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Urteil
Antrag auf Rundfunkgebührenbefreiung

Gericht:

OVG Nordrhein-Westfalen 16. Senat


Aktenzeichen:

16 E 1113/12


Urteil vom:

19.02.2013


Grundlage:

Leitsatz:

Jedenfalls dann, wenn ein von der Rundfunkgebührenpflicht befreiter Rundfunkteilnehmer kurz vor dem Ablauf des Befreiungszeitraums der Landesrundfunkanstalt bzw. der GEZ einen Bescheid oder ein Bestätigungsschreiben übermittelt, das dem betreffenden Rundfunkteilnehmer zugeordnet werden kann und aus dem das Vorliegen eines Befreiungstatbestands i. S. v. § 6 Abs. 1 Satz 1 RundfGebStV auch für einen Folgezeitraum hervorgeht, kann vom Vorliegen eines wirksamen Antrags auf weitere Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht ausgegangen werden.

Quelle: Behindertenrecht 04/2013

Rechtsweg:

VG Münster Beschluss vom 16. Oktober 2012 - 7 K 2263

Quelle:

Justizportal des Landes NRW

Tenor:

Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Münster vom 16. Oktober 2012 geändert. Dem Kläger wird für das erstinstanzliche Klageverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt S. T. aus N. beigeordnet.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtskostenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

Die Beschwerde des Antragstellers ist begründet. Er kann für die Durchführung des erstinstanzlichen Klageverfahrens die Bewilligung von Prozesskostenhilfe einschließlich der Beiordnung eines Rechtsanwalts beanspruchen (§ 166 VwGO i. V. m. den §§ 114 Satz 1, 115, 117, 119 Abs. 1 und 121 Abs. 2 ZPO). Dem steht insbesondere nicht entgegen, dass die Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg böte. Denn es spricht Beträchtliches dafür, dass dem Anspruch des Klägers auf Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht für die Zeit vom 1. Mai 2011 bis zum 31. Juli 2011 nicht das Fehlen eines rechtzeitigen, also noch vor dem Beginn des genannten Befreiungszeitraums gestellten Befreiungsantrags entgegengehalten werden kann.

Der Senat kann sich allerdings nicht davon überzeugen, dass der Kläger im April 2011 statt der bloßen Bestätigung des Leistungsträgers über den Bezug von Leistungen nach dem SGB II auch ein unterschriebenes Anschreiben übersandt hat, das zwanglos auch ohne die Verwendung des dafür eingeführten Formulars als schriftlicher Befreiungsantrag zu verstehen wäre. Hiergegen spricht nicht nur das Nichtvorhandensein eines solchen Anschreibens im Verwaltungsvorgang des Beklagten. Vielmehr hat der Kläger auch im nachfolgenden Schriftverkehr mit dem Beklagten zunächst - so in seinen Schreiben vom 26. Juli 2011, vom 30. August 2011, vom 17. Oktober 2011 und vom 20. Dezember 2011 - stets nur vorgetragen, er habe fristgerecht die "Beitragsbefreiungsbescheinigung" vom Jobcenter N. übersandt; außerdem müsse dem Beklagten sein "bereits genehmigter Antrag auf Beitragsbefreiung" vorliegen, womit der vorangegangene formblattmäßige Antrag des Klägers vom 14. Oktober 2010 gemeint gewesen sein dürfte, der zu einer Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht in der Zeit vom 1. November 2010 bis zum 30. April 2011 geführt hatte. Auch das erste anwaltliche Schreiben an den Beklagten vom 16. Januar 2012 sowie das Widerspruchsschreiben vom 19. April 2012 erwähnten lediglich, dass der Kläger "zum Zwecke der Verlängerung der Beitragsbefreiung ... eine Beitragsbefreiungsbescheinigung des Jobcenters N. eingereicht" habe, wobei im letztgenannten Schreiben auch noch ausgeführt war, der Kläger sei davon ausgegangen, dass das Einreichen einer solchen Bescheinigung angesichts des zuvor gestellten und positiv beschiedenen Antrags ausreiche und es "der formalen Stellung eines erneuten Antrags nicht mehr bedurfte". Entsprechende Ausführungen fanden sich schließlich auch noch in der Klageschrift vom 16. Juli 2012. Erst in dem weiteren Schriftsatz vom 3. September 2012 erwähnte der Kläger erstmals, er habe die Bestätigung des Jobcenters N. zusammen mit einem von ihm unterzeichneten Anschreiben übersandt. Das erweckt in der Gegenüberstellung mit den vorangegangenen Einlassungen des Klägers den Eindruck einer an den Verfahrens bzw. Erkenntnisstand angepassten Steigerung des Vorbringens.

