Urteil
Leistungen zur Teilhabe eines Rentenversicherungsträgers sind während der Altersteilzeit für Versicherte nicht ausgeschlossen

Gericht:

BSG 1. Senat


Aktenzeichen:

B 1 KR 32/09 R


Urteil vom:

22.06.2010


Terminvorschau:

(Nr. 36/10 vom 14. Juni 2010)

Der 1947 geborene, bei der Klägerin renten- und der Beklagten krankenversicherte S. befand sich seit April 2006 in der passiven Phase (Freistellungsphase) eines Altersteilzeit-Blockmodells. Ende November 2007 stellte er bei der Beklagten einen Antrag auf Anschlussheilbehandlung (AHB), den diese an die Klägerin weiterleitete. Die Klägerin bewilligte als zweitangegangener Träger eine stationäre Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation (Reha) mit der Maßgabe, dass sie diese für die Beklagte durchführe, weil die Voraussetzungen für eine Leistung aus der Rentenversicherung (RV) nicht erfüllt seien. Nach Durchführung der Maßnahme forderte die Klägerin von der Beklagten die Erstattung der durch die Reha-Maßnahme entstandenen Kosten: Da sich der Versicherte in der Freistellungsphase der Altersteilzeit befunden habe, fehle es an der Leistungspflicht der RV. Die Beklagte trat dem unter Hinweis auf Rechtsprechung des 1. Senats des BSG (Urteil vom 26.6.2007 - B 1 KR 34/06 R, BSGE 98, 267 = SozR 4-3250 § 14 Nr 4) entgegen.

Die auf Erstattung von 3.293,29 Euro gerichtete Klage ist in erster Instanz ohne Erfolg geblieben. Das LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen: Ihr stehe weder aus § 6 der zwischen Ersatzkassen und RV-Trägern geschlossenen AHB-Vereinbarung noch aus § 104 SGB X ein Erstattungsanspruch zu. Sie habe nicht als "unzuständiger" Reha-Träger geleistet, sondern die Leistungen in eigener Zuständigkeit erbringen müssen. Der Bezug von Leistungen nach dem Altersteilzeitgesetz (AltTZG) sei kein Ausschlussgrund iS des § 12 Abs 1 Nr 4a SGB VI bzw der AHB-Vereinbarung. Der Bezug von aufgestocktem Altersteilzeitentgelt des Arbeitgebers in der Passivphase der Altersteilzeit bedeute kein dauerhaftes Ausscheiden aus dem Arbeitsleben. Die gegenteilige Auffassung der Klägerin und des 4. Senats des BSG (Urteil vom 14.12.2006 - B 4 R 19/06 R, SozR 4-3250 § 14 Nr 3) sowie die an der Rechtsprechung des 1. Senats des BSG geäußerte Kritik überzeugten nicht. Obwohl spätestens mit dem Ausscheiden aus der Aktivphase der Altersteilzeit ein Arbeitsplatz frei gemacht werden müsse, werde der Versicherte dadurch nicht zwingend zum Rentner. Es sei ihm nicht verwehrt, anschließend oder auch unter Aufgabe der Ansprüche nach dem AltTZG erneut in das Erwerbsleben einzutreten.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung von § 10 und § 12 Abs 1 Nr 4a SGB VI. Das Merkmal "Gefährdung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit" als Voraussetzung für den Anspruch auf eine Reha-Maßnahme erfordere die weitere Teilnahme am Erwerbsleben im konkreten Fall. Die RV-Träger folgten dem Urteil des 1. Senats des BSG vom 26.6.2007 daher nur, soweit sich der Versicherte noch in der aktiven Phase eines Altersteilzeit-Blockmodells befinde, und schlössen sich dem Urteil des 4. Senats vom 14.12.2006 an. Reha-Ziele könnten bei Aufgabe des Erwerbslebens grundsätzlich nicht mehr erreicht werden, was bei einer Prognose jedenfalls bei Beginn der Freistellungsphase anzunehmen sei. Das aufgestockte Arbeitsentgelt sei zudem eine Leistung iS von § 12 Abs 1 Nr 4a SGB VI, die regelmäßig bis zum Beginn einer Rente wegen Alters gezahlt werde. Mit Eintritt in die Freistellungsphase einer Altersteilzeit vollziehe sich regelmäßig ein "Austritt" aus dem Erwerbsleben. Es müsse im Einzelfall geprüft werden, ob die Voraussetzungen des § 12 Abs 1 Nr 4a SGB VI auch tatsächlich vorlägen.

