Die zulässige Berufung der Beklagten ist nach Maßgabe des Urteilstenors unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 10. November 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Februar 2005 verurteilt, die Kosten für zwei allergendichte Matratzenencasings zu übernehmen.
1. Die im zweiten Rechtszug erfolgte Umstellung der Klage von der ursprünglich begehrten Kostenübernahme auf Kostenerstattung iHv 122,00
EUR war gemäß §§ 153 Abs 1, 99 Abs 3 Nr 3 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) zulässig (
BSG 20. März 2007 - B 2 U 38/05 R, SozR 4-1300 § 48 Nr 10). Von dem verauslagten Betrag iHv 156,00
EUR hat der Kläger eine Zuzahlung iHv 10,00
EUR sowie die Kosten für zwei einfache Matratzenschoner gemäß dem insoweit von ihm nicht angegriffenen Urteil des Sozialgerichts abgesetzt (hierfür hat er den vom Sozialgericht ermittelten und von der Beklagten nicht in Frage gestellten Anschaffungsbetrag iHv zusammen 24,00
EUR zugrunde gelegt).
2. Grundlage des Kostenerstattungsanspruchs ist
§ 13 Abs 3 Satz 1 SGB V. Dort heißt es: Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war.
a. Dem Kläger sind für die im Mai 2008 angeschafften Encasings der Marke Allcon Protec Kosten in Höhe von 156,00
EUR entstanden. Dies geht aus der in der mündlichen Verhandlung am 7. Oktober 2010 vorgelegten Rechnung der
Fa. Allcon hervor.
b. Die Anschaffungskosten sind dem Kläger dadurch entstanden, dass die Beklagte die Leistungen abgelehnt hat. Der ursprüngliche Antrag des Klägers richtete sich ua ausdrücklich auf eine Versorgung mit "allergendichten Zwischenbezügen" (vgl den Kostenvoranschlag der
Fa. Allcon vom 9. November 2004, Bl 4 VerwA). Es ging damit von Anfang an um zusätzlich zur Bettwäsche verwendbare Zwischenbezüge. Erst nach der Ablehnung der Beklagten im angegriffenen Bescheid vom 10. November 2004 hat er sodann diese Bezüge im Jahre 2008 selbst angeschafft. Die Kausalität ist nicht deshalb unterbrochen, weil der Kläger bereits im Jahre 2005 Matratzenbezüge erworben hatte und sich die Anschaffung im Jahre 2008 deshalb als (möglicherweise neu zu beantragende) Ersatzbeschaffung darstellen würde. Denn im vorliegenden Fall betrafen die 2005 angeschafften Matratzenbezüge gerade nicht die abgelehnte Leistung. Es handelte sich um andersartige Gegenstände. Im Gegensatz zu der beantragten Leistung boten sie keine vollständige Umhüllung der Matratzen, sondern nach Art eines Spannbettlakens nur die Bedeckung von Oberfläche und Seiten. Darin besteht in Bezug auf die antiallergene Wirkung ein erheblicher Unterschied, weil eine Teilbedeckung keinen wirksamen Schutz vor dem Kontakt mit dem Allergen bewirkt. Demgemäß werden als sinnvolles Abwehrmittel gegen Hausstaubmilben von fachmedizinischer Seite übereinstimmend "Encasings" empfohlen (vgl etwa: Konsentierte Leitlinie des Aktionsbündnises Allergieprävention, Bl 35 GA; Patientenmerkblatt 2003 der Klinik für Dermatologie und Allergologie der Ruhr-Universität Bochum, Bl 142 ff GA; Kitz, Forschung und Praxis 316/01, S 20 ff, Bl 132 f GA; Ewers ua, Allergo Journal 2000, 261 ff (262), Bl 134 ff GA; Hamelmann, Allergo Journal 2005, 408 ff, Bl 97 ff GA sowie ÖKO-TEST-Sonderdruck 2002 "Kampf den Milben", Bl 144 ff GA).
