Urteil
Höhe der betrieblichen Altersrente bei vorzeitigem Ausscheiden mit Vollendung des 63. Lebensjahres und gleichzeitigem Bezug von ungekürzter Altersrente für schwerbehinderte Menschen gemäß § 236 a SGB VI - versicherungsmathematischer Abschlag

Gericht:

LAG Nürnberg 8. Kammer


Aktenzeichen:

8 Sa 334/13


Urteil vom:

14.11.2013


Grundlage:

Leitsätze:

1. Nach allgemeinen Grundsätzen des Betriebsrentenrechts kann sich im Fall der vorgezogenen Inanspruchnahme der Betriebsrente nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis vor Eintritt des in der Versorgungsordnung definierten Versorgungsalters mit Vollendung des 63. Lebensjahrs eine doppelte Kürzung ergeben: Zum einen die zeitratierliche Kürzung gemäß § 2 Abs. 1 BetrAVG im Verhältnis von tatsächlicher zu möglicher Betriebsangehörigkeit und zum anderen der versicherungsmathematische Abschlag für die frühere Inanspruchnahme der Betriebsrente.

2. Die Höhe des versicherungsmathematischen Abschlags von 0,5 % für jeden Monat vorgezogenen Rentenbeginn ist rechtlich unbedenklich.

3. Ein derartiger versicherungsmathematischer Abschlag stellt keine unzulässige Ungleichbehandlung (schwer)behinderter Menschen dar. Die Möglichkeit des vorzeitigen ungekürzten Rentenbezugs für schwerbehinderte Menschen in der Sozialversicherung verpflichtet den Arbeitgeber nicht, dem schwerbehinderten Menschen ebenfalls ungekürzte Betriebsrente zukommen zu lassen.

Rechtsweg:

ArbG Nürnberg Urteil vom 08.05.2013 - 2 Ca 4817/12

Quelle:

Arbeitsgerichtsbarkeit Bayern

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 08.05.2013, Az. 2 Ca 4817/12, wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die zutreffende Höhe der betrieblichen Altersrente der Klägerin.

Die am 01.05.1949 geborene Klägerin war seit 01.07.1990 bei der Beklagten zu einem Bruttomonatsgehalt von zuletzt EUR 2.750,-- beschäftigt. Die Klägerin ist schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 50. Seit der Vollendung ihres 63. Lebensjahres mit dem 01.05.2012 bezieht die Klägerin ungekürzte gesetzliche Altersrente für schwerbehinderte Menschen gemäß § 236 a SGB VI (auf die als Anlage K3 zur Klageschrift vom 16.08.2012 eingereichte Kopie des Rentenbescheides der Deutsche Rentenversicherung Bund vom 24.05.2012, Bl. 30 ff d.A. wird Bezug genommen). Des Weiteren bezieht sie seither von der Beklagten eine betriebliche Altersrente in Höhe von EUR 332,55. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die W... GmbH, hatte unter dem 02.12.1991 ihren damaligen Arbeitnehmern eine Pensionszusage gemacht und einen Versorgungsplan errichtet (auf die als Anlage 2 zur Klageschrift vom 16.08.2012 eingereichte Kopie, Bl. 20, 21 ff d.A. wird Bezug genommen).

Der Versorgungsplan vom 02.12.1991 lautete auszugsweise wie folgt:

"...

4. Versorgungsalter

Das Versorgungsalter wird im Erlebensfall mit dem vollendeten 65. Lebensjahr erreicht.

5. Höhe der Versorgungen

Die Höhe der Versorgungsleistungen bestimmt sich aus dem pensionsfähigen Gehalt.

5.1. Die Altersrente beträgt 15 % des pensionsfähigen Gehaltes.

....

5.4. Als pensionsfähiges Gehalt gilt das monatliche Brutto-Grundgehalt an dem 1. Januar, der dem Anspruch auf Zahlung der Rente vorausgeht.

...

6. Vorgezogene Altersrente

6.1. Vorgezogene Altersrente erhalten Mitarbeitern, die das Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung vor Vollendung des Versorgungsalters in Anspruch nehmen, aus den Diensten der Firma ausscheiden und die vorgezogene Altersrente von der Firma beantragen.

6.2. Die Höhe der vorgezogenen Altersrente bestimmt sich aus dem Verhältnis der zurückgelegten zu der insgesamt bis zum Versorgungsalters möglichen Betriebszugehörigkeit, bezogen auf die unter Berücksichtigung des festgeschriebenen pensionsfähigen Gehaltes im Versorgungsalters maßgebende Anwartschaft auf Altersrente, die aufgrund des früheren Auszahlungstermins für jeden dem Versorgungsalters vorgezogenen Monat um 0,5 % gekürzt wird.

..." (auf Bl. 24 und 25 d.A. wird Bezug genommen).

Die Beklagte errechnete die Höhe der von ihr tatsächlich gezahlten "vorgezogenen Altersrente ab 63" in der Rentenberechnung vom 18.01.2012 (auf die von der Klägerin als Anlage K4 zur Klageschrift vom 16.08.2012 vorgelegte Kopie, Bl. 32 d.A., wird Bezug genommen):

Grundgehalt zum 01.01. des Austrittsjahres

EUR 2.750,00.

Pensionsfähiges Gehalt p.a. EUR 33.000,00

Altersrente ab Alter 65: 15 % des pensionsfähigen Gehaltes: 33.000 x 15 % = EUR 4.950,00

Altersrente p.a. : 12 = EUR 412,50 mtl.

zeitratierliche Kürzung aufgrund geringerer Betriebszugehörigkeit:
Verhältnis der tatsächlichen zur möglichen Betriebsangehörigkeit bis zum Erreichen des Versorgungsalters

7.975 Tage : 8.705 Tage = 0,91614 Unverfallbarkeitsfaktor

Altersrente ab Alters 65: EUR 4.950 p.a. x 0,91614 = EUR 4.534,89 p.a.

