Die Beschädigtenrente für die Kriegsopfer in den neuen Ländern darf ab dem 1.Januar 1999 nicht mehr niedriger sein als für die Kriegsopfer in den alten Ländern.
Kurzinhalt:
Im Früjahr 1990 erhielten etwa 620.000 Kriegsopfer in den alten Bundesländern eine Beschädigtengrundrente. In der ehemaligen DDR wurde die Zahl der Beschädigten einschließlich der Hinterbliebenen zu diesem Zeitpunkt auf etwa 5000 Personen geschätzt, deren Rente einheitlich 340 Mark betrug (
ggf. plus 100,- DM Ehegattenzuschlag).
Mit dem 1.Januar 1991 wurden die Leistungen nach dem BVG auf das Gebiet der ehemaligen DDR erstreckt. Während die Sachleistungen der Heil- und Krankenbehandlung sowie der Kriegsopferfürsorge den Berechtigten in den neuen Ländern in gleichem Umfang wie in den alten gewährt wurde, hat der Gesetzgeber für Renten und sonstige Geldleistungen eine besondere Regelung geschaffen, die durch Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet K Abschnitt II des Einigungsvertrages als § 84 a in das BVG eingefügt wurde.
Diese Regelung bewirkte, dass die unterschiedlichen Einkommen der Rentenversicherten in den alten und neuen Ländern und deren Entwicklung in die Berechnung der Grundrenten für Kriegsopfer einfließen. Steigen die Nettolöhne im Osten schneller als im Westen, steigt die Standardrente (als fiktive Größe).
Der Anpassungsprozeß bei den Geldleistungen der Kriegsopferversorgung wird dadurch beschleunigt. Aufgrund des Berechnungssystems waren die Grundrenten Ost 1991 jedoch um 54 Prozent niedriger als die Grundrenten West. Am 01.07.1999 hatten die etwa 60.000 Beschäftigten 86,71 Prozent der Westrenten erreicht.
Der Beschwerdeführer ist Mitglied unseres Verbandes. Er erlitt im Krieg Verletzungen, die zu einer Amputation des linken Beines im Oberschenkel geführt hatten. Ab dem 01.01.
1991 erhielt er Beschäftigtenversorgung nach einer
MdE um 70 v.H. Dabei betrug seine Grundrente nur 46,37 Prozent der Grundrente West. Unser Verband stellte 1991 für ihn einen Antrag, mit dem Grundrente und Kleriderverschleißzulage in Höhe des Westniveaus begehrt wurden. Das Verwaltungsverfahren ging ebenso negativ aus wie das Klage- und das Berufungsverfahren im Jahre 1995. Die Revision wurde nicht zugelassen. Denn das Bundessozialgericht hatte bereits in einem früheren Verfahren am 10.08.1993 -9 RV 4/93- negativ entschieden. Der damalige Kläger war während des Revisionsverfahrens verstorben, so dass sein Verfahren auch nicht weitergeführt wurde.
Das für unser Mitglied durchgeführte Beschwerdeverfahren gegen die Nichtzulassung der Revision im zweitinstanzlichen Urteil hatte wiederum keinen Erfolg, da das Bundessozialgericht seine bisherige Auffassung wiederholte. Gegen die Entscheidung des
BSG vom 12.12.1995 konnte unter 06.02.1996 unter entsprechender Begründung Verfassungsbeschwerde eingelegt werden. Dabei wurde unser Mitglied von der Bundesrechtsabteilung unseres Verbandes unterstützt. Unter dem 17.06.1999 bestätigte das
BVerfG, dass es unsere Beschwerde sowie die eines weiteren Kriegsopfers angenommen und beide Verfahren miteinander verbunden hatte. Da Verbandsvertreter vor dem Verfassungsgericht nicht zugelassen sind, konnte mit
Prof.Dr.Ebsen von der Universität Frankfurt ein äußerst kompetenter und versierter Vertreter gewonnen werden, der in der mündlichen Verhandlung am 09.11.1999 die Karlsruher Richter überzeugen konnte.
Am 14.03.2000 hat der 1.Senat des
BVerfG unter dem Vorsitz des Vizepräsidenten
Dr.Papier entschieden, dass die Beschädigtenrente für die Kriegsopfer in den neuen Ländern ab dem 01.01.1999 nicht mehr niedriger als für die Kriegsopfer in den alten Bundesländern sein darf.
Die Verfassungsbeschwerde bezüglich der Kleiderverschleißpauschale hatte dagegen keinen Erfolg.
Die Verfassungsrichter Kühling sowie die Richterinnen Jaeger und Hohmann-Dennhardt haben eine lesenswerte und ebenfalls abgedruckte abweichende Meinung vertreten, nach der die Beschwerdeführer durch die abgesenkte Grundrente wegen ihrer "Heimat" im Sinne des
Art. 3
Abs.3
S.1
GG benachteiligt werden.
Die Entscheidung des
BVerfG ist insgesamt zu begrüßen, selbst wenn man mit einem etwas größeren Erfolg im Sinne einer zeitlich früheren Nichtigkeitserklärung des § 84 a BVG geliebäugelt hat.
Der durch die jetzige Entscheidung entstandene Mehraufwand der Gleichstellung bei der Beschädigtengrundrente beträgt rund 35
Mio DM jährlich und entspricht etwa 1 Prozent der Gesamtausgaben des Bundes für alle Leistungen der Kriegsopferversorgung ohne Kriegsopferfürsorge bezogen auf das Jahr 1998. Damit ist aber auch der Anpassungsverbund der Kriegsopferrenten an die gesetzlichen Renten im Sinne des § 56 BVG nicht gefährdet. Und das
BVerfG hat nicht etwa nur den beiden Beschwerdeführern eine Erhöhung der Grundrente zugesprochen, sondern alle etwa 60.000 anerkannte Beschädigten im Beitrittsgebiet können diese auf Antrag erhalten.
Nach der Entscheidung des
BVerfG müsste jeder betroffene Beschädigte in dem Beitrittsgebiet einen Antrag auf Anpassung der Beschäftigtengrundrente stellen. Aber hier hat das BMA bereits signalisiert, dass die Umstellung von Amts wegen bis zum 01.07.2000 vorgenommen werden könnte. Dieses Rundschreiben ist im Anhang zu diesem Urteil abgedruckt und betrifft nur die Beschädigten selbst, soweit sie Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz beziehen.
Ausführlichere darstellung zu diesem Urteil: siehe auch Sozialrecht und Praxis 4/00)