Der Kläger hatte zudem eine Versorgung mit qualitativ deutlich höherwertigen antiallergenen Bezügen begehrt. Die für ca 15,00 bis 20,00
EUR angeschafften antiallergenen Bezüge in "Discounterqualität" kamen mit ihrer begrenzten Wirkungsdauer von nur etwa anderthalb Jahren von vornherein nicht als Hilfsmittel und Leistungsgegenstand der
GKV in Betracht. Bei derartig kurzer Lebensdauer besteht die Gefahr, dass die Allergene signifikant häufiger unbemerkt wieder auftreten und ihre Wirkung entfalten, als es bei der vom Kläger begehrten Versorgung der Fall wäre (garantierte Wirkungszeit 10 Jahre). Der Kläger durfte die Anschaffung der "Discounterbezüge" daher als eine andersartige Behelfslösung gegenüber der beantragten Leistung ansehen. Er war nicht gehalten, vor der Anschaffung im Jahre 2008 einen neuen Antrag auf Ersatzbeschaffung zu stellen.
c. Die Ablehnung der Sachleistung erfolgte zu Unrecht. Gemäß § 33 Abs 1 Satz 1
SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach
§ 34 Abs 4 SGB V ausgeschlossen sind. Die hiernach zu erbringenden Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkasse nicht bewilligen (
§ 12 Abs 1 SGB V).
Diese Leistungsvoraussetzungen sind erfüllt.
aa. Die antiallergenen Matratzenbezüge können grundsätzlich als Hilfsmittel iSv § 33
SGB V angesehen werden; insbesondere ist dafür nicht erforderlich, dass sie den Ausgleich einer Behinderung selbst bezwecken, also unmittelbar gegen die Behinderung gerichtet sind (vgl
BSG 8. Februar 2000
B 1 KR 3/99 S, zitiert nach Juris). Die Bezüge bezwecken entweder, wie das Sozialgericht angenommen hat, die Sicherung des Erfolges einer (antiallergenen) Behandlung (1. Alternative des § 33 Abs 1 Satz 1
SGB V, so auch
BSG 16. September 1999 -
B 3 KR 1/99 R, BSGE 84, 266 zu Luftreinigungsgeräten), oder sie dienen, wozu der Senat neigt, der Vorbeugung einer Behinderung im Sinne einer sekundären Prävention bereits erkrankter Versicherter (2. Alternative des § 33 Abs 1 Satz 1
SGB V in der insoweit seit dem 1. Juli 2001 geltenden Fassung von Art 5 Nr 9 nach Maßgabe des Art 67 G v 19. Juni 2001, BGBl I 1046).
(1) Die seit vielen Jahren beim Kläger bestehende Allergie gegen Hausstaubmilben und die dadurch ausgelösten allergischen Reaktionen stellen eine Behinderung in diesem Sinne dar. Die allgemeine, nach Ansicht des Bundessozialgerichts auch für das
SGB V geltende Definition des Begriffs der Behinderung findet sich in
§ 2 Abs 1 SGB IX (
BSG 23. Juli 2002 -
B 3 KR 66/01 R, zitiert nach Juris, Rn 14). Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (Satz 1). Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn die Beeinträchtigung zu erwarten ist (Satz 2). Im vorliegenden Fall kann offenbleiben, ob dem für das
SGB V auch in zeitlicher Hinsicht (länger als sechs Monate) zu folgen ist. Denn beim Kläger ist von einer dauerhaften Einschränkung auszugehen.
Eine Behinderung droht, wenn ohne ärztliche Behandlungsmaßnahmen aus einem bestimmten Krankheitsbild bei natürlichem Verlauf in absehbarer Zeit mit einiger Wahrscheinlichkeit ein Dauerzustand in Form einer sonst nicht mehr behebbaren konkreten Funktionseinschränkung erwachsen kann (
BSG 22. April 2009 -
B 3 KR 11/07 R, BSGE 103, 66 - RdNr 25). Die beim Kläger bestehende Allergie stellt insbesondere wegen der durch sie ausgelösten Reaktionen (etwa Dauerschnupfen, Augentränen, Luftnot im Sinne von Asthma, vgl Befundbericht von
Dr. M. vom 25. August 2010) eine Abweichung von körperlichen Funktionen vom alterstypischen Zustand dar, welche den Kläger in seiner Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt. Aus dem vorliegenden Krankheitsbild kann überdies bei natürlichem Verlauf in absehbarer Zeit mit einiger Wahrscheinlichkeit ein Dauerzustand in Form einer sonst nicht mehr behebbaren konkreten Funktionseinschränkung in der konkreten Form einer allergischen Dauerreaktion oder gar einer chronifizierten Asthmaerkrankung erwachsen (vgl undatierte Stellungnahme des Deutschen Berufsverbandes der Hals-Nasen-Ohrenärzte eV, Bl 73 GA).