Kürzung aufgrund vorgezogenem Bezug (0,5 % pro Monat):
0,5 % x 24 Monate = 12 %

EUR 4.534,89
  • EUR 544,18 (4.534,89 x 12 %)

= EUR 3.990,71 p.a.

EUR 3.990,71 p.a. : 12
= EUR 332,55 mtl

Die Klägerin ist der Auffassung, dass ihr die volle Betriebsrente in Höhe von jährlich EUR 33.000,-- x 15 % = EUR 4.950,-- oder monatlich : 12 = EUR 412,50 zusteht. Mit der vorliegenden Klage verfolgt sie für den Zeitraum seit Mai 2012 den monatlichen Differenzanspruch in Höhe von EUR 412,50 - EUR 332,55 = EUR 79,94.

Die beiden Kürzungen nach Nummer 6.2. des Versorgungsplans vom 02.12.1991 hält sie für unwirksam.

So sei bereits die gesamte mit "vorgezogene Altersrente" überschriebene Nummer 6 des Versorgungsplans auf sie nicht anwendbar, weil sie ab 01.05.2012 ungekürzte gesetzliche Altersrente für schwerbehinderte Menschen beziehe und somit nicht "vorgezogene" Altersrente im Sinne der Nummer 6 des Versorgungsplanes in Anspruch nehme.

Zudem sei Nummer 6, insbesondere Nummer 6.2. des Versorgungsplanes unklar im Sinne von § 305 c BGB sowie unbillig.

Nummer 6.1. des Versorgungsplanes sei als "allgemeine Geschäftsbedingung" nach §§ 305 ff BGB dahingehend auszulegen, dass für die Betriebsrentenansprüche die gleichen Grundsätze gelten wie für die Ansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Beziehe der Mitarbeiter reguläres Altersruhegeld nach SGB VI, solle er auch die ungekürzte Betriebsrente erhalten. Beziehe er jedoch vorgezogenes gesetzliches Altersruhegeld, also gekürzt, gelte dies auch für den Bezug des betrieblichen Altersruhegeldes.

Auch die Berechnung nach Nummer 6.2. des Versorgungsplanes sei nicht nur intransparent, sondern verstoße zudem zum Nachteil der vom Versorgungsplan begünstigten Arbeitnehmer gegen § 6 BetrAVG und sei deshalb nach §§ 17 Abs. 2 Satz 3 BetrAVG, 134 BGB nichtig.

Die von der Beklagten vorgenommene Kürzung nach Nummer 6.2. werde doppelt vorgenommen und betrage somit 19,38 %, was einer Kürzung von 0,82 % pro Monat entspreche. Dies stehe in Widerspruch zur Rechtsprechung des BAG, das in Fällen der Inanspruchnahme einer vorgezogenen Betriebsrente mehrfach entschieden habe, dass die Berechnungsregeln billigenswert sein müssen. Das BAG habe bisher eine Reduktion von 0,4 bis 0,5 % pro Monat gerade noch akzeptiert. Eine darüber hinausgehende Reduktion sei unverhältnismäßig und somit nichtig.

Dies müsse erst recht gelten, wenn ein Mitarbeiter wegen Schwerbehinderung ungekürztes gesetzliches Altersruhegeld in Anspruch nehme. Die doppelte Kürzung in Nummer 6 des Versorgungsplanes verstoße daher gegen das Benachteiligungsverbot gemäß §§ 1, 7 AGG mit der Folge, dass der Klägerin ein Anspruch aus § 15 Abs. 1 AGG auf Ausgleich und damit auf ungekürzte Altersversorgung zustehe.

Dies gelte umso mehr, als der Versorgungsplan für den Bezug der vollen Versorgungsleistung außer den Bestimmungen des Gesetzes zur Unverfallbarkeit keine Mindest- oder Höchstbetriebszugehörigkeit vorsehe. Vielmehr erhalte der Mitarbeiter die volle Rentenleistung, also 15 % des pensionsfähigen Gehaltes, ohne dass es auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit ankäme, wenn er in den Ruhestand wechselt, also auch die gesetzliche Rente ungekürzt beziehe. Wenn also ein Mitarbeiter mit Vollendung des 65. Lebensjahres in Rente gehe, der ebenfalls - wie die Klägerin - 21 Betriebszugehörigkeitsjahre aufweise, wäre dieser ohne sachlichen Grund bessergestellt. Daher liege ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz vor. An diesen Gleichbehandlungsgrundsatz habe sich der Arbeitgeber auch bei freiwilligen Leistungen wie bei der Betriebsrente zu halten. Der Gleichbehandlungsgrundsatz gebiete dem Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer selbst gegebenen Regelung gleich zu behandeln. Er verbiete insbesondere die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb der Gruppe. Gemessen am Zweck der betrieblichen Altersversorgung, die sowohl Vergütung für erbrachte Arbeitsleistung als auch Ansporn bzw. Belohnung für Betriebstreue sowie die Versorgung im Alter und bei Berufsunfähigkeit bezwecke, sei die Benachteiligung der Klägerin sachlich nicht gerechtfertigt. Auch aus diesem Grunde sei der Klägerin ungekürztes betriebliches Altersruhegeld zu gewähren.

Schließlich verstoße die doppelte Kürzung bei der Klägerin auch gegen das Maßregelungsverbot des § 612 a BGB. Denn sie werde bestraft, obwohl sie lediglich die ihr als Schwerbehinderte gesetzlich eingeräumten Rechte wahrnehme.


Die Klägerin stellte erstinstanzlich folgende Anträge:

1. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin rückständige Altersrente für die Monate Mai 2012 - September 2012 in Höhe von EUR 399,70 zzgl. Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz aus

  • EUR 159,88 ab dem 01.06.2012

  • EUR 79,94 ab dem 01.07.2012

  • EUR 79,94 ab dem 01.08.2012

  • EUR 79,94 ab dem 01.09.2012


zu bezahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin eine ungekürzte monatliche betriebliche Altersrente aus Ziff. 5.1. der Versorgungsordnung der Beklagten vom 02.12.1991 ab dem 01.10.2012 zu bezahlen.


