine Verkürzung der täglichen Arbeitszeit geeignet und damit im Sinne einer möglichen behindertengerechten Ausgestaltung der Arbeit notwendig. Soweit das Arbeitsgericht die Klageabweisung auch darauf gestützt habe, dass keine Notwendigkeit bestehe, gerade an den Tagen Montag bis Donnerstag zu arbeiten, habe es verfahrensfehlerhaft einen rechtlichen Hinweis unterlassen, da es dem Kläger ersichtlich allein darum gegangen sei, eine Arbeitseinteilung mit vier Arbeitstagen und anschließenden drei Erholungstagen zu erreichen. Äußerst hilfsweise komme auch eine Verteilung der Arbeitszeit auf die Tage Montag und Dienstag sowie Donnerstag und Freitag in Betracht.

Zu Unrecht habe das Arbeitsgericht auch den auf § 8 TzBfG gestützten Hilfsantrag abgewiesen. Abweichend vom Verständnis des Arbeitsgerichts habe der Kläger mit seinem Vertragsantrag vom 05.03.2010 nicht eine befristete Arbeitszeitverkürzung beantragt, sondern seinen vorbehaltlosen Antrag auf Arbeitszeitverkürzung um einen zweiten Absatz mit der Formulierung ergänzt: "Als Beginn für die Verkürzung biete ich den 01.05.2010 mit einer Dauer von vorerst 5 Jahren". Der eigentliche Antrag auf Vertragsänderung habe damit keineswegs unter einem fünfjährigen Befristungsvorbehalt gestanden, was die Beklagte bei verständiger Auslegung auch ohne Weiteres habe erkennen können. Unabhängig hiervon habe der Kläger jedenfalls eine entsprechende Befristung in seinen Klageantrag nicht aufgenommen und damit seinen auf § 8 TzBfG gestützten Antrag quasi erneut, und zwar ohne zeitliche Befristung, gestellt. Diesen Antrag habe die Beklagte allein aus den Gründen des § 8 Abs. 4 TzBfG ablehnen können. Dementsprechend habe es das Arbeitsgericht versäumt, sich in der Sache mit den von der Beklagten vorgetragenen betriebsorganisatorischen Bedenken und dem Gegenvortrag des Klägers auseinanderzusetzen.


Der Kläger beantragt,

das am 01.06.2011 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Bochum - 5 Ca 470/11 - abzuändern und

1. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger mit einer reduzierten Arbeitszeit von 31 Stunden pro Woche, verteilt auf die Wochentage Montag bis Donnerstag jeweils mit 8,25 Stunden zu beschäftigen,

2. hilfsweise für den Unterliegensfall mit dem Antrag zu 1)

die Beklagte zu verurteilen, dem Verlangen des Klägers auf Reduzierung seiner vertraglichen Arbeitszeit auf 31 Stunden pro Woche, die montags bis donnerstags mit jeweils 8,25 Stunden geleistet werden, zuzustimmen,

3. hilfsweise für den Unterliegensfall mit den Anträgen zu 1) und 2)

die Beklagte zu verurteilen, den Kläger mit einer reduzierten Arbeitszeit von 31 Stunden pro Woche, verteilt zu 8,25 Stunden auf die Wochentage Montag bis Donnerstag oder Dienstag bis Freitag, äußerst hilfsweise an den Tagen Montag und Dienstag sowie Donnerstag und Freitag zu beschäftigen,

4. hilfsweise für den Unterliegensfall mit dem Klageantrag zu 3)

die Beklagte zu verurteilen, dem Verlangen des Klägers auf Reduzierung seiner vertraglichen Arbeitszeit auf 31 Stunden pro Woche, die zu je 8,25 Stunden Montags bis Donnerstags oder Dienstags bis Freitags, äußerst hilfsweise Montag und Dienstag sowie Donnerstag und Freitag geleistet werden, zuzustimmen.


Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie tritt dem Standpunkt des arbeitsgerichtlichen Urteils bei, der auf § 81 Abs. 5 SGB IX gestützte Hauptantrag des Klägers sei nicht schlüssig dargelegt. Aus den vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen ergebe sich allein, dass die begehrte Arbeitszeitverkürzung als sinnvoll und wünschenswert anzusehen sei, nicht hingegen werde bescheinigt, dass der Kläger ohne die begehrte Arbeitszeitverkürzung seiner Arbeitsverpflichtung aus gesundheitlichen Gründen nicht nachkommen könne. Erst Recht sei nicht ersichtlich, warum der Kläger allein von Montag bis Donnerstag zur Arbeitsleistung in der Lage sei. Soweit der Kläger mit seinen Hilfsanträgen auch eine andere Verteilung der Arbeitszeit für möglich halte, werde der Klageänderung ausdrücklich widersprochen. Zutreffend habe das Arbeitsgericht ferner den auf § 8 TzBfG gestützten Antrag auf Verminderung der Arbeitszeit für die Dauer von 5 Jahren abgewiesen. In Anbetracht der klaren sprachlichen Fassung des Antrages vom 03.05.2010 seien die Auslegungsversuche des Klägervertreters nicht nachzuvollziehen. Soweit der Kläger auf die Fassung des Klageantrages verweise, in welchem eine Befristung nicht erwähnt werde, verwechsele der Kläger offenbar den an den Arbeitgeber gerichteten Vertragsantrag mit dem prozessualen Klageantrag. Nachdem der Kläger mit der Klageschrift das Antragsschreiben vom 05.03.2010 vorgelegt habe, habe sich die begehrte Zustimmung der Beklagten zweifellos auf den vorprozessualen Antrag vom 05.03.2010 bezogen.

Das Landesarbeitsgericht hat Beweis erhoben über die Behauptung des Klägers, aufgrund der vorliegenden Lungenerkrankung sei eine Arbeitszeitreduzierung in der Weise erforderlich, dass der Kläger nach einer Beschäftigung als Messgehilfe über einen Zeitraum von maximal 4 Arbeitstagen eine dreitägige Pause zur Regeneration der Atmung, insbesondere der Atemhilfsmuskulatur einhalte, durch Einholung eines arbeitsmedizinischen Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Arbeitsmediziners Dr. W1 vom 25.07.2012 (Bl. 248 ff. d. A.) Bezug genommen.

Mit Schriftsatz vom 12.09.2012 hält der Kläger dem Sachverständigengutachten entgegen, der Sachverständige habe keinerlei Untersuchungen der Lunge oder Atemwege unternommen und die aus den vorgelegten Attesten ersichtlichen Erkenntnisse des Facharztes einfach beiseite geschoben. Als Arbeitsmediziner verfüge der Sachverständige nicht über das erforderliche Fachwissen, weswegen die Einholung eines fachkompetenten Obergutachtens beantragt werde. Mit weiterem Schriftsatz vom 19.09.2012 hat der Kläger eine fachärztliche Stellungnahme des behandelnden Internisten, Pneumologen und Allergologen Dr. D4 vorgelegt, (Bl. 307 ff. d. A.), auf welche Bezug genommen wird.

Von der weiteren Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers bleibt - auch unter Berücksichtigung der neugefassten Anträge - ohne Erfolg. Dies gilt gleichermaßen für das auf § 81 Abs. 5 SGB IX gestützte Begehren, mit welchem der Kläger eine Reduzierung der Arbeitszeit wegen der bestehenden Schwerbehinderung verlangt, als auch für den auf § 8 TzBfG gestützten, nicht an besondere Gründe gebundenen Antrag auf Verringerung der Arbeitszeit.

I. Dem Kläger steht ein Anspruch auf die begehrte Verkürzung und Verteilung der Arbeitszeit aus Gründen des Schwerbehindertenrechts (§ 81 Abs. 5 Satz 2 SGB IX) nicht zu.

