Urteil
Erfolgloser Antrag eines Brandoberinspektors auf Zulassung der Berufung - Reduktion der wöchentlichen Arbeitszeit um zwei Stunden wegen Schwerbehinderung

Gericht:

OVG Nordrhein-Westfalen 6. Senat


Aktenzeichen:

6 A 227/14 | 6 A 227.14


Urteil vom:

17.02.2015


Orientierungssätze:

Erfolgloser Antrag eines Brandoberinspektors auf Zulassung der Berufung, der die Reduzierung seiner wöchentlichen Arbeitszeit um zwei Stunden wegen Schwerbehinderung begehrt.

Rechtsweg:

VG Köln - 19 K 5509/12

Quelle:

Justizportal des Landes NRW

Tenor:

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag bleibt ohne Erfolg.

Die Berufung ist gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO nur zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 VwGO dargelegt ist und vorliegt. Das ist hier nicht der Fall.

1. Die Berufung ist nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils zuzulassen.

Stützt der Rechtsmittelführer seinen Zulassungsantrag auf den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts auseinandersetzen. Dabei muss er den tragenden Rechtssatz oder die Feststellungen tatsächlicher Art bezeichnen, die er mit seinem Antrag angreifen will, und mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellen. Es genügt hingegen nicht, wenn er pauschal die Unrichtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts behauptet oder wenn er lediglich sein Vorbringen erster Instanz wiederholt, ohne im Einzelnen auf die Gründe des angefochtenen Urteils einzugehen. Diesen Anforderungen entspricht das Zulassungsvorbringen nicht.

Mit seiner Klage hat der mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 80 schwerbehinderte Kläger, der als Brandoberinspektor in Schichten unter Einschluss von Bereitschaftszeiten im feuerwehrtechnischen Dienst der beklagten Stadt tätig ist, deren Verpflichtung zur rückwirkenden Gewährung einer Ermäßigung seiner regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit um zwei Stunden ab Oktober 2010 begehrt. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat er dies als Antrag auf Verurteilung der Beklagten zur Erteilung einer Gutschrift für die ab Oktober 2010 über eine wöchentliche Arbeitszeit von 46 Stunden hinaus geleisteten Dienstzeit auf seinem Stundenkonto sowie auf Feststellung, dass er nicht verpflichtet sei, mehr als 46 Stunden an regelmäßiger Wochenarbeitszeit zu leisten, gefasst. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die wöchentliche Arbeitszeit des Klägers betrage nach der Arbeitszeitverordnung Feuerwehr (AZVOFeu) vom 1. September 2006 (GV. NRW. S. 442) 48 Stunden (§ 2 Abs. 1 AZVOFeu). Die Verordnung sei abschließend. Der Verordnungsgeber habe bewusst auf eine Regelung wie in § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 der Arbeitszeitverordnung (AZVO) vom 4. Juli 2006 (GV. NRW. S. 335) in der Fassung der Verordnung vom 10. Januar 2012 (GV. NRW. S. 2) verzichtet. Er sei auch nicht aufgrund höherrangigen Rechts gehalten, eine Arbeitszeitverkürzung für schwerbehinderte Feuerwehrbeamte vorzusehen. Bundesrecht, insbesondere das Neunte Buch des Sozialgesetzbuches (SGB IX), enthalte derartige Vorgaben nicht. Nach § 124 SGB IX würden schwerbehinderte Menschen auf ihr Verlangen lediglich von Mehrarbeit freigestellt. Die fehlende Arbeitszeitverkürzung für Feuerwehrbeamte im Schichtdienst verstoße nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Die gegenüber Beamten im allgemeinen Verwaltungsdienst und gegenüber Polizeivollzugsbeamten bestehende Ungleichbehandlung sei sachlich gerechtfertigt. Dem Verordnungsgeber sei ein weitgespannter Gestaltungsspielraum eingeräumt, mit welchen Maßnahmen er schwerbehinderte Beamte vor beruflicher Überforderung schütze. Er habe dabei auch berücksichtigen dürfen, dass die Feuerwehrbeamten gegenüber den Beamtengruppen des allgemeinen Verwaltungsdienstes, des Polizeivollzugsdienstes und des Justizvollzugsdienstes eine zum Teil deutlich kürzere Lebensarbeitszeit zu leisten hätten und dass in der für schichtdienstleistende Feuerwehrbeamte geltenden Wochenarbeitszeit von 48 Stunden ein hoher Anteil von Bereitschaftsdienst (19 Stunden) enthalten sei, der körperlich nicht so stark belastend sei wie regulärer Dienst.

Der Kläger knüpft an die Erwägungen des Verwaltungsgerichts zu Art. 3 Abs. 1 GG an, zieht aber als Vergleichsmaßstab die Feuerwehrbeamten "im Innendienst" heran und macht insoweit eine Ungleichbehandlung geltend, die nicht gerechtfertigt sei und daher auf eine Regelungslücke führe, die im Sinne des Klagebegehrens zu füllen sei. Mit diesem Vorbringen dringt er nicht durch.

