Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Der Kläger begehrt die Verpflichtung der Beklagten zur Erstattung seines Eigenanteils an den Kosten der Anschaffung digitaler Hörgeräte.
Der Kläger, geboren im Mai 1947, ist gelernter Wirtschaftsingenieur für Seeverkehr. Seit Februar 1988 arbeitete er als Berater von Personenversicherern eines niedersächsischen Versicherungsunternehmens. In diesem Rahmen betreute er hauptberufliche Vertretungen des Unternehmens im Bereich Personenversicherung. Seine Tätigkeit umfasste die Ausarbeitungen neuer Verkaufskonzepte und deren Umsetzung, außerdem Schulungsmaßnahmen im Bereich Personenversicherungen, die Vorstellung betrieblicher Altervorsorgungen und die Durchführung von Verkaufsverhandlungen. Seit Juni 2010 bezieht er eine Altersrente. Zuvor befand er sich auf Grundlage einer mit dem Arbeitgeber vereinbarten Altersteilzeit im Blockmodell seit dem 1. Juni 2007 bis einschließlich Mai 2010 in der Freistellungsphase der Altersteilzeit.
Nach der Diagnose einer beidseitigen Innenohrhochtonschwerhörigkeit verordnete der HNO-Arzt des Klägers diesem am 24. August 2006 eine beidseitige Hörgeräteversorgung. Es handelte sich dabei um eine Erstversorgung. Nach Testung verschiedener Geräte entschied sich der Kläger am 12. September 2006 für digitale Hörgeräte der Marke Phonak, Typ Micro Savia 100 dSZ und gab eine entsprechende Bestellung bei seinem Akustiker auf. Nach der Versorgungsanzeige übersandte der Akustiker der Krankenkasse des Klägers, der Beigeladenen, am 5. Oktober 2006 eine Kostenaufstellung iHv 1.118,30
EUR unter Berücksichtigung der gesetzlichen Zuzahlungen von 20,00
EUR. Dabei handelte es sich nur um den Festbetrag. Verbunden war die Aufstellung mit einer vom Kläger unterschriebenen Erklärung, dass er über eine eigenanteilsfreie Versorgung informiert worden sei und mit der von ihm zu leistenden höheren Vergütung für das ausgewählte Hörsystem einverstanden sei. Am 6. Oktober 2006 stimmte die Beigeladene der Versorgung mit den bezeichneten Hörgeräten zu und bewilligte eine Kostenübernahme in Höhe der Vertragssätze.
Am 9. Oktober 2006 beantragte der Kläger bei der Beklagten als Leistung zur Teilhabe die Übernahme der über den Krankenkassenanteil hinausgehenden Kosten der Anschaffung des Hörgerätes, die ausweislich der Rechnung des Akustikers 3.594,44
EUR betrugen. Am 18. Oktober 2006 stellte der Akustiker dem Kläger eine Rechnung über den genannten Betrag aus.
Die Beklagte lehnte den Antrag auf Kostenübernahme mit Bescheid vom 19. Dezember 2006 unter Verweis auf § 12 Abs 1 Nr 4 a
SGB VI ab. Der Kläger bezahlte die Rechnung des Akustikers am 28. Dezember 2006 zunächst selbst und legte gegen den Ablehnungsbescheid der Beklagten mit Schreiben vom 4. Januar 2007 Widerspruch ein. Diesen wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 31. Mai 2007 als unbegründet zurück. Am 14. Juni 2007 hat der Kläger Klage erhoben.
Er trägt vor, die Begründung der ablehnenden Entscheidung der Beklagten sei nicht haltbar. § 12 Abs 1 Nr 4 a
SGB VI sei nicht auf die fortlaufende Lohnzahlung während einer Freistellungsphase bei Altersteilzeit anzuwenden. Er habe die Hörgeräte auch nicht vor Antragstellung bei der Beklagten angeschafft.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 19. Dezember 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. Mai 2007 zu verurteilen, an den Kläger den von ihm gezahlten Eigenanteil für die Beschaffung der Hörgeräte in Höhe von 3.594,44
EUR zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
Zum Vorbringen der Beteiligten im Übrigen und zu den weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die vorliegende Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Beigeladenen, die auch Gegenstand der mündlichen Verhandlung am 15. Dezember 2010 waren, Bezug genommen.
Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.