1. Dies gilt zunächst für den bereits erstinstanzlich verfolgten Hauptantrag, mit welchem der Kläger neben der Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit eine Verteilung auf die Wochentag Montag bis Donnerstag geltend gemacht hat. Zutreffend hat das Arbeitsgericht darauf hingewiesen, dass das im Antrag genannte "Blockmodell" auch auf der Grundlage des Klägervorbringens nicht die einzig mögliche, den geltend gemachten gesundheitlichen Beeinträchtigungen entsprechende Gestaltung der Arbeitszeit darstellt. Unabhängig davon, ob das Arbeitsgericht Anlass gehabt hätte, auf die insoweit bestehenden rechtlichen Bedenken hinzuweisen, ändert dies nichts an der Unbegründetheit des Antrages in der aufrechterhaltenen Fassung. Indem der Kläger sein Klagebegehren nur hilfsweise anpasst, vorrangig jedoch am ursprünglichen Klageantrag festhält, muss die Berufung insoweit erfolglos bleiben.

2. Soweit der Kläger hilfsweise eine Reduzierung der Arbeitszeit mit einer Verteilung auf die Wochentage Montag bis Donnerstag oder Dienstag bis Freitag begehrt, bestehen gegen die Zulässigkeit der Klageänderung und des neugefassten Antrags keine Bedenken. Gegenüber dem ursprünglichen Antrag handelt es sich um eine Antragsbeschränkung im Sinne des § 264 ZPO, in der Sache handelt es sich um einen zulässigen Antrag auf der Grundlage einer Wahlschuld (§ 262 BGB). Gleiches gilt für die zu Protokoll vom 15.12.2011 erklärte weitere Antragsvariante, dass äußerst hilfsweise auch eine Verteilung der Arbeitszeit auf die Tage Montag und Dienstag sowie Donnerstag und Freitag in Betracht komme.

3. Wie die Antragsauslegung ergibt, zielt das Klagebegehren auf eine Herabsetzung der Arbeitszeit unter Beibehaltung des Arbeitsplatzes als Messgehilfe. Dies ergibt sich ohne weiteres aus dem Umstand, dass die Beklagte dem Kläger vorprozessual mit Schreiben vom 24.01.2011 eine Alternativtätigkeit mit der begehrten Dauer und Verteilung auf vier Tage/Woche als Straßenkontrolleur oder Verkehrsaufseher angeboten hatte, der Kläger mit einem solchen Arbeitsplatzwechsel nicht einverstanden war und sich auch im Prozess ausschließlich auf die gegenwärtig zugewiesene Tätigkeit des Messgehilfen berufen hat.

4. In der Sache erweisen sich die verfolgten Hilfsanträge sämtlich als unbegründet. Weder ist die Kammer nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass die vom Kläger begehrte Verkürzung und Verteilung der Arbeitszeit wegen Art oder Schwere der Behinderung notwendig ist, wie dies die Vorschrift des § 81 Abs. 5 Satz 2 SGB IX voraussetzt, noch kommt als geeignetes Mittel zur behindertengerechten Beschäftigung des Klägers allein die begehrte Anpassung der Arbeitsbedingungen am bisherigen Arbeitsplatz des Klägers als Messgehilfe in Betracht. Selbst wenn mit Rücksicht auf die Schwerbehinderung des Klägers die begehrte Arbeitszeitverkürzung mit längeren Regenerationsphasen notwendig sein sollte, ließe sich dies auch durch einen Einsatz des Klägers auf einem der von der Beklagten angebotenen Arbeitsplätze realisieren. Kommen zur leidensgerechten Anpassung der Arbeitsbedingungen mehrere Möglichkeiten in Betracht, hat die Auswahl unter Beachtung der beiderseitigen Interessen zu erfolgen, ein Wahlrecht des Arbeitnehmers sieht das Gesetz hingegen nicht vor.

a) Die Beweisaufnahme hat die Behauptung des Klägers, aufgrund der vorliegenden Lungenerkrankung sei eine Arbeitszeitreduzierung in der begehrten Weise erforderlich, nicht bestätigt.