Nachtrag zum Terminbericht:

(Nr. 36/10 vom 3. November 2010)

Die Revision der klagenden Deutschen Rentenversicherung Bund ist ohne Erfolg geblieben. Die Voraussetzungen eines Erstattungsanspruchs gegen die beklagten Ersatzkassen sind nicht erfüllt, weil die Klägerin materiell-rechtlich originär dafür zuständig war, die stationäre Maßnahme der Rehabilitation (Reha) zu erbringen. Der (in seinem Katalog abschließende) Leistungsausschluss nach § 12 Abs 1 Nr 4a SGB VI greift nicht ein. Die Vorschrift erfasst nur Leistungen, mit denen regelmäßig das endgültige Ausscheiden des Versicherten aus dem Erwerbsleben verbunden ist. Eine solche Konstellation hatte der Senat für aufgestocktes Altersteilzeitentgelt in der Aktivphase eines Block-Altersteilzeitmodells verneint (vgl BSGE 98, 267 = SozR 4-3250 § 14 Nr 4, insbesondere RdNr 36), weil der Versicherte auch nach Abschluss der Altersteilzeit noch eine weitere Arbeitsphase anschließen oder wieder Arbeitslosengeld beanspruchen kann. Nichts anderes kann in Fällen gelten, in denen sich der Betroffene in der passiven Phase der Altersteilzeit befindet. Auch damit ist sein zwangsläufig vollständiges Ausscheiden aus der Erwerbsphase nicht verbunden. Weder ändert sich in dieser Phase der rechtliche Status des Versicherten noch ist er gehindert, etwa bei einem Sinneswandel erneut erwerbstätig zu sein.

Hinweis:

Fachbeiträge zum Thema finden Sie im Diskussionsforum Rehabilitations- und Teilhaberecht der Deutschen Vereinigung für Rehabilitation (DVfR) unter:
http://www.reha-recht.de/fileadmin/download/foren/a/2011/A17...
http://www.reha-recht.de/fileadmin/download/foren/a/2011/A28...

Rechtsweg:

SG Berlin Urteil vom 16.10.2008 - S 36 KR 1145/08
LSG Berlin-BrandenburgUrteil vom 20.11.2009 - L 1 KR 436/08

Quelle:

Bundessozialgericht

Tatbestand:

Die klagende Deutsche Rentenversicherung (RV) Bund begehrt von der beklagten Ersatzkasse die Kostenerstattung für eine stationären Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation (Reha) in Form einer Anschlussheilbehandlung (AHB).

Der 1947 geborene, bei der Klägerin renten- und der Beklagten krankenversicherte S. (Versicherter) befand sich seit April 2006 in der passiven Phase (Freistellungsphase) eines Altersteilzeit-Blockmodells. Im Anschluss an einen Krankenhausaufenthalt stellte er Ende November 2007 bei der Beklagten einen Antrag auf AHB, den diese an die Klägerin weiterleitete. Die Klägerin bewilligte als zweitangegangener Träger die Reha-Maßnahme mit der Maßgabe, dass sie diese für die Beklagte durchführe, weil die Voraussetzungen für eine Leistung aus der gesetzlichen RV nicht erfüllt seien (Bescheid vom 13.12.2007).

Nachdem die Maßnahme vom 11.12.2007 bis 8.1.2008 stattgefunden hatte, forderte die Klägerin mit Schreiben vom 24.1.2008 von der Beklagten die Erstattung der durch die AHB entstandenen Kosten; da sich der Versicherte in der Freistellungsphase der Altersteilzeit befunden habe, fehle es an der Leistungspflicht der gesetzlichen RV. Die Beklagte trat dem unter Hinweis auf Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 26.6.2007 - B 1 KR 34/06 R, BSGE 98, 267 = SozR 4-3250 § 14 Nr 4) entgegen.