Die angegriffene Ablehnungsentscheidung der Beklagten hinsichtlich der begehrten Kostenübernahme aus Anlass der Hörgeräteanschaffung erweist sich als rechtmäßig und beschwert den Kläger daher nicht, § 54 Abs 2
SGG. Zwar ist die im Bescheid gegebene Begründung für die Ablehnung rechtlich nicht haltbar. Der Anspruch scheitert jedoch aus anderen Gründen. Da es sich vorliegend um eine Anfechtungs- und Verpflichtungskonstellation handelt, kommt es nicht allein auf die mögliche Rechtswidrigkeit der konkreten Ablehnung an, sondern auch auf den geltend gemachten Rechtsanspruch selbst. Das Gericht hat den Anspruch des Klägers daher unter allen Gesichtspunkten geprüft.
Die Klage ist auf eine Kostenerstattung und nicht die Erbringung der Sachleistung, dh die Verschaffung der Hörgeräte selbst, gerichtet. Das für das Rentenrecht maßgebende
SGB VI enthalt zur Kostenerstattung keine eigene Regelung. Über § 16
SGB VI wird im Rahmen der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nur auf die §§ 33 ff
SGB IX verwiesen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist diese Regelungslücke durch die Heranziehung des
§ 13 Abs 3 SGB V zu schließen, so dass über § 13 Abs 3 Satz 2 bezüglich der Kostenerstattung letztlich
§ 15 SGB IX Anwendung findet (vgl
BSG, Urteil vom 21. August 2008 -
B 13 R 33/07 R - Rn 21, 22). Die gesetzlichen Voraussetzungen des
§ 15 SGB IX sind indessen nicht erfüllt.
Gemäß § 15 Abs 1 Satz 3
SGB IX ist der zuständige Rehabilitationsträger unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zur Erstattung der Aufwendungen verpflichtet, wenn sich ein Leistungsberechtigter nach Ablauf der Frist gemäß Satz 1 eine erforderliche Leistung selbst beschafft. Gemäß § 15 Abs 1 Satz 1
SGB IX teilt ein Rehabilitationsträger dem Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig mit, wenn er über einen Antrag auf Leistungen zur Teilhabe nicht innerhalb der in
§ 14 Abs 2 genannten Frist von drei Wochen nach Antragseingang entscheiden kann. Satz 2 sieht vor, dass Leistungsberechtigte dem Rehabilitationsträger eine angemessene Frist setzen und dabei erklären können, dass sie sich nach Ablauf der Frist die erforderliche Leistung selbst beschaffen, wenn die Mitteilung nach Satz 1 nicht erfolgt oder ein zureichender Grund nicht vorliegt.
1. Die Beklagte ist der zuständige Rehabilitationsträger, da sie bezüglich einer Übernahme des Eigenanteils der erstangegangene Träger ist und den Antrag des Kläger nicht gemäß § 14 Abs 1
SGB IX unverzüglich an die Beigeladene weitergeleitet hat. Dadurch erstreckt sich die Zuständigkeit der Beklagten im Verhältnis zum Kläger umfassend auf alle Rechtsgrundlagen, die in dieser Bedarfssituation vorgesehen sind, also auch für Leistungen, für die eigentlich die Beigeladene zuständig wäre (vgl
BSG, Urteil vom 21. August 2008 -
B 13 R 33/07 R -). Auch die Beigeladene kann verpflichtet sein, Leistungen für Hörgeräte über den sogenannten Festbetrag hinaus zu erbringen, wenn der Ausgleich der Behinderung mit einem Kassengerät nicht erreichbar ist (vgl
BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 -
B 3 KR 20/08 R -; vgl auch
BSG, Urteil vom 25. Juni 2008 -
B 11b AS 19/07 R -).
Die Beigeladene ist nicht der erstangegangene Rehabilitationsträger. Zwar wurde durch den Akustiker für den Kläger bei der Beigeladenen die Übernahme des Festbetrages bereits am 5. Oktober 2006 beantragt und einen Tag später auch von dort genehmigt, dh einige Tage vor der Antragstellung des Klägers bei der Beklagten am 9. Oktober 2006. Dieser Antrag kann jedoch nicht als genereller Antrag auf Übernahme aller, dh auch der weitergehenden eigenen, über die Vertragssätze hinausgehenden Kosten ausgelegt werden. Denn der Beigeladenen wurde nur eine Rechnung in Höhe des Festbetrags übermittelt. Die Gesamtkosten wurden der Beigeladenen demnach gar nicht bekannt gemacht, woraus zu schließen ist, dass offensichtlich auch keine Entscheidung über die weiteren Kosten erwartet wurde. Auch hatte der Kläger schriftlich erklärt, mit einer eigenen Kostentragung hinsichtlich der Mehrkosten für teurere Hörgeräte einverstanden zu sein. Dies spricht dagegen, dass bei der Beigeladenen die Übernahme höherer Kosten als der Festbetrag beantragt werden sollten. Der Kostenübernahmeantrag kann deshalb auch nicht als Antrag auf Übernahme des Eigenanteils ausgelegt werden (vgl Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 20. Oktober 2009 -
L 11 KR 1229/09 -).
