Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Berufung wird zugelassen.
Der Streitwert wird auf 2.296,56 Euro festgesetzt.
Die Klägerin begehrt von der Beklagten Kostenerstattung für erbrachte Leistungen der medizinischen Rehabilitation - Anschlussheilbehandlung (AHB) - in Höhe von 2.296,56 Euro.
Die am ... 19.. geborene Versicherte C E (nachfolgend: Versicherte) ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Sie führte in der Zeit vom 20.06.2007 bis zum 11.07.2007 eine AHB-Leistung durch. Die Klägerin bewilligte die AHB mit Bescheid vom 02.07.2007 im Auftrag und für Rechnung der Beklagten, weil sich die Versicherte seit April 2006 in der passiven Phase (Freistellungsphase) eines Altersteilzeitmodells befand. Nachdem sich die Beteiligten vorgerichtlich nicht über die Kostentragung einigen konnten, hat die Klägerin am 23.05. 2008 Klage erhoben, mit der sie die Erstattung der von ihr verauslagten Kosten der AHB begehrt.
Sie verweist zur Begründung auf die Entscheidung des 4. Senats des
BSG vom 14.12.2006 (B 4 R 19/06 R) und ist der Ansicht, dass ihre Zuständigkeit zur Erbringung der AHB-Leistung mangels Vorliegens der persönlichen Voraussetzungen der §§ 9
Abs. 1 Satz 1, 10
Abs. 1
SGB VI nicht gegeben sei, da das Erwerbsleben des Versicherten mit Beginn der Freistellungsphase geendet habe und die in § 9
Abs. 1 Satz 1
SGB VI genannten Ziele ab diesem Zeitpunkt nicht mehr erreicht werden könnten. Die nach § 8
Abs. 3 ATG bestehende rechtliche Möglichkeit, an die Freistellungsphase eine weitere Arbeitsphase anschließen zu lassen, sei unerheblich, wenn zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung über die beantragten Leistungen keine konkreten Anhaltspunkte im Einzelfall vorlägen, dass der/die Versicherte beabsichtige, diese Option auch tatsächlich wählen zu wollen. Ohne eine solche entsprechende Willensbetätigung gelte der Grundsatz des § 1 ATG, wonach die Altersteilzeitarbeit älteren Arbeitnehmern einen gleitenden Übergang vom Erwerbsleben in die Altersrente ermöglichen solle. Zum Zeitpunkt der Entscheidung über den vorliegenden Antrag hätten keine Anhaltspunkte vorgelegen, dass die Versicherte entgegen § 1 ATG nicht dauerhaft aus dem Erwerbsleben ausscheiden habe wollen, weshalb die Rehabilitationsziele des § 9
Abs. 1 Satz 1
SGB VI nicht hätten erfüllt werden können.
Die Klägerin beantragt (sinngemäß),
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2.296,56 Euro zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass die persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der §§ 9 bis 11
SGB VI erfüllt seien und auch kein Ausschlusstatbestand nach § 12
Abs. 1
Nr. 4 a
SGB VI vorliege und verweist zur Begründung auf die Entscheidung des 1. Senats des
BSG vom 26.06.2007 (
B 1 KR 34/06 R). Die Altersteilzeit bedeute nicht zugleich ein dauerhaftes Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Erwerbsleben. Auch die von der Klägerin angeführte Entscheidung des 4. Senats des
BSG entbinde nicht von der Einzelfallprüfung, wonach im Einzelfall zu prüfen sei, ob im Zeitpunkt der Leistung durch die Klägerin zukunftsgerichtet das erreichen der in § 9
Abs. 1
SGB VI genannten Ziele ausgeschlossen gewesen sei. Hierzu habe die Klägerin nichts vorgetragen.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsakten der Beteiligten verwiesen, die Gegenstand der Entscheidung waren.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Absatz 2
SGG einverstanden erklärt.
Die Kammer konnte gemäß § 124
Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten zuvor ihr Einverständnis damit erklärt hatten.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Klage ist gemäß § 54 Absatz 5
SGG als allgemeine Leistungsklage zulässig. Die Klägerin kann ihr Erstattungsbegehren nicht im Wege eines Verwaltungsaktes durchsetzen, da zwischen den Sozialleistungsträgern kein Über- und Unterordnungsverhältnis bei Erstattungsstreitigkeiten besteht. Die Träger stehen sich gleichrangig gegenüber, sodass Maßnahmen hoheitlicher Regelung in diesem Verhältnis nicht möglich sind.
Die Klage ist unbegründet. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Erstattung der Kosten der AHB-Leistung gegen die beklagte Krankenkasse zu, da sie diese Leistung nicht für einen anderen Rehabilitationsträger, sondern in eigener Zuständigkeit erbracht hat.