Die Beklagte beantragte,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trug erstinstanzlich im Wesentlichen Folgendes vor:

Sie habe die Rentenhöhe auf der Grundlage des Versorgungsplanes vom 02.12.1991 und insbesondere in Anwendung der Kürzungsregelungen nach Nummer 6 des Versorgungsplanes zutreffend berechnet. Die Regelungen des Versorgungsplanes seien auch nicht unwirksam.

Nummer 6.1. des Versorgungsplanes sei nicht unklar im Sinne von § 305 c BGB. Nummer 6.1. verweise auf § 4 der Versorgungsordnung, wo das Versorgungsalter mit dem vollendeten 65. Lebensjahr festgelegt werde. Insoweit sei diese Regelung transparent. Zudem laute Nummer 6.1. des Versorgungsplanes gerade nicht "... die das vorgezogene Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung ...".

Des Weiteren sei eine Benachteiligung von schwerbehinderten Menschen im Sinne des AGG nicht gegeben. Eine Benachteiligung läge nur dann vor, wenn die Gruppe der Schwerbehinderten eine weniger günstige Behandlung erfahre, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Die Versorgungsordnung der Beklagten sehe aber keine gekürzten Leistungen für Schwerbehinderte vor.

Die Klägerin sei als Schwerbehinderte auch nicht mittelbar benachteiligt. Eine Ungleichbehandlung könne nicht darin begründet werden, dass es keinen Gleichlauf zwischen gesetzlicher und betrieblicher Altersrente der Beklagten gebe. Das Pensionsalter gemäß der Versorgungsordnung der Beklagten sei auf das vollendete 65. Lebensjahr festgelegt, wobei je nach Geburtsjahrgang der ungekürzte Bezug der gesetzlichen Altersrente variieren und teilweise auch erst ab dem 65. bis zum vollendeten 67. Lebensjahr liegen könne. Der Arbeitnehmer dieser Jahrgänge, der mit dem Versorgungsalter 65 ausscheide, erhalte die gesetzliche Rente nur mit Abschlägen, während er die betriebliche Altersversorgung ungekürzt erhalten könne. Es seien also ebenso Fälle denkbar, bei denen auch bei einem nicht schwerbehinderten Arbeitnehmer kein Gleichlauf zwischen gesetzlicher und betrieblicher Regelung gegeben sei.

Im Übrigen habe das BAG mit den Urteilen vom 21.04.2009 - 3 AZR 674/07 - und vom 21.03.2006 - 3 AZR 374/05 - entschieden, dass Versorgungsordnungen, die auf das 65. Lebensjahr als Versorgungsalter abstellen, auch bei Schwerbehinderten nicht zu beanstanden seien.

Ebenso wenig sei der Versorgungsplan wegen Verstoßes gegen § 6 BetrAVG unwirksam. Weder § 6 BetrAVG noch das BetrAVG im Übrigen enthalten Bestimmungen dazu, wie die vorgezogene Betriebsrente zu errechnen sei.

Das BAG habe wiederholt festgestellt, dass das Betriebsrentengesetz den Arbeitnehmern das Recht einräume, unabhängig vom Willen des Arbeitgebers Leistungen der betrieblichen Altersversorgung vorgezogen mit dem Eintritt in den vorgezogenen gesetzlichen Ruhestand in Anspruch zu nehmen. Dies bedeute allerdings gegenüber den Regelzahlungen aus dem Versorgungsplan eine zweifache Äquivalenzstörung: Zum einen werde die Betriebstreue gekürzt, zum anderen würden die Leistungen aus der Versorgungsordnung früher und damit vorzeitig fällig.

Die Kürzung aufgrund der verminderten Betriebszugehörigkeit ergebe sich dabei bereits aus § 2 Abs. 1 BetrAVG. Dies bedeute, dass bei vorzeitigem Eintritt des Versorgungsfalles an die Stelle des Erreichens der Regelaltersgrenze eine quotale Versorgung entsprechend dem Zeitpunkt des Ausscheidens der Klägerin an die vorgesehene Altersgrenze trete.

Es sei daneben nicht zu beanstanden, wenn der Arbeitgeber im Falle der vorzeitigen Inanspruchnahme die Leistungen nach einem bestimmten Prozentsatz weiter absenke, da diese vorfällig zu zahlen seien und dies zu einem entsprechenden Zinsschaden führe. Zudem müsse eine höhere Erlebenswahrscheinlichkeit berücksichtigt werden. Das BAG habe mehrfach entschieden, dass eine pauschale Kürzung um 0,5 % für jeden dem Versorgungsalter vorgezogenen Monat nicht unangemessen sei. Der von der Beklagten in Nummer 6.2. des Versorgungsplanes verwandte versicherungsmathematische Pauschalabschlag von 0,5 % pro Monat sei daher rechtswirksam.

Auch eine auf den Monat bemessene Gesamtkürzung, die im Übrigen nicht wie von der Klägerin berechnet 0,82 %, sondern nur 0,802 % betrage, sei nach den Kriterien des BAG noch als angemessen anzusehen.

Des Weiteren verstoße die Regelung auch nicht gegen das Maßregelungsverbot nach § 612 a BGB. Diese Bestimmung unterbinde unangemessene und unvorsehbare Reaktionen eines Arbeitgebers auf die zulässige Ausübung von Rechten durch die Arbeitnehmer. Dies bedeute aber nicht, dass jede zulässige Rechtsfolge, die an eine Rechtsausübung gebunden sei, damit unzulässig werde.

Wegen des erstinstanzlichen Vortrages der Parteien sowie der Antragstellung wird auf den Tatbestand des Ersturteils verwiesen.