2. Die gesetzlichen Voraussetzungen des § 15
SGB IX für eine Kostenerstattung sind indessen nicht erfüllt, da der Kläger das dort vorgesehene Procedere nicht eingehalten hat.
Eine Kostenerstattung setzt voraus, dass dem Rehabilitationsträger zuvor die Möglichkeit gegeben wurde, selbst über den Antrag oder eine Weiterleitung an einen anderen Rehabilitationsträger zu entscheiden, und ihm bei Nichtfortgang eine Frist gesetzt wird, verbunden mit der Ankündigung, sich die Leistung nach Ablauf der Frist selbst zu beschaffen. Zwar hat die Beklagte dem Kläger nicht mitgeteilt, dass sie über seinen Antrag auf Leistungen zur Teilhabe nicht fristgerecht wird entscheiden können. Der Kläger hat jedoch der Beklagten nicht eine angemessene Frist zur Entscheidung gesetzt und auch nicht erklärt, dass er sich die erforderliche Leistung danach selbst beschaffen würde, wie in § 15 Abs 1 Satz 2
SGB IX vorgesehen. Der Kläger hat die Hörgeräte vor Entscheidung der Beklagten durch Bescheid vom 19. Dezember 2006 tatsächlich selbst beschafft. Denn nach Mitteilung des Akustikers ist der Kaufvertrag zwischen ihm und dem Kläger mit Rechnungsstellung am 18. Oktober 2006 zivilrechtlich verbindlich zustande gekommen. Ab diesem Zeitpunkt war dem Kläger eine Rückgabe des Hörgerätes nicht mehr möglich. Da damit eine Rückgabe der Hörgeräte vorbehaltlich der Gewährleistungsregelungen nicht mehr möglich war, muss dieser Zeitpunkt des zivilrechtlichen Erwerbs auch als Zeitpunkt der Beschaffung im Sinne des § 15 Abs 1
SGB IX angesehen werden. Mit dem Erwerb der Hörgeräte hat der Kläger Fakten geschaffen, ohne dass die Beklagte zuvor die berufliche und medizinische Notwendigkeit des Erwerbs der konkreten Hörgeräte prüfen und über den geltend gemachten Leistungsanspruch entscheiden konnte. Es wäre dem Kläger allerdings möglich gewesen, vor dem endgültigen Erwerb die Entscheidung der Beklagten abzuwarten oder bei Nichtfortgang dort nachzufragen und ggf eine Frist zu setzen.
3. Soweit die Beklagte im angegriffenen Bescheid zur Begründung der Ablehnung der Kostenübernahme auf die Regelung in § 12 Nr 4a
SGB IV abstellte, ist dies allerdings rechtlich nicht haltbar.
Gemäß § 12 Nr 4a
SGB VI werden Leistungen zur Teilhabe nicht für Versicherte erbracht, die eine Leistung beziehen, die regelmäßig bis zum Beginn einer Rente wegen Alters gezahlt wird.
Durch diese Regelung soll verhindert werden, dass Leistungen zur Teilhabe an Versicherte erbracht werden, deren vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben (ohnehin) nicht mehr verhindert werden kann oder die bereits aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind. Denn in einem solchen Fall kann der Zweck der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht mehr erreicht werden.
Die Beklagte stellte diesbezüglich auf die Freistellungsphase der Altersteilzeit ab Juni 2006 ab. Altersteilzeitgeld zählt jedoch nicht zu den Leistungen im Sinne des § 12 Nr 4a
SGB VI, insbesondere nicht während der aktiven Phase der Altersteilzeit (vgl Finke in: Hauck/Noftz,
SGB VI, § 12 Rn 8a). Dies gilt selbst dann, wenn nach sechs Monaten die passive Freistellungsphase der Altersteilzeit beginnt (vgl Kater in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, 67. Aufl 2010,
SGB VI, § 12 Rn 15c; Erich/Haase/Rauschenbach, 62. Aufl 2008, § 12 Ziff 6).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193
SGG.