Ein Erstattungsanspruch der Klägerin kommt vorliegend nach § 6 der zwischen der Klägerin und dem Verband der Angestellten-Krankenkassen e.V. sowie dem Arbeiter-Ersatzkassen-Verband e. V. sowie den Mitgliedskassen geschlossenen Vereinbarung über ein gemeinsames AHB-Verfahren (AHB-Vereinbarung) vom 01.04.1998
bzw. nach § 104
SGB X in Betracht.
§ 14 SGB IX - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - schließt die Anwendung von §§ 102 ff
SGB X nicht aus (
vgl. BSG Urteil vom 26. Juni 2007 - B 1 KR 34/06 R). Dasselbe gilt für die Regelungen der AHB-Vereinbarung, die im Sinne einer unverzüglichen und verwaltungsarmen Versorgung der Versicherten die Leistungserbringung stets zunächst dem Rentenversicherungsträger überträgt und eine endgültige Zuständigkeitsklärung erst im nachgehenden Kostenerstattungsverfahren vorsieht.
Die Voraussetzungen des § 6 der AHB-Vereinbarung
bzw. des § 104
SGB X sind aber nicht erfüllt. Beide setzen voraus, dass die Klägerin als unzuständiger Rehabilitationsträger die Leistung erbracht hat. Dies war vorliegend nicht der Fall. Die Klägerin ist kein unzuständiger Leistungsträger gewesen, als sie der Versicherten die Rehabilitationsmaßnahme leistete. Vielmehr war sie selbst der zuständig verpflichtete Leistungsträger.
§ 40 Absatz 4 SGB V beruft die beklagte Krankenkasse nur zu Leistungen der medizinischen Rehabilitation nach § 40 Absatz 1 und 2
SGB V, wenn nach den für andere Träger der Sozialversicherung geltenden Vorschriften mit Ausnahme des § 31
SGB VI solche Leistungen nicht erbracht werden können. Daran fehlt es. Die Klägerin musste der Versicherten die Rehabilitationsmaßnahme nach den Bestimmungen des
SGB VI bzw. der (insofern inhaltsgleichen) AHB-Vereinbarung leisten.
Der Bezug von Leistungen nach dem Altersteilzeitgesetz - ATG - stellt keinen Ausschlussgrund
i.S.d. § 12 Absatz 1
Nr. 4 a
SGB VI bzw. des § 5
Abs. 1, 3. Sp.-Str.,
Abs. 2, 3. Sp.-Str. der AHB-Vereinbarung dar. Nach diesen Vorschriften werden Leistungen zur Teilhabe
bzw. AHB-Leistungen durch den Rentenversicherungsträger nicht für Versicherte erbracht, die eine Leistung beziehen, die regelmäßig bis zum Beginn einer Rente wegen Alters gezahlt wird. Diese Voraussetzung war für die Versicherte, die lediglich aufgestocktes Altersteilzeitentgelt von ihrem Arbeitgeber in der Passivphase der Altersteilzeit bezog, nicht erfüllt.
Bei dem aufgestockten Entgelt für die Altersteilzeitarbeit handelt es sich nicht um Leistungen für Personen, die "dauerhaft" aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind und durch betriebliche Versorgungsleistungen auf die Altersrente hingeführt werden. Altersteilzeitarbeit kann nicht mit dem dauerhaften Ausscheiden aus dem Erwerbsleben gleichgesetzt werden. Die Altersteilzeit muss auf einen Zeitpunkt erstreckt werden, von dem an Rente wegen Alters beansprucht werden kann. Das bedeutet aber nicht auch, dass der Arbeitnehmer damit dauerhaft aus dem Erwerbsleben ausgeschieden ist. An die Phase der Altersteilzeit kann sich eine weitere Arbeitsphase anschließen. Auch kann der Arbeitnehmer nach Abschluss der Altersteilzeitarbeit Arbeitslosengeld beanspruchen. Er ist deshalb zu diesem Zeitpunkt nicht gehalten, Altersrente zu beanspruchen. Seiner Rechtsnatur nach ist das Altersteilzeitverhältnis ein vollwertiges Arbeitsverhältnis (
vgl. Urteil des
BSG vom 26.06.2007, a.a.0.).
In Anwendung dieser Grundsätze bezog die Versicherte bei Beginn der Anschlussheilbehandlung nicht eine Leistung, die regelmäßig bis zum Beginn einer Rente wegen Alters gezahlt wird, sondern lediglich aufgestockten Lohn gemäß § 3 Absatz 1 Satz 1 ATG. Dabei ist es nicht erheblich, ob sich die Versicherte bei Beginn der Anschlussheilbehandlung in der aktiven oder passiven Phase der Altersteilzeit befindet (
vgl. Urteil des
BSG, a.a.0.).