(1) Der Sachverständige Dr. W1 hat die Notwendigkeit einer längeren Arbeitspause zur Regeneration der Atemhilfsmuskulatur - wie sie vom behandelnden Lungenfacharzt angesprochen worden ist - als medizinisch nicht begründbar angesehen. Soweit der Kläger dem Gutachten entgegenhält, der Sachverständige habe keinerlei Untersuchungen der Lunge und/oder Atemwege unternommen und die Erkenntnisse des Facharztes einfach "beiseite geschoben", greift dieser Einwand nicht durch. Der vorliegende gesundheitliche Befund, insbesondere die vorliegende chronische obstruktive Atemwegserkrankung ist zwischen den Parteien unstreitig und vom Sachverständigen bei der Gutachtenerstellung zugrunde gelegt worden. Nicht etwa hat der Sachverständige Zweifel an der fachärztlich gestellten Diagnose geäußert oder eine weniger schwerwiegende Störung der Lungenfunktion angenommen. Dementsprechend bedarf es auch nicht der Einholung eines Obergutachtens zur Klärung der gesundheitlichen Situation des Klägers. Kern des vorgelegten Sachverständigengutachtens ist vielmehr die Aussage, dass sich aus den vorliegenden Befunden keine medizinisch begründbare Notwendigkeit längerer Arbeitsunterbrechungen zum Zwecke der Regeneration herleiten lasse. Hierbei hat sich der Sachverständige insbesondere auf die eigene Schilderung des Klägers gestützt, dass es in der Vergangenheit unter regulären Umständen nicht zu einer Exazerbation - d. h. zu einer deutlichen Verschlechterung des Krankheitsbildes mit der Notwendigkeit einer Intensivierung der Behandlung - gekommen sei; die Notwendigkeit, die Dosierung der Medikamente zu erhöhen oder ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, sei vielmehr allein im Zusammenhang mit dem Auftreten von Erkältungskrankheiten aufgetreten. Bei ausreichendem Witterungsschutz sei damit die gesundheitliche Eignung des Klägers für die Tätigkeit als Messgehilfe auch ohne die erstrebte dreitägige Regenerationsphase nicht in Frage gestellt. Eine behinderungsbedingte Notwendigkeit, grundsätzlich die Arbeitszeit wegen Art oder Schwere der Behinderung nach den gestellten Anträgen zu verkürzen, hat der Sachverständige damit überzeugend verneint.

(2) Auch auf der Grundlage der vom Kläger vorgelegten fachärztlichen Stellungnahme des Dr. D4 vom 18.09.2012, mit welcher dieser zum vorgelegten Sachverständigengutachten Stellung genommen hat, lässt sich die Notwendigkeit der begehrten Arbeitszeitverkürzung nicht begründen. Danach bietet zwar eine mehrtägige Arbeitspause "einen wesentlich besseren Effekt auf die Anpassungsprozesse im Bereich der Atemmechanik und sollte favorisiert werden". Alternativ sei jedoch auch eine Verkürzung der täglichen Arbeitszeit denkbar. Dass die vom Kläger begehrte Änderung der Arbeitszeit etwa zur Erhaltung der Gesundheit notwendig sei, macht auch der behandelnde Arzt des Klägers damit nicht geltend.

Der Anspruch des schwerbehinderten Arbeitnehmers auf Teilzeitbeschäftigung besteht nach der gesetzlichen Regelung nicht schon dann, wenn diese sich im Hinblick auf die zugrundeliegende Erkrankung als wünschenswert, vorteilhafter und der Behinderung besser als eine Vollzeitbeschäftigung angepasst erscheint, vielmehr werden mit dem Maßstab der Notwendigkeit deutlich strengere Anforderungen gestellt. Zur Begründung der Notwendigkeit einer Maßnahme gehört dementsprechend die Gegenüberstellung derjenigen Folgen, die sich einerseits ergeben, wenn die bestehende Lage beibehalten wird und wie sich die Lage andererseits darstellt, wenn die fraglichen Änderungen realisiert werden. Dass der Kläger ohne die begehrte Änderung der Arbeitszeit konkrete gesundheitliche Nachteile erleidet, kann auch auf der Grundlage der vorgelegten Stellungnahme des Dr. D4 nicht angenommen werden. Einen anerkannten Erfahrungssatz in dem Sinne, dass bei Vorliegen eines entsprechenden Krankheitsbefundes ohne Einhaltung der vorgeschlagenen Regenerationsphasen die Gefahr einer Leidensverschlimmerung drohe oder es zur vermehrter Notwendigkeit komme, ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, zeigt auch die fachärztliche Stellungnahme des Dr. D4 nicht auf.

