Der 1939 geborene Kläger begehrt ungeminderte Altersrente wegen Vollendung des 60. Lebensjahres nach Altersteilzeit.
Der Kläger entrichtete bis März 1965 Pflichtbeiträge, nachdem er in der Zeit von April 1954 bis 31.03.1957 eine Lehre als Setzer absolviert und anschließend in diesem Beruf gearbeitet hatte. Ab dem 05.04.1965 bis 31.03.1967 nahm er im Rahmen einer Umschulungsmaßnahme an einem nach dem Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung geförderten Ausbildungslehrgang zum Bürokaufmann teil. Während dieser Maßnahme erhielt er Übergangsgeld in Höhe von täglich 19,90 DM, Beiträge zur Rentenversicherung wurden nicht entrichtet. Ab 01.04.1967 entrichtete er wieder durchgehend Pflichtbeiträge bis Dezember 1999.
Auf Nachfrage, wie hoch die Altersrente bei vorzeitiger Inanspruchnahme ab 01.01.2000 sein würde, errechnete die Beklagte eine um 303,93 DM geminderte Rente, die durch Zahlung von Beiträgen in Höhe von 78.450,60 DM auf eine "volle" Rente erhöht werden könnte.
Auf den sodann gestellten Rentenantrag vom 27.09.1999 gewährte die Beklagte durch Bescheid vom 15.12.1999 Altersrente ab 01.01.2000 in der angekündigten geminderten Höhe.
Dagegen erhob der Kläger Widerspruch. Ihm sei aufgrund der Vertrauensschutzregelung des § 237 des Sechsten Buchs des Sozialgesetzbuchs (
SGB VI) Rente ohne Abschlag zu zahlen. Er sei am 01.04.1954 ins Erwerbsleben eingetreten und habe bis zum 31. Dezember 1999 mehr als 45 Beschäftigungsjahre zurückgelegt. Die Zeit der Maßnahme zur beruflichen Rehabilitation vom 05.04.1965 bis 31.03.1967 sei bei der Ermittlung der 540 Kalendermonate zu berücksichtigen.
Das Widerspruchsverfahren blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 21.03.2000).
Im Klageverfahren hat der Kläger vorgetragen, der Gesetzgeber habe lediglich Zeiten der Arbeitslosigkeit und nicht die der Rehabilitation bei der Ermittlung der Pflichtbeitragszeiten ausnehmen wollen. Insoweit sei die Zeit der Umschulung zu berücksichtigen.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid vom 15.12.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.03.2000 teilweise aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Zeit vom 05.04.1965 bis 31.03.1967 als Pflichtbeitragszeit im Rahmen des § 237
Abs. 4 Ziffer 3
SGB VI anzuerkennen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Für die Zeit der Rehabilitation habe keine Verpflichtung zur Entrichtung von Pflichtbeiträgen bestanden.
Durch Urteil vom 22.09.2000 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Für die streitige Zeit habe keine Beitragspflicht bestanden. Die Regelung in § 237
Abs.4 Ziffer 3
SGB VI sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Mit seiner Berufung hält der Kläger an seinem Begehren fest, die Zeit von April 1965 bis März 1967 als Pflichtbeitragszeit zu berücksichtigen. Aufgrund seines langen Erwerbslebens sehe er sich ohne sachlichen Grund gegenüber anderen vergleichbaren Versicherten benachteiligt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 22. September 2000 zu ändern und nach dem Klageantrag zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen. Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Streit- und Beklagtenakte Bezug genommen.
Die Berufung ist nicht begründet. Der Kläger kann die Anerkennung der streitigen Zeit als Pflichtbeitragszeit mit der Folge der Anwendung der Vertrauensschutzregelung des § 237
Abs.4 Ziffer 3
SGB VI nicht verlangen, weil er keine 45 Jahre mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt hat.
Anspruchsnorm ist die am 01.01.2000 (
Art.33
Abs.13 Rentenreformgesetz - RRG - 1999, BGBl. I 2998) in Kraft getretene Vorschrift des 237
SGB VI n.F. Der Kläger hat die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme einer Altersrente nach Altersteilzeit im Sinne des § 237
Abs. 1 Satz 1
SGB VI n.F. erfüllt, weil er vor dem 01. Januar 1952 geboren ist (Ziffer 1), das 60. Lebensjahr vollendet (Ziffer 2) und seine Arbeitszeit aufgrund von Altersteilzeit für mindestens 24 Kalendermonate vermindert hat (Ziffer 3b). Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der Ziffern 4 und 5 sind unstreitig erfüllt.
Von der Anhebung der Altersgrenze nach § 237
Abs.3
SGB VI kann nicht abgesehen werden, weil die Vertrauensschutzregelung des § 237
Abs. 4 Satz 1
SGB VI zugunsten des Klägers nicht eingreift. Er hat keine 45 Jahre mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt (Ziffer 3) .
Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit liegen vor, wenn auf Grund einer Beschäftigung oder Tätigkeit Versicherungspflicht bestand, Beiträge zu entrichten waren und diese auch tatsächlich entrichtet worden sind. Die Entrichtung von Pflichtbeiträgen behauptet der Kläger nicht. Eine Beitragspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung für Rehabilitanden hat zu jener Zeit auch nicht bestanden. Sie hat es nur für die Zeit vom 01.10. 1974 bis 31.12.1983 gegeben. Sie wurde durch die mit dem Gesetz über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation (RehaAnglG) mit Wirkung ab 01.10.1974 in das Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) eingefügte Vorschrift des § 112
Abs.4 Buchstabe h
iVm § 2
Abs.1
Nr.10a Buchstabe c eingeführt. Danach hatte der Rehabilitationsträger die Beiträge zur Rentenversicherung für die durch den Bezug von Übergangsgeld versicherungspflichtig gewordenen Rehabilitanden allein zu tragen. Beide Vorschriften sind durch das Haushaltbegleitgesetz 1984 vom 22.12.1983 mit Wirkung ab 01.01.1984 wieder gestrichen worden.
Die Anerkennung einer Pflichtbeitragszeit unter Berücksichtigung der Regelung des § 247
Abs. 2a
SGB VI kommt ebenfalls nicht in Betracht, weil der Kläger nicht als Lehrling oder sonst zur Berufsausbildung "beschäftigt" war. Er hat vielmehr an einem nach dem Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung geförderten Ausbildungslehrgang der Arbeitsverwaltung teilgenommen, für den (damals) grundsätzlich keine Versicherungspflicht bestand. Insoweit ist es nicht zu beanstanden, wenn im Versicherungsverlauf des Klägers die Zeit vom 05.04.1965 bis 31.03.1967 als Zeit einer Gesundheitsmaßnahme in die Rentenberechnung eingeflossen ist und nicht als Pflichtbeitragszeit.
Zwar werden durch die in § 237
Abs.4 Satz 1 Ziffer 3
SGB VI in Bezug genommene Vorschrift des § 55
Abs.2
SGB VI die hier unter den Ziffern 1 bis 3 erwähnten Beitragszeiten, die nicht auf einer Beschäftigung oder Tätigkeit beruhen, den Pflichtbeitragszeiten gleichgestellt. Gleichwohl kommt eine Gleichstellung im Sinne dieser Vorschrift für die Zeit von April 1965 bis März 1967 nicht in Betracht, weil während dieser Zeit - wie oben ausgeführt - keine Versicherungs- und Beitragspflicht bestand und § 55
Abs.2
SGB VI iVm § 3
SGB VI ersichtlich nur solche Zeiten den Pflichtbeitragszeiten gleich stellt, für die Beiträge entrichtet
bzw. zumindest teilweise durch einen Sozialleistungsträger mitgetragen wurden.
Der Kläger bestreitet auch nicht, dass er als Übergangsgeldbezieher nicht der Versicherungs- und Beitragspflicht unterlag. Er meint vielmehr, dass eine Zeit einer - beitragsfreien - Umschulungsmaßnahme nicht anders behandelt werden dürfte als eine solche, während der Versicherungspflicht bestand. Schließlich habe auch die von ihm durchgeführte Umschulungsmaßnahme dem Zweck gedient, den Eintritt von Arbeitslosigkeit oder Berufsunfähigkeit abzuwenden.
Soweit der Kläger sich damit gegenüber Versicherten benachteiligt sieht, deren Zeiten wegen der Teilnahme an einer Rehamaßnahme auf Grund der - später eingeführten - Versicherungspflicht als Beitragszeit anerkannt sind, folgt daraus noch kein Verstoß der hier zugrundezulegenden Vorschrift des § 237
Abs.4 Satz 1 Ziffer 3
SGB VI gegen
Art. 3
Abs.1
GG.
Der Gleichbehandlungsgrundsatz des
Art.3
Abs.1
GG enthält für den Gesetzgeber die allgemeine Weisung, Gleiches gleich und Ungleiches seiner Eigenart nach entsprechend verschieden zu behandeln. Der Gesetzgeber ist befugt, aus einer Vielzahl von Lebenssachverhalten die Tatbestandsmerkmale auszuwählen, die für die Gleich-
bzw. Ungleichbehandlung maßgebend sein sollen (
vgl. BVerfGE 71, 39,53 mwN) Danach ist
Art. 3
Abs.1
GG dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten (BVerfGE 55, 72 (88)). Insoweit läßt sich kein abstraktes und allgemeines Konzept erarbeiten, wann ein Verstoß gegen
Art.3
Abs.1
GG vorliegt. Ein Urteil über die Sachlichkeit des Differenzierungsgrundes kann nur nach "Natur und Eigenart des in Frage stehenden Sachverhältnisses und unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der betreffenden gesetzlichen Regelung" (BVerfGE, 71, 39 (58)) beurteilt werden.