Das Arbeitsgericht Nürnberg hat mit Endurteil vom 08.05.2013 die Klage im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Zahlung einer ungekürzten monatlichen Rente in Höhe von EUR 414,50 habe. Die Rentenberechnung der Beklagten sei rechtlich und rechnerisch zutreffend. Die Beklagte sei zur Kürzung der Betriebsrente gemäß Nummer 6.1. des Versorgungsplanes berechtigt gewesen, da die Klägerin vor Vollendung des "Versorgungsalters" bei der Beklagten ausgeschieden sei. Dieses Versorgungsalter sei in Nummer 4 des Versorgungsplanes mit dem vollendeten 65. Lebensjahr definiert. Die konkrete ratierliche Berechnung der monatlichen Betriebsrente folge aus Nummer 6.2. des Versorgungsplanes. Dieser verstoße auch nicht gegen höherrangige Rechtsvorschriften. Insbesondere liege eine Benachteiligung der Klägerin wegen Schwerbehinderung nicht vor; vielmehr wäre die von der Klägerin verlangte Regelung eine Begünstigung aufgrund ihrer Schwerbehinderung. Auch liege kein Verstoß gegen die §§ 2, 6 BetrAVG vor. Nach ständiger Rechtsprechung des BAG sei der Arbeitgeber grundsätzlich zur ratierlichen Kürzung bei einer vorgezogenen Inanspruchnahme der Betriebsrente berechtigt. Auch einen Verstoß gegen das Maßregelungsverbot des § 612 a BGB könne das erkennende Gericht nicht erkennen.

Das Endurteil des Arbeitsgerichtes vom 08.05.2013 ist den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 05.06.2013 zugestellt worden. Die am selben Tage beim LAG Nürnberg eingegangene Berufung vom 19.06.2013 hat die Klägerin mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 01.07.2013, beim LAG Nürnberg am selben Tag eingegangen, begründet.

Die Klägerin trägt unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Sach- und Rechtsvortrages zur Begründung der Berufung im Wesentlichen Folgendes vor:

Nummer 6.1. des Rentenplanes sei als allgemeine Geschäftsbedingung dahin auszulegen, dass für die Betriebsrentenansprüche die gleichen Grundsätze gelten wie für die Ansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Die Berechnung nach Nummer 6.2. sei nicht nur intransparent, sondern verstoße zum Nachteil der Arbeitnehmer gegen § 6 BetrAVG und sei nichtig. Die Kürzung nach Nummer 6.2. werde nicht nur doppelt vorgenommen, sondern betrage insgesamt 0,802 % pro Monat. Das BAG habe nur eine Reduktion von 0,4 bis 0,5 % pro Monat gerade noch akzeptiert. Eine darüber hinausgehende Reduktion sei unverhältnismäßig und somit nichtig. Weiter verstoße die Beklagte gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Betriebsrente sei Entgelt für erbrachte Arbeitsleistung und gleichsam Ansporn bzw. Belohnung für Betriebstreue. Wenn aber derjenige, der weniger Jahre Betriebstreue erbracht habe als die Klägerin, nur weil er etwa ein oder zwei Jahre später in den Ruhestand trete, ungekürztes Altersruhegeld aus 15 % des letzten Gehaltes erhalte, verletze die Beklagte den Gleichbehandlungsgrundsatz. Dies gelte umso mehr, als bei einer weiteren Betriebszugehörigkeit der Klägerin ihr Entgelt entsprechend der jährlichen betrieblich und tariflich üblichen Steigerungen höher gewesen und damit auch das pensionsfähige letzte Entgelt vor dem Ruhestand höher ausgefallen wäre. Im Übrigen verstoße der Versorgungsplan gegen das Maßregelungsverbot des § 612 a BGB sowie gegen das Verbot der Benachteiligung wegen Schwerbehinderung nach § 1 AGG.


Die Klägerin und Berufungsklägerin beantragt im Berufungsverfahren - unter Erweiterung der Klage auf die Monate Mai 2012 bis Juli 2013 - Folgendes:

1. Unter Abänderung des am 08.05.2013 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Nürnberg, Az.: 2 Ca 4817/12 die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.199,10 Euro zzgl. Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus jeweils EUR 79,94 beginnend am jeweiligen Monatsende seit 01.06.2012 zu bezahlen.

2. Der Klägerin eine ungekürzte monatliche betriebliche Altersrente aus Ziff. 5.1. der Versorgungsordnung der Beklagten und Berufungsbeklagten vom 02.12.1991 ab 01.08.2013 zu bezahlen.

3. Der Beklagten die Kosten beider Rechtszüge aufzuerlegen.


Die Berufung und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte führt im Wesentliche aus, dass das Arbeitsgericht die Klage zu Recht abgewiesen habe. Die Klägerin könne aus der Tatsache, dass sie als Schwerbehinderte reguläres Altersruhegeld in Anspruch nehme, keine Rechte aus der betrieblichen Versorgungszusage ableiten. Es bestehe kein Grund, für einen Gleichlauf der Betriebsrentenansprüche und der Ansprüche aus der gesetzliche Rentenversicherung zu sorgen. Im Übrigen gehe es nicht um die gesetzliche Rente, sondern um die Betriebsrente. Diese werde nur soweit gewährt, als sie zwischen den Parteien vereinbart worden sei. Die Versorgungsregelung sehe für alle Arbeitnehmer ein Renteneintrittsalter von 65 vor. Darauf beruhten auch die Kalkulationen hinsichtlich der dadurch verursachten Kosten. Wenn die Klägerin - egal aus welchem Rechtsgrund - vor dem zugrunde gelegten Versorgungsalter Rentenbezüge erlange, verursache sie höhere Kosten, die der Arbeitgeber in Abzug bringen könne.