(2) Zur Abwehr der allergieauslösenden Kontakte mit dem Kot der Hausstaubmilbe und damit zur Vorbeugung einer (weitergehenden) Behinderung durch die ausgelösten Reaktionen sind die vom Kläger angeschafften antiallergenen Matratzenbezüge auch geeignet und erforderlich.
Hausstaubmilben und deren Ausscheidungsprodukte gehören zu den wichtigsten Ursachen von allergischem Asthma und allergischer Rhinitis in industrialisierten Ländern (vgl etwa Ewers ua, aaO). Antiallergene Matratzenbezüge verhindern hochwirksam den Kontakt mit Hausstaubmilben und die Aufnahme ihrer Schadstoffe (Kot) durch die Atemluft. Sie gleichen damit eine Störung des Immunsystems in Bezug auf diesen Erreger aus und schützen vor rezidivierenden allergischen Reaktionen. Damit beugen sie zwar nicht der Allergie selber vor, die in einer Störung des Immunsystems besteht. Doch beugen sie dem Auftreten der durch den Kontakt mit dem Erreger ausgelösten allergischen Reaktionen und daraus drohenden Chronifizierungen (Asthma etc) vor, die gerade wesentlich zur Beeinträchtigung in der Teilnahme am Leben in der Gesellschaft beitragen.
Die grundsätzliche Wirksamkeit und Erforderlichkeit dieses Allergieschutzes bestätigen die umfangreiche vom Kläger vorgelegte und vom Sozialgericht in den Rechtsstreit eingeführte Fachliteratur sowie die ärztlichen Stellungnahmen (vgl die Nachweise oben unter 2 b). Insbesondere lässt sich der Schutz nicht dadurch einfacher erreichen, dass die Bettwäsche bei 60° oder 95° Wassertemperatur gewaschen wird. Eine solche Maßnahme bietet keinen Schutz vor Hausstaubmilben in der Matratze, wo sie gerade bevorzugt nisten (vgl etwa Kitz, aaO). Die Hausstaubmilbe nistet in Kissen und Bettdecke sowie insbesondere in der Matratze. Das Abkochen von Bettlaken oder Bett- und Kissenbezug kann das Wandern der Milbe nicht verhindern, da diese für Milben gerade durchlässig sind. Aus diesem Grund vermag der Senat auch nicht der Entscheidung des Sozialgerichts Dortmund zu folgen, welche den Kläger in Bezug auf die Matratze auf einen gewöhnlichen waschbaren Überzug verwiesen hat (Urt v 23. Januar 2007 - S 44 (13) KR 357/05, vom Senat beigezogen; dem folgend die Berufungsinstanz
LSG Nordrhein-Westfalen 28. November 2007 - L 11 KR 21/07, zitiert nach Juris). Das Abkochen gewährleistet lediglich, dass im Laken bzw Bezug selbst keine Milben mehr nisten (vgl die oben unter 2 b zitierte Fachliteratur sowie die Stellungnahmen des Allergologen
Dr. M.). Eine gegenteilige fachliche Stellungnahme ist nicht ersichtlich. Waschbare Matratzen gibt es (im Gegensatz zu waschbaren Kissen und Bettdecken) nicht. Auch die Beklagte stellt die grundsätzliche Eignung antiallergener Bezüge zum Schutz vor Allergenen nicht ernstlich in Frage.
Die Eignung des vom Kläger angeschafften speziellen Produkts steht zur Überzeugung des Senats fest. Es hat im Jahre 2002 nach Prüfung durch die RWTÜV Systems
GmbH auf Allergiker-Eignung insbesondere auch in Bezug auf das Milbenallergen die Genehmigung erhalten, das raumlufthygienische Prüfzeichen mit dem Prädikat "Für Allergiker geeignet" zu führen. In einem Warentest für allergendichte Matratzenbezüge der Zeitschrift Öko-Test hat es im Jahre 2002 in allen Kategorien mit "sehr gut" abgeschnitten bei zugleich niedrigem Preis (von 13 getesteten Produkten war es das zweitbilligste; das billigste wurde im Gesamtergebnis mit mangelhaft bewertet). Konkrete Zweifel an der antiallergenen Eignung dieses Produkts äußert die Beklagte nicht; sie sind auch sonst nicht ersichtlich.