Die auf Erstattung von 3293,29 Euro gerichtete Klage ist in erster Instanz ohne Erfolg geblieben: Der Klägerin stehe weder aus § 6 der zwischen den Ersatzkassen und den RV-Trägern geschlossenen AHB-Vereinbarung vom 1.4.1998 noch aus § 104 SGB X ein Erstattungsanspruch zu. Sie habe nicht als "unzuständiger" Reha-Träger geleistet, sondern die Leistungen nach §§ 9 ff SGB VI in eigener Zuständigkeit erbringen müssen. § 10 SGB VI stelle allein auf die Erwerbsfähigkeit als solche ab, unabhängig davon, ob der Versicherte noch dauerhaft einer Tätigkeit nachgehen werde oder wolle. Einer anderen Auslegung stehe der gesondert geschaffene, dann überflüssige Ausschlusstatbestand des § 12 Abs 1 Nr 4a SGB VI entgegen. Der Bezug von Leistungen nach dem Altersteilzeitgesetz (AltTZG) sei kein Ausschlussgrund im Sinne des § 12 Abs 1 Nr 4a SGB VI bzw der AHB-Vereinbarung. Der Bezug von nur aufgestocktem Altersteilzeitentgelt des Arbeitgebers in der Passivphase der Altersteilzeit bedeute - wie der 1. Senat des BSG (aaO) entschieden habe - kein dauerhaftes Ausscheiden aus dem Arbeitsleben. Die gegenteilige Auffassung der Klägerin und des 4. Senats des BSG (Urteil vom 14.12.2006 - B 4 R 19/06 R, SozR 4-3250 § 14 Nr 3) überzeuge nicht (Urteil vom 16.10.2008).

Das LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und vollumfänglich auf die Begründung des SG-Urteils verwiesen. Die in der Literatur an der Rechtsprechung des 1. Senats des BSG geäußerte Kritik führe zu keinem anderen Ergebnis. Auch wenn der Gesetzgeber gewollt habe, dass spätestens mit dem Ausscheiden aus der Aktivphase der Altersteilzeit ein Arbeitsplatz frei gemacht werde, müsse der Versicherte gleichwohl keineswegs zwingend nahtlos zum Rentner werden. Es sei dem Betroffenen nicht verwehrt, anschließend oder auch unter Aufgabe der Ansprüche nach dem AltTZG erneut in das Erwerbsleben einzutreten (Urteil vom 20.11.2009).

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung von § 10 und § 12 Abs 1 Nr 4a SGB VI. § 10 SGB VI stelle bei dem Merkmal "Gefährdung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit" nicht allein auf die Erwerbsfähigkeit als solche ab, sondern erfordere konkret die weitere Teilnahme am Erwerbsleben. Das ergebe sich aus den Regelungen über die Auswahl der Leistungen zur Teilnahme am Arbeitsleben nach § 16 SGB VI iVm § 33 Abs 4 Satz 1 SGB IX. Die RV-Träger folgen dem Urteil des 1. Senats des BSG vom 26.6.2007 (aaO) nur, soweit der Versicherte noch in der aktiven Phase der Altersteilzeit sei, und schlössen sich im Übrigen dem Urteil des 4. Senats des BSG vom 14.12.2006 (aaO) an. Die Reha-Ziele des § 9 SGB VI könnten bei einer Aufgabe des Erwerbslebens grundsätzlich nicht mehr erreicht werden, was im Rahmen einer vorzunehmenden Prognosebeurteilung jedenfalls bei Beginn der Freistellungsphase der Fall sei. Die theoretische Möglichkeit der Rückkehr in das Erwerbsleben decke sich nicht mit der Lebenswirklichkeit. Hilfsweise werde geltend gemacht, dass § 12 Abs 1 Nr 4a SGB VI verletzt sei, weil das aufgestockte Arbeitsentgelt mit Blick auf § 2 Abs 1 Nr 2 AltTZG eine Leistung sei, die regelmäßig bis zum Beginn einer Rente wegen Alters gezahlt werde. Da sich mit Eintritt in die Freistellungsphase regelmäßig ein "Austritt" aus dem Erwerbsleben vollziehe, müsse zumindest in jedem Einzelfall geprüft werden, ob die Voraussetzungen des § 12 Abs 1 Nr 4a SGB VI auch tatsächlich vorlägen.


Die Klägerin beantragt sinngemäß,

die Urteile des Landessozialgerichts Berlin Brandenburg vom 20. November 2009 und des Sozialgerichts Berlin vom 16. Oktober 2008 aufzuheben sowie die Beklagte zu verurteilen, an sie 3293,29 Euro zu zahlen.


Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das LSG-Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 124 Abs 2 SGG).

Die Revision der klagenden RV-Trägerin ist nicht begründet. Zu Recht hat das LSG ihre Berufung gegen das klageabweisende SG-Urteil zurückgewiesen, denn ihr steht kein Anspruch auf Zahlung von 3293,29 Euro gegen die beklagte Ersatzkasse zu. Die Voraussetzungen eines Erstattungsanspruchs sind nicht erfüllt.

1. Die Klägerin kann als zweitangegangene Leistungsträgerin gegen die Beklagte (als von der Klägerin als materiell-rechtlich originär zuständig angesehene Reha-Trägerin) grundsätzlich einen Erstattungsanspruch aus § 14 Abs 4 Satz 1 SGB IX (idF durch Art 1 des Gesetzes vom 19.6.2001, BGBl I 1046 nebst nachfolgenden Änderungen, zuletzt durch Art 1 des Gesetzes vom 23.4.2004, BGBl I 606) haben. Diese Regelung bestimmt: "Wird nach Bewilligung der Leistung durch einen Rehabilitationsträger nach Abs 1 Satz 2 bis 4 festgestellt, dass ein anderer Rehabilitationsträger für die Leistung zuständig ist, erstattet dieser dem Rehabilitationsträger, der die Leistung erbracht hat, dessen Aufwendungen nach den für diesen geltenden Rechtsvorschriften." Dieser spezielle Anspruch ist begründet, soweit der Versicherte vom Träger, der ohne die Regelung in § 14 SGB IX zuständig wäre, die gewährte Maßnahme hätte beanspruchen können (vgl zum Ganzen BSGE 98, 277 = SozR 4-2500 § 40 Nr 4, RdNr 9 ff; BSGE 98, 267 = SozR 4-3250 § 14 Nr 4, RdNr 18 ff; BSG, Urteil vom 8.9.2009 - B 1 KR 9/09 R, RdNr 11 mwN, zur Veröffentlichung in SozR 4-3250 § 14 Nr 10 vorgesehen). Die Regelung begründet einen Ausgleich dafür, dass der zweitangegangene Reha-Träger - bei Vorliegen eines entsprechenden Reha-Bedarfs - die erforderlichen Reha-Leistungen (spätestens nach drei Wochen) selbst dann erbringen muss, wenn er der Meinung ist, hierfür nicht zuständig zu sein. Dabei handelt es sich um eine gleichsam "aufgedrängte Zuständigkeit" (vgl BSGE 98, 267 = SozR 4-3250 § 14 Nr 4, RdNr 21). Diese in § 14 Abs 2 Satz 1 und 3 SGB IX geregelte Zuständigkeitszuweisung erstreckt sich im Außenverhältnis zum Versicherten auf alle Rechtsgrundlagen, die in dieser Bedarfssituation für Reha-Träger vorgesehen sind. Im Verhältnis zum behinderten Menschen wird dadurch eine eigene gesetzliche Verpflichtung des zweitangegangenen Trägers begründet, die - vergleichbar der Regelung des § 107 SGB X - einen endgültigen Rechtsgrund für das Behaltendürfen der Leistung in diesem Rechtsverhältnis bildet. Im Verhältnis der Reha-Träger untereinander ist jedoch eine Lastenverschiebung ohne Ausgleich nicht bezweckt. Den Ausgleich bewirkt der Anspruch nach § 14 Abs 4 Satz 1 SGB IX.

Einen ähnlichen Anspruch könnte die Klägerin im Übrigen stützen auf § 6 der ab 1.4.1998 geltenden, zwischen der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte und dem Verband der Angestellten-Krankenkassen/Arbeiterersatzkassenverband geschlossenen, nach dem Vorbringen der Beteiligten zwischen diesen auch weiterhin angewandten "Vereinbarung über ein gemeinsames Verfahren bei den Anschlussheilbehandlungen (AHB-Vereinbarung)". Danach werden die Kosten der Durchführung einer AHB, die in den Zuständigkeitsbereich der Ersatzkasse fällt, von dem RV-Träger mit der Reha-Einrichtung abgerechnet; anschließend erstattet die Ersatzkasse dem RV-Träger alle im Zusammenhang mit der Durchführung der Reha-Leistung entstehenden Kosten.