Ebenso wenig liege ein Verstoß gegen § 6 BetrAVG vor. Die in dem Versorgungsplan vorgesehene doppelte Kürzung entspreche der Rechtsprechung des BAG. Dies gelte auch für den in Nummer 6.2. vorgesehenen versicherungsmathematischen Abschlag in der konkreten Höhe von 0,5 % pro vorgezogenem Monat. Auch sei die Klägerin nicht wegen ihrer Schwerbehinderung benachteiligt. Insbesondere erfahre die Gruppe der Schwerbehinderten keine Benachteiligung gegenüber anderen Arbeitnehmern, da die Rente nicht stärker gekürzt werde oder schärfere Anforderungen an den vorgezogenen Altersrentenzug gestellt würden, als bei nicht schwerbehinderten Arbeitnehmern. Auch eine mittelbare Benachteiligung sei nicht gegeben. Eine solche sei insbesondere nicht mit einem Fehlen des Gleichlaufes zwischen gesetzlicher und betrieblicher Altersrente zu begründen. Zudem bestehe auch kein Grund, Schwerbehinderte mit Berufsunfähigen gleichzusetzen. Die Klägerin erhalte eine gesetzliche Rente wegen Schwerbehinderung nach § 236 a SGB VI. Diese Vorschrift stelle lediglich auf die Schwerbehinderteneigenschaft und das Erreichen der entsprechenden Altersgrenze ab. Eine Berufsunfähigkeit werde gerade nicht gefordert. Die Klägerin behaupte auch nicht berufsunfähig zu sein. Schließlich seien die Regelungen in Nummern 6.1. und 6.2. des Versorgungsplanes vor dem Hintergrund der unmissverständlichen Definition des Versorgungsalters in Nummer 4 des Versorgungsplanes nicht unklar im Sinne von § 305 c BGB. Außerdem sei die Klägerin nicht für ihr Verhalten nach § 612 a BGB gemaßregelt, sondern nur im Hinblick auf alle anderen Arbeitnehmer gleichbehandelt worden.

Hinsichtlich des gesamten Sach- und Rechtsvortrages wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze im Berufungsverfahren sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 14.11.2013 verwiesen. Von einer weitergehenden Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, jedoch unbegründet.

A. Die Berufung ist zulässig.

Sie ist statthaft (§ 64 Abs. 1, Abs. 2 c ArbGG) und auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

Die vorliegende Erweiterung der Zahlungsklage auf die Monate Oktober 2012 bis Juli 2013 begegnet keinen Zulässigkeitsbedenken nach §§ 533 ZPO, 64 Abs. 6 ArbGG. Danach ist unter anderem eine Klageänderung im Berufungsverfahren nur zulässig, wenn erstens der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält und zweitens diese auf Tatsachen gestützt werden kann, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 zugrunde zu legen hat.

Vorliegend ist die Klageerweiterung sachdienlich, weil nach dem Gedanken der Prozesswirtschaftlichkeit die Zulassung der Klageänderung geeignet ist, den Streitstoff im Rahmen des anhängigen Rechtsstreites auszuräumen und weiteren Rechtsstreitigkeiten vorzubeugen (GK-ArbGG/Vossen, a. a. O., § 67 Rn. 79 a unter Hinweis auf BAG vom 26.02.1986 - 7 AZR 503/84, juris). Zudem handelt es sich bei den klageerweiternd geltend gemachten Ansprüchen um Streitgegenstände, denen Tatsachen zugrunde lagen, die bereits vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellt wurden, und die daher auch das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen hatte (§ 529 ZPO).


B. Die Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Arbeitsgericht hat mit zutreffender Begründung die Klage zu Recht abgewiesen. Auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens ist keine vom Arbeitsgericht abweichende rechtliche Beurteilung geboten. Zudem musste auch der im Berufungsverfahren vorgenommenen Klageerweiterung der Erfolg versagt bleiben. Sowohl das Begehren auf Zahlung bereits fällig gewordener Differenzbeträge als auch das Begehren auf Verurteilung zu künftiger Zahlung sind in ihrem rechtlichen Erfolg davon abhängig, ob die Beklagte zu beiden vorgenommenen Kürzungen berechtigt war, also zum einen zu der zeitratierlichen Kürzung im Verhältnis der tatsächlichen zur möglichen Betriebszugehörigkeit gemäß Nummer 6.2. 1. Satzteil des Versorgungsplanes sowie zum anderen zu der Kürzung unter dem Gesichtspunkt eines versicherungsmathematischen Abschlags gemäß Nummer 6.2. 2. Satzteil des Versorgungsplanes. Eine derartige Berechtigung der Beklagten bestand ohne jede Einschränkung.

I. Die Regelung über "vorgezogene Altersrente" in Nummer 6 des Versorgungsplanes findet auf den vorliegenden Sachverhalt Anwendung.

Nummer 6.1. des Versorgungsplanes stellt hinsichtlich der vorgezogenen Altersrente darauf ab, dass Mitarbeiter das Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung vor Vollendung des Versorgungsalters in Anspruch nehmen. In Nummer 4 des Versorgungsplanes ist das Versorgungsalter unter der entsprechenden Überschrift ("Versorgungsalter") dahin definiert, dass das Versorgungsalter mit dem vollendeten 65. Lebensjahr erreicht wird. Die Zusammenschau dieser beiden Regelungen lässt ohne jeden Zweifel erkennen, dass die Bestimmungen zur vorgezogenen Altersrente in jedem Falle eingreifen sollen, in denen der Mitarbeiter Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung vor Vollendung des 65. Lebensjahres in Anspruch nimmt. Bereits die Wortlautauslegung der Nummern 6 und 4 des Versorgungsplanes schließt einen anderen Inhalt der Regelungen in unmissverständlicher Deutlichkeit von vornherein aus.

Auf die Frage, ob es sich bei dem vorliegenden Versorgungsplan um eine einschränkungslos der Formularvertragskontrolle unterfallende individualrechtliche Zusage handelt oder um eine kollektivrechtliche Zusage, für die der Anwendungsbereich der AGB-Kontrolle gemäß § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB nicht eröffnet ist, kommt es nicht an. Bereits die - auch bei kollektivrechtlichen Zusagen erforderliche und im Übrigen bei individualrechtlichen Zusagen einer Formularvertragskontrolle vorgehende - Auslegung des Versorgungsplanes ergibt ohne jeden Zweifel, dass die Klägerin der Regelung der Nummer 6 über vorgezogene Altersrente unterfällt, weil sie vor Vollendung des 65. Lebensjahres, nämlich mit Vollendung des 63. Lebensjahres Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Anspruch nahm und aus den Diensten der Beklagten ausschied.