Auch die Matratze eines unmittelbar angrenzenden Partnerbettes bedarf zum Schutze des Versicherten derselben präventiven Sicherung (vgl etwa ÖKO-TEST, aaO, Bl 146 GA). Dabei handelt es sich um einen persönlichen Versorgungsanspruch des Klägers, da es um seinen Schutz geht und nicht um den des Partners. Der Anspruch besteht nur solange, wie sich das Partnerbett unmittelbar neben dem Bett des Klägers befindet. Das ist nach den Feststellungen des Senats aufgrund der Angaben des Klägers und seiner Ehefrau in der mündlichen Verhandlung der Fall.
(3) Es handelt sich bei dem Einsatz dieses Hilfsmittels ferner um eine ausgesprochen günstige Kosten-Nutzen-Relation (156,00
EUR in zehn Jahren) im Vergleich zu einer anderweitigen Behandlung der allergischen Erkrankung des Klägers. Dem Wirtschaftlichkeitsgebot wird daher bei dieser Hilfsmittelversorgung Rechnung getragen. Auch sind antiallergene Matratzenbezüge nicht gemäß § 34 Abs 4
SGB V von der Versorgung ausgeschlossen. Das Bundesministerium für Gesundheit hat bislang von der grundsätzlich nach dieser Norm bestehenden Möglichkeit, bestimmte Hilfsmittel von der Versorgung auszunehmen, in Bezug auf antiallergene Matratzenbezüge keinen Gebrauch gemacht. Alle diese Gesichtspunkte hat bereits das Sozialgericht herausgestellt und im Einzelnen näher begründet, ohne dass die Beklagte dem entgegengetreten wäre. Auf die Ausführungen des Sozialgerichts wird daher insoweit Bezug genommen.
bb. Die antiallergenen Zwischenbezüge sind nach Auffassung des Senats nicht als allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens anzusehen, der von der Leistungspflicht der Krankenkassen ausgenommen ist (
§ 33 Abs 1 Satz 1 letzter Halbsatz SGB V).
Die Einordnung als allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens hängt davon ab, ob ein Gegenstand bereits seiner Konzeption nach den Erfolg einer Krankenbehandlung sichern oder eine Behinderung ausgleichen soll oder - falls dies nicht so ist - den Bedürfnissen erkrankter oder behinderter Menschen jedenfalls besonders entgegenkommt und von gesunden, körperlich nicht beeinträchtigten Menschen praktisch nicht genutzt wird (
BSG 6. Februar 1997 -
3 RK 1/96, SozR 3-2500 § 33 Nr 22 zum Personalcomputer). Was regelmäßig auch von Gesunden benutzt wird, fällt nicht in die Leistungspflicht der Krankenkassen, wobei es auf einen bestimmten prozentual messbaren Verbreitungsgrad in der Bevölkerung oder einen Mindestpreis nicht ankommt (
BSG 16. September 1999 -
B 3 KR 1/99 R, SozR 3-2500 § 33 Nr 33 zum Luftreinhaltungsgerät II). Nicht ausschlaggebend ist, ob der Gegenstand aus Vermarktungsgründen als "medizinisches Hilfsmittel" beworben wird (
BSG 29. April 2010 -
B 3 KR 5/09 R, zitiert nach Juris Rn 15 f zur Lichtsignalanlage).
Das Bundessozialgericht ist in der Entscheidung vom 18. Januar 1996 (
1 RK 8/95, zitiert nach Juris) davon ausgegangen, dass es "nicht zweifelhaft" sein könne, dass ein antiallergener Matratzenbezug einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens darstelle. Diese Annahme beruhte ausdrücklich auf den tatrichterlichen Feststellungen der Vorinstanz. Auch das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen hat in der Entscheidung vom 28. November 2008 (
L 11 KR 21/07, zitiert nach Juris) ohne Begründung angenommen, dass gewöhnliche Bettwäsche als allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens weitere Matratzenzwischenbezüge erfasse. Aus den nachfolgenden Gründen vermag der erkennende Senat eine solche Feststellung nicht zu treffen.