Mit der insoweit angegriffenen Regelung des § 237
Abs.4 Satz 1 Ziffer 3
SGB VI hat der Gesetzgeber eine Vertrauensschutzregelung geschaffen, die sicherstellen soll, dass es hinsichtlich der Anhebung der Altersgrenze von 60 Jahren für die Altersrente - u.a. - nach Altersteilzeit für Versicherte, die vor 1942 geboren sind, bei dem mit dem RRG 1992 geschaffenen Recht verbleibt, wenn sie wenigstens 45 Jahre mit Pflichtbeitragszeiten auf Grund einer Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit und diesen gleichgestellten Zeiten - jedoch mit Ausnahme von Beitragszeiten auf Grund des Bezuges von Arbeitslosengeld- oder -hilfe - zurückgelegt haben. Die Regelung begünstigt mithin Versicherte, die langjährig auf Grund einer Pflichtversicherung als Beschäftigte oder selbstständig Erwerbstätige der Solidargemeinschaft angehört haben.
Sie will solchen Versicherten eine Kürzung ersparen, die die in ihr aufgestellten Voraussetzungen erfüllen.
Vor diesem Hintergrund liegt in dem Umstand, dass nach § 237
Abs.4 Satz 1 Ziffer 3
SGB VI nur Pflichtversicherte mit einer Pflichtbeitragszeit von 45 Jahren Vertrauensschutz genießen, keine Verletzung des Gleichheitssatzes im o.g. Sinne, weil es sachlich durchaus vertretbar ist, eine langjährige und kontinuierliche Zahlung von Pflichtbeiträgen (d.h. dem Einkommen angemessene Beiträge) zu honorieren. Zwar liegt das Motiv offenbar hier nicht so sehr im Vertrauensschutz; denn eine langjährige Pflichtbeitragszeit allein indiziert noch kein schutzwürdiges Vertrauen in den Fortbestand des geltenden Rechts. Es soll aber auch dem Umstand Rechnung getragen werden, dass die Pflichtversicherten nach Höhe und Dauer der Beitragsleistung eine besondere Belastung in der Versichertengemeinschaft tragen und vor allem die Funktionsfähigkeit der umlagefinanzierten gesetzlichen Rentenversicherung sicherstellen. Wer also durch eine wenigstens 45-jährige Pflichtbeitragsleistung den Solidarausgleich in der gesetzlichen Rentenversicherung mitgetragen hat, soll als soziale Ausgleichsleistung von der beschleunigten und verkürzten Anhebung der Altersgrenze ausgenommen bleiben (
vgl. Hauck/Haines Sozialgesetzbuch
SGB VI, Gesetzliche Rentenversicherung Kommentar, § 236
Anm.11).
Schließlich wird der Kläger auch nicht gegenüber solchen Versicherten unangemessen benachteiligt, deren Beitragszeiten auf Grund der Vorschrift des § 55
Abs. 2
SGB VI als "gleichgestellte" Pflichtbeitragszeiten mit in die Berechnung der 540 Kalendermonate nach § 237
Abs.4 Satz 1 Ziffer 3
SGB VI einfließen.
Prinzipiell verhilft die Regelung des § 55
Abs.2
SGB VI nur zur Erfüllung der Rentenvoraussetzungen dem Grunde nach und will damit besonders einschneidende Rechtsnachteile in der Form einer vollständigen Anspruchsverfehlung vermeiden. Darüber hinaus trägt sie - ob gleich es sich hierbei nicht um die Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde nach handelt - nach dem eindeutigen Gesetzes wortlaut zu Gunsten langjährig Pflichtversicherter zur Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme einer vorzeitigen Altersrente bei. Aus der Einbeziehung des § 55
Abs.2
SGB VI in die Regelung des § 237
Abs.4 Satz 1 Ziffer 3
SGB VI und mit Rücksicht auf deren dargestellten Sinn und Zweck wird deutlich, dass jedenfalls das wesentliche Kriterium und Anknüpfungspunkt für die Annahme einer langjährigen Zugehörigkeit zur Solidargemeinschaft - auch bei der Gleichstellung mit Pflichtbeitragszeiten, die nicht an die Ausübung einer versicherungspflichtigen Tätigkeit anknüpfen - die Entrichtung von Beiträgen ist. Das rechtfertigt es, Zeiten von Versicherten, für die während einer Rehamaßnahme - aus Rechtsgründen - keine Beiträge entrichtet wurden, nicht in die Berechnung der nach § 237
Abs.4 Satz 1 Ziffer 3 erforderlichen 540 Monate mit einzubeziehen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193
SGG.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160
Abs. 1 und 2
SGG nicht vorliegen.