II. Soweit die Beklagte bei der Berechnung der Rentenhöhe der Klägerin in einem ersten Schritt eine Kürzung um 0,916140 vornimmt, stützt sie sich ersichtlich auf die Bestimmung im 1. Halbsatz der Nummer 6.2. des Versorgungsplanes, wonach sich die Höhe der vorgezogenen Altersrente aus dem Verhältnis der zurückgelegten zu der insgesamt bis zum Versorgungsalter möglichen Betriebszugehörigkeit bestimmt. Die diesem Rechenwerk zugrunde gelegten Ausgangsdaten (7.975 Tage : 8.705 Tage = 0,91614) sind von der Klägerin nicht bestritten und zutreffend.

Diese in der Versorgungsordnung vorgesehene Berechnung ist rechtlich nicht zu beanstanden. Ein Verstoß gegen Bestimmungen des Gesetzes zur Regelung der betrieblichen Altersversorgung liegt nicht vor. Eine derartige Berechnung ist vielmehr nach §§ 6, 2 Abs. 1 BetrAVG zulässig. Bei einem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis mit unverfallbarer Rentenanwartschaft, jedoch vor Eintritt des Versorgungsfalles wird in das Gegenseitigkeitsverhältnis, das der Berechnung der Vollrente zugrunde liegt, dadurch eingegriffen, dass der Arbeitnehmer die Betriebszugehörigkeit bis zum Zeitpunkt der festen Altersgrenze nicht erbracht hat. Dem trägt das BetrAVG dadurch Rechnung, dass die bei voller Betriebszugehörigkeit bis zur festen Altersgrenze erreichbare - fiktive - Vollrente nach § 2 Abs. 1 u. Abs. 5 BetrAVG zeitratierlich entsprechend dem Verhältnis der tatsächlichen zu der bis zum Erreichen der festen Altersgrenze möglichen Betriebszugehörigkeit zu kürzen ist (BAG vom 19.06.2012 - 3 AZR 289/10, Rn. 23 f; BAG vom 21.08.2001 - 3 AZR 649/99; BAG vom 29.07.1997 - 3 AZR 114/96, jeweils zitiert nach juris). Nichts anderes hat die Beklagte vorliegend auf der Grundlage der Nummer 6.2. 1. Halbsatz des Versorgungsplanes vorgenommen.

III. Auch die von der Beklagten nach Nummer 6.2. 2. Halbsatz des Versorgungsplanes vorgenommene Kürzung um 0,5 % pro vorgezogenem Monat = um 24 Monate x 0,5 % = 12 % begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Vielmehr bedient sich die Beklagte der auf gefestigter Rechtsprechung des BAG beruhenden Möglichkeit eines sogenannten versicherungsmathematischen Abschlags.

1. Nach den allgemeinen Grundsätzen des Betriebsrentenrechts ergibt sich im Falle der vorgezogenen Inanspruchnahme der Betriebsrente nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis vor Eintritt des Versorgungsfalles in der Regel eine Berechtigung zur Kürzung der Betriebsrente unter zwei Gesichtspunkten. Zum einen sieht § 2 Abs. 1, Abs. 5 BetrAVG die bereits unter B II des vorliegenden Urteils dargestellte zeitratierliche Kürzung vor. Zum anderen erfolgt in derartigen Fällen eine Verschiebung des in der Versorgungszusage festgelegten Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung dadurch, dass der Arbeitnehmer die Betriebsrente mit höherer Wahrscheinlichkeit, früher und länger als mit der Versorgungszusage versprochen in Anspruch nimmt. Dieser Gesichtspunkt kann entsprechend den Wertungen in der Versorgungsordnung berücksichtigt werden, indem ein versicherungsmathematischer Abschlag vorgesehen wird.

Selbst wenn eine Versorgungsordnung keine ausdrückliche Wertung hinsichtlich eines derartigen versicherungsmathematischen Abschlages enthält, ist nach gefestigter Rechtsprechung des BAG als "Auffangregelung" ein "untechnischer versicherungsmathematischer Abschlag" entwickelt worden. Dieser erfolgt durch eine weitere zeitratierliche Kürzung der bereits in einem ersten Schritt gekürzten Betriebsrente in der Weise, dass die Zeit zwischen dem Beginn der Betriebszugehörigkeit und der vorgezogenen Inanspruchnahme der Betriebsrente in das Verhältnis gesetzt wird zu der Zeit vom Beginn der Betriebszugehörigkeit bis zum Erreichen der festen Altersgrenze (BAG vom 19.04.2011 - 3 AZR 318/09 - Rn. 27; BAG vom 15.11.2011 - 3 AZR 778/09, Rn. 35, jeweils zitiert nach juris).

Wenn die maßgebliche Versorgungsordnung ausdrücklich einen pauschalen Kürzungssatz pro vorgezogenem Monat vorsieht, ist offen, in welcher Höhe dieser versicherungsmathematische Abschlag zulässig ist. Nach der Rechtsprechung des BAG ist ein Kürzungssatz von 0,5 % pro Monat = 6 % pro Jahr nicht unbillig (BAG vom 20.04.1982, AP BetrAVG § 6 Nr. 4; BAG vom 24.07.2001 - 3 AZR 567/00, zitiert nach juris). Versicherungsmathematische Abschläge in einer Größenordnung von 0,4 bis 0,7 % pro Monat der vorgezogenen Inanspruchnahme werden allgemein als angemessen betrachtet (BAG vom 28.05.2002 - 3 AZR 358/01, Rn. 52, zitiert nah juris; Küttner/Kreitner, Personalhandbuch 2013, Altersrente Rn. 2; Kemper/Kisters-Kölkes/Berenz, Kommentar zum BetrAVG, 5. Auflage 2013, § 6 Rn. 63 f mit weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung des BAG).