Die vom Kläger beschafften antiallergenen Matratzenzwischenbezüge sind entgegen der Auffassung der Beklagten sowie des IKK-Bundesverbandes (vgl dessen Schreiben vom 6. Juli 2005, Bl 23 f IKK-Beiakte) von antiallergener Bettwäsche zu unterscheiden. Im Gegensatz zu dieser haben sie keine Doppelfunktion als medizinisches Hilfsmittel und als Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens. Denn sie bezwecken im Unterschied zur Bettwäsche ausschließlich den Schutz vor dem Allergen. Sie werden auch nicht von der Einschätzung der Aufsichtsbehörden der Sozialversicherungsträger im Beschluss vom 28./29. April 2005 (Bl 22 IKK-Beiakte) erfasst, wonach als "antiallergene Bettwäsche" bezeichnete Produkte in aller Regel als Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen seien. Dieser Beschluss betrifft nur Matratzen- und Kissenbezüge, nicht gesonderte Matratzenzwischenbezüge. Diese Ansicht wird im Ergebnis im Schreiben des Bundesversicherungsamtes an den Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 19. Juli 2005 geteilt. Danach sei die Entscheidung über die Versorgung mit zusätzlich zur Bettwäsche verwendeten Zwischenbezügen (Encasings) auch in Ansehung des vorgenannten Beschlusses der Aufsichtsbehörden von den Krankenkassen im Einzelfall zu treffen. Auch das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung hat im Schreiben vom 19. September 2005 an die Spitzenverbände der Krankenkassen (VdAK/AEV) demgemäß ein aufsichtsbehördliches Einschreiten nur in Bezug auf die Versorgung mit "antiallergener Bettwäsche" angekündigt, während in Bezug auf "Encasings" zunächst ausdrücklich die weitere Entwicklung abgewartet werden sollte (Bl 103 GA).
Antiallergene Matratzenzwischenbezüge stellen nicht deshalb einen allgemeinen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens dar, weil sie zugleich auch die Funktion eines Matratzenschoners erfüllen könnten. Während der Matratzenschoner nur die jeweils oben liegende Seite der Matratze vor Verunreinigung schützen soll und aus dafür geeignetem Material besteht, kommt die ganz andere Zweckbestimmung des antiallergenen Matratzenbezuges bereits darin zum Ausdruck, dass er nicht nur - wie gewöhnliche Matratzenschoner - die Oberseite der Matratze bedeckt, sondern die Matratze insgesamt umhüllt (Encasing), um so einen wirksamen Schutz vor der Hausstaubmilbe zu bewirken. Einer solchen Umhüllung bedürfte es nicht, um die Oberseite der Matratze vor Verunreinigung zu schützen, wie es Zweck des Matratzenschoners ist.
Dass die vom Kläger angeschafften Bezüge ihrer Konzeption nach den Erfolg einer Krankenbehandlung sichern oder einer Behinderung vorbeugen sollen (vgl oben 2 c aa), wird darüber hinaus an dem besonderen Material erkennbar, aus dem sie hergestellt sind. Dieses ist für Hausstaubmilben undurchlässig und zugleich - relativ - durchlässig für Feuchtigkeit und zielt damit gerade auf den Schutz des Allergikers. Das verwendete Material mit seiner besonderen Beschichtung ist dabei für den Gegenstand kennzeichnend. Es ist gerade nicht darauf ausgerichtet, Verunreinigungen von der Matratzenoberfläche abzuhalten. Ein Nichtallergiker hätte keinen Grund für die Anschaffung eines solchen Matratzenbezuges. Er wäre mit einem Matratzenschoner ausreichend bedient. Da zudem - zumindest tendenziell - die Eigenschaft der Milbenundurchlässigkeit zu einer Verringerung der Durchlässigkeit für Wasserdampf führt, und aus der besonderen milbenundurchlässigen Beschichtung auch nachteilige Immissionen in die Raumluft entweichen können (etwa Phenol, diverse Zinnverbindungen und weitere, vgl ÖKO-TEST Bl 145 ff), sind derartige Bezüge für Nichtallergiker eher unattraktiv. Sie führen ua, wie auch die Ehefrau des Klägers berichtete, zu verstärktem Schwitzen in der Nacht.