2. Die Voraussetzungen des Erstattungsanspruchs nach § 14 Abs 4 Satz 1 SGB X bzw nach § 6 AHB-Vereinbarung sind vorliegend indessen nicht erfüllt, denn die Beklagte war nicht der für die dem Versicherten gewährte Maßnahme zuständige Träger.

a) § 40 Abs 4 SGB V beruft die beklagte Ersatzkasse nur zu Leistungen der medizinischen Reha nach § 40 Abs 1 und 2 SGB V, wenn nach den für andere Träger der Sozialversicherung geltenden Vorschriften mit Ausnahme des § 31 SGB VI solche Leistungen nicht erbracht werden können. Dies war hier nicht der Fall. Grundsätzlich trifft den RV-Träger die Pflicht, medizinische Reha-Maßnahmen zu leisten (§ 9 SGB VI). Entgegen ihrer Ansicht hatte die Klägerin hier als RV-Trägerin die Leistung zu erbringen, weil der rentenversicherungsrechtliche Leistungsausschlussgrund nach § 12 Abs 1 Nr 4a SGB VI nicht vorlag.

b) Nach § 12 Abs 1 Nr 4a SGB VI werden Leistungen zur Teilhabe von einem Träger der gesetzlichen RV nicht für Versicherte erbracht, "die eine Leistung beziehen, die regelmäßig bis zum Beginn einer Rente wegen Alters gezahlt wird". Diese Voraussetzung ist - wie im vorliegenden Fall - bei Versicherten, die lediglich aufgestocktes Altersteilzeitentgelt von ihrem Arbeitgeber während einer Altersteilzeit beziehen, selbst dann nicht erfüllt, wenn sie sich bereits in der Passivphase eines Altersteilzeit-Blockmodells befinden (ebenso Hirsch in Reinhardt, LPK-SGB VI, 2006, § 12 RdNr 7; aA: BSG (4. Senat) SozR 4-3250 § 14 Nr 3 RdNr 44; Wurm in Jahn/Jansen, SGB für die Praxis, Stand 2007, § 12 SGB VI RdNr 10, 11; Kommentar zum Recht der gesetzlichen RV, Stand 2008, § 12 SGB VI Anm 6.1 und 6.2.1; Verhorst in Ruland/Försterling, GK-SGB VI, § 12 RdNr 99 (Kommentierungsstand März 2009); Lilge, Gesetzliche RV, Stand 2009, § 12 SGB VI Anm 6.3; Kater in KassKomm, Stand 1.1.2010, § 12 SGB VI RdNr 15c; Rieker, jurisPR-SozR 19/2009 Anm 3).

Der Senat hält auch bezogen auf die vorliegende Fallkonstellation weiterhin seine Ausführungen im Urteil vom 26.6.2007 - B 1 KR 34/06 R (BSGE 98, 267 = SozR 4-3250 § 14 Nr 4 Leitsatz 3 und RdNr 31 ff) aufrecht, wonach für Versicherte während der Altersteilzeit Leistungen zur Teilhabe eines RV-Trägers nicht ausgeschlossen sind. Danach gilt weiter, dass es sich bei aufgestocktem Entgelt für die Altersteilzeitarbeit nicht um Leistungen für Personen handelt, die "dauerhaft" aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind und durch betriebliche Versorgungsleistungen auf die Altersrente hingeführt werden. Durch Altersteilzeitarbeit soll vielmehr älteren Arbeitnehmern nur ein gleitender Übergang vom Erwerbsleben in die Altersrente ermöglicht werden (vgl § 1 AltTZG vom 23.7.1996, BGBl I 1078). Die Altersteilzeit muss lediglich bis auf einen Zeitpunkt erstreckt werden, von dem an Rente wegen Alters beansprucht werden kann; dieses ist aber nicht gleichbedeutend damit, dass der Arbeitnehmer dauerhaft aus dem Erwerbsleben ausgeschieden ist (vgl § 2 Abs 1 Nr 2 AltTZG idF des Gesetzes vom 20.12.1999, BGBl I 2494). Aus § 8 Abs 3 und § 10 Abs 1 Satz 2 AltTZG ist nämlich zu entnehmen, dass sich an die Phase der Altersteilzeit eine weitere Arbeitsphase oder Arbeitslosigkeit anschließen kann und dass der Betroffene nicht gehalten ist, im Anschluss an die Altersteilzeit Altersrente in Anspruch zunehmen. Das Altersteilzeitverhältnis ist seiner Rechtsnatur nach ein vollwertiges Arbeitsverhältnis. Die abschließende Regelung des § 12 SGB VI lässt darüber hinaus auch für eine entsprechende (analoge) Anwendung der Norm keinen Raum.