Die von der Klägerin in Parallelverfahren vertretene und auf die Entscheidung des 4. Senats des
BSG vom 14.12.2006 (B 4 R 19/06 R) gestützte Ansicht, dass unabhängig vom Vorliegen eines Ausschlussgrundes nach § 12
Abs. 1
SGB VI bereits im Rahmen der persönlichen Voraussetzungen des Leistungsanspruchs nach § 10
Abs. 1
SGB VI zu prüfen ist, ob der Versicherte sein Erwerbsleben auf Dauer angelegt aufgegeben hat, was mit dem Beginn der Freistellungsphase grundsätzlich der Fall sein soll, vermag die Kammer nicht zu überzeugen.
§ 9
Abs. 1
SGB VI regelt nur allgemein vorab die Aufgaben der Leistungen zur Teilhabe im Sinne einer Zielvorstellung (Niesel , in Kasseler Kommentar, 56. EL 2007, § 9
SGB VI Rdnr. 2). Diese wird durch die die eigentlichen Voraussetzungen der Teilhabeleistungen regelnden §§ 10 bis 12
SGB VI konkretisiert (
vgl. § 9
Abs. 2
SGB VI). Dass das Ziel der Teilhabeleistungen bei Versicherten, die ihr Erwerbsleben auf Dauer angelegt aufgegeben haben, grundsätzlich nicht mehr erreicht werden kann, mag zwar an sich zutreffend sein. Diesem Umstand wird jedoch für den vorliegenden Fall ausschließlich die Vorschrift des § 12
Abs. 1
Nr. 4a
SGB VI gerecht. Diese Vorschrift hat nach dem Willen des Gesetzgebers auch den Zweck, ältere Versicherte, die bereits dauerhaft aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind und durch Lohnersatzleistungen auf die Altersrente hingeführt werden, von Reha-Leistungen auszuschließen (BT-Drucks. 13/4610,
S. 21 zu
Nr. 4; Niesel , a.a.O., § 12
Rdnr. 15a; Hervorhebung nur hier). § 10
Abs. 1
SGB VI regelt dagegen ausschließlich die persönlichen Voraussetzungen der Leistungen und stellt hierbei allein auf die Erwerbsfähigkeit als solche ab, und zwar ( mit Ausnahme der hier nicht einschlägigen § 10
Abs. 1
Nr. 2 c)
SGB VI) unabhängig davon, ob der Versicherte noch einer Erwerbstätigkeit nachgeht oder nachgehen wird/will. Würde man das Vorliegen der persönlichen Voraussetzungen des § 10
SGB VI im Einzelfall allein deshalb verneinen, weil der Versicherte sein Erwerbsleben dauerhaft aufgegeben hat, wäre der Ausschlusstatbestand des § 12
Abs. 1
Nr. 4a
SGB VI nicht nur überflüssig, vielmehr widerspräche dies auch dem mit dieser Regelung zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers, dass die (regelmäßige) dauerhafte Aufgabe des Erwerbslebens allein noch nicht zum Ausschluss der Leistung führen soll, sondern nur dann, wenn der Versicherte zudem durch Lohnersatzleistungen auf die Altersrente hingeführt wird (
vgl. BT-Drucks., a.a.O.).
Dementsprechend kommt es nur allgemein darauf an, ob der oder die Versicherte eine Leistung erhält, die regelmäßig bis zum Beginn der Altersrente gezahlt wird (§ 12
Abs. 1
Nr. 4 a)
SGB VI). Ob im Einzelfall das Erwerbsleben endgültig aufgegeben wurde, ist dagegen im Hinblick auf den Anspruch auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach dem
SGB VI irrelevant.
Dementsprechend hat auch der 1. Senat des
BSG in seiner Entscheidung vom 26.06.2007 (B 1 KR 34/06 R) im Fall eines Versicherten, der nur
ca. 2 Monate vor der passiven Phase der Altersteilzeit stand, ohne weitere Begründung das Vorliegen der §§ 9-11
SGB VI bejaht und sich lediglich mit den Voraussetzungen des § 12
Abs. 1
Nr. 4a
SGB VI näher auseinandergesetzt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a
Abs. 1
SGG i.V.m. § 154
Abs. 1 VWGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a
Abs. 1
SGG i.V.m. § 52
Abs. 1 und 3 GKG.
Die Zulassung der gemäß § 144
Abs. 1
Nr. 2
SGG zulassungsbedürftigen Berufung erfolgte, weil die Kammer der Sache wegen der wohl divergierenden Rechtsauffassungen in den Entscheidungen des 1. und des 4. Senats des
BSG grundsätzliche Bedeutung beimisst (§ 144
Abs. 2 Nrn. 1 und 2
SGG).