Allerdings kommt in Betracht, schon die Übermittlung der Bestätigung des Leistungsträgers über den Bezug von Leistungen nach dem SGB II als ausreichende Antragstellung anzusehen. Der Senat hat schon in der Vergangenheit allerdings beiläufig die grundsätzliche Möglichkeit anerkannt, einen wirksamen Antrag auf Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht auch durch die bloße Übersendung eines für die Befreiung erforderlichen Bewilligungsbescheides i. S. v. § 6 Abs. 1 RundfGebStV dem ein Bestätigungsschreiben des Trägers der jeweiligen Sozialleistung gleichsteht zu stellen.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 1. April 2008 16 A 3571/06 und vom 13. Februar 2012 - 16 E 1157/11 ; anderer Ansicht Gall/Siekmann, in: Hahn/Vesting, Kommentar zum Rundfunkrecht, 3. Aufl. (2012), § 6 RGebStV Rn. 13 bis 15, m. w. N.; Bayerischer VGH. VGH, Beschluss vom 11. Mai 2011 - 7 C 11.232 , juris, Rn. 4 f.

Dafür spricht, dass weder der Rundfunkgebührenstaatsvertrag noch andere gegebenenfalls ergänzend heranzuziehende Vorschriften wie etwa das Verwaltungsverfahrensgesetz NRW eine bestimmte Form für einen Befreiungsantrag vorsehen. Insbesondere kommt nicht zum Ausdruck, dass der Antrag in Schriftform gestellt werden muss, was im Normalfall eine eigenhändige Unterzeichnung des Antragsschreibens voraussetzen würde (§ 126 Abs. 1 BGB). Auch anderslautenden Hinweisen des Beklagten bzw. der für ihn handelnden GEZ kommt ungeachtet ihrer Sinnhaftigkeit für die Gewährleistung eines Missverständnisse und unnötige Verzögerungen vermeidenden Befreiungsverfahrens keine normative Verbindlichkeit zu. Dabei verkennt der Senat nicht, dass die bloße Übersendung eines Leistungsbescheides oder einer Bestätigung des Sozialleistungsträgers vielfach keine klare Zuordnung zu einem bestimmten Rundfunkteilnehmer ermöglichen dürfte, insbesondere wenn dieser es auch unterlässt, wenigstens seine Teilnehmernummer mitzuteilen. Daher erscheint der so vorgehende Rundfunkteilnehmer grundsätzlich nicht schutzwürdig, wenn er eine Antragstellung durch bloße formlose Bescheid bzw. Bestätigungsübersendung behauptet, diese aber anhand der Verwaltungsakte des Beklagten nicht nachvollzogen und auch anderweitig nicht bewiesen werden kann; der Rundfunkteilnehmer muss dann das Risiko einer solcherart vereinfachten Antragstellung tragen. Daraus kann aber vermutlich nicht weitergehend abgeleitet werden, dass bei wie vorliegend gelungener Zuordnung des Bescheides bzw. der Bestätigung zu einem bestimmten Rundfunkteilnehmer gleichwohl kein rechtswirksamer Befreiungsantrag vorliegt. An der Eindeutigkeit und gewollten Rechtsverbindlichkeit kann im Falle einer solchen konkludenten Antragstellung nicht ernsthaft gezweifelt werden. Vor allem wenn sich wie vorliegend die Übersendung einer Bestätigung des Leistungsträgers zeitlich eng an die Benachrichtigung der GEZ vom bevorstehenden Ende des laufenden Befreiungszeitraums anschließt, lässt die Übersendung der Bestätigung ohne weiteres auf den Wunsch und Willen des betreffenden Rundfunkteilnehmers schließen, für den aus der Bestätigung hervorgehenden Zeitraum eine weitere Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht zu erreichen. Die vom Beklagten ins Feld geführte Missbrauchsgefahr hält der Senat für vernachlässigbar. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Antrag auf Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht durch einen unbefugten Dritten gestellt wird, der zufällig auch noch in den Besitz eines den Rundfunkteilnehmer betreffenden Bewilligungsbescheides bzw. Bestätigungsschreibens gelangt ist, dürfte gegen Null tendieren.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 188 Satz 2 VwGO sowie aus § 166 VwGO i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Referenznummer:

R/R5790


Informationsstand: 03.07.2013