Zwar betraf das Urteil des Senats vom 26.6.2007 einen Versicherten, der sich noch in der letzten Aktivphase eines Altersteilzeit-Blockmodells befand (aaO, RdNr 32), während der Versicherte hier bereits das Stadium der Freistellung von der Arbeit erreicht hatte. Dies rechtfertigt jedoch keine unterschiedliche Beurteilung (anders - allerdings nicht entscheidungstragend, sondern lediglich im Rahmen eines obiter dictums - der nach dem Geschäftsverteilungsplan des BSG für Angelegenheiten der RV nicht mehr zuständige 4. Senat des BSG, Urteil vom 14.12.2006 - SozR 4-3250 § 14 Nr 3 RdNr 44). Entscheidend für die Auffassung des erkennenden Senats ist, dass es in Bezug auf die rechtlich relevanten Umstände keinen Unterschied macht, ob sich der betroffene Versicherte noch in der Aktivphase oder schon in der Passivphase einer in Blöcken wahrgenommenen Altersteilzeit befindet. Auch während des Laufs der Passivphase ändert sich weder der rechtliche Status des Versicherten als Beschäftigter in Altersteilzeit (vgl auch § 7 Abs 1a SGB IV) noch ist ihm die Möglichkeit verschlossen, etwa bei einem Sinneswandel erneut wieder in das Erwerbsleben einzutreten oder sich arbeitsuchend dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stellen; insbesondere wird er auch mit Erreichen der Passivphase nicht schon zu einem aus dem Arbeitsleben endgültig ausgeschiedenen Altersrentner.

c) Die von der Beklagten gegen diese rechtliche Sichtweise vorgebrachten Argumente können nicht überzeugen.

So kommt es für die Auslegung des Merkmals "Gefährdung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit" bei § 10 SGB VI lediglich auf die Erwerbsfähigkeit als solche an, während es - mit Ausnahme des § 10 Abs 1 Nr 2c SGB VI - im Rahmen dieser Regelung nicht entscheidend ist, ob der Versicherte tatsächlich noch einer Erwerbstätigkeit nachgeht oder nachgehen will; die Prüfung dieses Umstandes erfolgt gerade bei dem insoweit einschlägigen § 12 Abs 1 Nr 4a SGB VI. Dass die Reha-Ziele des § 9 SGB VI im Falle einer bereits vollzogenen Aufgabe des Erwerbslebens mangels dann fehlenden Bezugs der begehrten Reha-Leistungen zum Merkmal der "Erwerbsfähigkeit" nicht mehr erreicht werden können, steht außer Streit; indessen ist es im vorliegenden Fall gerade fraglich, ob und unter welchen Voraussetzungen angenommen werden kann, dass ein Versicherter sein Erwerbsleben (bereits) im Rechtssinne - nicht nach der von der Beklagten behaupteten "Lebenswirklichkeit " - beendet hat. Wie dargestellt, kann jedenfalls im Rechtssinne von einem solchen Ausscheiden aus dem Erwerbsleben bei Versicherten unter den rechtlichen Rahmenbedingungen einer Altersteilzeit gerade noch nicht ausgegangen werden. Daher kommt es auch nicht darauf an, ob der Versicherte bei Erreichen der Freistellungsphase im Einzelfall den Willen bekundet hat, eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung vor Inanspruchnahme von Altersrentenleistungen nicht mehr ausüben zu wollen.

Soweit die Beklagte für die hier streitige Frage darüber hinaus etwas aus § 16 SGB VI iVm § 33 Abs 4 Satz 1 SGB IX (angemessene Berücksichtigung von Eignung, Neigung, bisheriger Tätigkeit sowie Lage und Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt) herleiten will, steht dem schon entgegen, dass es vorliegend nicht um Leistungen zur Teilnahme am Arbeitsleben geht, sondern solche zur medizinischen Reha nach § 15 SGB VI.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO. Die Entscheidung über den Streitwert stützt sich auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 GKG.

Referenznummer:

R/R3578


Informationsstand: 14.09.2011