b) Aber auch wenn man unter Berücksichtigung der - gegenüber dem behinderten Arbeitnehmer gesteigerten - arbeitsvertraglichen Fürsorgepflicht den Begriff der "Notwendigkeit" einer behinderungsbedingen Arbeitszeitverkürzung weiter fasst und annimmt, der Arbeitgeber sei gehalten, die Gestaltung von Dauer und zeitlicher Lage der Arbeitszeit umfassend an dem Ziel auszurichten, eine Beschäftigung des schwerbehinderten Arbeitnehmers nicht nur als solche zu ermöglichen, sondern möglichst behinderungsgerechte Arbeitsbedingungen zu schaffen, welche zur Milderung der behinderungsbedingter Belastungen beitragen und sich etwa - wie vorliegend - als vorteilhaft für die Regeneration erweisen, ergibt sich hier nichts anderes. Wie sich aus § 81 Abs. 5 i. V. m. § 81 Abs. 4 Satz 3 SGB IX ergibt, ist die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Teilzeitbeschäftigung durch den Maßstab der Unzumutbarkeit begrenzt. Weitet man den Begriff der "Notwendigkeit" der Arbeitszeitverkürzung in § 81 Abs. 5 SGB IX im vorstehenden Sinne aus, so dass im Grundsatz schon die reale Möglichkeit einer verbesserten Anpassung an die behinderungsbedingten Beschränkungen der Leistungsfähigkeit einen Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung begründet, so kann muss diesem erweiterten Verständnis auch bei Anwendung des Zumutbarkeitsmaßstabes Rechnung getragen werden. Kann der schwerbehinderte Arbeitnehmer überhaupt nur im Rahmen einer Teilzeitbeschäftigung eingesetzt werden, so sind an die Unzumutbarkeit einer entsprechenden Arbeitszeitgestaltung zweifellos strenge Anforderungen zu stellen, weil andernfalls die vom Gesetzgeber gewollte Integration schwerbehinderter Arbeitnehmer in das Arbeitsleben nicht erreicht werden kann. Lässt sich demgegenüber das Ziel der behindertengerechten Beschäftigung an einem bestimmten Arbeitsplatz in verschiedener Weise verwirklichen, so kommt dem Anliegen des schwerbehinderten Arbeitnehmers, die Arbeitsbedingungen optimal an seine Behinderung anzupassen, kein vergleichbar starker Vorrang vor den betrieblichen Interessen zu, wie dies durch den Maßstab der "Unzumutbarkeit" gekennzeichnet ist.

In Anbetracht der Tatsache, dass der Kläger als Messgehilfe nicht allein, sondern in einer Arbeitsgruppe tätig ist, wirkt sich die vom Kläger erstrebte tageweise Arbeitszeitverkürzung unmittelbar auf die Arbeitsorganisation aus, indem sich die Personalstärke eines der eingesetzten Messtrupps reduziert. Auch wenn - wie der Kläger vorgetragen hat - nicht stets sämtliche Messfahrzeuge mit derselben Besetzung eingesetzt werden und nicht selten Abweichungen von der Regel etwa aus Urlaubs- und Krankheitsgründen oder auch bedarfsabhängig auftreten, führt die vom Kläger angestrebte Vier-Tage-Woche doch jedenfalls zu einer Einschränkung der Planungsspielräume und Effektivität. Bliebe die planmäßige Abwesenheit des Klägers an einem Arbeitstag in der Woche ohne jede Auswirkung, wäre der Arbeitsplatz des Klägers überflüssig. Schon aus diesem Grunde bestehen Bedenken gegen den Standpunkt des Klägers, der Beklagten sei die - aus Gründen der besseren Regeneration der Atemhilfsmuskulatur sinnvolle - Verkürzung der Arbeitszeit in Form einer Viertage-Woche unabhängig davon zuzumuten, dass auch andere Formen der Arbeitszeitverkürzung geeignet sind, eine der Behinderung des Klägers angepasste Beschäftigung zu ermöglichen.