Der vorliegend von der Beklagten in Nummer 6.2. 2. Satzteil des Versorgungsplanes vorgesehene versicherungsmathematische Abschlag in der konkreten Höhe von 0,5 % bewegt sich daher auf der Linie der BAG-Rechtsprechung und ist nicht zu beanstanden.

2. Der Einwand der Klägerin, die Kürzungshöhe belaufe sich vorliegend auf 0,802 % pro Monat und sei unangemessen hoch, greift nicht durch.

Zwar hat die Klägerin rechnerisch annähernd zutreffend berechnet, dass die von der Beklagten nach der doppelten Kürzung tatsächlich gezahlte Rente in Höhe von EUR 332,55 lediglich 80,62 % der Vollrente von monatlich EUR 412,50 darstelle, mithin eine Reduzierung um 19,38 % auf zwei Jahre oder ein Gesamtabschlag von 0,8075 % für jeden vorgezogenen Monat (19,38 % : 24 Monate) gegeben sei. Jedoch übersieht die Klägerin, dass der vom Bundesarbeitsgericht für zulässig erachtete versicherungsmathematische Abschlag mit einer Bandbreite von 0,3 bis 0,6 % pro vorgezogenem Monat lediglich die zweite Stufe der nach den allgemeinen Grundsätzen des Betriebsrentenrechts zulässigen Kürzungen bei vorgezogener Inanspruchnahme der Betriebsrente nach Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis vor Eintritt des Versorgungsfalles darstellt. Durch die jeweils zulässige zeitratierliche Kürzung in der ersten Stufe vergrößert sich selbstverständlich der Abstand zwischen der ohne jede Kürzung möglichen fiktiven Vollrente und der schlussendlich nach zwei Kürzungsvorgängen tatsächlich ausgezahlten Rente. Dies wird mit Blick auf den monatlichen Gesamtkürzungsumfang in der Regel zu einem höheren Kürzungsfaktor führen. Die von der Klägerin berechnete Gesamtkürzungsbelastung von 0,802 % pro vorzeitigem Monat liegt jedenfalls nur unerheblich über der vom BAG bisher als beanstandungsfrei bezeichneten Spanne für den bloßen versicherungsmathematischen Abschlag von 0,4 bis 0,7 % (BAG vom 28.05.2002 - 3 AZR 358/01, Rn. 52). Er liegt des Weiteren deutlich unterhalb desjenigen Kürzungssatzes von 1,07 %, den das BAG in der zitierten Entscheidung vom 28.05.2002 (Rn. 52) als für den versicherungsmathematischen Abschlag zu hoch eingeschätzt hat.

Das Berufungsgericht hegt daher keinerlei Bedenken, dass sowohl der vorliegende versicherungsmathematische Abschlag von 0,5 % pro Monat als auch die zeitratierliche Kürzung angemessen und billigenswert sind und nicht gegen §§ 2, 6 BetrAVG oder sonstige Grundsätze des Betriebsrentenrechtes verstoßen.

IV. Die Bestimmung der Nummer 6 des Versorgungsplanes sowie die darauf beruhende Rentenberechnung der Beklagten stellen auch keine Benachteiligung der Klägerin wegen ihrer Schwerbehinderung im Sinne der §§ 1, 7 AGG dar. Die Klägerin ist weder unmittelbar noch mittelbar wegen Schwerbehinderung benachteiligt.

1. Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde (§ 3 Abs. 1 Satz 1 AGG). Weder Nummer 6 des Versorgungsplanes noch die Berechnungsweise der Beklagten stellen auf eine (Schwer)Behinderung des Mitarbeiters ab. Eine unmittelbare Benachteiligung scheidet daher von vornherein aus.

2. Jedoch fehlt es ebenso an einer mittelbaren Benachteiligung der Klägerin.

Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Zieles angemessen und erforderlich (§ 3 Abs. 2 AGG). Eine Benachteiligung ist mittelbar merkmalsbedingt, wenn als Differenzierungskriterium, das die nachteiligen Folgen herbeiführt, zwar nicht unmittelbar die Zugehörigkeit zur geschützten Gruppe dient, wohl aber solche Merkmale, die von Gruppenmitgliedern erheblich häufiger als von anderen Personen erfüllt werden. In solchen Fällen ist wegen der typischerweise überwiegend gruppenangehörige Personen treffenden nachteiligen Wirkung zu vermuten, dass gerade die Gruppenzugehörigkeit maßgebliche Ursache der Benachteiligung war (EuGH vom 27.10.1993, C-127/92; BAG vom 08.06.2005, NZA 2006, 611; ErfK-Schlachter, Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 14. Auflage, § 3 AGG Rn. 7 mit weiteren Hinweisen auf Rechtsprechung und Literatur).

Vorliegend ist weder von der Klägerin aufgezeigt noch sonst ersichtlich, dass ein typischerweise behinderte Menschen treffender Nachteil gegeben ist. Der Klägerin wird nach dem Versorgungsplan wie allen anderen (nichtbehinderten) Arbeitnehmern, die vor Vollendung des 65. Lebensjahres vorgezogene Altersrente beantragen, diese gekürzt. Sie wird mithin nicht ungünstiger als andere Arbeitnehmer behandelt. Vielmehr begehrt sie eine Bevorzugung gegenüber nichtbehinderten Menschen, die wie sie 24 Monate vor Vollendung des 65. Lebensjahres eine Altersrente bei der Beklagten in Anspruch nehmen würden. Ein solcher Anspruch lässt sich auch über das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz nicht begründen. Dagegen spricht auch nicht, dass der Gesetzgeber in der Sozialversicherung eine Bevorzugung von Schwerbehinderten aufgrund ihrer behinderungsbedingten Nachteile durch geringere Kürzungstatbestände vorgesehen hat (§ 236 a SGB VI). Dies verpflichtet den privaten Arbeitgeber im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung nicht, diese Bevorzugung ebenfalls in seinen Regelungen nachzuvollziehen (so auch LAG Rheinland-Pfalz vom 29.08.2008 - 9 Sa 266/08; LAG Köln vom 19.07.2010 - 2 Sa 249/10, jeweils zitiert nach juris).