Zwar trifft es zu, dass Feuerwehrbeamte unabhängig von ihrer konkreten Verwendung bereits mit Vollendung des 60. Lebensjahres in den Ruhestand versetzt werden (§ 117 Abs. 3 LBG), während die Reduzierung der Arbeitszeit auf 39 Stunden ab einem GdB von 80 (§ 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AZVO) nur denjenigen Feuerwehrbeamten zugute kommt, für die der Geltungsbereich der besonderen Vorschriften über die Arbeitszeit bei der Feuerwehr nicht eröffnet ist (§ 1 Abs. 1 und 2 AZVOFeu), also den Beamten, die nicht in Schichten unter Einschluss von Bereitschaftszeiten Dienst leisten. Zwischen den Beamten im Schichtdienst und allen anderen Beamten des feuerwehrtechnischen Dienstes bestehen aber erhebliche Unterschiede, die die Ungleichbehandlung bei der Arbeitszeit rechtfertigen. Sie ergeben sich daraus, dass der feuerwehrtechnische Dienst, auf den die AZVOFeu Anwendung findet, als Schichtdienst mit Bereitschaftszeiten versehen wird (§ 1 Abs. 1 AZVOFeu). Zeiten der Bereitschaft sind anders strukturiert als Arbeitszeiten, bei denen eine durchgehende Tätigkeit des Beamten erwartet wird. Die Schichten können wesentlich länger sein, solange angemessene Ruhezeiten gewährt werden (vgl. § 3 AZVOFeu). Der Verordnungsgeber lässt daher mit der sog. Opt-Out-Regelung des § 5 AZVOFeu auf freiwilliger Basis sogar noch längere Wochenarbeitszeiten als 48 Stunden zu. Es liegt in seinem Ermessen, ob er in einem solchen durch Schichtdienst mit Bereitschaftszeiten geprägten Dienst bei Schwerbehinderten eine Reduzierung der Arbeitszeit für geboten hält oder nicht. Die insoweit für die anderen Beamten des feuerwehrtechnischen Dienstes getroffene Entscheidung bindet dieses Ermessen nicht.

Die weiteren mit dem Zulassungsvorbringen angestellten Erwägungen zu der Entscheidung des Verordnungsgebers sind rechtspolitischer Natur. Eine Absenkung der wöchentlichen Arbeitszeit für Schwerbehinderte im gesamten feuerwehrtechnischen Dienst mag wünschenswert sein. Eine für den Kläger günstigere Beurteilung kann aus diesen Erwägungen aber nicht hergeleitet werden. Die dafür herangezogene Fürsorgepflicht des Dienstherrn erlegt diesem zwar auf, für die Gesundheit der ihm unterstellten Beamten Sorge zu tragen, belässt ihm aber Spielraum bei der Wahl der dafür in Betracht kommenden Mittel. Anhaltspunkte dafür, dass Schwerbehinderte einen Schichtdienst bei der Feuerwehr nur dann mit ihrer Gesundheit vereinbaren könnten, wenn sie diesen mit reduzierter wöchentlicher Stundenzahl versehen, zeigt das Zulassungsvorbringen nicht auf.

2. Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten der Sache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegen nicht vor. Dies ist zu verneinen, wenn - wie hier - im Hinblick auf die insoweit vorgetragenen Gründe ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung nicht gegeben sind.

3. Die Berufung ist auch nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.

Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine im Berufungsverfahren klärungsbedürftige und für die Entscheidung dieses Verfahrens erhebliche Rechts- oder Tatsachenfrage aufwirft, deren Beantwortung über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder Weiterentwicklung des Rechts hat. Dabei ist zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes die Frage auszuformulieren und substantiiert auszuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird. Auch diesen Anforderungen genügt das Zulassungsvorbringen nicht.

Die in der Zulassungsbegründung formulierte Frage,

ob die fehlende Regelung zur Arbeitszeitreduzierung wegen Schwerbehinderung in der AZVOFeu zu der Auslegung führt, dass über deren § 7 die entsprechenden Regelungstatbestände der allgemeinen AZVO angewendet werden müssen mit dem Erfolg, dass schwerbehinderten schichtdienstleistenden Feuerwehrbeamten eine Arbeitszeitreduzierung gewährt werden muss,

lässt keinen Klärungsbedarf erkennen. Sie ist mit Blick auf das Zulassungsvorbringen, wie ausgeführt, ohne weiteres zu verneinen.

Bei der weiter aufgeworfenen Frage,

ob der Dienstherr seine beamtenrechtliche Fürsorgepflicht durch eine pauschale Arbeitszeitverkürzung für Schwerbehinderte zwingend verwirklichen muss, wenn ihm keine andere Möglichkeit einer behindertengerechten Ausstattung des Arbeitsplatzes zur Verfügung steht, um schwerbehinderte Beamte vor einer dienstlich bedingten Überforderung und einer vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand zu schützen, auch wenn in der AZVOFeu keine Arbeitszeitverkürzung wegen Schwerbehinderung vorgesehen ist,

fehlt es an der Darlegung der Entscheidungserheblichkeit. Die Frage könnte sich nur stellen, wenn der Dienstherr tatsächlich "keine andere Möglichkeit" hätte, die beschriebenen Ziele zu verwirklichen. Hierfür ist aber nichts ersichtlich. Vielmehr hat der Dienstherr u.a. mit den in der AZVOFeu getroffenen Regelungen über den auf die Gesamtarbeitszeit entfallenden Bereitschaftsdienstanteil (§ 2 Abs. 1 Satz 2, § 5 Abs. 1 Satz 2 und 3) sowie die einzuhaltenden Ruhezeiten (§ 3 Abs. 1 und 2, § 4) von einem Instrumentarium Gebrauch gemacht, das aus seiner - nicht unvertretbaren und deshalb rechtlich bedenkenfreien - Sicht dem Gesundheitsschutz der Beamten nicht weniger dienlich sein kann.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 40, 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 2 GKG.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Referenznummer:

R/R7364


Informationsstand: 15.08.2017