c) Dem Anspruch des Klägers auf die begehrte Arbeitszeitverkürzung steht schließlich auch der Umstand entgegen, dass sich die für die Regeneration der Atemhilfsmuskulatur günstigere Gestaltung einer Viertagewoche auch bei dem angebotenen Einsatz des Klägers als Straßenkontrolleur oder Verkehrsaufseher realisieren lässt. Soweit der Kläger einen entsprechenden Einsatz zunächst mit der Begründung abgelehnt hat, dass hiermit Verdiensteinbußen verbunden seien, hat die Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht ihre Bereitschaft zur Fortgewährung der betreffenden Zulagen zum Ausdruck gebracht. Auch wenn nachvollziehbar erscheint, dass der Kläger unabhängig von der Frage des Arbeitsverdienstes gern die zuletzt ausgeübte, abwechslungsreiche Tätigkeit als Messgehilfe fortführen möchte, bleibt doch zu beachten, dass es damit am Kläger liegt, dass er nicht die für seinen Gesundheitszustand optimale Ausgestaltung der Arbeitszeit erfährt. Wenn der Kläger weiterhin als Messgehilfe eingesetzt werden will, muss er hinnehmen, dass an diesem Arbeitsplatz eine vergleichbar günstige Arbeitszeitgestaltung nicht ohne Eingriff in die Arbeitsorganisation in Betracht kommt. Unter Berücksichtigung der vorstehend genannten zumutbaren Alternativarbeitsplätze ist die vom Kläger erstrebte Änderung der Arbeitszeit zur behinderungsgerechten Beschäftigung nicht erforderlich und im Hinblick auf die dargestellten Auswirkungen in Bezug auf die Einsatzplanung auch nicht zumutbar.

II. Soweit der Kläger sein Begehren auf die Vorschrift des § 8 TzBfG stützt, hat das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt, dass der Antrag des Klägers vom 05.03.2010 auf eine befristete Verringerung der vertraglichen Arbeitszeit gerichtet war und hierfür eine gesetzliche Grundlage nicht besteht. Entgegen der Auffassung des Klägers war der so gefasste Vertragsantrag auch nicht dahingehend auszulegen, in Wahrheit oder hilfsweise - sofern die Beklagte dies wünsche - solle der Arbeitsvertrag nicht nur für den angegebene Fünfjahreszeitraum, sondern ohne zeitliche Begrenzung geändert werden. Bei dem Antrag nach § 8 TzBfG handelt es sich um einen rechtsgeschäftliches Angebot auf Änderung des Arbeitsvertrages, welches so eindeutig formuliert sein muss, dass es vom Arbeitgeber durch einfache Annahme mit "Ja" angenommen werden kann. Für eine Auslegung in dem vom Kläger vorgetragenen Sinne ist danach aus Gründen der Rechtsklarheit kein Raum.