Ein Anspruch der Klägerin auf ungekürzte Betriebsrente kommt daher auch nicht nach §§ 1, 7 und 15 AGG in Betracht.

V. Ebenso wenig verstößt der Versorgungsplan gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz.

1. Zu den Grundprinzipien des Arbeitsrechtes gehört die Pflicht zur Gleichbehandlung der Arbeitnehmer. Das Gebot der Gleichbehandlung greift immer dann ein, wenn der Arbeitgeber nach einer abstrakt selbstgesetzten Regel und einem erkennbar generalisierenden Prinzip Leistungen gewährt. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz kommt dann zur Anwendung, wenn der Arbeitgeber bei der Leistungsgewährung eine Gruppe begünstigter Arbeitnehmer bildet und einzelne Arbeitnehmer in vergleichbarer Lage ohne sachlich rechtfertigenden Differenzierungsgrund von der Leistungsgewährung ausschließt oder zwischen Arbeitnehmern sachfremd differenziert (Schaub/Linck, Handbuch des Arbeitsrechts, 15. Auflage, § 112 Rn. 5 mit vielen Hinweisen auf Rechtsprechung und Literatur).

2. Vorliegend fehlt es bereits an einer Ungleichbehandlung einer genügend abgrenzbaren Gruppe von Arbeitnehmern. So kommt eine doppelte Kürzung der Betriebsrente nach Nummer 6 des Versorgungsplanes selbst bei Inanspruchnahme einer ungekürzten gesetzlichen Rente im Falle des Ausscheidens vor Vollendung des 65. Lebensjahres nicht nur zu Lasten von schwerbehinderten Arbeitnehmern zur Anwendung, die vorgezogene Altersrente wegen Schwerbehinderung nach § 236 a SGB VI in Anspruch nehmen, sondern auch im Falle der gesetzlichen Vollrente wegen langjähriger Versicherung nach § 36 SGB VI (§ 236 SGB VI), für besonders langjährig Versicherte nach § 38 SGB VI, bei Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach dem Altersteilzeitgesetz nach § 237 SGB VI, um Altersrente für Frauen nach § 237 a SGB VI sowie um Altersrente für langjährig unter Tage beschäftigte Bergleute nach § 40 SGB VI (§ 238 SGB VI). Durch das alleinige Abstellen auf die Vollendung des 65. Lebensjahres gewährleistet der vorliegende Versorgungsplan in den Nummern 6 in Verbindung mit 4 nachgerade eine absolute Gleichbehandlung aller betroffener Arbeitnehmer ohne Abstellen auf sonstige differenzierende Einzelfallumstände.

Eine Unwirksamkeit des Versorgungsplanes wegen Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes bzw. ein Anspruch der Klägerin aus dem allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz kommen daher nicht in Frage.

VI. Schließlich verstößt die kürzende Berechnung der Betriebsrente der Klägerin auch nicht gegen das Verbot der Maßregelung (§ 612 a BGB).

Nach dieser Bestimmung darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt.

Zwar handelt es sich bei der Inanspruchnahme der gesetzlichen Vollrente wegen Schwerbehinderung durch die Klägerin um eine zulässige Ausübung ihrer Rechte im Sinne von § 612 a BGB. Auch mag eine Schlechterstellung gegenüber solchen Arbeitnehmern gegeben sein, die mit Vollendung des 65. Lebensjahres gesetzliche Altersrente sowie betriebliche Altersversorgung ungekürzt in Anspruch nehmen.

Jedoch hat die Klägerin nicht aufzuzeigen vermocht, dass die Beantragung der gesetzlichen Schwerbehindertenrente nicht nur der äußere Anlass, sondern der für die Kürzung tragende Beweggrund, mithin das wesentliche Motiv gewesen ist. Eine derartige Kausalität ist nach § 612 a BGB erforderlich ("weil") und liegt in der Darlegungs- und Beweislast der anspruchstellenden Klägerin (BAG vom 02.04.1987, NZA 1988, 18; BAG vom 22.05.2003, NZA 2004, 399; ErfK-Preiss, a.a.O., § 612 a Rn. 11 ff, 22). Vorliegend hat die Beklagte vielmehr von der für den Fall vorzeitigen Ausscheidens gesetzlich vorgesehenen Kürzungsmöglichkeit des § 2 Abs. 1, Abs. 5 BetrAVG sowie von der nach allgemeinen Grundsätzen des Betriebsrentenrechts möglichen Kürzung in Gestalt eines versicherungsmathematischen Abschlags Gebrauch gemacht. Die anerkannten Gründe hierfür liegen in einem Eingriff in das Gegenseitigkeitsverhältnis im Falle des vorzeitigen Ausscheidens sowie in der Verschiebung des in der Versorgungszusage festgelegten Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung für den Fall vorzeitiger Inanspruchnahme der Rente (vgl. B II und III der Urteilsgründe). Mithin ist der Versorgungsplan der Beklagten und darauf beruhende Berechnung der Rentenhöhe der Klägerin auch unter dem Gesichtspunkt des § 612 a BGB nicht zu beanstanden.

Vielmehr hat die Beklagte die betriebliche Altersrente der Klägerin zutreffend errechnet und bedient. Darüber hinausgehende Ansprüche stehen der Klägerin nicht zu. Das Arbeitsgericht hat daher die Klage zu Recht abgewiesen. Der hiergegen gerichteten Berufung wie auch der anschließenden Klageerweiterung musste der Erfolg versagt bleiben.

C.
I. Die Klägerin hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

II. Für die Zulassung der Revision bestand kein gesetzlich begründeter Anlass (§ 72 Abs. 1 und 2 ArbGG).

Referenznummer:

R/R6126


Informationsstand: 11.04.2014