Nach alledem scheidet es zur Überzeugung des Senats somit aus, von der theoretisch möglichen Doppelverwendung der Bezüge als Schutz vor dem Allergen und als Matratzenschoner darauf zu schließen, dass die Bezüge auch von Gesunden regelmäßig genutzt werden. Das bestätigt die Angabe der Ehefrau des Klägers, wonach sie zusätzlich zu den antiallergenen Matratzenzwischenbezügen Matratzenschoner verwende. Es spricht im Gegenteil viel dafür, dass Zwischenbezüge nahezu ausschließlich von Allergikern verwendet werden. Allerdings mag denkbar sein, dass antiallergene Matratzenbezüge auch von Menschen verwendet werden, die sich damit - irrational - vor Allergenen schützen wollen, ohne Allergiker zu sein. Doch besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass die Gruppe solcher Konsumenten unter den Verwendern antiallergener Matratzenbezüge ins Gewicht fiele. Hiergegen sprechen bereits die erwähnten Gebrauchsnachteile (Schwitzen etc) und der ca fünffach höhere Preis.
cc. Selbst wenn man aber mit dem Sozialgericht annimmt, dass die hier angeschafften Matratzenzwischenbezüge eine Doppelfunktion als medizinisches Hilfsmittel und als Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens besitzen, besteht die Leistungspflicht der Beklagten im ausgesprochenen Umfang. In diesem Fall hätten nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts die gesetzlichen Krankenkassen einen Kostenanteil dann zu übernehmen, wenn der Teil der Herstellungskosten überwiegt, der allein auf die therapeutische Wirkung des Mittels zurückzuführen ist. Denn dadurch tritt die Bedeutung als Gebrauchsgegenstand für den Versicherten in den Hintergrund. Ist diese Voraussetzung erfüllt, müssen die Anschaffungskosten in einem näher zu bestimmenden Umfang von der
GKV übernommen werden (st Rspr, vgl
BSG 28. September 1976 -
3 RK 9/76, BSGE 42, 229 - orthopädische Schuhe;
BSG 3. November 1993 -
1 RK 42/92, SozR 3-2500 § 33 Nr 5 - Schreibtelefon;
BSG 10. Mai 1995 -
1 RK 18/94, NZS 1995, 457;
BSG 18. Januar 1996 - 1 RK 8/95, Juris - beide zu antiallergenen Bezügen; zuletzt
BSG 7. Oktober 2010 -
B 3 KR 5/10 R - Behindertendreirad (Terminbericht)).
(1) Hier überwiegen zur Überzeugung des Senats die therapeutisch veranlassten Herstellungskosten diejenigen zur Herstellung des allgemeinen Gebrauchsgegenstandes erheblich. Dies folgt bereits aus dem deutlich höheren Materialaufwand für eine Komplettumhüllung nebst allergendichtem Verschluss im Gegensatz zum Aufwand für einen nur die Oberfläche der Matratze bedeckenden Schoner oder einen Schoner in Gestalt eines Spannbettlakens. Hinzutritt das besondere Material bzw dessen Beschichtung. Diese muss noch wasserdampfdurchlässig, aber zugleich milbenundurchlässig (Partikeldurchlässigkeit ( 1 µm, vgl Ewers ua, aaO, Bl 134 GA) sowie schadstoffarm sein. Diese Eigenschaften müssen ferner waschbeständig sein. Dafür werden Entwicklungs- und Prüfkosten in der Herstellung anfallen. Letztlich drückt sich das Überwiegen der therapeutisch veranlassten Herstellungskosten unmittelbar in den ca fünffach höheren Anschaffungskosten im Vergleich zu anderen, nicht antiallergenen Matratzenbezügen aus (gerechnet bei gleicher Lebensdauer). Dabei zählt das vom Kläger gewählte Produkt bereits, wie oben festgestellt, zu den günstigsten seiner Kategorie. Sein Anschaffungspreis ist zudem nicht durch die Aufnahme in das Hilfsmittelverzeichnis und das damit einhergehende kostenträchtige versicherungsrechtliche Prüfverfahren gegenüber sonstigen Marktpreisen erhöht und damit "verzerrt". Da zur Überzeugung des Senats damit die therapeutisch bedingten Herstellungskosten eindeutig überwiegen, bedarf es der Ermittlung ihres exakten Anteils an den gesamten Herstellungskosten nicht. Abgesehen von der tatsächlichen Schwierigkeit und dem zu tätigenden Aufwand (etwa zur Feststellung und Bewertung von Forschungs- und Entwicklungskosten) könnte dies aus den dargelegten Gründen nicht zu der Feststellung führen, dass die allgemeinen Herstellungskosten die therapeutisch bedingten überwiegen und eine Leistungspflicht der
GKV insgesamt ausscheidet.