Aus demselben Grunde kann auch in der Tatsache, dass der Klageantrag in der Klageschrift wie auch der im Kammertermin vor dem Arbeitsgericht formulierte und auf § 8 TzBfG gestützte Hilfsantrag die im Schreiben vom 05.03.2010 genannte Befristung nicht aufgreift, in dem Sinne verstanden werden, der Kläger stelle hiermit einen neuerlichen Vertragsantrag im Sinne des § 145 BGB und halte am ursprünglichen Antrag vom 05.03.2010 nicht weiter fest. In Anbetracht der in § 8 TzBfG vorgesehenen Verfahrensregeln, insbesondere der Erörterungspflicht des Arbeitgebers und der Folgen einer unterbliebenen schriftlichen Ablehnung durch den Arbeitgeber, ist streng zwischen dem materiell-rechtlichen Vertragsantrag des Arbeitnehmers - gerichtet auf Zustimmung zur begehrten Verringerung und Verteilung der Arbeitszeit - einerseits und dem prozessualen Antrag i. S. d. § 253 ZPO zu unterscheiden, mit welchem die Abgabe einer Willenserklärung - gerichtet auf Annahme des Vertragsangebots - erstritten werden soll. Nach § 894 ZPO wird mit Rechtskraft des Urteils die erstrebte Willenserklärung des Arbeitgebers fingiert, wodurch die erstrebte Vertragsänderung durch Angebot und Annahme zustande kommt. Mit diesem Verständnis ist unvereinbar, den Klageantrag, welcher auf Annahme eines zuvor abgegebenen und vom Gegner abgelehnten Vertragsantrages gerichtet ist, formlos im Sinne eines neu gefassten Vertragsantrages zu würdigen. Hiergegen spricht auch die weitere Überlegung, dass ein Klageantrag, mit welchem der Gegner zur Annahme eines erst in der Klageschrift enthaltenen oder zu Protokoll erklärten Vertragsantrages verurteilt werden soll, mangels Rechtsschutzinteresses als unzulässig anzusehen wäre. Wollte man gleichwohl das aus dem Klageantrag herzuleitende Vertragsangebot als an den Arbeitgeber gerichtete Willenserklärung gelten lassen, welche an die Stelle des vorgerichtlichen Vertragsantrages treten soll, würde hierdurch die vom Arbeitgeber einzuhaltende Frist des § 8 Abs. 5 TzBfG in Gang gesetzt, ohne dass dies für diesen ohne weiteres zu erkennen wäre. Aus Gründen der Rechtsklarheit verdient danach die Auslegung den Vorzug, dass Gegenstand der Klage allein die begehrte Zustimmung zu der vorprozessual beantragten Vertragsänderung sein soll. Aus demselben Grunde kann auch in dem neu gefassten Berufungsantrag kein vom ursprünglichen materiell-rechtlichen Vertragsangebot vom 05.03.2010 abweichender neuer Antrag auf Vertragsänderung zu geänderten Bedingungen gesehen werden.

Darüber hinaus ist zu beachten, dass mit einem neuen Vertragsantrag ein neuer Lebenssachverhalt in den Prozess eingeführt wird, welcher nur unter den Voraussetzungen des § 533 ZPO im Berufungsrechtszug berücksichtigt werden kann. Mit Schriftsatz vom 27.10.2011 hat die Beklagte ausgeführt, dass sie einer diesbezüglichen Klageänderung nicht zustimmt. In Anbetracht der Tatsache, dass sich das Berufungsgericht erstmals in der Sache mit den formellen und inhaltlichen Voraussetzungen des Anspruchs aus § 8 TzBfG auseinanderzusetzen hätte und sich zur Entscheidungsfindung nicht auf den "ohnehin" zu berücksichtigenden Tatsachenstoff beschränken könnte, scheidet jedenfalls im zweiten Rechtszuge eine Klageänderung aus, mit welcher der Gegenstand der vom Arbeitgeber abzugebenden Willenserklärung ausgetauscht wird.

Damit bleibt festzuhalten, dass der ursprüngliche Antrag auf Zustimmung zur Vertragsänderung nach Maßgabe des Schreibens vom 05.03.2010 vom Arbeitsgericht zu Recht als unbegründet abgewiesen worden ist. Soweit mit der Berufung die Zustimmung zu einem abgeänderten Vertragsantrag geltend gemacht wird, scheitert die Zulässigkeit der Berufung an den Voraussetzungen des § 533 ZPO.

III. Die Kosten der erfolglosen Berufung hat der Kläger zu tragen.

IV. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 72 ArbGG liegen nicht vor.

Referenznummer:

R/R5803


Informationsstand: 16.07.2013