(2) Der Kläger hat - dem Sozialgericht folgend - bei seiner Klagebezifferung im Berufungsrechtszug einen Eigenanteil von 24
EUR vom Anschaffungspreis abgezogen, der den festgestellten Kosten eines gewöhnlichen Matratzenschoners entspricht. Bei Annahme eines Hilfsmittels in Doppelfunktion, dessen therapeutisch bedingte Herstellungskosten überwiegen, ist dieser Berechnung zur Festlegung des vom Versicherten selbst zu tragenden Anteils nach Auffassung des Senats zu folgen und insbesondere ein höherer Abzug nicht gerechtfertigt.
Allerdings ist die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in dieser Frage nicht einheitlich. Einerseits wird ein Abzug in Höhe der Kosten des allgemeinen Gebrauchsgegenstandes vorgenommen (etwa
BSG 3. November 1993 - 1 RK 42/92, Breith 1994, 551 - Schreibtelefon;
BSG 28. September 1976 - 3 RK 9/76, BSGE 42, 229 - orthopädische Schuhe; ähnlich wohl auch jetzt
BSG 7. Oktober 2010 - B 3 KR 5/10 R - Behindertendreirad (Terminbericht)). Andererseits wird eine anteilige Aufteilung der Anschaffungskosten entsprechend dem Verhältnis des jeweiligen Anteils der Herstellungskosten für zutreffend gehalten (so etwa
BSG 10. Mai 1995 -
1 RK 18/94, NZS 1995, 457;
BSG 18. Januar 1996 - 1 RK 8/95, Juris - beide zu antiallergenen Matratzenbezügen). Der Senat folgt der erstgenannten Auffassung, wonach lediglich die Anschaffungskosten für einen entsprechenden allgemeinen Gebrauchsgegenstand von den Beschaffungskosten für das Hilfsmittel abzuziehen sind. Dies stellt sicher, dass der Versicherte ausschließlich mit den Kosten belastet wird, die bei Anschaffung eines entsprechenden allgemeinen Gebrauchgegenstandes angefallen wären. Für eine weitergehende Belastung gibt es keinen Grund. Das Wirtschaftlichkeitsinteresse der
GKV wird im Übrigen bereits dadurch hinreichend gewahrt, dass eine Leistungspflicht überhaupt erst bei Überwiegen der therapeutisch veranlassten Herstellungskosten eintritt.
Danach ist ein Abzug iHv 24,00
EUR, wie ihn der Kläger mit der Klagebezifferung vorgenommen hat, nicht zu beanstanden, insbesondere nicht zu gering. Nach den Feststellungen des Sozialgerichts, denen der Senat folgt, sind zu einem solchen Preis gewöhnliche Matratzenschoner mit ähnlicher Lebensdauer im Einzelhandel erhältlich.
dd. Der Anspruch scheitert schließlich nicht daran, dass die antiallergenen Matratzenbezüge nicht in das Hilfsmittelverzeichnis aufgenommen sind und deshalb ihre Qualität nicht ausreichend gesichert wäre. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts verkörpert das Hilfsmittelverzeichnis keine abschließende, die Leistungspflicht der Krankenkassen und Pflegekassen im Sinne einer "Positivliste" beschränkenden Regelung. Es handelt sich vielmehr um eine reine Auslegungs- und Orientierungshilfe für die medizinische Praxis. Für die Gerichte hat das Hilfsmittelverzeichnis nur die Rechtsqualität einer unverbindlichen Auslegungshilfe (vgl zuletzt
BSG 25. Juni 2009 -
B 3 KR 4/08 R, SozR 4-2500 § 33 Nr 26 -
GPS - System). Aus den vorstehend aufgeführten Gründen lässt im vorliegenden Fall die Nichtaufnahme antiallergener Matratzenzwischenbezüge in das Hilfsmittelverzeichnis nicht darauf schließen, dass es sich dabei nicht um Hilfsmittel iSd
SGB V handele.
Soweit die Beklagte geltend macht, dass ohne Aufnahme in das Hilfsmittelverzeichnis und das damit verbundene Prüfverfahren die gesetzlich gebotene Qualität des Hilfsmittels nicht ohne weiteres gewährleistet sei, mag dies zutreffen. Doch kann dem Versicherten ein bestehender Anspruch auf Versorgung mit einem Hilfsmittel nicht mit der Begründung versagt werden, dass die Gesetzliche Krankenversicherung (
GKV) über ein qualitativ ausreichend geprüftes Hilfsmittel mangels Aufnahme in das Hilfsmittelverzeichnis nicht verfüge. Es ist Aufgabe der
GKV, die geschuldeten Sachleistungen in der gebotenen Qualität ihren Versicherten zur Verfügung zu stellen. Aus diesem Grund führt auch das von der Beklagten zweitinstanzlich vorgelegte "Verfahrenshandbuch zu Strukturgegebenheiten und Prozessabläufen im Hilfsmittel- und Pflegehilfsmittelbereich" (Bl 263 bis 440 GA) nicht weiter.
Aus dem gleichen Grund kann der Erstattungsanspruch auch die Kosten für einen nicht vertraglich gebundenen Leistungserbringer (
§ 126 SGB V) umfassen. Dessen Inanspruchnahme für eine von der
GKV geschuldete Leistung wird durch ein Systemversagen wesentlich mitverursacht, wenn - wie hier - nur ein nicht zugelassener Leistungserbringer zur Verfügung steht (vgl
BSG 16. Dezember 1993 - 4 RK 5/92, BSGE 73, 271). Die Beklagte hat die beantragte Leistung gerade mit der Begründung abgelehnt, dass sie nicht geschuldet sei, und beruft sich darauf, keinen vertraglich gebundenen Leistungserbringer für eine solche Leistung zu haben. Besteht eine Leistungspflicht der
GKV, kann der Versicherte in einem solchen Fall die Leistung nur außerhalb des Systems erlangen.
ee. Aus den von der Beklagten angeführten Gesetzesmaterialien zum Wettbewerbsstärkungsgesetz der gesetzlichen Krankenversicherungen ergibt sich nichts anderes. Auf die hier zugrunde gelegten rechtlichen Erwägungen hat dieses Gesetz keinen Einfluss. Insbesondere hat es nichts an der Leistungspflicht der
GKV in Fällen von Systemversagen geändert.
Schließlich kann die Beklagte auch nicht mit Erfolg auf die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte zum Beihilferecht verweisen. Diese betont gerade die gravierenden Systemunterschiede zwischen dem Beihilferecht und dem Recht der
GKV, wonach der Beihilfeberechtigte eher als der gesetzlich Krankenversicherte auf die Eigenvorsorge verwiesen werden könne (vgl Niedersächsisches
OVG 21. September 2005 - 2 LB 118/03, zitiert nach Juris Rn 36)
3. Von dem danach verbleibenden Anspruch auf Erstattung von 132
EUR war gemäß
§ 33 Abs 8 SGB V eine einmalige Zuzahlung iHv 10
EUR abzuziehen. Die Zuzahlungspflicht bestand bereits bei Antragstellung des Klägers im November 2004 (damals noch gemäß § 33 Abs 2 Satz 5
SGB V idF von Art 1 des Gesetzes v 20. Dezember 1988, BGBl I S 2477). Die Versorgung mit den beiden Matratzenschonern beruht auf einer einheitlichen Verordnung und ist auch für die Zuzahlungspflicht als Einheit anzusehen.
4. Die Revision war gemäß § 160 Abs 2 Nr 1
SGG zuzulassen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193
SGG.